Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 02.04.2014


BGH 02.04.2014 - IV ZR 156/13

Rechtsschutzversicherung: Kostendeckungsschutz für die Geltendmachung sicherungshalber abgetretener Ansprüche


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
02.04.2014
Aktenzeichen:
IV ZR 156/13
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend LG München I, 11. April 2013, Az: 31 S 6400/12vorgehend AG München, 22. Februar 2012, Az: 233 C 21242/11
Zitierte Gesetze
§ 3 Abs 4 Buchst d ARB 2003

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts München I - 31. Zivilkammer - vom 11. April 2013 aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 22. Februar 2012 zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Feststellung, der beklagte Rechtsschutzversicherer müsse ihr für eine Auseinandersetzung mit ihrem früheren Lebensversicherer um die Rückzahlung von Versicherungsprämien Deckungsschutz gewähren.

2

Die Klägerin unterhält bei der Beklagten eine Rechtsschutzversicherung, welcher Rechtsschutzversicherungsbedingungen der Beklagten (ARB-RU 2003) zugrunde liegen. Darin ist unter anderem bestimmt:

"§ 17 Verhalten nach Eintritt eines Rechtsschutzfalls (...)

(3) Macht der Versicherungsnehmer den Rechtsanspruch geltend, hat er den Versicherer vollständig und wahrheitsgemäß über sämtliche Umstände des Rechtsschutzfalls zu unterrichten sowie Beweismittel anzugeben und Unterlagen auf Verlangen zur Verfügung zu stellen.

(.)

(6) Wird eine der in den Absätzen 3 oder 5 genannten Obliegenheiten verletzt, verliert der Versicherungsnehmer seinen Versicherungsschutz, es sei denn, er hat die Obliegenheit weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt. Bei grob fahrlässiger Verletzung behält der Versicherungsnehmer insoweit seinen Versicherungsschutz, als die Verletzung weder Einfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Bemessung der Leistung gehabt hat.

Bei vorsätzlicher Verletzung behält der Versicherungsnehmer in den Fällen der Sätze 1 und 2 seinen Versicherungsschutz insoweit nur, wenn die Verletzung nicht geeignet war, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu beeinträchtigen, oder wenn den Versicherungsnehmer kein erhebliches Verschulden trifft."

3

Eine gemäß Art. 1 Abs. 3 EGVVG mögliche Anpassung der ARB-RU 2003 an die Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 23. November 2007 (BGBl. I 2631) nahm die Beklagte nicht vor.

4

Mit anwaltlichem Schreiben vom 31. Mai 2010 bat die Klägerin um Deckungsschutz für das außergerichtliche und erstinstanzliche Vorgehen gegen die Lebensversicherung von 1...                       (im Folgenden: Lebensversicherer).

5

Die Klägerin hatte bei dieser im Zeitraum vom 1. April 2006 bis zum 14. Juni 2010 eine fondsgebundene Rentenversicherung unterhalten. Vor dem oben genannten Rechtsschutzersuchen und der Kündigung des Rentenversicherungsvertrages hatte die Klägerin im Mai 2010 zur Wahrnehmung ihrer Rechte gegenüber dem Lebensversicherer mit der ...        AG (im Folgenden: ...              ) einen "Prozessbetreuungsvertrag" abgeschlossen, in dessen Rahmen unstreitig die Ansprüche der Klägerin gegen ihren Lebensversicherer sicherungshalber an die … abgetreten worden waren.

6

Mit diesem Vertrag war die ...           unter anderem beauftragt worden, den Rentenversicherungsvertrag umgehend zu kündigen.

7

Zeitgleich mit der vorgenannten Deckungsanfrage, d.h. ebenfalls mit anwaltlichem Schreiben vom 31. Mai 2010 ließ die Klägerin den Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F. und die Kündigung des Rentenversicherungsvertrages erklären. Der Lebensversicherer erkannte nur die Kündigung an und zahlte den Rückkaufswert an die Klägerin aus.

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Am 2. November 2010 bewilligte die Beklagte der Klägerin zunächst Rechtsschutz für die außergerichtliche Geltendmachung weiterer Ansprüche gegen den Lebensversicherer. Mit einer zweiten Deckungsanfrage bat die Klägerin im März 2011 um Rechtsschutz für die gerichtliche Geltendmachung ihrer Ansprüche gegen den Lebensversicherer in erster Instanz. Das lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 24. Juni 2011 unter Berufung auf eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung der Auskunfts- und Aufklärungsobliegenheit durch die Klägerin und auf fehlende hinreichende Erfolgsaussichten ab.

9

Daran hat die Beklagte auch im Rechtsstreit festgehalten. Im Berufungsrechtszug hat sie darüber hinaus geltend gemacht, im Verschweigen des Prozessbetreuungsvertrages, von dem sie erst im März 2012 er- fahren habe, und der Abtretung der Ansprüche der Klägerin gegen den Lebensversicherer an die ...        liege eine weitere - vorsätzliche - Verletzung der Auskunfts- und Aufklärungsobliegenheit (§ 17 (3) ARB- RU 2003). Außerdem greife der Risikoausschluss für die Geltendmachung von Ansprüchen anderer Personen im eigenen Namen (§ 3 (4) d) ARB-RU 2003) sowie § 5 (3) g) ARB-RU 2003 ein, wonach der Versicherer nicht die Kosten trägt, zu deren Übernahme ein anderer verpflichtet wäre, wenn der Rechtsschutzversicherungsvertrag nicht bestünde.

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Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und antragsgemäß festgestellt, die Beklagte sei verpflichtet, der Klägerin für die erstinstanzliche gerichtliche Geltendmachung von Rückforderungsansprüchen gegen ihren Lebensversicherer Versicherungsschutz zu gewähren. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, die die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung begehrt.

Entscheidungsgründe

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Das Rechtsmittel hat Erfolg.

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I. Das Berufungsgericht hat die Klage zum einen deshalb abgewiesen, weil die Klägerin infolge der Sicherungsabtretung der gegen ihren Lebensversicherer gerichteten Ansprüche an die ...            nicht mehr aktiv legitimiert sei. Diese Abtretung sei wirksam, da der Rentenversicherungsvertrag der Klägerin in § 20 der Versicherungsbedingungen die Wirksamkeit der Abtretung nicht von deren Anzeige an den Lebensversicherer abhängig mache.

13

Zum anderen hat das Berufungsgericht angenommen, die Beklagte sei nach § 6 Abs. 3 Satz 1 VVG a.F. leistungsfrei, weil die Klägerin ihre Auskunftsobliegenheit aus § 17 (3) ARB-RU 2003 vorsätzlich verletzt habe, indem sie der Beklagten den Prozessbetreuungsvertrag mit der ...            und die darin vereinbarte Sicherungsabtretung nicht offengelegt habe.

14

Als Versicherungsfall des im Streit befindlichen Deckungsverlangens sei gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. und § 2 Buchst. d aa, § 4 (1) a) ARB-RU 2003 die unvollständige Information der Klägerin durch den Lebensversicherer bei Abschluss ihrer Rentenversicherung im März 2006 heranzuziehen. Mithin finde das Versicherungsvertragsgesetz in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung Anwendung und die in § 17 (3) ARB-RU 2003 getroffene Obliegenheitenregelung stehe nicht in Widerspruch zur hier maßgeblichen Fassung des Versicherungsvertragsgesetzes.

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II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Beklagte ist nach den §§ 1, 2 d) aa, 4 (1) Satz 1 a) ARB-RU 2003 vertraglich verpflichtet, der Klägerin den begehrten Deckungsschutz für die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Lebensversicherer in erster Instanz zu gewähren.

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1. Soweit das Berufungsgericht der Klägerin für den vorliegenden Rechtsstreit die Aktivlegitimation abgesprochen hat, verkennt es bereits, dass Gegenstand einer Abtretung allein Ansprüche der Klägerin gegen ihren Lebensversicherer waren. Ansprüche aus der Rechtsschutzversicherung, um die es hier geht, hat die Klägerin unstreitig nicht abgetreten. Sie kann ihren Deckungsanspruch deshalb ungeachtet einer Abtretung derjenigen Ansprüche, für deren Verfolgung sie Rechtsschutz begehrt, gegen den beklagten Rechtsschutzversicherer im eigenen Namen geltend machen und ist mithin im Rechtsstreit mit der Beklagten uneingeschränkt aktiv legitimiert.

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Die Beklagte könnte sich allenfalls auf den Leistungsausschluss nach § 3 (4) d) ARB-RU 2003 berufen, wonach Rechtsschutz nicht besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus vom Versicherungsnehmer in eigenem Namen geltend gemachten Ansprüchen anderer Personen. Die im Prozessbetreuungsvertrag unstreitig vereinbarte Sicherungszession macht die der ...         sicherungshalber abgetretenen Ansprüche der Klägerin gegen ihren Lebensversicherer aber nicht zu solchen Ansprüchen einer "anderen Person". Das ergibt die gebotene enge Auslegung der Leistungsausschlussklausel.

18

Der Zweck des § 3 (4) d) ARB-RU 2003, der vor allem auf Fälle der gewillkürten Prozessstandschaft und der Schadensliquidation im Drittinteresse zielt (Plote in van Bühren/Plote, ARB 3. Aufl. § 3 ARB 2010 Rn. 128; Bultmann in Terbille/Höra, Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht 3. Aufl. § 27 Rn. 254), geht erkennbar dahin zu verhindern, dass ein nicht versicherter eigentlicher Rechtsinhaber in den Genuss der Rechtsschutzleistung kommt, indem er an seine Stelle eine rechtsschutzversicherte Person treten lässt, die den Anspruch geltend macht (Senatsurteile vom 29. Oktober 2008 - IV ZR 128/07, VersR 2009, 216 Rn. 17; vom 29. April 1998 - IV ZR 21/97, NJW 1998, 2449 unter 2 a). Der Rechtsschutzversicherer soll nicht durch eine solche nachträgliche Nutzung rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten mit einem Kostenrisiko belastet werden, für das er keine Prämien erhalten hat (Senatsurteil vom 29. Oktober 2008 aaO). Unter Berücksichtigung dessen hat der Senat die Klausel bereits einschränkend dahin ausgelegt, dass sie weder den Fall einer Fremdversicherung erfasst, bei der es von vornherein Sache des Versicherungsnehmers ist, die Rechte des Mitversicherten geltend zu machen (Senatsurteil vom 29. April 1998 aaO unter 2 b), noch die Geltendmachung eines fremden Anspruchs nach dessen Pfändung und Überweisung, weil hier der rechtsschutzversicherte Pfändungspfandgläubiger im eigenen Interesse handelt (Senatsurteil vom 29. Oktober 2008 aaO Rn. 18 zum vergleichbaren Ausschluss des § 4 Abs. 2 c ARB 92).

19

Im Streitfall ist der Schutzzweck des § 3 (4) d) ARB-RU 2003 ebenso wenig berührt, auch wenn im Grundsatz Fälle gewillkürter Prozessstandschaft von der Klausel erfasst werden. Eine Verlagerung der Prozesskostenlast von einer nicht versicherten Person auf die Versicherungsnehmerin - und damit letztlich auf den Rechtsschutzversicherer - ist hier nicht erfolgt. Vielmehr begehrt die Klägerin als Versicherungsnehmerin Rechtsschutz für die Verfolgung originär eigener Ansprüche aus ihrem Rentenversicherungsvertrag. Auch nach deren Sicherungsabtretung sind diese Ansprüche wirtschaftlich weiterhin der Klägerin zuzuordnen. Der Prozessbetreuungsvertrag und die dort vereinbarte Sicherungsabtretung von Ansprüchen gegen den Lebensversicherer sollen lediglich deren Durchsetzung im Interesse der Klägerin erleichtern. Sie bezwecken nicht, dem Rechtsschutzversicherer zusätzliche, ursprünglich nicht versicherte Risiken aufzubürden. Von einer dem Vertragszweck der Rechtsschutzversicherung zuwider laufenden Verlagerung eines ursprünglich nicht versicherten Risikos auf eine versicherte Person kann mithin keine Rede sein.

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2. Anders als das Berufungsgericht angenommen hat, kommt eine Leistungsfreiheit der Beklagten auch nicht wegen einer vorsätzlichen Verletzung der Informationspflicht aus § 17 (3) ARB-RU 2003 in Betracht. Dabei kann offen bleiben, ob die Klägerin ihre Auskunftsobliegenheit verletzt hat, denn jedenfalls ist die von der Beklagten nicht gemäß Art. 1 Abs. 3 EGVVG an das neue Versicherungsvertragsgesetz angepasste Sanktionsregelung in § 17 (6) ARB-RU 2003 unwirksam.

21

a) Sie weicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers von der Neuregelung des § 28 VVG ab. Die Rechtsfolgenregelung in § 17 (6) Satz 1 und 2 ARB-RU 2003 beruht noch auf den gesetzlichen Vorgaben des § 6 Abs. 3 VVG a.F. (vgl. Harbauer/Bauer, Rechtsschutzversicherung 8. Aufl. § 17 ARB 2000 Rn. 78); Satz 3 setzt die hierzu entwickelte Relevanzrechtsprechung (vgl. Senatsurteile vom 16. Januar 1970 - IV ZR 645/68, BGHZ 53, 160, 164; vom 24. Juni 1981 - IVa ZR 133/80, VersR 1982, 182, 183 m.w.N.) um.

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aa) Soweit das Berufungsgericht mit Blick auf die Frage einer Obliegenheitsverletzung das Versicherungsvertragsgesetz in seiner bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung angewendet hat, beruht dies auf einer unzutreffenden Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunktes des Versicherungsfalles. Der Streitfall ist nach § 28 VVG n.F. zu beurteilen, weil der Versicherungsfall erst im Jahr 2010 eingetreten ist (Art. 1 Abs. 1, 2 EGVVG). Anspruch auf Rechtsschutz besteht nach § 4 (1) Satz 1 a) ARB-RU 2003 "grundsätzlich von dem Zeitpunkt an, in dem der Versicherungsnehmer oder ein anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll." Begehrt der Versicherungsnehmer Rechtsschutz für die Geltendmachung eigener Ansprüche, kommt als frühestmöglicher Zeitpunkt das dem Anspruchsgegner vorgeworfene pflichtwidrige Verhalten in Betracht, aus dem der Versicherungsnehmer seinen Anspruch herleitet (Senatsurteil vom 24. April 2013 - IV ZR 23/12, VersR 2013, 899 Rn. 12 m.w.N.). Das ist hier nicht - wie das Berufungsgericht angenommen hat - die unzureichende Information der Klägerin bei Abschluss ihrer Rentenversicherung im Jahre 2006, sondern erst die Weigerung des Lebensversicherers, den mit Schreiben vom 31. Mai 2010 erklärten Widerspruch gegen den Rentenversicherungsvertrag anzuerkennen und die Differenz aus Prämienzahlung und Rückkaufswert zurückzuzahlen (vgl. dazu Senatsurteil aaO Rn. 13-17).

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bb) § 17 (6) ARB-RU 2003 weicht entgegen § 32 Satz 1 VVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers von der halbzwingenden Regelung des § 28 Abs. 2 bis 4 VVG ab (ebenso Harbauer/Bauer, Rechtsschutzversicherung 8. Aufl. § 17 ARB 2000 Rn. 78). Das gilt nicht nur für die Rechtsfolgen einer grob fahrlässigen (dazu Senatsurteil vom 12. Oktober 2011 -IV ZR 199/10, BGHZ 191, 159), sondern auch für den Fall der vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung.

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(1) § 17 (6) Satz 1 ARB-RU 2003, der bei vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung grundsätzlich Leistungsfreiheit vorsieht, enthält eine im Vergleich zur gesetzlichen Neuregelung (§ 28 Abs. 2 Satz 1 VVG) für den Versicherungsnehmer nachteilige Beweislastverteilung. Nach § 28 Abs. 2 Satz 1 VVG trägt, was sich aus der Formulierung des Abs. 2 Satz 1 und im Umkehrschluss aus der Vermutung grober Fahrlässigkeit in Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ergibt, der Versicherer für den Vorsatz des Versicherungsnehmers die Beweislast (Prölss in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 28 Rn. 114; Rixecker in Römer/Langheid, VVG 4. Aufl. § 28 Rn. 67). Nach § 17 (6) Satz 1 ARB-RU 2003, dessen Formulierung sich an § 6 Abs. 3 Satz 1 VVG a.F. und der dortigen Vorsatzvermutung orientiert, hat hingegen der Versicherungsnehmer zu beweisen, dass er nicht vorsätzlich gehandelt hat (Harbauer/Bauer, Rechtsschutzversicherung 8. Aufl. § 17 ARB 2000 Rn. 117). Für den Versicherungsnehmer nachteilige Veränderungen der Beweislastverteilung gegenüber halbzwingenden Vorschriften sind unzulässig (Prölss in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 32 Rn. 1 i.V.m. § 28 Rn. 138; HK-VVG/Brömmelmeyer, 2. Aufl. § 18 Rn. 3).

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(2) Auch von der in § 28 Abs. 3 Satz 1 VVG n.F. getroffenen Kausalitätsregelung weicht § 17 (6) ARB-RU 2003, der noch am Sanktionsmodell des früheren § 6 VVG a.F. ausgerichtet ist, zum Nachteil des Versicherungsnehmers ab.

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In Abweichung von § 28 Abs. 4 VVG n.F. fehlt § 17 (6) ARB-RU 2003 zudem eine Regelung, wonach die Leistungsfreiheit bei Verletzung einer nach Eintritt des Versicherungsfalls bestehenden Aufklärungsobliegenheit voraussetzt, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen hat.

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b) Diese Abweichungen führen nach § 32 Satz 1 VVG n.F. i.V.m. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Unwirksamkeit des § 17 (6) ARB-RU 2003 (vgl. Senatsurteil vom 12. Oktober 2011 - IV ZR 199/10, BGHZ 191, 159 Rn. 19; Harbauer/Bauer, Rechtsschutzversicherung 8. Aufl. § 17 ARB 2000 Rn. 80). Die Abweichung von der halbzwingenden Vorschrift des § 28 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und 4 VVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers stellt eine unangemessene Benachteiligung dar (vgl. Senatsurteil aaO; Senatsurteil vom 28. Juni 1995 - IV ZR 19/94, VersR 1995, 1185 unter I 3 d bb; Senatsbeschluss vom 18. März 2009 - IV ZR 298/06, VersR 2009, 769 Rn. 8). Die Vorsatzvermutung in § 17 (6) Satz 1 ARB-RU 2003 sowie die Möglichkeit einer Leistungsfreiheit des Versicherers bei für ihn nicht konkret nachteiligen Obliegenheitsverletzungen nach § 17 (6) Satz 3 ARB-RU 2003 und einer Leistungsfreiheit, die unabhängig von einer Mitteilung der Rechtsfolgen der Obliegenheitsverletzung ei n-tritt, ist mit wesentlichen Grundgedanken des § 28 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und 4 VVG nicht zu vereinbaren. Der Hinweis der Revisionserwiderung darauf, dass die Obliegenheit arglistig verletzt worden sei, führt zu keinem anderen Ergebnis. Nicht an das neue Versicherungsvertragsgesetz angepasste Altbedingungen sind vielmehr unabhängig von der Art des Verschuldens im konkreten Fall unwirksam.

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c) Die durch die Unwirksamkeit des § 17 (6) ARB-RU 2003 entstandene Vertragslücke kann nicht durch Anwendung der gesetzlichen Regelung des § 28 Abs. 2 Satz 1 , Abs. 3 und 4 VVG geschlossen werden (Senatsurteil vom 12. Oktober 2011 - IV ZR 199/10, BGHZ 191, 159 Rn. 32 ff.; für den Fall einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung: OLG Celle VersR 2012, 753 unter 2 b cc). § 28 Abs. 2 Satz 1 VVG setzt eine vertragliche Vereinbarung voraus, die bestimmt, dass der Versicherer bei Verletzung einer vom Versicherungsnehmer zu erfüllenden vertraglichen Obliegenheit nicht zur Leistung verpflichtet ist (Senatsurteil aaO Rn. 34). An einer solchen Vereinbarung fehlt es aufgrund der Unwirksamkeit des § 17 (6) ARB-RU 2003. Ein Rückgriff auf § 28 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und 4 VVG über § 306 Abs. 2 BGB scheidet aus, weil es sich bei Art. 1 Abs. 3 EGVVG um eine gesetzliche Sonderregelung handelt, die in ihrem Anwendungsbereich die allgemeine Bestimmung des § 306 Abs. 2 BGB verdrängt. Mit der durch die Anpassungsmöglichkeit nach Art. 1 Abs. 3 EGVVG bezweckten Gewährleistung der Transparenz von Versicherungsbedingungen wäre eine Lückenfüllung durch Anwendung der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren (Senatsurteil aaO Rn. 35 ff.).

29

d) Auch für eine Anpassung des § 17 (6) ARB-RU 2003 an die durch § 28 VVG geänderte Rechtslage im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung ist kein Raum (Senatsurteil aaO Rn. 45 ff.; für den Fall einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung: OLG Celle VersR 2012, 753 unter 2 b dd).

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3. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig.

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a) Eine Ablehnung des Rechtsschutzes mangels hinreichender Erfolgsaussichten (§ 18 (1) b) Satz 1 ARB-RU 2003) kommt - wie das Berufungsgericht zutreffend gesehen hat - nicht in Betracht.

32

Auf fehlende hinreichende Erfolgsaussichten kann sich die Beklagte nach § 128 Satz 3 VVG nicht berufen. Hiernach gilt das Rechtsschutzbedürfnis als anerkannt, wenn der Versicherer den Versicherungsnehmer bei Verneinung seiner Leistungspflicht nicht gemäß § 128 Satz 2 VVG auf ein im Versicherungsvertrag vorgesehenes Gutachterverfahren i.S. von § 128 Satz 1 VVG hinweist oder der Versicherungsvertrag ein derartiges Verfahren nicht vorsieht. Nach den Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts, auf die das Berufungsurteil Bezug nimmt, hat sich die Beklagte auf Leistungsfreiheit wegen fehlender Erfolgsaussichten berufen, ohne über die Möglichkeit des in § 18 (2)-(6) ARB-RU 2003 vorgesehenen Stichentscheids- und Schiedsgutachterverfahrens aufzuklären. Ob dieses Verfahren als Gutachterverfahren oder vergleichbares Verfahren i.S. von § 128 Satz 1 VVG anzusehen ist, kann offen bleiben, weil die Rechtsfolge des Satzes 3 auch eintritt, wenn der Versicherungsvertrag kein entsprechendes Verfahren vorsieht.

33

Es kommt nicht darauf an, dass die Beklagte den nach § 128 Satz 2 VVG gebotenen Hinweis zwei Wochen nach ihrer Leistungsablehnung nachgeholt hat, nachdem sich die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben auf § 128 VVG berufen hatte. § 128 Satz 2 VVG schließt nach seinem eindeutigen Wortlaut eine Nachholung der Belehrung aus; der Versicherer hat den Hinweis "bei Verneinung seiner Leistungspflicht" zu erteilen. Dementsprechend bestimmt auch § 18 (2) Satz 1 ARB-RU 2003, der Versicherungsnehmer sei "mit der Mitteilung über die Rechtsschutzablehnung" auf das in § 18 (2) ARB-RU 2003 vorgesehene Stichentscheidsverfahren hinzuweisen.

34

Unerheblich ist ferner, dass die anwaltlichen Vertreter der Klägerin nach der Behauptung der Beklagten Kenntnis von dem Verfahren hatten. Allerdings wird teilweise angenommen, die Hinweispflicht entfalle, wenn der Versicherungsnehmer oder sein Rechtsanwalt die Möglichkeit des Stichentscheids- bzw. Schiedsgutachterverfahrens kenne, weil ein Hinweis in diesem Fall gemessen am Sinn und Zweck des § 158n VVG a.F. (= § 128 VVG n.F.) eine nicht gerechtfertigte Förmlichkeit sei (so OLG Karlsruhe VersR 1999, 613, 614 f. und unter Berufung auf diese Entscheidung: MünchKomm-VVG/Richter, § 128 Rn. 24; HK-VVG/Münkel, 2. Aufl. § 128 Rn. 4; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 128 Rn. 6; Obarowski in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 2. Aufl. § 37 Rn. 448; vgl. auch Hillmer-Möbius in Schwintowski/Brömmelmeyer, 2. Aufl. § 128 Rn. 14, der die Pflicht nur in Einzelfällen entfallen lassen will, wenn die Kenntnis zweifelsfrei angenommen werden kann). Eine solche Einschränkung der Hinweispflicht ist jedoch abzulehnen (so auch Rixecker in Römer/Langheid, VVG 4. Aufl. § 128 Rn. 5; Vogel in Looschelders/Pohlmann, VVG 2. Aufl. § 128 Rn. 12; Brünger in Fachanwaltskommentar Versicherungsrecht § 128 Rn. 9; Harbauer/Bauer, Rechtsschutzversicherung 8. Aufl. § 128 VVG Rn. 8; Buschbell in Buschbell/Hering, Handbuch Rechtsschutzversicherung 5. Aufl. § 33 Rn. 5; Bauer, NJW 2000, 1235, 1239; OLG Celle VersR 2002, 91, 92; OLG Hamm VersR 1999, 1362, 1363; OLG Köln NVersZ 2000, 590, 591). Der Hinweispflicht und der Anwendung des § 128 Satz 3 VVG bei unterlassenem Hinweis steht nicht entgegen, dass der Versicherungsnehmer oder sein Rechtsanwalt die Möglichkeit eines solchen Verfahrens kennt. Der Wortlaut des § 128 Satz 2 VVG sieht eine Einschränkung der Hinweispflicht aus subjektiven Gründen nicht vor; auch § 128 Satz 3 VVG knüpft die Fiktion der Anerkennung an rein objektive Kriterien. Die Hinweispflicht soll Klarheit darüber schaffen, aus welchen Gründen der Versicherer seine Deckungspflicht ablehnt, was eine Erfüllung unabhängig von der Kenntnis oder Unkenntnis des Empfängers erfordert (Vogel aaO). § 128 Satz 3 VVG sanktioniert bereits das Unterlassen der Mitteilung auch deshalb, weil ein Schadensersatzanspruch des Versicherungsnehmers keine hinreichende Gewähr für die Erfüllung der Pflicht böte (Armbrüster aaO Rn. 7).

35

b) Der Leistungsausschluss nach § 5 (3) g) ARB-RU 2003 für Kosten, "zu deren Übernahme ein anderer verpflichtet wäre, wenn der Rechtsschutzversicherungsvertrag nicht bestünde", greift nicht ein, weil hier keine Kostentragungspflicht eines anderen gegenüber der Klägerin besteht. Der Prozessbetreuungsvertrag, den die Klägerin mit der ... geschlossen hat, sieht, wie dem Senat aus vergleichbaren Verfahren bekannt ist, eine solche Kostentragungspflicht der ...        nicht vor.

Mayen                                       Wendt                                     Felsch

                Harsdorf-Gebhardt                        Dr. Karczewski