Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 18.05.2011


BGH 18.05.2011 - IV ZB 6/10

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Glaubhaftmachung durch anwaltliche Versicherung; Anforderungen an die Darlegung einer Verletzung der richterlichen Hinweispflicht


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
18.05.2011
Aktenzeichen:
IV ZB 6/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OLG Düsseldorf, 22. April 2010, Az: 13 U 4/10, Beschlussvorgehend LG Kleve, 23. Dezember 2009, Az: 2 O 183/09, Urteil
Zitierte Gesetze

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 22. April 2010 wird auf Kosten des Klägers als unzulässig verworfen.

Gegenstandswert: 37.400 €

Gründe

1

I. Der Kläger wendet sich im vorliegenden Verfahren gegen die Zwangsvollstreckung des Beklagten aus einer notariellen Urkunde mit dem Begehren, diese für unzulässig zu erklären. Das Landgericht hat diesem Begehren mit Urteil vom 23. Dezember 2009 lediglich in Höhe eines Teilbetrages von 6.000 € entsprochen.

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Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 28. Dezember 2009 zugestellt worden. Nach rechtzeitiger Berufungseinlegung hat er mit Schriftsatz vom 25. Februar 2010 die Berufung begründet. Dieser Schriftsatz ging erst am 2. März 2010 beim Oberlandesgericht ein. Mit Schriftsatz vom 19. März 2010 hat er wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und zur Begründung ausgeführt:

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Der Schriftsatz habe zunächst am 26. Februar 2010, einem Freitag, um 11.44 Uhr per Fax an das Oberlandesgericht übermittelt werden sollen. Nachdem eine Verbindung (wegen einer unbemerkt falsch gewählten Nummer) nicht zustande gekommen sei, habe die Auszubildende ihn gefragt, ob weitere Faxversuche unternommen werden sollten oder ein Versand mit der normalen Post ausreichend sei. Wegen des erst am Montag, den 1. März 2010 eintretenden Fristablaufs habe er entschieden, dass ein Postversand ausreichen müsse. Der Postversand sei in seiner Kanzlei so organisiert, dass zur Zustellung von Briefsendungen die W.      GmbH genutzt werde, die mit gleichen Zustellzeiten wie die Deutsche Post AG arbeite und die zuzustellenden Postsendungen durch Mitarbeiter in der Kanzlei abhole, und zwar freitags jeweils um 13.00 Uhr. Die Versendung sei dann am 26. Februar 2010 mittags um 13.00 Uhr mit einem Großumschlag erfolgt. Er habe von einer Zustellung am Samstag, spätestens aber am Montag ausgehen können und mit einer um zwei Werktage verspäteten Zustellung nicht zu rechnen brauchen.

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Es sei zu berücksichtigen gewesen, dass der Schriftsatz spätestens bis um 13.00 Uhr mit den anderen Postsendungen verpackt, die Poststücke gezählt und abholfertig bereitgestellt werden mussten, wobei häufig der Abholer bereits vor 13.00 Uhr in der Kanzlei eintreffe. Die abzuholenden Poststücke würden in eine vom Zustelldienst bereit gestellte grüne Box gelegt. Das sei auch an diesem Tag geschehen; die Sendungen seien kurze Zeit später gegen 13.00 Uhr abgeholt worden, darunter insgesamt fünf größere Umschläge, dabei auch derjenige mit der Berufungsbegründung. Er habe noch registriert, dass der Abholbote gekommen war. Dass das besagte Schreiben bei den abgeholten Poststücken mit dabei war, habe er nicht persönlich überprüft. Jedoch würden nicht mehr rechtzeitig zum Versand gelangte Poststücke auf einem gesonderten Tisch zur Abholung am nächsten Werktag in einer weiteren grünen Box bereit gelegt, und diese sei, kurz bevor er die Kanzlei gegen 14.00 Uhr verlassen habe, vollständig leer gewesen.

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Eine gesonderte Glaubhaftmachung dieses Vortrags ist nicht erfolgt.

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Das Berufungsgericht hat mit Beschluss vom 22. April 2010 die Berufung als unzulässig verworfen und in den Gründen des Beschlusses zugleich den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde des Klägers.

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II. Die Rechtsbeschwerde ist zwar nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft. Sie ist aber nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt. Insbesondere erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht. Die angefochtene Entscheidung entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und erweist sich im Ergebnis als richtig.

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1. Das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dient in besonderer Weise dazu, die Rechtsschutzgarantie und das rechtliche Gehör zu gewährleisten. Daher gebieten es die Verfahrensgrundrechte auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), den Zugang zu den Gerichten und den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren. Demgemäß dürfen bei der Auslegung der Vorschriften über die Wiedereinsetzung die Anforderungen daran, was der Betroffene veranlasst haben muss, um Wiedereinsetzung zu erlangen, nicht überspannt werden (Senatsbeschluss vom 12. Januar 2011 - IV ZB 14/10, juris Rn. 5 m.w.N.).

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2. Gegen diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht in entscheidungserheblicher Weise verstoßen.

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a) Zutreffend geht es davon aus, dass eine Partei zur Begründung ihres Antrages auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist die den Antrag rechtfertigenden Tatsachen nicht nur angeben, sondern darüber hinaus auch glaubhaft machen muss (§ 236 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO). Gegenteiliges ergibt sich nicht aus der von ihr zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Anforderungen an die Schilderung der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen (BGH, Beschlüsse vom 9. Februar 2010 - XI ZB 34/09, VersR 2011, 508 Rn. 9 und vom 3. Juli 2008 - IX ZB 169/07, NJW 2008, 3501 Rn. 15 m.w.N.). Erforderlich sind danach die Angabe und die Glaubhaftmachung von Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass weder die Partei selbst noch ihren Prozessbevollmächtigten, dessen Verschulden sie sich im Rahmen der Wiedereinsetzung zurechnen lassen muss (§§ 233, 85 Abs. 2 ZPO), ein Verschulden an der Fristversäumnis trifft.

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Schon an jeglicher Glaubhaftmachung der vorgetragenen Tatsachen fehlte es hier. Sie war nicht deshalb entbehrlich, weil in dem Wiedereinsetzungsantrag eine eigene Schilderung von Vorgängen durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers enthalten war. Zwar kann die Schilderung von Vorgängen durch einen Rechtsanwalt die mitgeteilten Tatsachen in gleicher Weise glaubhaft machen, wie dies sonst durch eine eidesstattliche Versicherung der Fall ist, wenn der Anwalt die Richtigkeit seiner Angaben unter Bezugnahme auf seine Standespflichten anwaltlich versichert (BGH, Urteil vom 2. November 1988 - IVb ZR 109/87, FamRZ 1989, 373 unter 4 a; Beschluss vom 18. Januar 1984 - IVb ZB 112/83, VersR 1984, 861 unter a; Zöller/Greger, ZPO 28. Aufl. § 294 Rn. 5; Musielak/Huber, ZPO 8. Aufl. § 294 Rn. 4). Eine derartige besondere Versicherung lag aber nicht vor.

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b) Es kann offen bleiben, ob das Berufungsgericht gegen § 139 ZPO verstoßen hat, indem es vor seiner Entscheidung nicht auf die fehlende Glaubhaftmachung hingewiesen und damit den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt hat. Denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem etwaigen Verstoß beruht. Wird von einer Partei die Verletzung einer Hinweispflicht geltend gemacht, so hat sie darzulegen, wie sie auf einen entsprechenden Hinweis reagiert, insbesondere was sie im Einzelnen vorgetragen hätte und wie sie weiter vorgegangen wäre (BGH, Urteil vom 16. Oktober 2008 - III ZR 253/07, NJW 2009, 148 Rn. 10).

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Hierzu macht der Kläger lediglich geltend, dass er dann schon vor Erlass der angefochtenen Entscheidung die im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 27. April 2010 abgegebene eidesstattliche Versicherung vorgelegt hätte. Diese allein ist indes zur Glaubhaftmachung eines die Wiedereinsetzung rechtfertigenden Sachverhalts nicht ausreichend.

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aa) Zwar hat die Beschwerde darin Recht, dass eine Partei grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass im Bundesgebiet werktags aufgegebene Postsendungen am folgenden Werktag ausgeliefert werden (BGH, Beschluss vom 9. Februar 2010 aaO Rn. 7). Dies gilt auch für den vom Prozessbevollmächtigten des Klägers in Anspruch genommenen privaten Postdienstleister.

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bb) Die eidesstattliche Versicherung des Prozessbevollmächtigten des Klägers ist indes von vornherein nicht geeignet glaubhaft zu machen, dass alle anderen denkbaren Ursachen für die Versäumung der Frist als die eines verzögerten Postlaufs ausscheiden.

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Denn weder der Umstand, dass die Auszubildende oder ein anderer Mitarbeiter der Kanzlei die Berufungsbegründung rechtzeitig postfertig gemacht und in die Abholbox gelegt hat, noch dass gerade diese Sendung vor der Abholung dort gelegen hat, war Gegenstand eigener Wahrnehmung des Prozessbevollmächtigten. Es ist nicht völlig fern liegend, dass angesichts der knappen Zeit bis zur Abholung der Post die Berufungsbegründung nicht mehr rechtzeitig versandfertig gemacht worden war, zumal nach den eigenen Angaben des Prozessbevollmächtigten im Wiedereinsetzungsantrag der Abholbote häufig auch schon vor 13.00 Uhr erschien. Die entscheidende Tatsache, dass gerade die Berufungsbegründung noch an diesem Tage an den Abholer des Zustelldienstes übergeben worden ist, wird von den eidesstattlich als richtig versicherten Wahrnehmungen des Prozessbevollmächtigten nicht gedeckt.

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Es kommt hinzu, dass auch jeglicher Vortrag zur Organisation der Ausgangskontrolle bei fristgebundenen Schriftsätzen in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten fehlt. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass eine Frist im Fristenkalender erst gestrichen werden darf, wenn der fristwahrende Schriftsatz zumindest in einer Weise versandfertig gemacht worden ist, dass er noch am gleichen Tage zur Post oder zum Gericht gelangt. Ist das geschehen, so ist die Frist unverzüglich zu streichen (BGH, Beschluss vom 22. April 2009 - XII ZB 167/08, VersR 2010, 964 Rn. 15). Durch eine solche Organisation wäre sichergestellt, dass die Frist am Freitag nur dann gestrichen worden wäre, wenn die Berufungsbegründung tatsächlich noch vor der Abholung in die fragliche Abholbox gelegt worden wäre. Wäre die Frist jedoch ungestrichen geblieben, so hätte dies am folgenden Montag, dem Tag des Fristablaufs entdeckt werden müssen, und es hätte noch für eine rechtzeitige Übermittlung der Berufungsbegründung Sorge getragen werden können.

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Hier hätte zu einer wirksamen Ausgangskontrolle angesichts der zuvor gescheiterten Übermittlung der Berufungsbegründung an das Gericht per Fax bei der nunmehr angeordneten alleinigen Versendung per Post zudem besondere Veranlassung bestanden. Es ist nicht ersichtlich, dass die Eilbedürftigkeit der Sendung und die ansonsten drohende Fristversäumnis der mit der Übermittlung der Berufungsbegründung per Fax befassten Auszubildenden, über deren Ausbildungsstand nichts bekannt ist, vom Anwalt verdeutlicht worden sind.

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Es spricht deshalb alles dafür, dass bei ordnungsgemäß organisierter Ausgangskontrolle weitere Angaben zu einer rechtzeitigen Übergabe der Sendung an den Postzustelldienst möglich gewesen wären. Zu alledem verhalten sich der Vortrag und die nachgereichte Glaubhaftmachung des Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht.

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Unter diesen Umständen genügt auch die Tatsache, dass nach seinen Angaben die weitere, für die Abholung von Sendungen am nächsten Werktag vorgesehene Abholbox leer gewesen ist, als er die Kanzlei verließ, nicht zur Glaubhaftmachung, dass die Berufungsbegründung bereits am Freitag die Kanzlei verlassen hatte.

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c) Nach alledem kommt es auf die von der Beschwerde thematisierte Rechtsfrage, ob im Wiedereinsetzungsverfahren eine lediglich fehlende Glaubhaftmachung auch unabhängig von einem Verstoß der Vorinstanz gemäß § 139 ZPO noch im Rechtsbeschwerdeverfahren nachgeholt werden kann, nicht an.

Dr. Kessal-Wulf                                   Harsdorf-Gebhardt                                             Dr. Karczewski

                                 Lehmann                                                 Dr. Brockmöller