Entscheidungsdatum: 24.02.2011
Die Pflicht nach § 31 Abs. 2 VermG, den Verfügungsberechtigten über die Stellung eines Rückgabeantrags nach § 30 VermG zu informieren, besteht in einem Fall, in dem zum Zeitpunkt der Antragstellung der Vermögenswert bereits wirksam veräußert ist und anstelle einer Rückübertragung nur noch ein Anspruch auf Auskehr des Erlöses nach § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG in Betracht kommt, nicht als drittgerichtete Amtspflicht, sondern hat nur verfahrensrechtliche Bedeutung (im Anschluss an Senatsurteile vom 21. Oktober 1999, III ZR 130/98, BGHZ 143, 18 und vom 17. Juni 2004, III ZR 335/03, WM 2005, 618) .
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 10. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 1. April 2010 - 10 U 169/09 - wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Beschwerdewert: 800.667,97 €.
I.
Die Klägerin, nach § 2 Abs. 1 Satz 3 VermG Rechtsnachfolger jüdischer Berechtigter, nimmt das beklagte Land nach Amtshaftungsgrundsätzen auf Schadensersatz in Anspruch, weil sie meint, das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen sei seinen Informationspflichten aus § 31 Abs. 2 Satz 1 VermG nicht nachgekommen.
Eingetragene Eigentümer eines im Ostteil Berlins belegenen Grundstücks waren in ungeteilter Erbengemeinschaft E.-M. und H. P., die es mit notariellem Vertrag vom 25. Juli 1991 zu einem Kaufpreis von 1.450.000 DM an eine GmbH veräußerten. Die Grundstücksverkehrsgenehmigung wurde am 20. Dezember 1991 erteilt und die Erwerberin am 17. Juni 1992 im Grundbuch eingetragen. Die Rechtsvorgängerin von E.-M. und H. P. hatte das Grundstück 1934 von dem Kaufmann I. M. H. in K. zu einem unter dem Einheitswert liegenden Kaufpreis erworben.
Am 8. Juli 1992 beantragte die Klägerin beim Amt zur Regelung offener Vermögensfragen die Rückübertragung dieses Grundstücks. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 11. Februar 1999 abgelehnt, weil das Amt es nicht für hinreichend geklärt ansah, ob der bis 1934 im Grundbuch eingetragene Voreigentümer zu dem von den Nationalsozialisten kollektiv verfolgten Personenkreis gehörte. E.-M. und H. P. wurden erst mit Schreiben vom 14. Juni 2000 im Widerspruchsverfahren über den von der Klägerin gestellten Restitutionsantrag informiert. Das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen stellte mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 2000 die Berechtigung der Klägerin hinsichtlich des Grundstücks fest und bestimmte, dass E.-M. und H. P. verpflichtet seien, an die Klägerin den durch die Veräußerung erzielten Erlös auszukehren. Die von ihnen hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht durch rechtskräftig gewordenes Urteil vom 24. Februar 2005 ab.
Die Klägerin erwirkte wegen der Zahlung des Verkaufserlöses zwar Vollstreckungstitel gegen E.-M. und H. P., Vollstreckungsversuche blieben jedoch erfolglos. Die Klägerin meint, diese vormals eingetragenen Eigentümer hätten alsbald von ihrem Rückübertragungsantrag informiert werden müssen. Dann sei eine Sicherung ihres Anspruchs auf Auskehrung des Erlöses möglich gewesen und die Voreigentümer hätten den Erlös für sie vorgehalten.
Die auf Zahlung von 775.667,97 € nebst Zinsen und auf Feststellung der Ersatzpflicht hinsichtlich weiterer Schäden Zug um Zug gegen Überlassung der Vollstreckungstitel gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision.
II.
Die Revision ist nicht, wie die Beschwerde meint, zur Rechtsfortbildung (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) zuzulassen.
1. Wie der Senat entschieden hat, wird mit der durch § 31 Abs. 2 VermG begründeten Pflicht zur Unterrichtung der Rechtsträger, staatlicher Verwalter und Dritter, deren rechtliche Interessen durch den Ausgang des Restitutionsverfahrens berührt werden können, über den verfahrensrechtlichen Aspekt hinaus (vgl. hierzu auch § 13 Abs. 2 VwVfG) der Zweck verfolgt, dem mit der Anmeldung und der Stellung eines Rückgabeantrags verknüpften Unterlassungsgebot des § 3 Abs. 3 Satz 1 VermG Wirksamkeit zu verschaffen. Da das Unterlassungsgebot die rechtlichen Möglichkeiten des Verfügungsberechtigten im Verhältnis zu Dritten nicht beschneidet, ihm vielmehr der Vermögenswert bis zur Bestandskraft des Rückgabebescheids zugeordnet bleibt, hängt nämlich der mit dem Unterlassungsgebot bezweckte Schutz des Berechtigten im praktischen Ergebnis weitgehend davon ab, dass der Verfügungsberechtigte von der Stellung eines Rückgabeantrags Kenntnis erhält. Der Senat hat deshalb angenommen, dass die Unterrichtungspflicht des § 31 Abs. 2 VermG eine Amtspflicht im Sinne des § 839 Abs. 1 BGB ist, die in erster Linie den Schutz des Restitutionsberechtigten, aber auch denjenigen des Verfügungsberechtigten bezweckt, der vor Aufwendungen bewahrt werden soll, für die er nach dem Regelungskonzept des § 3 Abs. 3 VermG nur in Ausnahmefällen Ersatz verlangen kann (vgl. Senatsurteile vom 21. Oktober 1999 - III ZR 130/98, BGHZ 143, 18, 23 f mwN; vom 17. Juni 2004 - III ZR 335/03, WM 2005, 618, 619).
2. Eine Situation, in der die eingetragenen Eigentümer das Unterlassungsgebot nach § 3 Abs. 3 Satz 1 VermG zu befolgen hatten, bestand hier nicht, weil der das Unterlassungsgebot auslösende Rückgabeantrag der Klägerin erst zu einem Zeitpunkt gestellt wurde, zu dem die Anmeldefrist nach § 3 der Anmeldeverordnung verstrichen war (vgl. § 3 Abs. 4 Satz 1 VermG) und die Erwerberin aufgrund des notariellen Kaufvertrags vom 25. Juli 1991 und der im Beschwerdeverfahren nicht mehr beanstandeten Grundstücksverkehrsgenehmigung vom 20. Dezember 1991 bereits als Eigentümerin des Grundstücks im Grundbuch eingetragen war. Es ist deshalb zwischen den früheren Eigentümern als (vormals) Verfügungsberechtigten und der Klägerin durch deren Antragstellung nicht das durch die differenzierenden Regelungen in § 3 Abs. 3 VermG näher ausgestaltete gesetzliche Schuldverhältnis entstanden, das Züge einer gesetzlichen Treuhand aufweist (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 1994 - V ZR 177/93, BGHZ 128, 210, 211; Senatsurteil vom 20. November 1997 - III ZR 39/97, BGHZ 137, 183, 186). Zwar entstand durch die Stellung des Rückgabeantrags zu den vormals Verfügungsberechtigten insofern eine Rechtsbeziehung, als diese nach § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG dem Anspruch der Klägerin auf den Erlös ausgesetzt wurden. Anders als nach § 3 Abs. 3 VermG fehlt es jedoch an jeder näheren Ausgestaltung dieses Rechtsverhältnisses. Dem entspricht die Auffassung in der Literatur, nur auf Rückübertragung, nicht aber auf die Erfüllung von Sekundär- und Surrogationsansprüchen gerichtete Anträge würden von § 3 Abs. 3 VermG erfasst (vgl. Redeker/Hirtschulz/Tank, in Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, § 3 Rn. 203
3. a) Die Beschwerde hält dem entgegen, dies möge für die Beurteilung des Unterlassungsgebots nach § 3 Abs. 3 VermG richtig sein, berühre die Bestimmung des § 31 Abs. 2 VermG jedoch nicht, nach deren Wortlaut jedweder Antrag im Sinne des § 30 VermG erfasst werde. § 31 Abs. 2 VermG verpflichte daher die Behörde auch dazu, einen ehemals Verfügungsberechtigten als Dritten, dessen rechtliche Interessen durch den Ausgang des Verfahrens berührt werden können, von der Antragstellung zu informieren. Dies füge sich in den Zweck des § 31 Abs. 2 VermG ein, den Anspruch des Berechtigten - auch auf den Erlös - nicht wirtschaftlich auszuhöhlen und den ehemals Verfügungsberechtigten frühzeitig darauf hinzuweisen, möglicherweise einem Anspruch auf Auskehrung des von ihm bei der Veräußerung erzielten Erlöses ausgesetzt zu sein.
b) Der Beschwerde ist zuzugeben, dass der Wortlaut des § 31 Abs. 2 VermG für sich genommen eine solche Auslegung erlaubt und dass die Auferlegung einer solchen Informationspflicht unter dem Gesichtspunkt einer weit reichenden Durchsetzung von Restitutionsansprüchen, und sei es im Wege eines Surrogats, nicht unplausibel wäre. Gegen eine solche Auslegung sprechen jedoch mehrere Gesichtspunkte.
In den Erläuterungen zu den Anlagen zum Einigungsvertrag, auf den die Bestimmung des § 31 Abs. 2 VermG zurückgeht, wird die schnellstmögliche Kenntnis von der Antragstellung vor allem für erforderlich gehalten, weil hiervon der Umfang der Verfügungsbefugnis der betroffenen Rechtsträger und staatlichen Verwalter, also im Wesentlichen der Verfügungsberechtigten, gemäß § 3 Abs. 3 und 4 VermG nach Ablauf der Anmeldefrist abhängt (vgl. BT-Drucks. 11/7831 S. 14). Das damit in erster Linie angesprochene Unterlassungsgebot des § 3 Abs. 3 VermG, das der Senat maßgebend dafür angeführt hat, die Benachrichtigungspflicht wolle auch die vermögensrechtlichen Interessen des Berechtigten und des Verfügungsberechtigten schützen, war in der Folgezeit mehrfach Gegenstand gesetzlicher Änderungen, die auf einen besseren Ausgleich der beiderseitigen Interessen und der Interessen der Allgemeinheit gerichtet waren.
In den Erläuterungen finden sich auch präzise Vorstellungen darüber, wer als Dritter im Sinne des § 31 Abs. 2 VermG anzusehen ist. Insoweit werden Erwerber dinglicher Rechte genannt, die in die Lage versetzt werden müssten, redlichen Erwerb im Sinne des § 4 Abs. 2 VermG einzuwenden, ferner Mieter oder sonstige Nutzungsberechtigte, die durch die Antragstellung in ihren Rechtspositionen dann tangiert sein könnten, wenn sie bei Abschluss des Vertrags nicht redlich im Sinne des § 4 Abs. 2 und 3 VermG gewesen seien. Schließlich werden auch Nachfolgeorganisationen im Sinne der Rückerstattungsgesetzgebung genannt, wenn - wie hier - ein Schädigungstatbestand nach § 1 Abs. 6 VermG in Rede steht (BT-Drucks. 11/7831 S. 14). Damit sind Situationen angesprochen, in denen sich der Antrag auf einen Vermögenswert richtet, der noch als Gegenstand einer Restitution in Betracht kommt.
Insgesamt ist das Rechtsverhältnis zwischen dem Verfügungsberechtigten und Berechtigten in § 3 Abs. 3 VermG sehr differenziert geregelt worden, wobei der Gesetzgeber um einen Ausgleich der Rechtspositionen bemüht war und von stärkeren Eingriffen in die Rechtsstellung des Verfügungsberechtigten, dem der Vermögenswert bis zur Bestandskraft des Restitutionsbescheids zugeordnet ist, abgesehen hat. Es stünde mit dieser Zurückhaltung nicht im Einklang, wenn man für die hier vorliegende Konstellation einer rechtmäßigen Verfügung über einen Vermögenswert Pflichten des vormals Verfügungsberechtigten in Anlehnung an dieses Rechtsverhältnis entwickeln und dies amtshaftungsrechtlich dadurch absichern wollte, dass die Amtspflicht der zuständigen Behörde zur Information auch insoweit als drittbezogen anerkannt wird. Zu einer solchen Qualifizierung dieser Pflicht, für die - soweit ersichtlich - auch im Schrifttum bislang kein Bedürfnis gesehen worden ist, sieht der Senat nicht zuletzt mit Rücksicht darauf, dass es sich hier um auslaufendes Recht handelt, keinen hinreichenden Anlass.
Schlick Dörr Wöstmann
Seiters Tombrink