Entscheidungsdatum: 09.09.2010
1. NV: Das FG muss das den Einkommensteuerbescheid betreffende Verfahren aussetzen, bis über die Feststellung der Einkünfte, an denen mehrere Personen beteiligt sind, im Feststellungsverfahren entschieden ist .
2. NV: Das gesonderte Feststellungsverfahren ist auch durchzuführen, wenn das für dieses Verfahren zuständige Finanzamt gleichzeitig für die Festsetzung der Einkommensteuer aller an den Einkünften beteiligter Steuerpflichtiger zuständig ist .
3. NV: Ein Fall von geringer Bedeutung liegt nicht vor, wenn die zutreffende Ermittlung des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts in Streit steht .
I. Streitig ist, ob bei der Ermittlung des Gewinns aus der Veräußerung einer Milchreferenzmenge (im Weiteren Milchlieferrechte) dem Veräußerungserlös im Hinblick auf einen Teileinzug der Milchlieferrechte zu Gunsten der Landesreserve gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 der Zusatzabgabenverordnung in der Fassung der Zweiten Verordnung zur Änderung der Zusatzabgabenverordnung vom 14. Januar 2004 (BGBl I 2004, 89; Neubezeichnung mit der Dritten Verordnung zur Änderung der Zusatzabgabenverordnung vom 26. März 2004, BGBl I 2004, 462, ab dem 1. April 2004: Milchabgabenverordnung --MilchAbgV--, im Weiteren daher MilchAbgV) ein anteilig (um 33 %) gekürzter Buchwert gegenüberzustellen ist.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) und seine Ehefrau, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden, erzielten im Streitjahr (2004) u.a. Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Den Gewinn ermittelten sie für das vom 1. Mai 2004 bis 30. April 2005 laufende Wirtschaftsjahr gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und rechneten diesen jeweils hälftig zu.
Dem Kläger wurden im Jahr 1984 204 200 kg Milchlieferrechte zugeteilt, die nach Kürzungen nach der Milch-Garantiemengen-Verordnung um 8,52 % noch 186 802 kg betrugen. Das gesamte Milchlieferrecht des Klägers bezog sich ausschließlich auf nach § 55 Abs. 1 EStG bewertete Flächen. Der von dem Buchwert für Grund und Boden hierfür abgespaltene Buchwert betrug (unstreitig) 169.183 DM. Mit Vereinbarung vom 20. Juli 1999 verpachtete der Kläger im Wege der flächenlosen Referenzmengenübertragung 50 000 kg der ihm zustehenden Milchlieferrechte. Mit einvernehmlicher Pachtvertragsauflösung vom 13. April 2004 beendeten die Vertragsparteien den Pachtvertrag vorzeitig. Das Amt für ländliche Räume … bescheinigte dem Kläger daraufhin u.a., dass die schriftliche Pachtvereinbarung mit Ablauf des 31. März 2004 geendet (Ziff. 3 der Verfügung) und die Referenzmenge des abgebenden Betriebes sich mit Ablauf des 31. März 2004 gemäß § 12 Abs. 2 MilchAbgV um 50 000 kg vermindert habe (Ziff. 4 der Verfügung) sowie der Abzug zu Gunsten der Reserve des Landes 16 500 kg und die auf den Kläger übergehende Referenzmenge 33 500 kg betrage (Ziff. 5 und 6 der Verfügung).
Über die Verkaufsstelle für Milchquoten der Landwirtschaftskammer (Milchbörse) veräußerte der Kläger sodann am 1. Juli 2004 die auf ihn übergegangenen Milchlieferrechte (33 500 kg) zu einem Preis von 17.213,01 €.
In der Gewinnermittlung für das Wirtschaftsjahr 2004/05 wiesen der Kläger und seine Ehefrau keinen Gewinn aus der Veräußerung der Milchlieferrechte aus. Sie stellten dem um die Veräußerungskosten auf 17.188,01 € geminderten Veräußerungserlös den anteilig auf 50 000 kg entfallenden Buchwert der Milchlieferrechte in Höhe von 23.154 € gegenüber. Einen Verlust berücksichtigten sie auf Grund der Verlustausschlussklausel nach § 55 Abs. 6 EStG ebenfalls nicht.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) veranlagte den Kläger und seine Ehefrau zunächst mit Einkommensteuerbescheid 2004 vom 12. Juli 2005 erklärungsgemäß. Dieser Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Am 26. August 2005 erließ das FA einen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Einkommensteuerbescheid für 2004. Nunmehr vertrat es die Auffassung, dass bei der Veräußerung der Milchlieferrechte der Buchwert, soweit er auf die zu Gunsten der Landesreserve eingezogenen 16 500 kg entfalle, nicht gewinnmindernd zu berücksichtigen sei. Diese Milchlieferrechte seien vielmehr unter Beachtung der Verlustausschlussklausel des § 55 Abs. 6 EStG gewinnneutral auszubuchen. Unter Zugrundelegung eines sodann anteilig auf die verkaufte Menge entfallenden Buchwerts in Höhe von 15.437,44 € und des von dem Kläger angesetzten Verkaufserlöses von 17.188,01 € ergäbe sich ein Gewinn aus der Veräußerung der streitgegenständlichen Milchlieferrechte in Höhe von gerundet 1.750,00 €. Dieser wurde entsprechend anteilig für die in das Jahr 2004 fallenden Monate des Wirtschaftsjahres 2004/05 den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft des Klägers und seiner Ehefrau im Streitjahr hinzugerechnet.
Den Einspruch, der ausschließlich vom Kläger eingelegt worden ist, wies das FA als unbegründet zurück.
Dagegen hatten der Kläger und seine Ehefrau Klage erhoben. Auf einen Hinweis des Finanzgerichts (FG) hat die Ehefrau ihre Klage zurückgenommen. Das FG hat das Verfahren insoweit abgetrennt und eingestellt.
Die vom Kläger erhobene Klage hatte in der Sache keinen Erfolg.
Die Urteilsgründe sind in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1715 abgedruckt.
Mit der dagegen eingelegten Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung und den Einkommensteuerbescheid 2004 vom 26. August 2005 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Oktober 2006 aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Zur Begründung nimmt es im Wesentlichen Bezug auf die Ausführungen der Vorentscheidung.
II. Die Revision des Klägers ist begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Es liegt ein Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens vor, da das FG das Verfahren über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einkommensteuerbescheids nicht gemäß § 74 FGO ausgesetzt hat, bis über die Feststellung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft gesondert und einheitlich entschieden worden ist. Dieser Verfahrensfehler ist von Amts wegen zu berücksichtigen (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. Februar 2008 IV R 44/05, BFH/NV 2008, 1156, unter II.1. der Gründe, m.w.N.).
a) Einkommensteuerpflichtige Einkünfte sind grundsätzlich dann nach § 179 Abs. 2 Satz 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO gesondert und einheitlich festzustellen, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind. Das FG muss in einem solchen Fall das Klageverfahren gegen die Einkommensteuerbescheide aussetzen, bis das FA entweder eine gesonderte und einheitliche Feststellung durchgeführt oder, soweit es sich um einen Fall von geringer Bedeutung (§ 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO) handelt, einen negativen Feststellungsbescheid gemäß § 180 Abs. 3 Satz 2 AO erlassen hat (BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 1156, unter II.1.a der Gründe).
b) Nach den Feststellungen des FG haben der Kläger und seine Ehefrau im Streitjahr gemeinschaftlich Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erzielt. Die Einkünfte wurden ihnen ausweislich des angefochtenen Einkommensteuerbescheids jeweils zur Hälfte zugerechnet. Der Kläger und seine Ehefrau haben die Einkünfte deshalb ersichtlich im Rahmen einer zumindest konkludent vereinbarten Mitunternehmerschaft i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 13 Abs. 7 EStG erzielt. Die Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft sind in diesem Fall gesondert und einheitlich festzustellen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 1156, unter II.1.b der Gründe, m.w.N.). Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn das für dieses Verfahren zuständige FA gleichzeitig auch für die Festsetzung der Einkommensteuer aller an den Einkünften beteiligten Steuerpflichtigen, hier der Eheleute, zuständig ist (BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 1156, unter II.1.c der Gründe, m.w.N.).
c) Das FG muss das gegen die Einkommensteuerbescheide gerichtete Verfahren auch dann nach § 74 FGO bis zum Abschluss eines Feststellungsverfahrens aussetzen, wenn der Erlass eines Negativbescheides gemäß § 180 Abs. 3 Satz 2 AO wegen geringer Bedeutung des Falls möglich erscheint. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz für einen Fall von offensichtlich geringer Bedeutung kommt vorliegend schon deshalb nicht in Betracht, weil die Höhe der Einkünfte nicht feststeht; denn sie hängt von einer zwischen den Verfahrensbeteiligten streitigen Rechtsfrage, der zutreffenden Ermittlung des Gewinns aus der Veräußerung eines betrieblich genutzten Wirtschaftsguts, ab (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 1156, unter II.1.e der Gründe, m.w.N.).