Bundesfinanzhof

Entscheidungsdatum: 05.02.2010


BFH 05.02.2010 - IV B 57/09

Abziehbarkeit von Aufwendungen für eine Auslandsreise als Betriebsausgaben


Gericht:
Bundesfinanzhof
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsdatum:
05.02.2010
Aktenzeichen:
IV B 57/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 12. März 2009, Az: 3 K 255/07, Urteil
Zitierte Gesetze

Leitsätze

1. NV: Die Frage, ob eine Auslandsreise aus betrieblichen oder privaten Gründen unternommen worden ist, ist aufgrund einer Würdigung der gesamten Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu entscheiden .

2. NV: Eine unbedeutende betriebliche Mitveranlassung von Aufwendungen für die Lebensführung eröffnet auch weiterhin keinen Betriebsausgabenabzug .

Tatbestand

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I. Die Gesellschafter der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), einer Steuerberater- bzw. Rechtsanwalts-Sozietät, nahmen im Streitjahr (2002) mit Inhabern und Geschäftsführern regionaler Unternehmen an einer von der örtlichen Sparkasse veranstalteten "Fachstudienreise" nach Vietnam und Singapur teil. Der Reiseplan umfasste u.a. Stadtrundfahrten, Ausflüge, eine Bootsfahrt, Theater- und Show-Besuche, den Vortrag eines Vertreters der Arbeitsgemeinschaft deutschsprachiger vietnamesischer Unternehmer und eines Repräsentanten einer vietnamesischen Bank sowie Besuche der Deutschen Botschaft in Hanoi und des German Centre in Singapur. Bei ihrer Gewinnermittlung für das Streitjahr zog die Klägerin die Reisekosten ihrer Gesellschafter als Betriebsausgaben ab. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) ließ die Aufwendungen nicht zum Betriebsausgabenabzug zu.

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Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) verneinte in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 996 veröffentlichten Urteil die betriebliche Veranlassung der Reisekosten, da weder ein betrieblicher Anlass für die Reise bestanden habe, noch das Reiseprogramm oder die Reiseroute von betrieblichem Interesse gewesen sei. Die Reise habe schwerpunktmäßig private Reiseinteressen befriedigt. Dies sei von dem betrieblichen Interesse der Klägerin, dass ihre Gesellschafter sie repräsentieren und neue Mandanten werben, nach objektiven Maßstäben nicht zu trennen. Eine zeitliche Aufteilung der Aufwendungen scheide aus, weil kein Zeitabschnitt der Reise nur der Mandantenwerbung gedient habe. Die Revision ließ das FG nicht zu.

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde ist unbegründet.1. Die Rechtssache erfordert keine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts (
§ 115 Abs. 2 Nr. 2  1. Alternative der Finanzgerichtsordnung
--FGO--).

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a) Die Revision ist zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, wenn über bisher ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden ist, insbesondere, wenn der Streitfall Veranlassung gibt, Grundsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen (BFH-Beschluss vom 27. Juli 2009 IV B 73/08, BFH/NV 2009, 1840, m.w.N.). Als spezieller Tatbestand der Grundsatzrevision (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) setzt auch dieser Zulassungsgrund voraus, dass über eine klärungsbedürftige und klärbare Rechtsfrage zu entscheiden ist (BFH-Beschluss vom 6. Juni 2006 III B 202/05, BFH/NV 2006, 1653, m.w.N.). Auch darf sich die Bedeutung der Sache nicht in der Entscheidung des konkreten Einzelfalls erschöpfen (vgl. BFH-Beschluss vom 28. August 2008 V B 72/07, BFH/NV 2008, 1898, m.w.N.).

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b) Die Klägerin hält die Rechtsfrage für klärungsbedürftig, ob --so die Klägerin sinngemäß-- Aufwendungen für eine Auslandsgruppenreise, die ausschließlich oder weit überwiegend zur Aquisition neuer Mandate unternommen wird und die erhebliche Einnahmen aus den im Verlauf der Reise neu geworbenen Mandaten generiert hat, Aufwendungen für die Lebensführung i.S. des § 12 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind, weil das FG eine ins Gewicht fallende private Mitveranlassung festgestellt hat.

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Diese Rechtsfrage ist in einem Revisionsverfahren --entgegen der Auffassung der Klägerin-- indes nicht klärbar, da nach der vom FG vorgenommenen Würdigung der Umstände des Streitfalls --an die der Senat in einem Revisionsverfahren nach § 118 Abs. 2 FGO grundsätzlich gebunden wäre-- die Gesellschafter der Klägerin die Reise nicht ausschließlich oder weit überwiegend zur Werbung neuer Mandanten unternommen haben. Vielmehr diente die Reise schwerpunktmäßig der Befriedigung privater Reiseinteressen. Zudem würde sich die Rechtssache in der Entscheidung des Streitfalls erschöpfen. Denn die Frage, ob eine Auslandsreise aus betrieblichen oder privaten Gründen unternommen worden ist, ist auf Grund einer Würdigung der gesamten Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu entscheiden (Beschlüsse des Großen Senats des BFH vom 21. September 2009 GrS 1/06, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2010, 101, unter C.III.2.a der Gründe, und vom 27. November 1978 GrS 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213, unter C.II.2. der Gründe).

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Die Klägerin wendet sich mit ihren Ausführungen im Grunde gegen die inhaltliche Richtigkeit der Vorentscheidung und setzt ihre Rechtsauffassung an die Stelle derjenigen des FG. Dies vermag die Zulassung der Revision jedoch grundsätzlich nicht zu rechtfertigen (z.B. Senatsbeschluss vom 24. September 2009 IV B 126/08, BFH/NV 2010,37).

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2. Die Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative FGO) zuzulassen.

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a) Soweit die Klägerin eine Divergenz des angefochtenen Urteils zum Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 28. Oktober 1999 C-55/98 (Slg. 1999, I-7641) behauptet, hat sie die Abweichung schon nicht erkennbar gemacht. Hierzu hätte sie einander widersprechende abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und der Entscheidung andererseits, von der die Vorinstanz abgewichen sein soll, gegenüberstellen müssen (vgl. BFH-Beschluss vom 5. September 2006 IV B 128/05, BFH/NV 2007, 243, m.w.N.). Überdies ist eine solche Divergenz nicht ersichtlich.

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b) Es liegt ferner keine nachträgliche Divergenz (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 17. Januar 2006 VII B 326/04, BFH/NV 2006, 1108) zum Beschluss des Großen Senats des BFH in DStR 2010, 101 vor.

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aa) Der Große Senat des BFH hat in dem genannten Beschluss (unter C.III.4. der Gründe) zwar --unter Aufgabe des bislang aus § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG abgeleiteten Aufteilungs- und Abzugsverbotes-- entschieden, dass Aufwendungen für Reisen, die abgrenzbare berufliche und private Anteile enthalten, grundsätzlich aufzuteilen sind, sofern die berufliche oder private Veranlassung nicht von völlig untergeordneter Bedeutung ist. Greifen die --für sich gesehen jeweils nicht unbedeutenden-- beruflichen und privaten Veranlassungsbeiträge (z.B. bei einer beruflichen und privaten Doppelmotivation für eine Reise) aber so ineinander, dass eine Trennung nicht möglich ist, fehlt es also an objektivierbaren Kriterien für eine Aufteilung, so kommt ein Abzug der Aufwendungen auch nach der geänderten Rechtsprechung des Großen Senats insgesamt nicht in Betracht (unter C.III.4.c der Gründe). Zudem hat der Große Senat in diesem Beschluss grundsätzlich (unter C.III.4.e der Gründe) an den in seinem Beschluss in BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213, unter C.II.1. der Gründe für Auslandsgruppenreisen entwickelten Abgrenzungsmerkmalen festgehalten; Reisen sind nur nicht mehr in jedem Fall insgesamt als Einheit zu beurteilen.

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bb) Mit diesen Grundsätzen steht das Urteil des FG im Einklang. Das FG hat seiner Würdigung die im Beschluss des Großen Senats in BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213 genannten Abgrenzungsmerkmale zugrunde gelegt und ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Reise der Gesellschafter der Klägerin überwiegend privat veranlasst war. Das betriebliche Interesse der Klägerin, dass ihre Gesellschafter sie repräsentieren und neue Mandanten werben, erachtete es als hiervon nicht trennbar. Eine zeitliche Aufteilung der Aufwendungen hat das FG abgelehnt, weil kein Zeitabschnitt der Reise nur diesem Zweck gedient habe. Diese Würdigung steht im Ergebnis auch mit dem Beschluss des Großen Senats des BFH in DStR 2010, 101 in Einklang, nach dem eine unbedeutende berufliche bzw. hier betriebliche Mitveranlassung von Aufwendungen für die Lebensführung auch weiterhin keinen Betriebsausgabenabzug eröffnet.

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3. Schließlich liegt der von der Klägerin gerügte Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) nicht vor. Das FG hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2, § 119 Nr. 3 FGO) nicht unter dem Gesichtspunkt einer Überraschungsentscheidung verletzt.

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a) Eine sog. Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte. Allerdings ist dabei zu beachten, dass das Gericht grundsätzlich weder zu einem Rechtsgespräch noch zu einem Hinweis auf seine Rechtsauffassung verpflichtet ist. Auch wenn die Rechtslage umstritten oder problematisch ist, muss daher ein Verfahrensbeteiligter grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einstellen (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Mai 1992  1 BvR 986/91, BVerfGE 86, 133, m.w.N.).

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b) Die Klägerin meint, das FG habe mit seiner Kurzmitteilung vom 11. Juli 2007 zum Ausdruck gebracht, dass eine Aufteilung der Aufwendungen der Klägerin nach Zeitanteilen möglich sei, weil es die Beteiligten dort um Mitteilung gebeten habe, ob ein Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf das Verfahren GrS 1/06 beantragt werde. Das FG hätte die Klägerin daher darauf hinweisen müssen, dass es seine Einschätzung geändert habe.

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Entgegen der Auffassung der Klägerin kann der Anfrage, ob ein Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf das Verfahren GrS 1/06 beantragt werde, jedoch nicht --weder ausdrücklich noch konkludent-- die Aussage entnommen werden, dass die Aufwendungen der Klägerin nach Zeitanteilen aufzuteilen seien. Doch selbst wenn man der Kurzmitteilung einen solchen Inhalt beimessen würde, konnte und durfte die Klägerin hieraus nicht auf die Auffassung des FG schließen, da die Kurzmitteilung von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterzeichnet worden ist.