Entscheidungsdatum: 11.07.2012
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des 1. Zivilsenats des Kammergerichts vom 3. Januar 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Kammergericht zurückverwiesen.
Der Geschäftswert wird auf 3.000 € festgesetzt.
I. Der Antragsteller, ein niederländischer Staatsangehöriger, begehrt die Befreiung von dem Erfordernis, vor seiner geplanten Eheschließung in Deutschland ein Ehefähigkeitszeugnis nach § 1309 Abs. 1 Satz 1 BGB beizubringen. Der Antragsteller möchte eine deutsche Staatsangehörige heiraten, mit der er bereits am 19. April 2005 in den Niederlanden eine registrierte Partnerschaft nach niederländischem Recht eingegangen ist. Das Paar lebt mit drei aus dieser Partnerschaft hervorgegangenen Kindern inzwischen in B. . Der mittlerweile gewünschten Eheschließung steht im Wege, dass der Antragsteller kein Ehefähigkeitszeugnis vorlegen kann, weil die zuständige Gemeinde in den Niederlanden mit Bescheid vom 11. Februar 2011 die Ausstellung mit Blick auf die bestehende registrierte Partnerschaft, die einer Ehe gleichgestellt sei, verweigert hat.
Seinen Antrag auf Befreiung vom Erfordernis der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses hat die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 1. Juli 2011 abgelehnt. Den dagegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 23 ff. EGGVG hat das Kammergericht mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter.
II. Das gemäß § 29 Abs. 1 EGGVG statthafte Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung an das Kammergericht.
1. Dieses hat gemeint, das nach dem - gemäß Art. 13 Abs. 1 EGBGB für den Antragsteller grundsätzlich maßgeblichen - niederländischen Recht bestehende Ehehindernis der registrierten Partnerschaft sei hier nicht ausnahmsweise nach deutschem Recht unbeachtlich. Der Antragsteller erfülle insoweit nicht alle Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 2 EGBGB. Zwar sei seine Verlobte Deutsche und habe ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland (Art. 13 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB), die Verlobten hätten jedoch zumutbare Schritte zur Erfüllung der niederländischen Ehevoraussetzungen unterlassen (Art. 13 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB).
a) Nach Art. 42 des Niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuches (Burgerlijke Wetboek, im Folgenden: BW, abgedruckt bei Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Loseblattsammlung, Stand 2008, unter "Niederlande") dürften diejenigen, die eine Ehe eingehen wollten, nicht gleichzeitig eine registrierte Partnerschaft eingegangen sein. Das Verbot erfasse, wie sich aus der in Art. 80g BW getroffenen Regelung über die Umsetzung einer registrierten Partnerschaft in eine Ehe ergebe, nicht nur die Fälle, in denen die registrierte Partnerschaft zu einer dritten Person bestehe. Vielmehr solle nach niederländischem Recht ein Nebeneinander von Ehe und registrierter Partnerschaft verhindert werden. Nach Art. 80c BW werde die registrierte Partnerschaft durch die bloße Eingehung einer Ehe, d.h. ohne formelle Umsetzung nach Art. 80g BW, nicht beendet.
b) Auch wenn es dem Antragsteller und seiner Verlobten nicht zugemutet werden könne, vor ihrer Eheschließung in Deutschland zunächst in den Niederlanden ihre registrierte Partnerschaft nach Art. 80c Buchst. c oder d BW zu beenden, weil die wechselseitigen Rechte und Pflichten aus der Partnerschaft damit bis zur Eheschließung nicht mehr bestünden, sei beiden eine in den Niederlanden zu vollziehende Umsetzung ihrer Partnerschaft in eine Ehe nach Artt. 80c Buchst. e), 80g Abs. 1 und 3 BW zuzumuten. Ein Rechtsverlust trete hierdurch nicht ein. Auch die Besorgnis des Antragstellers, die Anerkennung der niederländischen Umsetzungsurkunde außerhalb der Niederlande sei zweifelhaft, führe zu keinem anderen Ergebnis. Denn jedenfalls würde eine Umsetzung das Ehehindernis nach § 42 BW beseitigen mit der Folge, dass der Antragsteller dann möglicherweise ein niederländisches Ehefähigkeitszeugnis erhalten und in Deutschland ein weiteres Mal heiraten könne. Eine solche weitere Eheschließung mit dem eigenen Ehegatten sei nach deutschem Recht möglich. Entgegenstehende niederländische Rechtsvorschriften seien nicht ersichtlich. Sollte dem Antragsteller das Ehefähigkeitszeugnis von den niederländischen Behörden weiterhin verweigert werden, käme eine Befreiung von der Vorlagepflicht nach § 1309 Abs. 2 BGB in Betracht.
c) Wegen dieses möglichen Vorgehens sei die derzeitige Versagung der Eheschließung mit Rücksicht auf das niederländische Ehehindernis auch nicht mit dem Grundrecht des Antragstellers auf Eheschließungsfreiheit nach Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar i.S. von Art. 13 Abs. 2 Nr. 3 EGBGB.
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung in einem Punkt nicht stand.
a) Anders als es der Wortlaut des § 1309 Abs. 2 BGB ("kann") nahelegt, handelt es sich bei der Befreiung von der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses nicht um eine Ermessensentscheidung (Palandt/Brudermüller, BGB 71. Aufl. § 1309 Rn. 11, 13 m.w.N.; vgl. schon zur früheren Regelung in § 10 EheG: Senatsbeschluss vom 12. Mai 1971 - IV AR (VZ) 38/70, BGHZ 56, 180, 184 m.w.N.). Steht fest, dass ein Ehehindernis nicht besteht oder ein nach dem Heimatrecht des Antragstellers bestehendes Ehehindernis nach deutschem Recht unbeachtlich ist, ist die Befreiung zu gewähren.
b) § 1309 BGB bezweckt den Schutz der in den §§ 1306 bis 1308 BGB geregelten Eheverbote (vgl. dazu Palandt/Brudermüller, BGB 71. Aufl. vor § 1306 Rn. 1-3; MünchKomm-BGB/Coester, 5. Aufl. Art. 13 EGBGB Rn. 61), indem die Vorschrift den von ihr betroffenen Personen die Vorlage eines gesetzlich vorgeschriebenen Beweismittels auferlegt, welches dem Standesbeamten die Nachprüfung erleichtern soll, ob das gemäß Art. 13 Abs. 1 EGBGB grundsätzlich maßgebliche Heimatrecht eines Ausländers seine beabsichtigte Eheschließung erlaubt (Wahlen in jurisPK-BGB, 5. Aufl. 2010 § 1309 Rn. 1; OLG Hamm NJW 1974, 1626 zu § 10 EheG).
c) Dem Antragsteller, dessen Heimatstaat Ehefähigkeitszeugnisse ausstellt (vgl. Art. 49a BW), ist das Ehefähigkeitszeugnis nur deshalb nicht erteilt worden, weil er mit seiner Verlobten in den Niederlanden bereits eine registrierte Partnerschaft eingegangen ist. Diese steht nach niederländischem Recht einer Ehe gleich (Art. 80b BW; vgl. dazu den Bescheid der Gemeinde H. vom 11. Februar 2011). Nach Art. 42 BW dürfen diejenigen, die eine Ehe miteinander eingehen wollen, nicht gleichzeitig eine registrierte Partnerschaft eingegangen sein. Umgekehrt dürfen gemäß Art. 80a Abs. 2 BW diejenigen, die eine registrierte Partnerschaft eingehen, nicht gleichzeitig verheiratet sein. Ein Nebeneinander von registrierter Partnerschaft und Ehe wird damit nach niederländischem Recht auch für dieselben Partner ausgeschlossen (vgl. dazu auch MünchKomm-BGB/Coester aaO Rn. 62). Aus Art. 80c Buchst. e) BW, wonach die registrierte Partnerschaft unter anderem durch Umsetzung in eine Ehe erlischt, ergibt sich, dass es dieses formellen Umsetzungsaktes bedarf und die registrierte Partnerschaft nach niederländischem Recht nicht allein infolge der Eheschließung automatisch endet.
d) Eine Befreiung von der Pflicht zur Vorlage des Ehefähigkeitszeugnisses kommt hier allein nach § 1309 Abs. 2 Satz 3 BGB in Betracht, sofern auf den Antragsteller nach Maßgabe des Art. 13 Abs. 2 EGBGB ausnahmsweise das deutsche Recht anzuwenden ist.
aa) Die Verlobte des Antragstellers ist Deutsche und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland (Art. 13 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB).
bb) Die in der angefochtenen Entscheidung vorgenommene Prüfung, ob die Verlobten die von Art. 13 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB vorausgesetzten zumutbaren Schritte zur Erlangung eines niederländischen Ehefähigkeitszeugnisses für den Antragsteller unternommen haben, erweist sich als ergänzungsbedürftig.
(1) Der Antragsteller hat ein solches Zeugnis bei der zuständigen niederländischen Gemeinde beantragt. Er hat sich zudem nach Ablehnung dieses Antrages bei dem für im Ausland lebende Niederländer zuständigen Standesamt nach den Rechtswirkungen einer Umsetzungsurkunde nach Art. 80c Buchst. e) BW erkundigt, von dort allerdings die Auskunft erhalten, diese Urkunden könnten nicht in einer "internationalen Version ausgegeben" werden und würden erfahrungsgemäß nur von einigen wenigen Gemeinden in Belgien anerkannt.
(2) Ob dem Antragsteller bei dieser Sachlage noch angelastet werden kann, er habe (weitere) zumutbare Schritte zur Erfüllung der niederländischen Ehevoraussetzungen oder zur Beseitigung des Ehehindernisses der bestehenden registrierten Partnerschaft unterlassen, bedarf einer Prüfung, die sich auch darauf erstreckt, inwieweit den Besonderheiten des niederländischen Rechts der eingetragenen Partnerschaft auch auf anderem, den Antragsteller weniger belastenden Wege Rechnung getragen werden kann. Das gilt vor allem deshalb, weil ein materielles, insbesondere im Bigamieverbot gründendes Ehehindernis hier auch nach niederländischem Recht ersichtlich nicht besteht, wie die Umsetzungsregelung in Art. 80c Buchst. e) BW zeigt. Die Verweigerung des Ehefähigkeitszeugnisses beruht mithin allein auf dem Interesse, den nach niederländischem Recht vorgesehenen Verfahrensgang für die Umsetzung einer registrierten Partnerschaft in eine Ehe zu wahren. Zutreffend ist deshalb im angefochtenen Beschluss ausgeführt, dass es den Verlobten schon mit Rücksicht auf den in der Zeit bis zur Eheschließung eintretenden Rechtsverlust nicht zuzumuten sei, zunächst lediglich ihre registrierte Partnerschaft zu beenden.
Ob die Verlobten im Rahmen der Zumutbarkeit i.S. des Art. 13 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB dennoch darauf zu verweisen sind, ihre registrierte Partnerschaft in den Niederlanden in eine Ehe umsetzen zu lassen, um - notfalls unter dann möglicher Befreiung von der Pflicht zur Vorlage eines Ehefähigkeitszeugnisses - in Deutschland nochmals zu heiraten, hängt wegen der bei Anwendung des Art. 13 Abs. 2 EGBGB gebotenen Abwägung der grundgesetzlich geschützten Eheschließungsfreiheit (Art. 6 Abs. 1 GG) mit dem in Art. 13 Abs. 2 EGBGB zum Ausdruck gebrachten öffentlichen Interesse, nach Möglichkeit eine im Heimatstaat eines der Verlobten nicht anerkannte Ehe zu verhindern, auch davon ab, ob die in den Niederlanden eingetragene Partnerschaft auf anderem Wege, etwa der Anerkennung einer Eheschließung in Deutschland durch die niederländischen Behörden, beendet werden könnte (vgl. dazu Boele-Woelki, Ars Aequi 2012, 6855). Dazu verhält sich der angefochtene Beschluss nicht.
(3) Die erneute Prüfung wird Gelegenheit geben, auch folgendes zu berücksichtigen: Mit dem am 1. Januar 2012 (vgl. Königl. Beschluss vom 28. Juni 2011, Staatsblad 2011 Nr. 340), d.h. zwei Tage vor Erlass des angefochtenen Beschlusses, in Kraft getretenen Art. 88 BW Buch 10 (Staatsblad 2011 Nr. 272) hat das niederländische Recht erweiterte Möglichkeiten eröffnet, die Beendigung einer registrierten Partnerschaft durch Erklärungen der Partner im Ausland herbeizuführen, die von den niederländischen Behörden anerkannt werden können. Insoweit wird zu prüfen sein, ob der Antragsteller und seine Partnerin ihre eingetragene Partnerschaft auch durch Rechtsakte in Deutschland, etwa eine entsprechende Erklärung gegenüber dem deutschen Standesbeamten anlässlich der Eheschließung, beenden können.
III. Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf §§ 30 Abs. 3 EGGVG, 30 KostO.
Mayen Wendt Felsch
Lehmann Dr. Brockmöller