Entscheidungsdatum: 22.09.2010
1. NV: Landwirtsehegatten, die den Güterstand der Gütergemeinschaft vereinbart haben, bilden auch ohne ausdrücklich vereinbarten Gesellschaftsvertrag eine Mitunternehmerschaft .
2. NV: Es liegt ein Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens vor, wenn das Verfahren über die Rechtmäßigkeit des Einkommensteuerbescheides nicht gemäß § 74 FGO ausgesetzt wird, bis über die Feststellung der Einkünfte einer Mitunternehmerschaft gesondert und einheitlich entschieden worden ist .
3. NV: Dieser Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens ist auch im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ohne Rüge von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn die Revision gestützt auf andere Zulassungsgründe zuzulassen ist .
Die Beschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht (FG) zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 116 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung --FGO--)
1. Die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) sinngemäß aufgeworfene Rechtsfrage,
ob eine Mitteilung gemäß § 13a Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) über den Wegfall der Voraussetzungen der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen entbehrlich ist, wenn der Steuerpflichtige jahrelang keine Steuererklärungen abgibt, aus denen der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) den Wegfall der Voraussetzungen des § 13a Abs. 1 EStG hätte erkennen können,
hat grundsätzliche Bedeutung. Die Revision wäre danach grundsätzlich zuzulassen.
2. Da dem FG aber ein Verfahrensfehler gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO unterlaufen ist, macht der Senat von der Möglichkeit gemäß § 116 Abs. 6 FGO Gebrauch.
a) Das FG hat gegen die Grundordnung des Verfahrens verstoßen, da es das Verfahren über die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Einkommensteuerbescheide 1999 bis 2001 nicht gemäß § 74 FGO ausgesetzt hat, bis über die Feststellung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft gesondert und einheitlich entschieden worden ist (§ 179 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung --AO--). Dieser Verfahrensfehler ist im Streitfall vom Senat zu berücksichtigen, ungeachtet des Umstandes, dass die Kläger den Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens nicht gerügt haben.
b) Nach den Feststellungen des FG haben die Kläger gemeinsam einen landwirtschaftlichen Betrieb unterhalten. Diese Feststellungen werden auch durch den Inhalt des in Bezug genommenen notariellen Hofübergabevertrages vom 27. September 2001 bestätigt. Danach leben die Kläger im Güterstand der Gütergemeinschaft. Landwirtsehegatten, die den Güterstand der Gütergemeinschaft vereinbart haben, bilden auch ohne ausdrücklich vereinbarten Gesellschaftsvertrag eine Mitunternehmerschaft. Die zwischen ihnen bestehende Gütergemeinschaft stellt ein den in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG genannten Gesellschaftsverhältnissen vergleichbares Gemeinschaftsverhältnis und damit eine taugliche Grundlage für die Begründung einer Mitunternehmerschaft i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 13 Abs. 7 EStG dar (vgl. Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C.V.3.b bb der Gründe; Senatsurteil vom 18. August 2005 IV R 37/04, BFHE 211, 155, BStBl II 2006, 165, m.w.N.). Daher sind die Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft gesondert und einheitlich festzustellen.
Das Feststellungsverfahren ist grundsätzlich auch dann durchzuführen, wenn das für dieses Verfahren zuständige FA gleichzeitig auch für die Festsetzung der Einkommensteuer aller an den Einkünften beteiligten Steuerpflichtigen zuständig ist (BFH-Urteil vom 8. März 1994 IX R 37/90, BFH/NV 1994, 868). Da im Streitfall auch kein Fall von geringer Bedeutung vorliegt, ist das Feststellungsverfahren auch nicht gemäß § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO entbehrlich (vgl. dazu im Fall einer Mitunternehmerschaft Senatsurteil vom 14. Februar 2008 IV R 44/05, BFH/NV 2008, 1156).
c) Das Unterlassen der Verfahrensaussetzung gemäß § 74 FGO bis zur abschließenden Entscheidung über einen Grundlagenbescheid ist ein Verfahrensfehler, der im Revisionsverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen ist, ohne dass es eines entsprechenden Vorbringens der Verfahrensbeteiligten bedarf. Demgegenüber sind im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich auch Verstöße gegen die Grundordnung des Verfahrens oder die fehlerhafte Beurteilung von Sachentscheidungsvoraussetzungen geltend zu machen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), d.h. schlüssig zu rügen. Der Senat hält es aus verfahrensökonomischen Gründen jedoch für geboten, in den Fällen, in denen die Revision gestützt auf andere Zulassungsgründe gemäß § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO zuzulassen ist, das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Grundordnung des Verfahrens auch von Amts wegen zu berücksichtigen. Anderenfalls hätte die auf die anderen Zulassungsgründe gestützte Zulassung der Revision zur Konsequenz, dass das Beschwerdeverfahren gemäß § 116 Abs. 7 FGO als Revisionsverfahren fortgesetzt würde. Auf die Revision müsste der Senat die Vorentscheidung dann jedoch aus verfahrensrechtlichen Gründen aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverweisen. Eine von den Beteiligten erstrebte abschließende Entscheidung in der Sache wäre dem BFH verwehrt. Aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes ist die Vorentscheidung deshalb bereits im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 116 Abs. 6 FGO aufzuheben und an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (vgl. Senatsbeschluss vom 19. November 2009 IV B 4/09, BFH/NV 2010, 657).