Entscheidungsdatum: 26.10.2011
1. Ein vor dem 1. Juli 1949 geborenes nichteheliches Kind und seine Abkömmlinge sind in bis zum 28. Mai 2009 eingetretenen Erbfällen weiterhin vom Erbrecht nach dem Vater und dessen Verwandten ausgeschlossen .
2. Es verstößt nicht gegen Art. 6 Abs. 5 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG, dass Art. 12 § 10 Abs. 2 NEhelG a.F. durch das Zweite Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder, zur Änderung der Zivilprozessordnung und der Abgabenordnung vom 12. April 2011 (BGBl. I 615) erst mit Wirkung zum 29. Mai 2009 aufgehoben worden ist .
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 2. Zivilsenat, vom 15. Juni 2010 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Der am 25. August 1940 nichtehelich geborene Kläger macht im Wege der Stufenklage Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche aus dem Erbfall nach dem am 26. Juni 2006 verstorbenen Dr. Friedrich Wilhelm B. geltend. Die Beklagte, eine eheliche Tochter des Erblassers, ist dessen durch Testament vom 20. August 2003 bestimmte Alleinerbin. Der Erblasser wurde mit Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Blankenese vom 26. August 1949 verurteilt, gemäß § 1708 BGB in der damals geltenden Fassung Unterhalt an den Kläger zu zahlen.
Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe ein Pflichtteil aus dem Nachlass des Erblassers zu, der als sein Vater gelte. Nach dessen Tod sei er zu einem Viertel pflichtteilsberechtigt.
Dem stehe Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder vom 19. August 1969 (BGBl. I 1243, im Folgenden: Nichtehelichengesetz/NEhelG a.F.) nicht entgegen. Der darin festgeschriebene Ausschluss vor dem 1. Juli 1949 geborener nichtehelicher Kinder vom Nachlass des Vaters sei verfassungswidrig. Durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Januar 2009 (NJW 2009, 1065) sei nunmehr - in Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung - klargestellt, dass jedwede Schlechterstellung nichtehelicher Kinder gegen Art. 6 Abs. 5 GG verstoße. Darüber hinaus liege ein Verstoß gegen die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) vor. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) habe mit seiner Entscheidung vom 28. Mai 2009 (Beschwerde Nr. 3545/04, NJW-RR 2009, 1603 = FamRZ 2009, 1293) festgestellt, dass Artt. 8, 14 EMRK durch Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. verletzt seien. Das habe unmittelbare Rechtswirkungen für die Rechtslage in Deutschland. Aus dem Konventionsverstoß folge ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 5 GG; nach völkerrechtskonformer Auslegung sei Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. nicht anzuwenden.
Der Kläger begehrt im Wege der Stufenklage Auskunft über den Bestand des Nachlasses einschließlich anrechnungs- und ausgleichspflichtiger Zuwendungen sowie beeinträchtigender Schenkungen, Abgabe einer Versicherung an Eides Statt und Zahlung des Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruchs.
Das Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen, weil der Kläger nicht pflichtteilsberechtigt sei. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
Dem Kläger stünden als vor dem 1. Juli 1949 geborenem nichtehelichem Kind ein Pflichtteilsanspruch gemäß § 2303 Abs. 1 BGB und ein Pflichtteilsergänzungsanspruch gemäß § 2325 BGB gegen die Beklagte nicht zu. Zwar sei der Erblasser nach Art. 12 § 3 Abs. 1 Satz 2 NEhelG a.F. als Vater des Klägers anzusehen, jedoch sei gemäß Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. für die Beurteilung der erbrechtlichen Verhältnisse noch von der Fiktion des § 1589 Abs. 2 BGB in der bis zum 30. Juni 1970 geltenden Fassung auszugehen, nach der ein nichteheliches Kind und dessen Vater nicht als verwandt gelten.
Diese Regelung sei verfassungsgemäß und vom Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 8. Dezember 1976 (BVerfGE 44,1) gebilligt worden. Zu den tragenden Gründen dieser Entscheidung habe der Vertrauensschutz des Vaters eines nichtehelichen Kindes und anderer präsumtiver Erblasser aus der väterlichen Familie gehört. Das habe für die Zeit nach dieser Entscheidung umso mehr gegolten. Vater und väterliche Verwandte eines vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kindes hätten nicht mehr damit rechnen müssen, dass sich die rechtliche Lage dieser Kinder noch einmal ändern würde. Daher bedürfe es auch angesichts geänderter tatsächlicher Verhältnisse sowie Anschauungen über den Status nichtehelicher Kinder keiner erneuten Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG.
Eine Berücksichtigung der Erwägungen der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 28. Mai 2009 führe zu keinem anderen Ergebnis. Die Anwendung von Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. begründe keinen Verstoß gegen Artt. 8, 14 EMRK. Da die hier zugrunde zu legenden Tatsachen von denen der dortigen Entscheidung verschieden seien - etwa die familiäre Beziehung Erblasser und nichteheliches Kind -, lägen wesentliche Voraussetzungen nicht vor, die Grundlage dafür gewesen seien, dass der Gerichtshof im Rahmen einer Individualbeschwerde in der Anwendung von Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. einen solchen Verstoß gesehen habe.
II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
Dem Kläger stehen als nichtehelichem, vor dem 1. Juli 1949 geborenem Kind ein Pflichtteil am Nachlass des Erblassers und daher ein Auskunftsanspruch nach § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB gegenüber der Beklagten als dessen alleiniger testamentarischer Erbin nicht zu.
1. Die Erbeinsetzung der Beklagten stellt sich im Verhältnis zum Kläger nicht als Ausschließung eines Abkömmlings des Erblassers durch Verfügung von Todes wegen dar, infolge der ein Pflichtteilsanspruch nach § 2303 Abs. 1 BGB begründet werden konnte.
a) Der Erblasser wurde im Jahr 1949 rechtskräftig zur Unterhaltszahlung verurteilt. Aufgrund des mit dem Nichtehelichengesetz zum 1. Juli 1970 in Kraft getretenen Art. 12 § 3 Abs. 1 Satz 2 NEhelG a.F. kommt diesem Urteil statusfeststellende Wirkung zu (vgl. dazu BGH, Urteil vom 9. April 1986 - IVb ZR 28/85, FamRZ 1986, 665 unter II 2 b). Danach gilt der Erblasser als Vater des Klägers.
b) Nach Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. i.V.m. Art. 12 § 1 NEhelG a.F. bleiben jedoch für die erbrechtlichen Beziehungen eines vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kindes und seiner Abkömmlinge zu dem Vater und dessen Verwandten die bis zum 1. Juli 1970 geltenden Vorschriften auch dann maßgebend, wenn der Erblasser nach dem Inkrafttreten des Nichtehelichengesetzes stirbt. Der Kläger ist gemäß § 1589 Abs. 2 BGB in der bis zum 30. Juni 1970 geltenden, durch Art. 1 Nr. 3 des Nichtehelichengesetzes aufgehobenen Fassung insoweit nicht als mit dem Erblasser verwandt anzusehen und kann daher nicht nach § 1924 Abs. 1 BGB dessen gesetzlicher Erbe erster Ordnung sein.
2. Die Regelung des Art. 12 § 10 Abs. 2 NEhelG a.F. beansprucht in Ansehung des hier zu beurteilenden Erbfalles weiterhin Geltung.
Zwar ist Art. 12 § 10 Abs. 2 NEhelG a.F. durch das Zweite Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder, zur Änderung der Zivilprozessordnung und der Abgabenordnung vom 12. April 2011 (BGBl. I 615) in der Zwischenzeit aufgehoben worden, jedoch erfolgte dies nur mit Wirkung zum 29. Mai 2009 (vgl. Art. 5). Einem nichtehelichen Kind, das vor dem 1. Juli 1949 geboren ist, steht daher bei Erbfällen vor diesem Stichtag - wie hier - (weiterhin) kein gesetzliches Erbrecht nach dem Vater und dessen Abkömmlingen zu.
3. Der Senat hat daher Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. der hier zu treffenden Entscheidung zugrunde zu legen.
Anlass für die Annahme, diese Vorschrift oder das Absehen von einer zeitlich unbegrenzten oder zumindest weiterreichenden Rückwirkung der Aufhebung dieser Stichtagsregelung durch die gesetzliche Neuregelung verstieße gegen Art. 6 Abs. 5 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG (unten a) oder gegen Art. 14 Abs. 1 GG (unten b), besteht nicht. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG kommt daher nicht in Betracht (so auch OLG Köln ZEV 2011, 129, 131; OLG Stuttgart FamRZ 2010, 674, 675; LG Karlsruhe, Beschluss vom 30. September 2010 - 1 T 10/10, juris Rn. 25 ff.; LG Saarbrücken FamRZ 2010, 2106, 2108).
a) Nach Art. 6 Abs. 5 GG sind unehelichen Kindern durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie ehelichen Kindern. Dabei stellt sich diese grundrechtliche Schutznorm zugunsten eines Kindes, dessen Eltern bei seiner Geburt nicht miteinander verheiratet sind, als eine besondere Ausprägung des Art. 3 Abs. 1 GG dar (vgl. BVerfGE 44, 1, 18 m.w.N.; Seiler in Bonner Kommentar zum GG, Stand April 2009 Art. 6 Rn. 36, 47, 62; Gröschner in Dreier, GG 2. Aufl. Art. 6 Rn. 151; Schmitt-Kammler/von Coelln in Sachs, GG 5. Aufl. Art. 6 Rn. 89). Die Art. 6 Abs. 5 GG zugrunde liegende Wertentscheidung hat der Gesetzgeber daher im Rahmen des allgemeinen Gleichheitssatzes zu beachten (vgl. nur BVerfGE 44, 1, 18). Dieser Auftrag richtet sich auch darauf, dem nichtehelichen Kind eine angemessene Beteiligung am väterlichen Nachlass zu gewährleisten (vgl. BVerfGE 44, 1, 18, 20, 22; 74, 33, 38 f.; Uhle in BeckOK-GG, Stand April 2011 Art. 6 Rn. 77; Seiler in Bonner Kommentar zum GG, Stand April 2009 Art. 6 Rn. 82; Badura in Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Stand Februar 2005 Art. 6 Rn. 179).
aa) Demgegenüber bestimmte Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F., dass ein vor dem 1. Juli 1949 geborenes nichteheliches Kind und seine Abkömmlinge generell vom Erbrecht nach dem Vater und dessen Verwandten ausgeschlossen und damit wegen der nichtehelichen Geburt rechtlich schlechter gestellt wurden. Gleiches gilt für die Neuregelung vom April 2011, da danach Art. 12 § 10 Abs. 2 NEhelG a.F. für Erbfälle vor dem 29. Mai 2009 nach wie vor Geltung beansprucht.
bb) Die unterbliebene Gleichstellung vor dem 1. Juli 1949 geborener nichtehelicher Kinder stellt sich jedoch nicht als Verletzung von Art. 6 Abs. 5 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG dar.
(1) Aus Art. 6 Abs. 5 GG folgt, dass uneheliche Kinder grundsätzlich nicht schlechter behandelt werden dürfen als eheliche Kinder, soweit sich nicht aus ihrer besonderen Situation rechtfertigende Gründe für eine Ungleichbehandlung ergeben (vgl. BVerfGE 26, 44, 60 f.; 96, 56, 65; Seiler in Bonner Kommentar zum GG, Stand April 2009 Art. 6 Rn. 37; Gröschner in Dreier, GG 2. Aufl. Art. 6 Rn. 153; Badura in Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Stand Februar 2005 Art. 6 Rn. 181; Schmitt-Kammler/von Coelln in Sachs, GG 5. Aufl. Art. 6 Rn. 88). Dabei wird eine schematische Übertragung der für eheliche Kinder geltenden Rechtsvorschriften auf nichteheliche Kinder nicht verlangt. Eine ungleiche Behandlung nichtehelicher Kinder, die sich als Benachteiligung gegenüber ehelichen Kindern auswirkt, ist vielmehr im Grundsatz möglich. Sie bedarf aber stets einer überzeugenden Begründung. Abweichungen gegenüber dem Recht der ehelichen Kinder können zulässig sein, wenn eine förmliche Gleichstellung in verfassungsrechtlich gewährleistete Rechtspositionen Dritter eingriffe (BVerfG FamRZ 2004, 433; BVerfGE 85, 80, 87 f., jeweils m.w.N.; vgl. auch Uhle in BeckOK-GG, Stand April 2011 Art. 6 Rn. 73; Seiler in Bonner Kommentar zum GG, Stand April 2009 Art. 6 Rn. 37).
Zudem ist dem Gesetzgeber für die Regelung des Übergangs von einer älteren zu einer neueren, den Zielen der Verfassung und den rechtspolitischen Vorstellungen der Gegenwart besser entsprechenden Regelung notwendig ein gewisser Spielraum einzuräumen. Die verfassungsrechtliche Prüfung von Stichtagsvorschriften und anderen Übergangsvorschriften ist daher auf die Frage beschränkt, ob der Gesetzgeber den ihm zukommenden Spielraum in sachgerechter Weise genutzt hat, ob er die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt hat und ob die gefundene Lösung sich im Hinblick auf den gegebenen Sachverhalt und das System der Gesamtregelung durch sachliche Gründe rechtfertigen lässt oder als willkürlich erscheint (vgl. nur BVerfGE 44, 1, 21 m.w.N.).
(2) Diesen Anforderungen ist der Gesetzgeber sowohl mit dem zum 1. Juli 1970 in Kraft getretenen Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. (unten (a)) als auch mit dessen - erst - zum 29. Mai 2009 in Kraft getretener Aufhebung (unten (b)) gerecht geworden.
(a) Bereits mit Beschluss vom 8. Dezember 1976 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 44, 1; ebenso Kammerbeschluss vom 3. Juli 1996 - 1 BvR 563/96, juris; vgl. auch BVerfG FamRZ 2004, 433) festgestellt, dass Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. nicht grundgesetzwidrig ist.
Bei Inkrafttreten des Nichtehelichengesetzes zum 1. Juli 1970 und in der nachfolgenden Zeit war es mit Art. 6 Abs. 5 GG und Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, dass sich in Erbfällen die erbrechtlichen Verhältnisse eines vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kindes zu seinem Vater und zur väterlichen Familie nach dem alten, vor der Reform geltenden Recht richteten und damit weiterhin kein Erbrecht nach dem Vater und dessen Abkömmlingen bestand (vgl. auch EGMR NJW-RR 2009, 1603 Rn. 43). Dies rechtfertigte sich mit den damaligen praktischen und verfahrensmäßigen Schwierigkeiten, die Vaterschaft zu vor diesem Zeitpunkt nichtehelich geborenen Kindern festzustellen (vgl. BVerfGE 44, 1, 31 f.). Zudem durfte der Gesetzgeber bestehenden Unsicherheiten in Bezug auf das Erbrecht und den Bedenken derjenigen Rechnung tragen, die gegen eine Reform der Rechtsstellung nichtehelicher Kinder opponiert hatten (vgl. BVerfGE 44, 1, 33 f.). Letztlich war das Vertrauen des Erblassers und seiner Erben auf die Fortgeltung des bis zum Jahr 1970 bestehenden Rechtszustandes schutzwürdig (vgl. BVerfGE 44, 1, 34 f.).
Diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist nicht durch dessen Beschluss vom 8. Januar 2009 überholt. Der dortige Sachverhalt betraf die Frage der Gleichbehandlung nichtehelicher, vor dem 1. Juli 1949 geborener Kinder untereinander und eine Sonderkonstellation, die sich infolge des Gesetzes zur Reform des Kindschaftsrechts vom 16. Dezember 1997 (BGBl I S. 2942) ergeben hatte (vgl. BVerfG NJW 2009, 1065 Rn. 19); die Verfassungskonformität von Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. stand weder zur Entscheidung noch wurde sie in Zweifel gezogen (so auch OLG Köln ZEV 2011, 129, 130).
(b) Der Gesetzgeber des Zweiten Gesetzes zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder, zur Änderung der Zivilprozessordnung und der Abgabenordnung hat sich dafür entschieden, auch vor dem 1. Juli 1949 geborene nichteheliche Kinder den ehelichen Kindern für Erbfälle nach dem 28. Mai 2009 gleichzustellen (vgl. BT-Drucks. 17/3305 S. 1, 6 f.; dazu auch BR-Drucks. 486/10). Davor liegende Erbfälle sind noch nach Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. zu beurteilen (vgl. BT-Drucks. 17/3305 S. 8). Die darin liegende und damit weiterhin bestehende Benachteiligung ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt und daher nicht zu beanstanden.
(aa) Anlass für die Neuregelung war die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 28. Mai 2009 (Beschwerde Nr. 3545/04, NJW-RR 2009, 1603 = FamRZ 2009, 1293; zustimmend Henrich, FamRZ 2009, 1294 f.; Leipold, ZEV 2009, 488 ff.; vgl. auch BT-Drucks. 17/3305 S. 1), wonach Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. gegen Artt. 8, 14 EMRK verstoße.
Der Gerichtshof hat allerdings anerkannt, dass die Entscheidungen des bundesdeutschen Gesetzgebers im Jahr 1969 und des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1976, die Ausnahmeregelung zu Lasten nichtehelicher Kinder, die vor dem 1. Juli 1949 geboren waren, bestehen zu lassen, auf objektiven Gründen beruhten. Diese seinerzeit vorgebrachten Argumente seien jedoch im Jahr 2009 nicht mehr gültig. Ebenso wie anderwärts in Europa habe sich in Deutschland die Gesellschaft beträchtlich weiterentwickelt, und der Rechtsstatus nichtehelich geborener Kinder sei demjenigen ehelicher Kinder gleich geworden. Darüber hinaus bestünden die praktischen und verfahrensmäßigen Schwierigkeiten beim Nachweis der Vaterschaft nicht mehr. Nicht zuletzt sei als Folge der Wiedervereinigung und der Gleichstellung ehelicher und nichtehelicher Kinder in einem Großteil Deutschlands eine neue Situation entstanden. In Anbetracht der Rechtsentwicklung in Europa, die bei der gebotenen dynamischen Interpretation der Konvention nicht außer Acht zu lassen sei, müsse der Schutz "legitimer Erwartungen" der Erblasser und ihrer Familien dem Gebot der Gleichbehandlung ehelicher und nichtehelicher Kinder untergeordnet werden (zum Ganzen: EGMR NJW-RR 2009, 1603 Rn. 43).
(bb) Diese Erwägungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hat sich der Gesetzgeber zu Eigen gemacht. Dem Gebot der Gleichbehandlung ehelicher und nichtehelicher Kinder wird durch die Aufhebung der Stichtagsregelung in Art. 12 § 10 Abs. 2 NEhelG a.F. ab dem 29. Mai 2009 Rechnung getragen (vgl. BT-Drucks. 17/3305 S. 6, 7 f.; dazu auch BR-Drucks. 486/10).
Von dieser Gesetzesänderung werden damit auch Erbfälle erfasst, die sich in der Zeit zwischen der Entscheidung des Gerichtshofs vom 28. Mai 2009 und der Verkündung des Gesetzes am 12. April 2011 (vgl. BGBl. I 615 f.) ereignet haben. In diesen Fällen sei - so die Begründung des Regierungsentwurfs - das Vermögen des Erblassers zwar bereits im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die nach geltender Rechtslage berufenen Erben übergegangen. Eine rückwirkende Entziehung dieser vom Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG umfassten Rechtsposition sei aber ausnahmsweise zulässig. Die Entscheidung vom 28. Mai 2009 stelle eine Zäsur im Hinblick auf den mit einem Erbfall verbundenen Vertrauensschutz dar. Ab deren Verkündung habe jedenfalls damit gerechnet werden müssen, dass sich die Rechtslage ändere und gegebenenfalls Gerichte Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. unangewendet ließen.
Eine weitergehende Rückwirkung auf vor dem 29. Mai 2009 gelegene Erbfälle ist hingegen abgelehnt worden, da hier Ausnahmen vom Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht bestünden (BT-Drucks. 17/3305 S. 8, 17/4776 S. 7).
(cc) Diese Entscheidung des Gesetzgebers ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt und nicht willkürlich. Er hat die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt (vgl. auch Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 17/4776, S. 6 f.) und den ihm zukommenden Spielraum in sachgerechter Weise genutzt (vgl. Leipold, FPR 2011, 275, 278 f.; dagegen kritisch z.B.: Bäßler, ZErb 2011, 92, 96 f.; Krug, ZEV 2011, 397, 399 f.; 131, 132; ders. ZEV 2010, 505, 507; Stellungnahme des DAV, ErbR 2010, 174, 175).
α) Das Rechtsstaatsprinzip und die Grundrechte begrenzen die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die an Sachverhalte der Vergangenheit anknüpfen. Es bedarf deshalb einer besonderen Rechtfertigung, wenn dieser die Rechtsfolgen eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert. Der Bürger wird in seinem Vertrauen auf die Verlässlichkeit der Rechtsordnung enttäuscht, wenn der Gesetzgeber an Tatbestände nachträglich ungünstigere Folgen knüpft als diejenigen, von denen der Bürger bei seinen Dispositionen ausgehen durfte (vgl. BVerfGE 109, 133, 180; 105, 17, 36 f.). Die Anordnung, eine Rechtsfolge solle schon für einen vor dem Zeitpunkt der Verkündung der Norm liegenden Zeitraum eintreten ("echte" Rückwirkung), ist mithin grundsätzlich unzulässig.
Das findet seinen verfassungsrechtlichen Grund vorrangig in den allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen, insbesondere des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit (vgl. BVerfGE 109, 133, 181; 97, 67, 78 f.; 72, 200, 242), und kann daher eine Einschränkung der Gewährleistung des Art. 6 Abs. 5 GG genauso rechtfertigen wie die dem Erblasser und dessen bisherigen Erben zukommende Gewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG (vgl. nur BVerfGE 126, 400, 424 m.w.N.).
β) Ein solches Vertrauen in die Fortgeltung von Art. 12 § 10 Abs. 2 NEhelG a.F. gründet - wie der Regierungsentwurf zur Neuregelung zutreffend sieht - sowohl in den rechtspolitischen Diskussionen und Entwicklungen der letzten Jahrzehnte als auch in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. die Darstellung bei BT-Drucks. 17/3305 S. 6; MünchKomm-BGB/Leipold, 5. Aufl. Einl. zu Band 9 Rn. 123; Leipold, ZEV 2009, 488 f.).
Der Gesetzgeber hat sich nach Erlass des Nichtehelichengesetzes vom 1. August 1969 (BGBl. I 1243) mehrfach mit Fragen der gesetzlichen Gleichbehandlung ehelicher und nichtehelicher Kinder und der Aufhebung der Stichtagsregelung in Art. 12 § 10 Abs. 2 NEhelG a.F. befasst.
Im Zuge der Wiedervereinigung mussten die Rechtssysteme der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik miteinander in Einklang gebracht werden. Seit 1976 waren in der Deutschen Demokratischen Republik nichteheliche Kinder erbrechtlich den ehelichen gleichgestellt. Der Gesetzgeber entschied sich lediglich dafür, mit Art. 235 § 1 Abs. 2 EGBGB i.d.F. vom 23. September 1990 (vgl. Gesetz zum Einigungsvertrag vom 31. August 1990, Anl. I Kap. III Sachgebiet B Abschn. II Nr. 1; BGBl. II 885, 941, 950) den nichtehelichen Kindern ihre bisherige Rechtsstellung zu erhalten, wenn der Erblasser am 2. Oktober 1990 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der DDR hatte. Für andere nichteheliche Kinder sollte die Stichtagsregelung des Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. weitergelten. Das wurde vom Bundesverfassungsgericht aufgrund eines Nichtannahmebeschlusses vom 3. Juli 1996 (1 BvR 563/968, juris) gebilligt (vgl. auch BVerfG FamRZ 2004, 433 f.).
In der Folge wurde die Frage einer weitergehenden Gleichstellung nichtehelicher Kinder sowohl in den Beratungen zum Erbrechtsgleichstellungsgesetz vom 16. Dezember 1997 (BGBl. I 2968) als auch zum Kinderrechteverbesserungsgesetz vom 9. April 2002 (BGBl. I 1239) erörtert (vgl. nur Henrich, FamRZ 2009, 1294, 1295; König, FPR 2010, 396; z.B. anlässlich des ErbGleichG: Hess, FamRZ 1996, 781 ff.), jedoch blieb Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. erneut unverändert. Das wurde zuletzt vor allem mit dem Vertrauen der väterlichen Familie in den Fortbestand der bisherigen Rechtslage begründet (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 14/8131, S. 6 f.). Insbesondere darauf stützte sich auch das Bundesverfassungsgericht in seinem der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 28. Mai 2009 vorausgegangenen Beschluss vom 20. November 2003 (FamRZ 2004, 433) und hielt Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. weiterhin für mit dem Grundgesetz vereinbar.
γ) Bestand demnach ein grundgesetzlich geschütztes Vertrauen von Erblassern und deren bisherigen Erben in die Beibehaltung von Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F., durfte der Gesetzgeber sich dafür entscheiden, die beabsichtigte Rechtsänderung erst nach dem Tag - rückwirkend - in Kraft zu setzen, an dem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die bisherige Regelung als gegen Artt. 8, 14 EMRK verstoßend angesehen hatte (vgl. MünchKomm-BGB/Leipold, 5. Aufl. Einl. zu Band 9 Rn. 130; König, FPR 2010, 396, 397; Leipold, FPR 2011, 275, 277, 279; ders. ZEV 2009, 488, 491; Schäfer, jurisPR-FamR 26/2010 Anm. 1). Ab diesem Zeitpunkt war ein Vertrauen in einen weiterhin geltenden Ausschluss nichtehelicher Kinder eines männlichen Erblassers nicht mehr berechtigt und eine Rechtsunsicherheit entstanden, die eine rückwirkende Änderung der Rechtslage ermöglichte (vgl. allgemein BVerfGE 72, 302, 325 ff.).
Hätte der Gesetzgeber einen früheren Stichtag gewählt, hätte er einem - schon verstorbenen - Erblasser, der die neue Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte weder hätte kennen können noch damit rechnen müssen, nachträglich die Möglichkeit genommen, anderweitig zu verfügen. Den Erben wären im Erbfall noch nicht bestehende Pflichten auferlegt worden, die das Erbrecht rückwirkend erheblich hätten einschränken können; sie wären dabei insbesondere mit Ansprüchen von Abkömmlingen des Erblassers aus einem Erb- oder Pflichtteilsrecht konfrontiert worden, die gegebenenfalls Jahrzehnte nach dem Erbfall entstanden wären. Dies hätte ihrem Vertrauen in die Verlässlichkeit der Rechtsordnung und auf den Bestand der auf der Grundlage der bisherigen Rechtslage getroffenen Dispositionen widersprochen (vgl. BVerfGE 109, 133, 180; 105, 17, 36 f.).
Diese zeitliche Anknüpfung an die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entspricht anderen temporalen Kollisionsnormen des deutschen Erbrechts. Diesen ist der Grundsatz zu entnehmen, dass für die erbrechtlichen Verhältnisse die früheren Regelungen maßgebend bleiben, wenn der Erblasser vor dem Inkrafttreten neuer Vorschriften gestorben ist (vgl. nur Senatsurteile vom 1. Dezember 1993 - IV ZR 261/92, BGHZ 124, 270, 277 zu Art. 235 § 1 Abs. 1 EGBGB und vom 18. Januar 1989 - IVa ZR 296/87, NJW 1989, 2054 unter II 2 zu Art. 213 Satz 1 EGBGB; Lange/Kuchinke, Erbrecht 5. Aufl. § 3 I; Hess, FamRZ 1996, 781, 782). Auf die Wahrung dieses tragenden Rechtsprinzips durften der Erblasser und seine nach früherem Recht berufenen Erben ebenfalls vertrauen.
Dem steht nicht entgegen, dass sich ein als Erbe Berufener schon nach bisherigem Recht bis zum Ablauf von Ausschluss- und Verjährungsfristen Ansprüchen Dritter ausgesetzt sehen kann. Diese sind jedoch - wie z.B. Ansprüche Pflichtteilsberechtigter nach §§ 2303, 2325 BGB - bereits im Zeitpunkt des Erbfalles angelegt und können daher in die über die Erbschaft zu treffenden Dispositionen einbezogen werden. Das wäre jedoch bei einer rückwirkend durch eine gesetzliche Neuregelung begründeten Rechtsstellung eines nichtehelichen, vor dem 1. Juli 1949 geborenen Abkömmlings gerade nicht möglich gewesen, die eine über den 29. Mai 2009 hinausreichende Aufhebung des Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. zur Folge gehabt hätte.
δ) Weitergehende Anforderungen an den Gesetzgeber ergeben sich nicht aus der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Garantien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei der Auslegung der Grundrechte heranzuziehen und im Rahmen einer anzustellenden Abwägung zu berücksichtigen sind, sofern dies nicht zu einer Einschränkung oder Minderung des Grundrechtsschutzes nach dem Grundgesetz führt (vgl. BVerfGE 111, 307, 316 ff.; vgl. dazu auch Meyer-Ladewig, EMRK 3. Aufl. Art. 46 Rn. 17 ff.). Vielmehr entsprechen die danach zu berücksichtigenden Gesichtspunkte denjenigen, die sich aus dem Grundgesetz ableiten lassen und denen Rechnung zu tragen war.
Zwar wird durch Art. 8 Abs. 1 EMRK das Recht auf Achtung des Familienlebens, dem auch das Erbrecht zwischen - ehelichen oder nichtehelichen - Kindern und Eltern unterfällt (vgl. nur EGMR NJW-RR 2009, 1603 Rn. 30; NJW 2005, 875 Rn. 26; 1979, 2449 Rn. 52; Meyer-Ladewig, EMRK 3. Aufl. Art. 8 Rn. 85), geschützt, jedoch ist dies - wie bei Art. 6 Abs. 5 GG - mit anderen Gewährleistungen in Einklang zu bringen. Hierzu zählt der durch Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK garantierte Schutz des Eigentums, der demjenigen zukommt, dem eine Erbschaft zugefallen ist (vgl. nur EGMR NJOZ 2005, 1048 Rn. 42 f.), und der durch den Erlass rückwirkender Gesetze unverhältnismäßig beeinträchtigt sein kann (vgl. Meyer-Ladewig, EMRK 3. Aufl. 1. Zusatzprotokoll zur EMRK Art. 1 Rn. 16; EGMR, Entscheidung vom 6. Oktober 2005 - 1513/03 Rn. 81). Darüber hinaus stellt der zur Begründung der auf Erbfälle ab dem 29. Mai 2009 begrenzten Rückwirkung herangezogene Grundsatz der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes ein grundlegendes, auch von der Konvention garantiertes Element der Rechtsstaatlichkeit dar (vgl. EGMR EuGRZ 2009, 566 Rn. 72; Entscheidung vom 18. September 2007 - 52336/99, juris Rn. 145; dazu auch KG FamRZ 2010, 2104, 2105; Frowein in Frowein/Peukert, EMRK 3. Aufl. Art. 46 Rn. 7 f.).
Daher führt die Berücksichtigung der Garantien der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten zu keiner anderen Beurteilung der gesetzgeberischen Entscheidung. Aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. EGMR NJW 1979, 2449 Rn. 58; EuGRZ 1992, 12 Rn. 26 ff.; dazu auch BVerfG FamRZ 2009, 1983, 1984) lässt sich vielmehr entnehmen, dass der Gesetzgeber nicht verpflichtet war, die Rechtslage auch für die Zeit vor Verkündung der Entscheidung vom 28. Mai 2009 zu ändern (vgl. Leipold, ZEV 2009, 488, 491 f.; Schäfer, jurisPR-FamR 26/2010 Anm. 1; allgemein dazu Frowein in Frowein/Peukert, EMRK 3. Aufl. Art. 46 Rn. 7 f.; Meyer-Ladewig, EMRK 3. Aufl. Art. 46 Rn. 25). Anderes wäre allenfalls anzunehmen, wenn der Gerichtshof einen strukturellen Mangel der deutschen Rechtslage festgestellt hätte (vgl. EGMR NJW 2005, 2521 Rn. 193; Frowein in Frowein/Peukert, EMRK 3. Aufl. Art. 46 Rn. 12 f.; Meyer-Ladewig, EMRK 3. Aufl. Art. 46 Rn. 7 f., 25); dieser wurde jedoch nicht erkannt.
b) Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. und die beschränkte Rückwirkung des Zweiten Gesetzes zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder, zur Änderung der Zivilprozessordnung und der Abgabenordnung verletzen keine von Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition nichtehelicher Kinder.
Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistet in Satz 1 das Erbrecht sowohl als Rechtsinstitut wie als Individualrecht und überlässt es in Satz 2 dem Gesetzgeber - ebenso wie beim Eigentum -, Inhalt und Schranken des Erbrechts zu bestimmen. Um eine solche Bestimmung des Gesetzgebers handelt es sich sowohl bei den seit 1970 geltenden Erbrechtsvorschriften des Nichtehelichengesetzes als auch bei der Neuregelung aus dem Jahr 2011. Diese bilden einen Teil der vom Verfassungsgeber selbst in Art. 6 Abs. 5 GG verlangten Reform des Nichtehelichenrechts. Deshalb ist in erster Linie dieser Spezialnorm der Prüfungsmaßstab dafür zu entnehmen, ob der Gesetzgeber den Kreis der nichtehelichen Kinder, die in den Genuss der neuen Erbrechtsregelung kommen, verfassungsgemäß abgegrenzt hat (vgl. zum Ganzen bereits BVerfGE 44, 1, 17 f.). Das ist - wie aufgezeigt - der Fall.
Anderes ergibt sich nicht daraus, dass das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 19. April 2005 (BVerfGE 112, 332, 349 ff.) ausgesprochen hat, dass die grundsätzlich unentziehbare und bedarfsunabhängige wirtschaftliche Mindestbeteiligung der Kinder am Nachlass als tragendes Strukturprinzip des geltenden Pflichtteilsrechts durch die Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt ist. Diese Entscheidung versteht das Pflichtteilsrecht als tradiertes Kernelement des deutschen Erbrechts, das auch im Sinnzusammenhang mit dem durch Art. 6 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutz des Verhältnisses zwischen dem Erblasser und seinen Kindern steht. Daher lassen sich die dortigen Erwägungen nicht auf das Verhältnis eines nichtehelichen Kindes zu seinem Vater in der Weise übertragen, dass sich daraus über Art. 6 Abs. 5 GG hinaus ein Auftrag zur Gleichstellung ableiten ließe. Das Bundesverfassungsgericht ist vom bestehenden Erb- und Pflichtteilsrecht ausgegangen; dieses billigt einem nichtehelichen Kind, das vor dem 1. Juli 1949 geboren ist, bisher gerade keinen Pflichtteil zu. Erst die gesetzliche Neuregelung ändert das für Erbfälle ab dem 29. Mai 2009.
4. Eine andere Beurteilung folgt nicht aus einer an den Vorgaben des Görgülü-Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 111, 307; nachfolgend u.a. BVerfG NJW 2005, 1765 f.; vgl. auch Meyer-Ladewig, EMRK 3. Aufl. Art. 46 Rn. 31 ff.) orientierten Berücksichtigung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 28. Mai 2009. Hier ist weder der Anwendungsbereich von Art. 8 Abs. 1 EMRK (unten a) noch derjenige von Art. 14 EMRK (unten b) eröffnet. Daher kann der Kläger durch Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG a.F. in diesen Garantien nicht verletzt sein.
a) Die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten enthält keine isolierte Regelung des Erbrechts. Allerdings geht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte davon aus, das Erbrecht zwischen Kindern und Eltern hänge so eng mit dem Familienleben zusammen, dass es unter Art. 8 Abs. 1 EMRK (Recht auf Achtung des Familienlebens) falle (EGMR NJW-RR 2009, 1603 Rn. 30; NJW 1979, 2449 Rn. 52). Dessen Anwendbarkeit setzt die Existenz enger persönlicher Verbindungen zwischen Vater und Kind voraus (vgl. EGMR NJW-RR 2009, 1603 Rn. 30; 2009, 1585, 1586 f.; Meyer-Ladewig, EMRK 3. Aufl. Art. 8 Rn. 51; Grötsch, FamRZ 2010, 675, 676; Leipold, FPR 2011, 275, 279; ders. ZEV 2009, 488, 489, 492). Das ist nach den tatsächlichen Gegebenheiten zu beurteilen und hängt davon ab, ob enge persönliche Beziehungen vorhanden sind, ob der Vater nachweislich ein Interesse an dem Kind hat oder ob er sich zu diesem bekennt (EGMR NJW-RR 2009, 1603 Rn. 30; 2009, 1585, 1586 f., jeweils m.w.N.). Allein eine biologische Vaterschaft ohne weitere rechtliche oder tatsächliche Merkmale, die auf eine solche enge persönliche Beziehung hindeuten, reicht nicht aus (vgl. EGMR NJW-RR 2009, 1585, 1586).
An einer solchen engen persönlichen Verbindung zwischen Kläger und Erblasser fehlt es. Nach den von der Revision nicht angegriffenen und daher vom Senat zugrunde zu legenden Feststellungen des Berufungsgerichts hatte der Erblasser den Kläger zu keiner Zeit als seinen Sohn anerkannt. Weder bestand zwischen beiden ein Kontakt noch war ein solcher vom Erblasser gewollt; lediglich der Vater des Erblassers hielt Briefkontakt mit dem Kläger. Daher mangelte es an einem nachweislichen Interesse des Erblassers und an dessen Bekenntnis zum Kläger. Allein der Umstand, dass er aufgrund der nach Art. 12 § 3 Abs. 1 Satz 2 NEhelG a.F. statusfeststellenden Wirkung des Unterhaltsurteils als Vater des Klägers galt und diese Statusvaterschaft nicht nach Art. 12 § 3 Abs. 2 Satz 1 NEhelG angefochten worden war, genügt nicht.
b) Ebenfalls nicht betroffen ist das Diskriminierungsverbot des Art. 14 EMRK. Dieses verbietet bei den von der Konvention garantierten Rechten und Freiheiten eine unterschiedliche Behandlung von Personen in vergleichbarer Lage, wenn es dafür keinen sachlichen und vernünftigen Grund gibt (EGMR NJOZ 2005, 1048 Rn. 46; NJW 2005, 875 Rn. 61; 1979, 2449 Rn. 33).
Erforderlich wäre dazu, dass der zu beurteilende Sachverhalt unter eine andere Konventionsbestimmung fällt (vgl. EGMR NJW-RR 2009, 1603 Rn. 28; NJW 2005, 875 Rn. 54; 1979, 2449 Rn. 32; Meyer-Ladewig, EMRK 3. Aufl. Art. 14 Rn. 5). Daran fehlt es hier. Weder Art. 8 Abs. 1 EMRK ist tangiert noch Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK, da diese kein Recht auf den Erwerb von Eigentum gewährleisten und daher durch den Ausschluss eines Erbrechts nicht berührt sind (vgl. EGMR NJW 1979, 2449 Rn. 50; Meyer-Ladewig, EMRK 3. Aufl. 1. Zusatzprotokoll zur EMRK Art. 1 Rn. 10).
Wendt Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller