Entscheidungsdatum: 20.07.2011
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 13. Mai 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Die Klägerin fordert von der Beklagten als Berufshaftpflichtversicherer des ehemaligen Notars Dr. S. den Ausgleich ihrer durch eine Pflichtverletzung des Notars verursachten Schäden.
Die Klägerin nahm den Notar, ihren Streithelfer, wegen Pflichtverletzungen bei der Abwicklung eines Kaufvertrages über Eigentumswohnungen auf Schadensersatz in Anspruch. Durch rechtskräftiges Haftpflichturteil wurde der Streithelfer wegen Verletzung seiner Pflichten aus einem von der Klägerin erteilten Treuhandauftrag verurteilt, an diese 1.400.000 € nebst Zinsen zu zahlen Zug um Zug gegen Abtretung eines Teils ihrer Ansprüche auf Darlehensrückzahlung und Teilübertragung ihrer Sicherheiten.
In der Berufshaftpflichtversicherung waren nach § 4 Ziff. 3 der zugrunde liegenden Bedingungen Haftpflichtansprüche wegen Schadensverursachung durch wissentliche Pflichtverletzung vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Die Deckungssumme der Versicherung war im Jahr 2000 auf 1 Mio. DM pro Versicherungsfall beschränkt; im Übrigen betrug die Höchstleistung pro Versicherungsjahr 2 Mio. DM. Zur Ergänzung der Haftpflichtversicherung hält die für den Streithelfer zuständige Notarkammer F. gemäß § 67 Abs. 3 Ziff. 3 Satz 1 BNotO bei der Beklagten eine Gruppenanschlussversicherung für die Deckungssumme übersteigende Vermögensschäden sowie bei einem anderen Versicherer eine Vertrauensschadenversicherung für Schäden aufgrund wissentlicher Pflichtverletzungen. Die von der Beklagten vorgelegten Vertrauensschaden-Versicherungsverträge mit Änderungsverträgen enthalten in der Fassung des letzten Änderungsvertrages aus dem Jahr 1998 unter § 4 die folgende Regelung:
"Ausschlüsse
Eine Versicherungsleistung ist ausgeschlossen aufgrund von Schäden,
1.( …),
2.( ...)
3. die mittelbar entstehen, wie entgangener Gewinn, Zinsverlust,
4.( …)"
Nachdem die Klägerin die - vermeintlichen - Deckungsansprüche des Streithelfers gegen die Beklagte aus der Berufshaftpflichtversicherung und der Gruppenanschlussversicherung hat pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen, nimmt sie nunmehr die Beklagte auf Zahlung in Anspruch.
Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin die "zur Verfügung stehende" Mindestversicherungssumme aus der Vertrauensschadenversicherung auszuzahlen, Zug um Zug gegen Abtretung eines Teilbetrags ihres Darlehensrückzahlungsanspruchs und Teilübertragung ihrer Sicherheiten. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Klage "klarstellend" insgesamt abgewiesen, weil das Urteil des Landgerichts keinen vollstreckungsfähigen Inhalt habe. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, die ihre Hauptforderung, allerdings beschränkt auf eine Zahlung von 255.645,94 €, "nebst Zinsen" weiterverfolgt.
Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dass die Beklagte aus der Berufshaftpflichtversicherung nicht einstandspflichtig sei. Die Beklagte sei nach § 4 Ziff. 3 der Allgemeinen Bedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung leistungsfrei, weil der Schaden auf einer wissentlichen Pflichtverletzung des Streithelfers beruhe.
Auch einen Deckungsanspruch aus der Gruppenanschlussversicherung könne die Klägerin wegen Wissentlichkeit der Pflichtverletzung nicht geltend machen. Da dem Streithelfer als Notar keine Ansprüche aus der Gruppenanschlussversicherung zustünden, sei der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss insoweit ins Leere gegangen.
Die Beklagte sei auch nicht als Berufshaftpflichtversicherer nach § 19a Abs. 2 Satz 2 BNotO zur Leistung einer Entschädigung verpflichtet. Die in dieser Regelung statuierte Vorleistungspflicht sei bereits aufgrund des von der Beklagten erhobenen Einwands der Erschöpfung der Versicherungssumme in der Berufshaftpflichtversicherung ausgeschlossen. Entgegen dem Wortlaut des § 19a Abs. 2 Satz 2 BNotO sei nicht "nur" streitig, ob der Ausschlussgrund der wissentlichen Pflichtverletzung eingreife, sondern auch, ob und in welcher Höhe eine Haftung der Beklagten als Berufshaftpflichtversicherer gemäß § 156 Abs. 3 VVG a.F. in Betracht komme. Auch der Einwand der Erschöpfung der Versicherungssumme in der Vertrauensschadenversicherung schließe eine Anwendung des § 19a Abs. 2 Satz 2 BNotO aus, da der Berufshaftpflichtversicherer nur im Umfang eines Regressanspruchs gegen den Vertrauensschadenversicherer zur Vorleistung verpflichtet sei.
II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass die Beklagte aus der Berufshaftpflichtversicherung nach § 4 Abs. 3 der Allgemeinen Bedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung nicht deckungspflichtig ist, weil der Schaden durch eine wissentliche Pflichtverletzung des Streithelfers verursacht worden ist. Die Feststellung des Berufungsgerichts, der Streithelfer habe wissentlich gegen die ihm erteilten Treuhandauflagen verstoßen, ist nicht zu beanstanden und wird von der Revision nicht gerügt.
2. Aus der Gruppenanschlussversicherung kann die Klägerin keinen Anspruch geltend machen, da diese Versicherung von den Notarkammern als Versicherung für fremde Rechnung i.S. der §§ 74 ff. VVG a.F. abgeschlossen wird (Brügge in Gräfe/Brügge, Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung [2006] A IV Rn. 201). Der als Kammermitglied versicherte Notar kann daher über die Rechte aus dem Versicherungsvertrag nicht verfügen oder sie gerichtlich verfolgen (§ 75 Abs. 2 VVG a.F.), so dass auch der Klägerin, die aufgrund der Pfändung und Überweisung die Rechtsstellung des Notars erlangt hat, die Aktivlegitimation fehlt.
3. Unzutreffend ist dagegen die Auffassung des Berufungsgerichts, dass eine Vorleistungspflicht der Beklagten nach § 19a Abs. 2 Satz 2 BNotO bereits dem Grunde nach nicht bestehe.
a) Der Einwand der Erschöpfung der Versicherungssumme in der Berufshaftpflichtversicherung ist für den Anspruch aus § 19a Abs. 2 Satz 2 BNotO unerheblich. Die Vorleistungspflicht ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass sich die Beklagte neben dem Einwand der Wissentlichkeit der Pflichtverletzung auf die Erschöpfung der Versicherungssumme in der Berufshaftpflichtversicherung berufen hat. Zwar setzt die Vorleistungspflicht nach dem Wortlaut des § 19a Abs. 2 Satz 2 BNotO voraus, dass "nur streitig" ist, ob Ersatzansprüche wegen wissentlicher Pflichtverletzung ausgeschlossen sind. Hiermit soll jedoch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Regelung lediglich klargestellt werden, dass eine Vorleistungspflicht ausscheidet, wenn der Berufshaftpflichtversicherer aufgrund anderer Einwendungen, die seine Einstandspflicht aus der Berufshaftpflichtversicherung dem Grunde nach betreffen, leistungsfrei ist.
Anlass für die Einführung einer Vorleistungspflicht in § 19a Abs. 2 Satz 2 BNotO war die Überlegung, dass in der Praxis der Mandantenschutz lückenhaft ist, wenn Streit darüber besteht, ob der Notar seine Amtspflicht vorsätzlich oder fahrlässig verletzt hat und sowohl der Berufshaftpflicht- als auch der Vertrauensschadenversicherer eine Regulierung unter Hinweis auf die Leistungspflicht des jeweils anderen ablehnen. Im Interesse einer zügigen Schadensregulierung begründet die Regelung des § 19a Abs. 2 Satz 2 BNotO daher eine Vorleistungspflicht des Berufshaftpflichtversicherers im Verhältnis zum Vertrauensschadenversicherer (BT-Drucks. 13/11034, S. 38 f.). Dieser Zweck würde verfehlt, wenn die Vorleistungspflicht des Berufshaftpflichtversicherers auch aufgrund solcher Einwendungen in der Berufshaftpflichtversicherung ausgeschlossen wäre, die lediglich die Höhe der Leistungspflicht des Berufshaftpflichtversicherers betreffen.
Der Erschöpfungseinwand betrifft allein die Höhe der Leistungspflicht. Die Beklagte hat geltend gemacht, dass eine Erschöpfung der maßgeblichen Gesamtversicherungssumme in der Berufshaftpflichtversicherung zu befürchten sei, weil in Bezug auf den Streithelfer für das betroffene Versicherungsjahr eine Vielzahl gemeldeter Haftpflichtschäden vorliege. Eine Erschöpfung hätte aber nur zur Folge, dass die Leistung aus der Berufshaftpflichtversicherung der Höhe nach anteilig zu kürzen wäre (§ 156 Abs. 3 Satz 1 VVG a.F.). Dass durch die Beklagte bereits Zahlungen an die übrigen Gläubiger erfolgt sind und die Leistungspflicht daher nach § 156 Abs. 3 Satz 2 VVG a.F. entfallen wäre, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
b) Dass sich die Beklagte außerdem auf eine Erschöpfung der Versicherungssumme in der Vertrauensschadenversicherung berufen hat, steht einer Vorleistungspflicht nach § 19a Abs. 2 Satz 2 BNotO dem Grunde nach nicht entgegen.
Allerdings ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Vorleistungspflicht des Berufshaftpflichtversicherers nach § 19a Abs. 2 Satz 2 BNotO durch seinen Regressanspruch gegen den Vertrauensschadenversicherer begrenzt ist. Dieser Regressanspruch folgt aus § 19a Abs. 2 Satz 4 BNotO. Anspruchsgegner sind nach dem Wortlaut die "Personen, für deren Verpflichtungen" der Berufshaftpflichtversicherer gemäß Satz 2 einzustehen hat, also in erster Linie der Vertrauensschadenversicherer. Nach dem Regelungszusammenhang soll der Aufwendungsersatzanspruch den durch den Anspruchsübergang nach Satz 3 gewährleisteten Schutz des vorleistenden Berufshaftpflichtversicherers ergänzen und ihn von Kosten freistellen, die ihm aufgrund seiner Vorleistungspflicht entstanden sind. Da dem Geschädigten im Regelfall keine direkten Ansprüche aus dem Vertrauensschadenversicherungsvertrag zustehen (Senatsurteil vom 12. Dezember 1990 - IV ZR 213/89, VersR 1991, 299 unter I 3), kann der Berufshaftpflichtversicherer einen Ausgleichsanspruch gegen den Vertrauensschadenversicherer nicht auf die Legalzession nach § 19a Abs. 2 Satz 3 BNotO stützen. Anspruchsgrundlage für den Ausgleichsanspruch ist daher § 19a Abs. 2 Satz 4 BNotO.
Bereits aus Wortlaut und Zweck des § 19a Abs. 2 Satz 2 BNotO ergibt sich, dass der Berufshaftpflichtversicherer nur in der Höhe vorleistungspflichtig ist, in der eine Einstandspflicht und damit eine Regresspflicht des Vertrauensschadenversicherers besteht. Indem die Regelung eine Vorleistungspflicht "bis zur Höhe" der für den Vertrauensschadenversicherer geltenden Mindestversicherungssumme anordnet, ist klargestellt, dass es sich lediglich um eine Obergrenze handelt. Aus der Formulierung und der Begründung des Gesetzgebers für die Neuregelung des § 19a Abs. 2 Satz 2 BNotO folgt weiter, dass eine Vorleistungspflicht im Verhältnis zum Vertrauensschadenversicherer angeordnet wird. Der Forderungsübergang nach § 19a Abs. 2 Satz 3 BNotO und der Aufwendungsersatzanspruch nach § 19a Abs. 2 Satz 4 BNotO sollen ihm für seine Vorleistung einen vollen Ausgleich gewähren. Mit dem Charakter als Vorleistungspflicht wäre eine Erweiterung der Einstandspflicht des Berufshaftpflichtversicherers über die des Vertrauensschadenversicherers hinaus und damit unabhängig von einer Regressmöglichkeit nicht zu vereinbaren. Zwar gehen nach § 19a Abs. 2 Satz 3 BNotO auch die Ansprüche des Geschädigten gegen den Notar auf den Berufshaftpflichtversicherer über. Es würde jedoch dem durch die Regressansprüche verfolgten Ziel eines vollen Ausgleichs der Vorleistung widersprechen, wenn der Berufshaftpflichtversicherer das Insolvenzrisiko des Notars tragen müsste. Dieses Risiko ist bei Notaren, die sich zu wissentlichen Pflichtverletzungen verleiten lassen, generell erhöht.
Hieraus folgt jedoch nur, dass sich eine Erschöpfung der Versicherungssumme in der Vertrauensschadenversicherung nach § 156 Abs. 3 Satz 1 VVG a.F. auf die Höhe der Vorleistungspflicht auswirken würde.
4. Da das Berufungsgericht zur Frage der Erschöpfung der Versicherungssumme in der Vertrauensschadenversicherung keine ausreichenden Feststellungen getroffen hat, ist die Sache zur Prüfung der Höhe der Vorleistungspflicht der Beklagten an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
5. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
Das Berufungsgericht hat zu prüfen, in welcher Höhe der Klägerin der geltend gemachte Zinsanspruch zusteht. Auch insoweit ist der Einwand der Erschöpfung der Versicherungssumme in der Vertrauensschadenversicherung erheblich.
a) Der Antrag der Klägerin, das Berufungsurteil aufzuheben, "soweit die Klage auf Zahlung von € 255.645,94 nebst Zinsen (…) abgewiesen worden ist", ist unter Berücksichtigung des Antrags in der Berufungsinstanz dahingehend auszulegen, dass gesetzliche Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus dem vorgenannten Hauptsachebetrag seit dem 1. August 2000 geltend gemacht werden. Dabei handelt es sich um die im Haftpflichtprozess gegen den Notar rechtskräftig titulierten Verzugszinsen gemäß § 288 Abs. 1 BGB.
b) Diesem Zinsanspruch steht die Deckungsbeschränkung in § 4 Ziff. 3 AVB nicht entgegen. Eine Auslegung der Ausschlussklausel ergibt, dass gesetzliche Verzugszinsen hiervon nicht erfasst sind.
aa) Eine gesetzliche, von der Rechtsprechung entwickelte oder in der Literatur anerkannte Definition des Begriffs "mittelbarer Schaden" gibt es nicht, so dass dessen Inhalt im Wege der Auslegung aus dem jeweiligen Vertrag, insbesondere der Haftungsbegrenzungsklausel selbst zu ermitteln ist (BGH, Urteil vom 8. Juni 1994 – VIII ZR 103/93, NJW 1994, 2228 unter II 2 b).
Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss (Senatsurteil vom 23. Juni 1993 - IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83, 85). Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an. Bei Risikoausschlussklauseln geht das Interesse des Versicherungsnehmers in der Regel dahin, dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck der Klausel es erfordert. Daher sind Risikoausschlussklauseln nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eng auszulegen und nicht weiter, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise gebietet. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht damit zu rechnen, dass er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne dass die Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht (Senatsurteile vom 11. Dezember 2002 - IV ZR 226/01, VersR 2003, 236 unter III 1; vom 17. März 1999 - IV ZR 89/98, VersR 1999, 748 unter 2 a).
bb) Nicht unter den Begriff des "Zinsverlustes" und des "mittelbaren" Schadens im Sinne dieser Klausel fallen nach diesen Grundsätzen die von der Klägerin geltend gemachten Verzugszinsen gemäß § 288 Abs. 1 BGB.
Ausgehend von dem Wortlaut der Ausschlussklausel wird der verständige Versicherungsnehmer unter den Begriff "Zinsverlust" in erster Linie den Vermögensnachteil fassen, der als Folge des durch das pflichtwidrige Verhalten eintretenden primären Vermögensnachteils in Form eines Verlustes von Zinsen entsteht, d.h. den entgangenen und damit "verlorenen" Anlagezins. Dagegen ist der Anspruch auf Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1 und 2 BGB unabhängig von dem Nachweis eines tatsächlichen Verlustes. Der Verzugszins ist dem Grunde und der Höhe nach als objektiver Mindestschaden gesetzlich festgelegt, so dass dem Schuldner der Beweis, dass tatsächlich kein oder ein geringerer Schaden entstanden ist, abgeschnitten wird (Palandt/Grüneberg, BGB 70. Aufl. § 288 Rn. 4). Die Ersatzfähigkeit von gesetzlichen Verzugszinsen ist allein an das Vorliegen der Verzugsvoraussetzungen gekoppelt, so dass die Anspruchsentstehung nahe liegender ist als die eines Anspruchs auf Ersatz weitergehenden Zinsschadens oder entgangenen Gewinns. Da mit einer vorsätzlichen Pflichtverletzung oftmals die Zahlungsunfähigkeit des Notars verbunden ist, kann der Vertrauensschadenversicherer regelmäßig von einer Verpflichtung des Notars zur Zahlung von Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1 BGB ausgehen.
Auch der erkennbare Zweck des Vertrauensschadensversicherungsvertrages und des Risikoausschlusses spricht für eine enge Auslegung des Begriffs "Zinsverlust". Die Vertrauensschadensversicherung dient in erster Linie dem Schutz der Geschädigten, außerdem der Wahrung des Ansehens des Notarstandes (Senatsurteil vom 12. Dezember 1990 - IV ZR 213/89, VersR 1991, 299 unter I 3 a); vom 27. Mai 1998 - IV ZR 166/97, VersR 1998, 1016 unter 1; vom 30. September 1998 - IV ZR 323/97, VersR 1998, 1504 unter II 2). Beide Zwecke sprechen dafür, dass der Geschädigte zumindest den mit dem primären Vermögensschaden nahezu zwangsläufig verbundenen gesetzlichen Verzugsschaden geltend machen kann. Soweit man den Grund für den Ausschluss mittelbarer Schäden in der Begrenzung und Kalkulierbarkeit des Schadenspotenzials sieht, wird dieses Ziel bereits durch die in § 3 I Abs. 1 AVB festgelegte Mindestversicherungssumme pro Versicherungsfall erreicht, was der durchschnittliche Versicherungsnehmer den AVB ohne weiteres entnehmen kann. Eine weite Auslegung des Begriffs "mittelbarer Schaden" ist also auch nicht aufgrund berechtigter Interessen der Vertrauensschadenversicherer oder der Prämien zahlenden Notarkammern und ihrer Mitglieder geboten.
c) Eine Geltendmachung des Zinsanspruchs ist nicht durch die Mindestversicherungssumme des § 67 Abs. 3 Satz 2 BNotO ausgeschlossen, die zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung 500.000 DM = 255.645,94 € betrug.
aa) Zwar ergibt sich aus dem Wortlaut des § 19a Abs. 2 Satz 2 BNotO, der eine Vorleistungspflicht "bis zur Höhe" der für den Vertrauensschadenversicherer "geltenden Mindestversicherungssumme" anordnet, dass die gesetzliche Mindestversicherungssumme die Vorleistungspflicht begrenzt. Die Klägerin fordert bereits einen Hauptsachebetrag in dieser Höhe, so dass daneben ein Zinsanspruch als Vorleistung nach § 19a Abs. 2 Satz 2 BNotO grundsätzlich nicht geltend gemacht werden kann.
Ein Zinsanspruch nach § 19a Abs. 2 Satz 2 BNotO könnte der Klägerin aber unter der Voraussetzung zustehen, dass die Entschädigung in der Hauptsache aufgrund des Erschöpfungseinwands in der Vertrauensschadenversicherung zu kürzen ist, so dass die Hauptforderung allein die gesetzliche Mindestversicherungssumme nicht erreicht. Dass die Vorleistungspflicht durch den Regressanspruch gegen den Vertrauensschadenversicherer und damit auch durch die (Gesamt-)Versicherungssumme in der Vertrauensschadenversicherung begrenzt ist, würde in diesem Fall eine Geltendmachung des Zinsanspruchs nicht ausschließen. Der Vertrauensschadenversicherer ist in entsprechender Anwendung des § 150 Abs. 2 Satz 2 VVG a.F. zur Zahlung von Zinsen auch dann verpflichtet, wenn diese zusammen mit der übrigen Entschädigung die Versicherungssumme übersteigen, sofern die Zinsen auf einer von ihm veranlassten Verzögerung der Befriedigung des Dritten beruhen. Diese für Haftpflichtversicherungen geltende Vorschrift ist aufgrund der Funktion der Vertrauensschadenversicherung auch auf Ansprüche gegen den Vertrauensschadenversicherer entsprechend anzuwenden. Mit der Ergänzung der Berufshaftpflichtversicherung durch eine Gruppenanschluss- und eine Vertrauensschadenversicherung wollte der Gesetzgeber den Vermögensschutz sicherstellen, den die Staatshaftung bei Amtspflichtverletzungen anderer Amtsträger schafft (Senatsurteil vom 30. September 1998 aaO). Eine wirksame Ergänzung der Haftpflichtversicherung des Notars, die einen der Staatshaftung vergleichbaren Schutz gewährleistet, setzt voraus, dass die Vertrauensschadensversicherungen in ihrer Handhabung den Regeln der Haftpflichtversicherung folgen (Senatsurteile vom 27. Mai 1998 aaO; vom 30. September 1998 aaO); die Vertrauensschadenversicherung hat die Funktion einer Haftpflichtversicherung, die das Risiko vorsätzlicher Pflichtverletzungen des Notars in den Versicherungsschutz einschließt (Senatsurteile vom 27. Mai 1998 aaO und 30. September 1998 aaO).
Es bedarf daher weiterer Feststellungen, ob der Erschöpfungseinwand zu einer Kürzung der von der Klägerin geforderten Entschädigungsleistung führt und ob der Vertrauensschadenversicherer in diesem Umfang eine verspätete Befriedigung des Geschädigten und damit Verzugszinsen aus dem gekürzten Entschädigungsbetrag veranlasst hat.
bb) Ein Zinsanspruch könnte der Klägerin auch nach §§ 286, 288 BGB wegen Verzugs der Beklagten mit der Erfüllung ihrer Vorleistungspflicht zustehen. Insoweit sind weitere Feststellungen zum Umfang der Vorleistungspflicht und zu den Verzugsvoraussetzungen erforderlich.
Dr. Kessal-Wulf Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller