Entscheidungsdatum: 29.05.2013
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 1. Zivilsenats des Kammergerichts vom 17. April 2012 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 10.000 € (§ 30 Abs. 1 KostO i.V.m. § 30 Abs. 3 Satz 1 EGGVG)
I. Die Antragstellerin begehrt die Anerkennung als Gütestelle i.S. der §§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, 15a EGZPO.
Sie ist eine in Berlin ansässige Rechtsanwaltsgesellschaft, die auch Mediations- und sonstige Konfliktlösungsdienstleistungen erbringt. Ihren Antrag auf Anerkennung als Gütestelle lehnte der Antragsgegner - das Land Berlin - mit der Begründung ab, dass in Berlin eine gesetzliche Regelung über die Anerkennung von Gütestellen nicht bestehe. Ob eine Anerkennung aufgrund bloßer Verwaltungsübung verfassungsrechtlich zulässig wäre, sei zweifelhaft. Jedenfalls habe er entsprechend seiner ständigen Verwaltungspraxis sein pflichtgemäßes Ermessen zu Lasten der Antragstellerin ausgeübt, weil der mit einer Anerkennung von Gütestellen einhergehende Verwaltungsaufwand erheblich wäre.
Den hiergegen gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat das Kammergericht durch den angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Die Antragstellerin habe keinen Anspruch darauf, als Gütestelle anerkannt zu werden. Eine einfachgesetzliche Anspruchsgrundlage bestehe nicht. Auch das Grundgesetz, die Verfassung von Berlin und die Charta der Grundrechte der Europäischen Union gewährten der Antragstellerin den geltend gemachten Anspruch nicht. Der Antragsgegner sei nicht gehalten, die Antragstellerin ohne gesetzliche Grundlage als Gütestelle anzuerkennen. Eine solche Anerkennung regelte die Berufsausübung zu Lasten derjenigen Mitbewerber, die nicht ebenfalls als Gütestelle anerkannt würden. Für eine Berufsausübungsregelung sei ein Gesetz erforderlich.
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der vom Kammergericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.
II. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, insbesondere aufgrund der - für das Rechtsbeschwerdegericht bindenden - Zulassung gemäß § 29 Abs. 1 und 2 EGGVG statthaft, jedoch unbegründet.
Das Kammergericht hat den - als Verpflichtungsantrag gemäß § 23 Abs. 2 EGGVG zulässigen - Antrag auf gerichtliche Entscheidung rechtsfehlerfrei zurückgewiesen. Die Ablehnung der Anerkennung als Gütestelle verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten.
1. Eine einfachgesetzliche Grundlage für die Anerkennung als Gütestelle besteht nicht. Der Antragsgegner hat von der durch § 15a Abs. 6 Satz 1 EGZPO eröffneten Möglichkeit, Gütestellen im Sinne dieser Vorschrift - und damit auch i.S. des § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO - durch Landesrecht anzuerkennen, keinen Gebrauch gemacht.
2. Ein Anspruch der Antragstellerin auf Anerkennung als Gütestelle ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG, auf das sie sich zur Begründung ihrer Rechtsbeschwerde beruft.
a) Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG gewährt allen Deutschen das Recht, den Beruf frei zu wählen und frei auszuüben. Die Berufsfreiheit umfasst jede Tätigkeit, die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung und Aufrechterhaltung einer Lebensgrundlage dient. Dieses Grundrecht ist nach Art. 19 Abs. 3 GG auch auf juristische Personen - wie die Antragstellerin - anwendbar, soweit sie eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit ausüben, die ihrem Wesen und ihrer Art nach in gleicher Weise einer natürlichen wie einer juristischen Person offensteht (BVerfG NVwZ 2012, 1535, 1536 m.w.N.).
b) Dass ihr Recht auf freie Berufswahl nicht berührt ist, sieht die Rechtsbeschwerdeführerin selbst so. Auch ihr Recht auf freie Berufsausübung wird nicht eingeschränkt, selbst wenn die erstrebte Tätigkeit als Gütestelle i.S. von § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ein wichtiger Bestandteil ihrer anwaltlichen Tätigkeit sein mag. Die Rechtsbeschwerdeführerin übersieht, dass die Berufsfreiheit grundsätzlich nur ein Freiheits- oder Abwehrrecht ist (Scholz in Maunz/Dürig, Grundgesetz 67. Ergänzungslieferung 2013 Art. 12 Rn. 47) und somit in erster Linie auf die Abwehr staatlicher Eingriffe zielt (Jarass in Jarass/Pieroth, GG 12. Aufl. vor Art. 1 Rn. 5). An einem solchen Eingriff in die Berufsausübung der Antragstellerin fehlt es. Er liegt nicht in dem Unterlassen der von der Antragstellerin begehrten Anerkennung als Gütestelle. Die freie Berufsausübung wird nicht beeinträchtigt, wenn die gesetzliche Grundlage für eine Erweiterung der Berufstätigkeit, die zusätzliche rechtliche Möglichkeiten eröffnet, nicht geschaffen wird.
Eine Einschränkung der freien Berufsausübung ergibt sich nicht daraus, dass es durch die den Ländern überlassene Entscheidung, ob sie die Anerkennung von Gütestellen durch Landesrecht regeln wollen, zu unterschiedlichen Ausformungen der außergerichtlichen Streitbeilegung kommt. In den Ländern, in denen qualifizierte Institutionen und Personen als Gütestellen anerkannt sind, mag die Bedeutung der außergerichtlichen Streitbeilegung höher sein, weil die Anrufung anerkannter Gütestellen mit rechtlichen Vorteilen - wie der Verjährungshemmung durch Bekanntgabe des Güteantrags (§ 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB) und der Wirkung eines Vergleichs als Vollstreckungstitel (§§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, 15a Abs. 6 Satz 2 EGZPO) - verbunden ist. Diese Auswirkung des Föderalismus ist aber hinzunehmen. Anders als die - vom Bundesverfassungsgericht für unvereinbar mit Art. 12 Abs. 1 GG erklärte - Regelung über die Singularzulassung von Rechtsanwälten bei den Oberlandesgerichten in § 25 BRAO a.F. (BVerfG NJW 2001, 353) hat der Bundesgesetzgeber die Anerkennung von Gütestellen nicht für die einzelnen Länder unterschiedlich geregelt. Vielmehr hat er es den Ländern freigestellt, landesrechtliche Regelungen zur Anerkennung von Gütestellen zu treffen.
c) Aus Art. 12 Abs. 1 GG folgt auch nicht - i.V.m. den Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 und 14 Abs. 1 Satz 1 GG - ein Anspruch der Antragstellerin auf Neubescheidung ihres Antrags aus sachlichen Gründen. Wie das Kammergericht zutreffend ausgeführt hat, durfte der Antragsgegner die Antragstellerin nicht ohne gesetzliche Grundlage als Gütestelle anerkennen. Eine solche Anerkennung regelte die Berufsausübung zu Lasten der Mitbewerber. Für eine solche Berufsausübungsregelung fordert Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG ein Gesetz, das hinreichend klare Bestimmungen über die zu erfüllenden Voraussetzungen und das einzuhaltende Verfahren enthält (vgl. BVerwG NJW 2007, 1478 Rn. 35-37; so im Ergebnis auch Greger, NJW 2011, 1478, 1481). Ohne gesetzliche Grundlage wäre die in der Anerkennung eines einzelnen Bewerbers liegende Berufsausübungsregelung im Verhältnis zu den Mitbewerbern der Antragstellerin rechtswidrig.
Mayen Felsch Harsdorf-Gebhardt
Dr. Karczewski Dr. Brockmöller