Entscheidungsdatum: 16.04.2014
Prämienansprüche aus sogenannten Altversicherungsverträgen, die im Jahre 2008 fällig werden, unterliegen der zweijährigen Verjährungsfrist des § 12 Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. Dabei kann offen bleiben, ob sich dieses Ergebnis aus Art. 1 Abs. 1 EGVVG i.V.m. § 12 VVG a.F. ergibt oder ob Art. 3 Abs. 1 EGVVG entsprechend anzuwenden ist. Im Falle der Anwendung von Art. 3 EGVVG sind auch die Regelungen über den Fristenvergleich in Art. 3 Abs. 2 und 3 EGVVG heranzuziehen.
Auf die Rechtsmittel der Beklagten zu 1 wird das Urteil des Oberlandesgerichts München - 25. Zivilsenat - vom 22. März 2013 aufgehoben und das Teilurteil des Landgerichts München I - 26. Zivilkammer - vom 2. August 2012 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Klägerin 785,88 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. Dezember 2011 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage gegen die Beklagte zu 1 abgewiesen.
Die Entscheidung über die Kosten der ersten Instanz bleibt dem Schlussurteil vorbehalten mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1, die die Klägerin zu 87% zu tragen hat.
Die Kosten der Berufungs- und der Revisionsinstanz hat die Klägerin zu tragen.
Von Rechts wegen
Die Klägerin macht gegen die Beklagte zu 1 und den an den Rechtsmittelverfahren nicht beteiligten Beklagten zu 2 Ansprüche auf rückständige Prämienzahlungen aus drei Versicherungsverträgen in Höhe von (ursprünglich) 6.130,10 € geltend. Die Beklagten waren Gesellschafter einer inzwischen aufgelösten Gesellschaft bürgerlichen Rechts (im Folgenden GbR), für die als Eigentümerin eines Einkaufszentrums mehrere Sachversicherungen bei der Klägerin abgeschlossen worden waren. Eine offene Versicherungsprämie in Höhe von 4.595,66 € entfällt auf eine Gebäude-Leitungswasser- und Gebäude-Sturmversicherung vom 11. Oktober 2002 für den Zeitraum 6. Oktober 2008 bis 6. Oktober 2009. Ausweislich des Versicherungsscheins vom 11. Oktober 2002 sind Vertragsbestandteile unter anderem die Allgemeinen Bedingungen für die Leitungswasserversicherung (im Folgenden AWB 87) und die Allgemeinen Bedingungen für die Sturmversicherung (im Folgenden AStB 87). Nach § 8 1. AWB 87 und § 8 1. AStB 87 hat der Versicherungsnehmer Folgeprämien am Ersten des Monats, in dem ein neues Versicherungsjahr beginnt, zu zahlen. Die ursprüngliche Versicherungsdauer lief vom 6. Oktober 2002 bis 6. Oktober 2007 mit einer stillschweigenden Verlängerung nach Ablauf der vereinbarten Dauer von Jahr zu Jahr, wenn nicht spätestens drei Monate vor Ablauf gekündigt wurde.
Die Klägerin beantragte am 11. August 2009 einen Mahnbescheid gegen die GbR. Dieser wurde am 17. August 2009 zugestellt. Am 31. August 2009 ging ein Widerspruch ein. Mit dem Mahngericht am 21. November 2011 zugegangenem Schreiben beantragte die Klägerin die Durchführung des streitigen Verfahrens, nahm die Klage gegen die GbR zurück und erweiterte die Klage auf die beiden Gesellschafter. Dieser Schriftsatz konnte dem Beklagten zu 2 bislang nicht zugestellt werden. Die Zustellung an die Beklagte zu 1 erfolgte am 15. Dezember 2011. Diese erhob die Einrede der Verjährung.
Das Landgericht hat die Beklagte zu 1 durch Teilurteil zur Zahlung von 5.381,54 € nebst Prozesszinsen verurteilt und die Klage gegen sie im Übrigen abgewiesen. Die Berufung der Beklagten zu 1, mit der diese ihre Verurteilung zu einer Zahlung von 785,88 € nebst Prozesszinsen und die Abweisung der Klage im Übrigen beantragt hat, ist ohne Erfolg geblieben. Dagegen wendet sich die Revision, mit der die Beklagte zu 1 ihre Berufungsanträge weiterverfolgt.
Die Revision hat Erfolg und führt zur Abweisung der Klage in Höhe eines weiteren Betrages von 4.595,66 € gegen die Beklagte zu 1.
I. Das Berufungsgericht, dessen Urteil in VersR 2013, 1245 abgedruckt ist, hat eine Verjährung für die allein noch zu beurteilende Forderung von 4.595,66 € aus der Gebäude-Leitungswasser- und Gebäude-Sturmversicherung für den Zeitraum vom 6. Oktober 2008 bis 6. Oktober 2009 verneint. Die maßgebliche Verjährungsfrist des § 195 BGB von drei Jahren gelte gemäß Art. 3 Abs. 1 EGVVG grundsätzlich für alle Ansprüche, die am 1. Januar 2008 noch nicht verjährt gewesen seien. Bei Art. 3 EGVVG sei allerdings nur dessen Absatz 1 heranzuziehen. Der Verzicht auf die Anwendung der Absätze 2 und 3 von Art. 3 EGVVG mit dem dort vorgesehenen Fristenvergleich stehe zwar in Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den entsprechenden Überleitungsvorschriften des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes (Urteil vom 26. Oktober 2005 - VIII ZR 359/04, NJW 2006, 44). Dies rechtfertige sich aber zum einen schon aus Unterschieden in der Formulierung und der Reichweite des Art. 3 Abs. 1 EGVVG gegenüber Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB. Zum anderen beträfen die Überleitungsvorschriften zum Versicherungsrecht nicht nur ausnahmsweise, sondern regelmäßig Dauerschuldverhältnisse und dort wiederkehrende, in die Zukunft gerichtete Ansprüche. Bereits die Formulierung des Art. 3 Abs. 1 EGVVG lasse von vornherein und nicht erst im Wege eines Erst-Recht-Schlusses die Einbeziehung noch nicht entstandener Ansprüche in die Überleitungsvorschrift zu. In den nachfolgenden Absätzen 2 und 3 finde sich ebenfalls schon im Wortlaut ein Hinweis darauf, dass der dort geregelte Fristenvergleich - anders als Absatz 1 - auf bereits laufende Verjährungsfristen beschränkt sein solle. Ferner entspreche es der Intention des Gesetzgebers, wie sie auch in Art. 1 Abs. 1 EGVVG zum Ausdruck komme, dass auf Altverträge nicht unter Umständen noch jahrzehntelang das alte Versicherungsvertragsgesetz angewendet werden solle. Gemäß Art. 3 EGVVG solle das neue Recht in Form der einheitlichen dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB für Altverträge nicht erst nach einer Übergangszeit von einem Jahr, sondern sofort ab 1. Januar 2008 gelten, soweit Ansprüche an diesem Stichtag nicht bereits verjährt seien. Gegen eine Anwendung des Fristenvergleichs in Art. 3 Abs. 2 und 3 EGVVG spreche schließlich der Sinn und Zweck der Regelung. Gründe des Vertrauensschutzes ließen sich nicht ohne weiteres auf die im Versicherungsrecht typischerweise in Rede stehenden Fälle von Prämienrückständen übertragen, die durch die Vertragsfortführung in wiederkehrenden Abständen regelmäßig neu entstünden.
II. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand; die streitgegenständliche Forderung ist verjährt.
1. Gemäß Art. 1 Abs. 1 EGVVG findet auf Versicherungsverhältnisse, die bis zum Inkrafttreten des Versicherungsvertragsgesetzes vom 23. November 2007 am 1. Januar 2008 entstanden sind (Altverträge), das Gesetz über den Versicherungsvertrag in der bis dahin geltenden Fassung bis zum 31. Dezember 2008 Anwendung, soweit in Absatz 2 und den Art. 2 bis 6 nichts anderes bestimmt ist. Zu Recht stellt das Berufungsgericht insoweit darauf ab, dass es sich hier um einen Altvertrag handelt, weil die automatische Vertragsverlängerung nicht als Neuabschluss zu verstehen ist (vgl. Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. Art. 1 EGVVG Rn. 14). Maßgeblich für einen Neuabschluss ist, dass der Vertragswille deutlich zum Ausdruck gebracht und zumindest ein wesentliches Merkmal des Versicherungsvertrages erheblich geändert wird. Das ist bei einer automatischen Verlängerung infolge von Nichtkündigung nicht der Fall, weil hierfür keine Willensbetätigung des Versicherungsnehmers erforderlich ist (Armbrüster aaO).
2. Die streitgegenständliche Forderung ist in jedem Fall verjährt, unabhängig davon, ob sich die Verjährung nach Art. 1 Abs. 1 EGVVG i.V.m. § 12 Abs. 1 VVG a.F. (nachfolgend zu a) oder nach Art. 3 EGVVG (nachfolgend zu b) richtet.
a) Auf der Grundlage des Art. 1 Abs. 1 EGVVG ist die Forderung verjährt. Sie wurde am 6. Oktober 2008 fällig: Der Versicherungsnehmer hat nach § 8 1. AWB 87/AStB 87 die Folgeprämie am Ersten des Monats zu zahlen, in dem ein neues Versicherungsjahr (hier: 6. Oktober 2008 bis 6. Oktober 2009) beginnt. Da die Fälligkeit vor dem Zeitpunkt der Anwendung des neuen VVG auf Altverträge am 31. Dezember 2008 liegt, gilt über Art. 1 Abs. 1 EGVVG die Regelung des § 12 Abs. 1 VVG a.F. Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 VVG a.F. beginnt die Verjährung mit dem Schluss des Jahres, in welchem die Leistung verlangt werden kann. Sie knüpft an die Fälligkeit und nicht die Entstehung von Ansprüchen an (vgl. Prölss in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 12 Rn. 5, 11; Römer in Römer/Langheid, VVG 2. Aufl. § 12 Rn. 4, 8). Danach begann die Verjährungsfrist am 31. Dezember 2008 und endete am 31. Dezember 2010.
Ob und inwiefern der Mahnbescheid gegen die GbR Hemmungswirkung entfalten kann, wenn nach ihrer Auflösung nunmehr die Klage auf die Gesellschafter erweitert wird, hat auf die Verjährungsfrage keinen Einfluss. Die Klägerin hat nach Zustellung des Mahnbescheids am 20. August 2009 mit der Wirkung des § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB das Verfahren seit dem 21. September 2009 - seit der Nachricht über den Gesamtwiderspruch durch das Mahngericht - dadurch i.S. von § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB in Stillstand geraten lassen, dass sie den Anspruch erst am 21. November 2011 begründet hat. Die Hemmung endete deshalb gemäß § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB sechs Monate nach dem 21. September 2009. Wird nach § 209 BGB der Zeitraum von sieben Monaten und einem Tag vom 20. August 2009 bis zum 21. März 2010 in die Verjährung nicht eingerechnet, so endete diese Anfang August 2011. Damit war Verjährung eingetreten, als das Verfahren durch den Schriftsatz der Klägerin, der dem Mahngericht am 21. November 2011 zugegangen und der Beklagten zu 1 am 15. Dezember 2011 zugestellt worden ist, seinen Fortgang nahm.
b) Nichts anderes ergibt sich unter Anwendung der Übergangsregel des Art. 3 EGVVG für das Verjährungsrecht.
aa) Unmittelbar findet die Regelung keine Anwendung. Gemäß Art. 3 Abs. 1 EGVVG ist § 195 BGB auf Ansprüche anzuwenden, die am 1. Januar 2008 noch nicht verjährt sind. Ob diese Ansprüche nur entstanden oder schon fällig sein müssen, bleibt offen.
Nach der Entstehungsgeschichte zu Art. 3 Abs. 1 EGVVG (BR-Drucks. 707/06 S. 297) muss es sich um "bestehende Ansprüche" handeln, wobei mit Art. 3 EGVVG die Überleitungsregel des Art. 229 § 6 EGBGB zum Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) aufgegriffen werden soll. Art. 229 § 6 EGBGB spricht von "bestehenden und noch nicht verjährten" Ansprüchen. Dies wird dahin verstanden, dass der Anspruch lediglich bestanden haben muss, er jedoch noch nicht i.S. des § 199 BGB entstanden zu sein braucht, d.h. fällig sein muss (MünchKomm-BGB/Grothe, 5. Aufl. Art. 229 § 6 EGBGB Rn. 1).
Maßgeblich für das Bestehen des Anspruchs ist nicht das Zustandekommen des zugrunde liegenden Versicherungsvertrages (Brand in Looschelders/Pohlmann, VVG 2. Aufl. Art. 3 EGVVG Rn. 2; Neuhaus, r+s 2007, 441, 444). Folglich geht es allein darum, wann der Prämienanspruch für den Versicherungszeitraum 6. Oktober 2008 bis 6. Oktober 2009 - ohne fällig sein zu müssen - entstanden ist. Zur Entstehung eines Anspruchs gehört, dass dieser nach Inhalt, Gläubiger und Schuldner bestimmt ist (Staudinger/Peters/Jacoby, BGB Neubearb. 2009 § 194 Rn. 8). Eine solche Bestimmtheit ist für die ursprüngliche Vertragsdauer vom 6. Oktober 2002 bis zum 6. Oktober 2007 und die hieraus resultierenden Prämienansprüche schon mit Vertragsschluss anzunehmen. Für die Folgezeiträume hängt das Weiterbestehen der Versicherung und damit die Entstehung weiterer Prämien davon ab, dass der Vertrag nicht durch Kündigung beendet wird. Aus dieser Verlängerungsabrede folgt, dass der Prämienanspruch für den Versicherungszeitraum 6. Oktober 2008 bis 6. Oktober 2009 zu dem Zeitpunkt entstanden ist, als die Kündigungsfrist für diesen Zeitraum verstrichen war und der Vertrag weitergeführt wurde. Das war der 7. Juli 2008 nach dem Stichtag des Art. 3 Abs. 1 EGVVG. Vom Wortlaut der Bestimmung wird - wie auch die Revisionsbegründung einräumt - der Anspruch nicht erfasst.
bb) Allerdings kommt eine analoge Geltung von Art. 3 Abs. 1 EGVVG auf die hier zu beurteilende Fallkonstellation in Betracht, weil nach dem Willen des Gesetzgebers Art. 229 § 6 EGBGB ausdrücklich Vorbild für die Regelung des Art. 3 EGVVG sein soll (BR-Drucks. 707/06 S. 297).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB lex specialis zur allgemeinen Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 5 EGBGB (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2005 - VIII ZR 359/04, NJW 2006, 44 Rn. 9; vom 19. Januar 2005 - VIII ZR 114/04, BGHZ 162, 30 unter II 2 b; ebenso MünchKomm-BGB/Grothe, 5. Aufl. Art. 229 § 6 EGBGB Rn. 2; Palandt/Ellenberger, BGB 73. Aufl. Art. 229 EGBGB § 6 Rn. 3). Bei Übertragung dieser Betrachtung auf das EGVVG wäre Art. 3 Abs. 1 EGVVG als Spezialvorschrift zu Art. 1 Abs. 1 EGVVG aufzufassen. Für Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB ist zumindest eine entsprechende Geltung für solche Ansprüche anerkannt, die erst nach dem 1. Januar 2002 entstanden sind (BGH, Urteile vom 26. Oktober 2005 - VIII ZR 359/04, NJW 2006, 44 Rn. 12; vom 19. Januar 2005 - VIII ZR 114/04, BGHZ 162, 30 unter II 2 b). Begründet wird dies mit einem Erst-Recht-Schluss: Da das neue Verjährungsrecht nach der Grundregel des Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB auch auf vor dem 1. Januar 2002 entstandene Ansprüche anzuwenden ist, müsse dies erst recht für Ansprüche gelten, die auf vor diesem Stichtag begründeten Schuldverhältnissen beruhten, aber nach dem 1. Januar 2002 entstanden seien (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2005 - VIII ZR 359/04, NJW 2006, 44 unter II 2 b aa; vom 19. Januar 2005 - VIII ZR 114/04, BGHZ 162, 30, 35; ebenso MünchKomm-BGB/Grothe, 5. Aufl. Art. 229 § 6 EGBGB Rn. 2; Palandt/Ellenberger, BGB 73. Aufl. Art. 229 EGBGB § 6 Rn. 3).
Zwar hat es der Bundesgerichtshof im Urteil vom 26. Oktober 2005 (VIII ZR 359/04 aaO unter II 2 b bb) offen gelassen, ob auch Art. 229 § 6 Abs. 3 EGBGB auf Dauerschuldverhältnisse Anwendung findet. In anderen Entscheidungen hat er aber ohne weiteres Art. 229 § 6 EGBGB bei Dauerschuldverhältnissen angewandt (BGH, Urteile vom 19. Januar 2005 - VIII ZR 114/04, BGHZ 162, 30, 35; vom 6. Dezember 2007 - III ZR 146/07, NJW-RR 2008, 459 Rn. 12, je für Ansprüche aus einem Mietverhältnis; vom 13. Juli 2010 - XI ZR 27/10, WM 2010, 1596 Rn. 8, 10 für Ansprüche aus einem Kreditverhältnis). Im Hinblick auf den vom Gesetzgeber gewollten Gleichlauf zwischen Art. 3 EGVVG und Art. 229 § 6 EGBGB ist daher auch eine entsprechende Anwendung des Art. 3 EGVVG möglich.
cc) Wird Art. 3 EGVVG auf nach dem 1. Januar 2008 entstandene Ansprüche aus Altverträgen angewendet, ist die Rechtsprechung zu Art. 229 § 6 EGBGB allerdings - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - vollständig zu übertragen, d.h. es ist nicht nur Art. 3 Abs. 1 EGVVG, sondern es sind auch die Bestimmungen über den Fristvergleich in den Absätzen 2 und 3 heranzuziehen.
(1) Bei Art. 3 EGVVG handelt es sich wie bei Art. 229 § 6 EGBGB um eine einheitliche Regelung. Zu letztgenannter Vorschrift hat der Bundesgerichtshof darauf abgestellt, dass diese Überleitungsvorschrift zum neuen Verjährungsrecht eine in sich zusammenhängende Regelung darüber enthält, unter welchen Voraussetzungen auf Ansprüche aus vor dem 1. Januar 2002 entstandenen Schuldverhältnissen bereits die neuen Vorschriften zum Verjährungsrecht oder noch die bisherigen Verjährungsvorschriften Anwendung finden (Urteil vom 26. Oktober 2005 - VIII ZR 359/04, NJW 2006, 44 unter II b aa). Mit der Ausdehnung des Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB auf nach dem 1. Januar 2002 entstandene Ansprüche aus Altverträgen sei daher auch der Fristenvergleich für diese Ansprüche nach Art. 229 § 6 Abs. 3 EGBGB eröffnet. Diese systematischen Erwägungen gelten bei Art. 3 EGVVG in gleicher Weise.
(2) Die Auffassung des Berufungsgerichts ist mit der Absicht des Gesetzgebers nicht zu vereinbaren. Er hat in Art. 3 EGVVG mit den Bestimmungen über den Fristenvergleich differenzierte Übergangsregelungen entwickelt. Daraus ergibt sich, dass bei Altverträgen, bei denen das bisherige Recht eine von § 195 BGB abweichende Verjährungsfrist vorsah, § 195 BGB gerade nicht ab dem Stichtag 1. Januar 2008 unmodifiziert zur Geltung kommen soll. Dieses einheitliche Regelungssystem kann nicht dadurch außer Acht gelassen werden, dass selektiv nur Art. 3 Abs. 1 EGVVG herangezogen wird. Das Berufungsgericht kann sich auch nicht auf einen allgemeinen Grundsatz der Geltung des neuen Rechts für Altverträge berufen. Aus Art. 1 Abs. 1 EGVVG ergibt sich im Gegenteil, dass für Altverträge im Übergangsjahr 2008 noch das alte Recht gelten soll.
(3) Der vom Gesetzgeber gewollte Vertrauensschutz gebietet - entgegen der Ansicht der Beklagten - namentlich, auch die Bestimmungen des Fristenvergleichs in den Absätzen 2 und 3 EGVVG einzubeziehen. Die Anwendung neuen Rechts auf bestehende Vertragsverhältnisse ist ein Eingriff in den Bestandsschutz und das Vertrauen der Parteien in bestehende Regelungen. Insofern stellen die Bestimmungen über den Fristenvergleich ein Korrektiv dar (vgl. MünchKomm-BGB/Grothe, 5. Aufl. Art. 229 § 6 EGBGB Rn. 2). Der Gesetzgeber war sich bewusst, dass es sich beim neuen Versicherungsvertragsgesetz um eine unechte Rückwirkung handelt und in bestehende Vertragsverhältnisse mit Bestandschutz eingegriffen wird (BR-Drucks. 707/06 S. 294 f.). In diesem Kontext hat er die Übergangsvorschrift des Art. 1 Abs. 1 EGVVG gesehen, in der - wie mit Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB - eine Übergangfrist eingeräumt wurde. Die vom Berufungsgericht vorgenommene unmodifizierte Geltung des neuen Verjährungsrechts für Altverträge schon zum 1. Januar 2008 vernachlässigt Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes und widerspricht letztlich auch dem in Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 bis 3 EGVVG zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers.
(4) Auch die weiteren vom Berufungsgericht angeführten Argumente überzeugen nicht.
Die für seine Auffassung herangezogenen Literaturstellen (vgl. etwa Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. Art. 3 EGVVG Rn. 2; Schneider in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 2. Aufl. § 1a Rn. 53; Neuhaus, r+s 2007, 441, 444; Schneider, VersR 2008, 859, 863) betreffen zunächst sämtlich den Grundsatz, dass für Ansprüche, die nach dem 1. Januar 2008 entstehen, das neue Recht gelten soll. Mit der hier in Rede stehenden Problematik eines aus einem Altvertrag neu entstehenden Anspruchs befassen sich diese Darstellungen dagegen explizit nicht.
Soweit das Berufungsgericht den Wortlaut von Art. 3 Abs. 1 EGVVG ferner so versteht, dass damit "von vornherein und nicht erst im Wege eines Erst-Recht-Schlusses die Einbeziehung noch nicht entstandener Ansprüche in die spezielle Überleitungsvorschrift" zugelassen wird, ist das - wie oben unter II. 2. b) aa) dargelegt - nicht zutreffend. Die Formulierung, dass ein Anspruch am 1. Januar 2008 noch nicht verjährt ist, kann nach einhelliger Ansicht nicht so verstanden werden, dass damit ein Anspruch gemeint ist, der nicht nur nicht fällig, sondern nicht einmal entstanden ist (vgl. Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. Art. 3 EGVVG Rn. 2; Brand in Looschelders/Pohlmann, VVG 2. Aufl. Art. 3 EGVVG Rn. 2; MünchKomm-VVG/Looschelders, Art. 3 EGVVG Rn. 2; HK-VVG/Muschner, 2. Aufl. Art. 3 EGVVG Rn. 2; Neuhaus, r+s 2007, 441, 444, die für Art. 3 EGVVG einen entstandenen Anspruch fordern). Vor seinem Entstehen kann schon begrifflich nicht von einem Anspruch gesprochen werden.
Die Annahme des Berufungsgerichts, der Versicherungsnehmer sei bei der Umstellung auf das neue Versicherungsvertragsgesetz weniger schutzwürdig als ein Käufer oder Besteller eines Werkes bei der Modernisierung des Schuldrechts, bedarf keiner näheren Betrachtung. Damit ließe sich jedenfalls nicht begründen, dass der Versicherungsnehmer eines Altvertrages bei der Verjährung keinerlei Vertrauensschutz - weder über die Anwendung von Altrecht im Übergangsjahr 2008 noch durch die Anwendung des Fristenvergleichs in Art. 3 Abs. 2 und 3 EGVVG - genießen soll.
Wendt Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller