Bundesfinanzhof

Entscheidungsdatum: 26.02.2010


BFH 26.02.2010 - IV B 6/10

Androhung eines Zwangsgeldes gegen einen Gutachter


Gericht:
Bundesfinanzhof
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsdatum:
26.02.2010
Aktenzeichen:
IV B 6/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Leitsätze

1. NV: Die Androhung eines Zwangsgeldes gegen einen vom FG bestellten Gutachter kann mit der Beschwerde angegriffen werden.

2. NV: Über die Androhung eines Zwangsgeldes gegen einen vom FG bestellten Gutachter entscheidet der Senat durch Beschluss.

3. NV: Die Androhung eines Zwangsgeldes gegen einen vom FG bestellten Gutachter muss eine Nachfrist erhalten. Diese Frist wird nur durch eine Zustellung in Gang gesetzt.

Tatbestand

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I. Beim Finanzgericht (FG) ist am 22. August 2005 Klage erhoben worden.

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Mit Beschluss vom 9. Februar 2009 hat das FG die Beweiserhebung über den Wert des Miteigentums an einem Grundstück angeordnet. Nach diesem Beschluss war "der Wert ... für den Tag der Abnahme des bezeichneten Grundbesitzes durch den Kläger gemäß Tz. 5 des Vertrages vom 2.6.1993 festzustellen". Das FG bestimmte in diesem Beschluss den Gutachterausschuss des Beschwerdeführers (Landratsamt X) zum Gutachter und setzte eine Frist zur Erstellung des Gutachtens bis 15. Juni 2009. Der Berichterstatter des Verfahrens verlängerte die Frist zur Vorlage des Gutachtens am 8. Juli 2009 bis Ende September 2009.

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Mit Schreiben vom 1. April 2009 forderte der Beschwerdeführer den Bevollmächtigten des Klägers u.a. dazu auf, für das Gutachten erforderliche Unterlagen vorzulegen und den Stichtag für die Bewertung zu benennen. Ferner bat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom selben Tag das FG darum, zu überprüfen, ob in Finanzgerichtsverfahren an Stelle des Ausschusses nicht weiterhin andere staatliche Stellen zu Gutachtern zu berufen seien. Der Beschwerdeführer erinnerte den Bevollmächtigten des Klägers am 18. Juni 2009 telefonisch und erneut mit Schreiben vom 13. Juli 2009 daran, die Unterlagen und Angaben zu vervollständigen. Der Beschwerdeführer teilte dem FG mit, nach Eingang der erforderlichen Unterlagen sei der Vorgang Ende August 2009 an die Gutachter weitergeleitet worden; diese könnten "einen Termin zur Fertigstellung nicht vor Mai 2010 in Aussicht stellen" (Schriftsätze vom 23. September 2009 und 25. November 2009).

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Daraufhin verfügte der Berichterstatter ein Schreiben an den Beschwerdeführer, wonach ein Ordnungsgeld gemäß § 82 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 411 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) angedroht werde, falls das Gutachten nicht bis zum 15. Februar 2010 vorliege. Das entsprechende Schreiben vom 30. November 2009 wurde dem Beschwerdeführer formlos übermittelt.

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Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde.

Entscheidungsgründe

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II. Die zulässige Beschwerde ist begründet.

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1. Die Beschwerde ist statthaft. Dies ergibt sich aus der in § 82 FGO angeordneten sinngemäßen Anwendung des § 411 Abs. 2 Satz 4 ZPO i.V.m. § 409 Abs. 2 ZPO, wobei sinngemäß in diesem Zusammenhang bedeutet, dass an die Stelle der in § 409 Abs. 2 ZPO vorgesehenen sofortigen Beschwerde die Beschwerde nach § 128 Abs. 1 FGO tritt (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. August 2008 II B 67/08, BFH/NV 2008, 1870, zu § 380 ZPO). Die Beschwerde ist nach diesen Vorschriften der ZPO auch bereits für die Androhung eines Ordnungsgeldes statthaft (Urteil des Oberlandesgerichts --OLG-- München vom 18. Juni 1980  25 W 1260/80, Versicherungsrecht-Rechtsprechung --VersR-- 1980, 1078; Urteile des OLG Köln vom 10. Juni 1996 11 W 23/96, OLGR Köln 1996, 182; vom 25. Mai 2001 19 W 17/01, OLGR Köln 2001, 353; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, 68. Aufl., § 411 Rz 9; Zimmermann, Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 3. Aufl., § 411 Rz 9; Huber in Musielak, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 7. Aufl., § 411 Rz 5a; Katzenmeier in Prütting/Gehrlein, ZPO, Kommentar, 1. Aufl., § 411 Rz 16; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 411 Rz 12; Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung, 30. Aufl., § 411 Rz 4; a.A. Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 411 Rz 8).

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2. Die Beschwerde ist begründet.

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a) Die Verfügung des Berichterstatters ist bereits deswegen aufzuheben, weil über die Androhung mit Nachfristsetzung (§§ 82 FGO, 411 Abs. 2 Satz 2 ZPO) nicht der Berichterstatter, sondern der Senat durch Beschluss hätte entscheiden müssen (vgl. Urteil des OLG München in VersR 1980, 1078; Urteil des OLG Köln in OLGR Köln 1996, 182; Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, a.a.O., § 411 Rz 6; Zimmermann, a.a.O., 3. Aufl., § 411 Rz 6; Huber in Musielak, a.a.O., 7. Aufl., § 411 Rz 5a; Katzenmeier in Prütting/Gehrlein, a.a.O., § 411 Rz 15; Thomas/Putzo, a.a.O., § 411 Rz 4, § 380 Rz 8; a.A. Zöller/ Greger, a.a.O., § 411 Rz 7). Der Rechtsstreit war weder auf den Einzelrichter (§ 6 FGO) übertragen worden noch durfte der Berichterstatter nach §§ 79, 79a FGO selbst entscheiden.

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b) Darüber hinaus ist die Verfügung deswegen aufzuheben, weil das Schreiben vom 30. November 2009 nicht zugestellt worden ist. Nach § 53 FGO müssen Anordnungen und Entscheidungen, durch die eine Frist in Lauf gesetzt wird, jedenfalls dann zugestellt werden, wenn sie --wie im Streitfall-- nicht verkündet worden sind. Die Zustellung richtet sich nach den zivilprozessualen Vorschriften (§ 53 Abs. 2 FGO).

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Voraussetzung jeder Zustellung ist die Zustellungsabsicht (Beschluss des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 31. Mai 2000 XII ZB 211/99, VersR 2001, 606). Vorliegend hat der Berichterstatter das Schreiben vom 30. November 2009 durch einfachen Brief übersenden lassen. Aus den Akten ergibt sich nicht, dass eine Zustellung (z.B. gegen Empfangsbekenntnis, § 174 ZPO) beabsichtigt war. Die fehlende Zustellungsabsicht kann nicht nach § 189 ZPO durch den tatsächlichen Zugang geheilt werden (BGH-Beschluss vom 26. November 2002 VI ZB 41/02, Neue Juristische Wochenschrift 2003, 1192). Demnach wurde die vom FG gesetzte Nachfrist nicht in Gang gesetzt (vgl. § 155 FGO i.V.m. § 221 ZPO; vgl. auch Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 54 Rz. 9). § 54 FGO gilt bei richterlichen Fristen nicht (BFH-Beschluss vom 24. Januar 2005 VIII B 116/03, BFH/NV 2005, 1108). Eine Androhung ohne ordnungsgemäße Nachfrist ist aber rechtswidrig (vgl. § 411 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

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c) § 411 Abs. 2 ZPO eröffnet dem Gericht ein Ermessen, ein Ordnungsgeld festzusetzen. Gleiches gilt demnach für die Androhung. Im Streitfall ist die Androhung eines Ordnungsgeldes nicht ermessensgerecht. Der Rechtsstreit ist bereits im Jahr 2005 beim FG eingegangen. Der Beschwerdeführer hat die Erstellung des Gutachtens für Mai 2010 in Aussicht gestellt. Der durch die Androhung mit Nachfristsetzung zum 15. Februar 2010 beabsichtigte Zeitgewinn fällt in Anbetracht der bereits langen Verfahrensdauer demnach nicht ins Gewicht. Ferner hat das FG durch die ungenaue Bestimmung des Zeitpunktes der Wertermittlung in seinem Beweisbeschluss vom 9. Februar 2009 selbst zur Verzögerung beigetragen (vgl. Nachfragen des Beschwerdeführers vom 1. April 2009 und 13. Juli 2009).

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d) Der Senat braucht daher die Frage, ob ein Ordnungsgeld nach § 411 Abs. 2 ZPO überhaupt gegenüber einer Behörde angedroht und festgesetzt werden kann, nicht zu entscheiden.

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3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen in sinngemäßer Anwendung des § 46 Abs. 1 des Ordnungswidrigkeitengesetzes i.V.m. § 467 der Strafprozessordnung der Staatskasse zur Last (vgl. BFH-Beschluss vom 4. August 1993 II B 25/93, BFH/NV 1994, 640, zu § 380 ZPO).