Entscheidungsdatum: 27.03.2019
Die Belehrung gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VVG muss sich nicht auch auf die Folgen einer unrichtigen Belehrung gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 sowie § 152 Abs. 2 Satz 2 VVG erstrecken.
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart - 7. Zivilsenat - vom 3. Mai 2018 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 5.350,86 € festgesetzt.
Von Rechts wegen
Die Parteien streiten um die Rückabwicklung einer fondsgebundenen Rentenversicherung. Am 18. Dezember 2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten den Abschluss einer Rentenversicherung mit Wirkung zum 1. Januar 2009. Vor der Unterschriftszeile heißt es im Antrag:
"Liegt der Versicherungsbeginn vor Ablauf der 30-tägigen Widerrufsfrist, bin ich damit einverstanden, dass der Versicherungsschutz mit dem Versicherungsbeginn einsetzt (wenn dies nicht gewünscht ist, bitte streichen)."
Vertragsbestimmungen, insbesondere die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) und die Verbraucherinformation nach § 7 VVG, erhielt der Kläger zu diesem Zeitpunkt nicht. Die Beklagte übersandte ihm mit Schreiben vom 5. Januar 2009 den Versicherungsschein und weitere Unterlagen, insbesondere die AVB und die Verbraucherinformation. Auf der zweiten Seite der Verbraucherinformation befindet sich folgende fettgedruckte Widerrufsbelehrung:
"Widerrufsrecht
Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von 30 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform widerrufen.
…
Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
Die Widerrufsfrist beginnt, wenn Ihnen als Versicherungsnehmer der Versicherungsschein, die Vertragsbestimmungen einschließlich der Versicherungsbedingungen sowie die weiteren Informationen nach § 7 Abs. 1, 2 VVG in Textform vollständig mitgeteilt worden sind und Sie in deutlicher Form über das Widerrufsrecht, den Fristbeginn, die Dauer und die Rechtsfolgen des Widerrufs belehrt worden sind.
Widerrufsfolgen
Der Versicherer hat die für das erste Jahr des Versicherungsschutzes gezahlten Beiträge nicht zu erstatten, wenn Sie Leistungen aus dem Versicherungsvertrag in Anspruch genommen haben. Sie haben, sofern Sie zugestimmt haben, dass der Versicherungsschutz vor Ende der Widerrufsfrist beginnt, im Falle eines rechtzeitigen Widerrufs nur Anspruch auf Erstattung bereits gezahlter Beiträge für die Zeit nach Zugang des Widerrufs beim Versicherer. Wir erstatten Ihnen auch einen eventuell vorhandenen Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile nach § 169 VVG. Haben Sie keine Zustimmung erteilt oder beginnt der Versicherungsschutz erst nach Ablauf der Widerrufsfrist, sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Beiträge erstatten wir Ihnen unverzüglich, spätestens 30 Tage nach Zugang des Widerrufs."
Der Kläger zahlte sodann die monatlichen Prämien im Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis 1. Januar 2016. Am 24. November 2015 erklärte er den "Widerspruch/Rücktritt/Widerruf gegen das Zustandekommen des vorgenannten Versicherungsvertrages gemäß §§ 5a, 8 VVG a.F. bzw. §§ 8, 9, 152 VVG n.F." und sprach hilfsweise die Kündigung des Vertrages aus. Die Beklagte akzeptierte lediglich die Kündigung und zahlte dem Kläger zum Abrechnungsdatum 1. Januar 2016 einen Rückkaufswert in Höhe von 14.432,33 € aus.
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückzahlung sämtlicher gezahlter Prämien zuzüglich Nutzungen abzüglich des Rückkaufswertes, insgesamt 5.350,86 € in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dem Kläger stehe kein Anspruch auf Rückgewähr der geleisteten Versicherungsprämien und Herausgabe der von der Beklagten gezogenen Nutzungen aus der fondsgebundenen Rentenversicherung zu. Er habe den Vertrag nicht wirksam widerrufen, weil der Widerruf verspätet erfolgt sei. Die Widerrufsfrist habe mit Zugang der dem Kläger mit Schreiben vom 5. Januar 2009 übersandten Unterlagen nebst ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung zu laufen begonnen. Sie habe daher spätestens Mitte Februar 2009 geendet. Die Widerrufsbelehrung sei auch weder formell noch inhaltlich zu beanstanden. Insbesondere sei sie nicht deshalb fehlerhaft, weil ein Hinweis auf das Wahlrecht der §§ 9 Abs. 1 Satz 2, 152 Abs. 2 Satz 2 VVG für den Fall einer unzureichenden Belehrung auf der Rechtsfolgenseite unterblieben sei. Einer solchen Belehrung bedürfe es nicht. Der Versicherer dürfe grundsätzlich davon ausgehen, dass die von ihm erteilte Belehrung den Anforderungen des § 9 Abs. 1 Satz 1 VVG entspreche. Aus Gründen der Billigkeit und aus dem Zweck der Norm heraus könne vom Versicherer nicht verlangt werden, dass er eigenes pflichtwidriges Verhalten unterstelle und über etwaige daraus resultierende Rechtsfolgen belehre, um sich erst dadurch pflichtgemäß zu verhalten und die beschriebene Rechtsfolge gerade nicht herbeizuführen. Hierfür spreche auch, dass ein entsprechender Hinweis in das als Anlage zu § 8 Abs. 5 Satz 1 VVG im Jahr 2010 ausgegebene Muster für die Widerrufsbelehrung nicht aufgenommen worden sei.
II. Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Versicherungsprämien und Herausgabe der von der Beklagten gezogenen Nutzungen aus der fondsgebundenen Rentenversicherung zu. Er hat seine auf den Abschluss des Versicherungsvertrages gerichtete Vertragserklärung nicht fristgerecht innerhalb von 30 Tagen gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1, § 152 Abs. 1 VVG widerrufen. Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 VVG beginnt die Widerrufsfrist zu dem Zeitpunkt, zu dem dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Versicherungsbedingungen sowie die weiteren Informationen nach § 7 Abs. 1 und 2 VVG (Nr. 1) und eine deutlich gestaltete Belehrung über das Widerrufsrecht und über die Rechtsfolgen des Widerrufs (Nr. 2) zugegangen sind.
1. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei - und von der Revision zu Recht nicht angegriffen - festgestellt, dass der Versicherungsvertrag rechtswirksam zustande gekommen ist. Für die Wirksamkeit der Einigung über den Abschluss eines Versicherungsvertrages ist es unerheblich, ob der Versicherer die in § 7 Abs. 1 Satz 1 VVG bestimmten Pflichten erfüllt hat (Senatsurteil vom 28. Juni 2017 - IV ZR 440/14, BGHZ 215, 126 Rn. 16-21). Wie der Senat ferner entschieden und im Einzelnen begründet hat, beginnt die Widerrufsfrist gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 VVG auch dann mit dem Zugang der Widerrufsbelehrung und der weiteren dort genannten Unterlagen, wenn der Versicherer - wie hier - entgegen § 7 Abs. 1 Satz 1 VVG dem Versicherungsnehmer nicht vor Abgabe von dessen Vertragserklärung seine Vertragsbestimmungen und die weiteren Informationen mitgeteilt hat (Senatsurteil vom 28. Juni 2017 aaO Rn. 30-32; ferner Senatsurteil vom 13. Dezember 2017 - IV ZR 353/15, VersR 2018, 211 Rn. 10).
2. Die dem Kläger mit dem Schreiben der Beklagten vom 5. Januar 2009 erteilte Widerrufsbelehrung ist formal ordnungsgemäß und entgegen der Ansicht der Revision auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Die Widerrufsfrist des Klägers war mithin im Zeitpunkt des Widerrufs am 24. November 2015 abgelaufen.
a) In der Widerrufsbelehrung wird der Kläger bezüglich der Widerrufsfolgen zutreffend gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1, § 152 Abs. 2 Satz 1 VVG belehrt. Ob die Belehrung auch den - hier fehlenden - Hinweis auf die Rechtsfolgen im Falle unrichtiger Belehrung nach § 9 Abs. 1 Satz 2, § 152 Abs. 2 Satz 2 VVG enthalten muss, wird im Schrifttum unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird eine derartige allgemeine Hinweispflicht auf sämtliche Folgen des Widerrufs sowohl für den Fall ordnungsgemäßer als auch fehlerhafter Belehrung gemäß §§ 9, 152 VVG angenommen (Bruck/Möller/Knops, VVG 9. Aufl. § 9 Rn. 12; PK-VersR/Ortmann/Rubin, 3. Aufl. § 152 Rn. 8 f.; Schnepp/Gebert in Veith/Gräfe/Gebert, Der Versicherungsprozess 3. Aufl. § 10 Rn. 255). Die überwiegende Auffassung hält eine gesonderte Hinweispflicht auf die Folgen fehlerhafter Belehrung demgegenüber nicht für erforderlich (vgl. Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 30. Aufl. § 9 Rn. 11; Schneider aaO § 152 Rn. 15; Rixecker in Langheid/Rixecker, VVG 6. Aufl. § 9 Rn. 13; MünchKomm-VVG/Eberhardt, 2. Aufl. § 8 Rn. 62, § 9 Rn. 15; Patzer in Looschelders/Pohlmann, VVG 3. Aufl. § 152 Rn. 7; Schneider, VW 2008, 1168, 1171; D. Wendt, Zum Widerruf im Versicherungsvertragsrecht, 2013, S. 148 f.).
b) Die letztgenannte Ansicht trifft zu. Der Wortlaut des § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VVG spricht nur allgemein davon, dass für den Beginn der Widerrufsfrist unter anderem eine Belehrung über die Rechtsfolgen des Widerrufs erforderlich ist. Dies lässt zwar eine Auslegung sowohl des Inhalts zu, dass nur über die Folgen einer ordnungsgemäßen Belehrung gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1, § 152 Abs. 2 Satz 1 VVG zu belehren ist, als auch eine solche, nach der auch über die Rechtsfolgen einer fehlerhaften Belehrung gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2, § 152 Abs. 2 Satz 2 VVG zu belehren ist. Gegen eine Belehrung auch über die Rechtsfolgen einer fehlerhaften Belehrung spricht aber der Sinn und Zweck der Widerrufsbelehrung. Sie soll dem Versicherungsnehmer verdeutlichen, unter welchen Voraussetzungen er seine Vertragserklärung widerrufen kann und welche Rechtsfolgen dieser Widerruf hat. Um dem Versicherungsnehmer eine sachgerechte Entscheidung über den Widerruf zu ermöglichen, ist es erforderlich, dass der Versicherer ihn ordnungsgemäß über Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Widerrufs belehrt. Der Versicherer muss dabei nicht selbst in Rechnung stellen, dass seine eigene Belehrung fehlerhaft sein könnte und er, um sich pflichtgemäß verhalten zu können, auch über die sich möglicherweise aus einer unzutreffenden Belehrung ergebenden Rechtsfolgen belehren müsste (vgl. MünchKomm-VVG/Eberhardt, 2. Aufl. § 9 Rn. 15). Eine derartige Belehrung über die Rechtsfolgen einer fehlerhaften Belehrung ist mit dem beschriebenen Normzweck der §§ 9, 152 VVG nicht zu vereinbaren. Vielmehr bestünde bei einer Belehrung sowohl über die Rechtsfolgen einer ordnungsgemäßen Belehrung als auch gleichzeitig über die Rechtsfolgen einer fehlerhaften Belehrung die Gefahr einer inhaltlichen Überfrachtung und Unübersichtlichkeit der Belehrung (vgl. Rixecker in Langheid/Rixecker, VVG 6. Aufl. § 9 Rn. 13).
Auch der Wille des Gesetzgebers spricht dagegen, dass die Belehrung einen Hinweis über die Rechtsfolgen einer fehlerhaften Belehrung enthalten muss. So heißt es in der amtlichen Begründung zu § 152 VVG nur allgemein, in der Belehrung nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VVG sei bei den Rechtsfolgen des Widerrufs für die Lebensversicherung auf die Besonderheiten nach § 152 Abs. 2 VVG hinzuweisen (BT-Drucks. 16/3945 S. 95). Entgegen der Auffassung der Revision ist nicht ersichtlich, dass sich dieser Hinweis nach dem Willen des Gesetzgebers auch auf die Rechtsfolgen fehlerhafter Belehrungen zu erstrecken hätte. Aus der Benutzung des Plurals in den Gesetzgebungsmaterialien kann - worauf die Revisionserwiderung zu Recht hinweist - schon deshalb nichts hergeleitet werden, weil § 152 Abs. 2 VVG nur eine Besonderheit enthält, nämlich den in beiden Varianten des § 9 VVG hinzutretenden Anspruch auf die Zahlung des Rückkaufswerts einschließlich der Überschussanteile.
Entscheidend kommt hinzu, dass der Gesetzgeber in der mit Wirkung zum 11. Juni 2010 eingeführten Musterwiderrufsbelehrung gemäß § 8 Abs. 5 Satz 1 VVG bei den Widerrufsfolgen auf eine Belehrung bezüglich der Folgen einer fehlerhaften Belehrung verzichtet hat. Der Versicherer, der das Muster verwendet, erteilt die erforderlichen Hinweise und belehrt daher vorschriftsgemäß. Auf Folgen fehlerhaften Verhaltens muss sich die Belehrung nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers nicht erstrecken (BT-Drucks. 16/11643 S. 150). Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit dieser Neuregelung von der bisherigen Rechtslage abweichen wollte und etwa davon ausging, dass im Zeitraum zwischen dem Inkrafttreten des neuen Versicherungsvertragsgesetzes am 1. Januar 2008 sowie der Einführung der Musterbelehrung am 11. Juni 2010 eine Verpflichtung des Versicherers bestanden hätte, den Versicherungsnehmer auch über die Folgen fehlerhafter Belehrungen zu belehren. Vielmehr kann das Muster über die Widerrufsbelehrung auch schon für die Zeit vor dem 11. Juni 2010 als rechtlich unbedenkliche Empfehlung des Gesetzgebers Verwendung finden (vgl. MünchKomm-VVG/Eberhardt, 2. Aufl. § 8 Rn. 47; HK-VVG/Schimikowski, 3. Aufl. § 8 Rn. 31).
Mayen |
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Felsch |
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Prof. Dr. Karczewski |
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Dr. Brockmöller |
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Dr. Götz |
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