Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 26.01.2017


BGH 26.01.2017 - III ZR 465/15

Wasserrecht in Bayern: Beseitigungsanspruch für eine Anböschung zur Verhinderung des Abflusses von Niederschlagswasser auf ein tieferliegendes Grundstück


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
3. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
26.01.2017
Aktenzeichen:
III ZR 465/15
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2017:260117UIIIZR465.15.0
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend LG Nürnberg-Fürth, 3. Dezember 2015, Az: 5 S 717/15vorgehend AG Neumarkt, 18. Dezember 2014, Az: 1 C 512/11
Zitierte Gesetze
Art 24 Abs 2 WasserRNRG

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth - 5. Zivilkammer - vom 3. Dezember 2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien sind Eigentümer von benachbarten, leicht geneigten und untereinander gelegenen Hanggrundstücken. Auf dem der Klägerin gehörenden oberen Grundstück wurden in den Jahren 1957, 1967 sowie von 1970 bis 1972 verschiedene Gebäude errichtet. Um zu verhindern, dass Niederschlagswasser auf sein Grundstück fließt, schüttete der Vater des Beklagten an der Grenze zum Grundstück der Klägerin - nach Darstellung des Beklagten in den Sechzigerjahren; die Klägerin behauptet, es sei 1984 gewesen - eine Erdanböschung auf. Diese wurde mehrfach, zuletzt im Jahr 2009, erhöht, wobei der Beklagte die letzte Erhöhung nach Aufforderung der Klägerin wieder abtrug. Im Mai 2011 ließ sie den Beklagten vergeblich zur Entfernung der gesamten Anböschung auffordern.

2

Sie macht geltend, aufgrund des aufgeschütteten Erdhügels habe Wasser trotz eines von ihr errichteten Wassersammlers zunehmend schlechter von ihrem Grundstück ablaufen können. Hierdurch sei es im Laufe der Zeit vermehrt und besonders heftig im Frühjahr 2011 zu einer Überflutung ihres Hofgrundstücks gekommen. Die Ursache liege allein in dem an der Grundstücksgrenze nach und nach aufgeschütteten Erdwall. Der Beklagte hält dem entgegen, der vorhandene Abflussschacht sei zu hoch angebracht, die Oberflächenversiegelung ihres Grundstücks verhindere ein Versickern des Wassers, und die vorgenommene Bebauung habe den natürlichen Ablauf des Wassers zum Nachteil seines Grundstücks verändert.

3

Das Amtsgericht hat die auf vollständige Beseitigung der Anböschung gerichtete Klage abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt sie ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision der Klägerin ist zulässig; sie hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

5

Das Berufungsgericht hat sich auf den Standpunkt gestellt, die Klägerin habe gegen den Beklagten grundsätzlich einen Beseitigungsanspruch hinsichtlich der auf seinem Grundstück errichteten Anböschung auf der Grundlage von § 1004 BGB in Verbindung mit § 37 Abs. 1 Satz 1 WHG. Allerdings könne der Beklagte dem seinerseits einen Anspruch aus § 1004 BGB in Verbindung mit § 37 Abs. 1 Satz 2 WHG entgegensetzen, weil die Klägerin durch die Bebauung ihres Grundstücks mit Wirtschaftsgebäuden die eigentliche Fließrichtung des natürlich abfließenden Wassers in Richtung auf sein Grundstücks verändert habe. Ohne die Aufschüttung müsse mehr Wasser des Oberliegers aufgenommen werden als dies nach den natürlichen Gegebenheiten vor der Bebauung der Fall gewesen sei. Zwar müsse es der Eigentümer eines tiefer gelegenen Nachbargrundstücks grundsätzlich hinnehmen, wenn sich bei bestimmungsgemäßer Grundstücksnutzung durch Änderung der landwirtschaftlichen Nutzung die Fließrichtung von Niederschlagswasser verändere. Vorliegend seien die Grenzen dieser Pflicht jedoch erreicht und überschritten, weil es durch die veränderte Wasserführung zu einem Eindringen von Wasser in Baulichkeiten des Beklagten kommen könne. Der Eigentümer eines unterliegenden Grundstücks müsse seine Gebäude aber den durch den Nachbarn geschaffenen Gegebenheiten nicht anpassen. Der Beklagte habe den Nachbarn vielmehr zur Beseitigung des geänderten Zuflusses auffordern und die entsprechenden Maßnahmen ergreifen können, um den veränderten Wasserzufluss auf sein Grundstück zu verhindern. Erst wenn auf dem Grundstück der Klägerin etwa ein Abflussgraben errichtet worden sei, mit dem die Benachteiligungen für das Grundstück des Beklagten beseitigt würden, könne sie die Beseitigung der Anböschung verlangen. Der Beklagte könne sich deshalb auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen.

II.

6

Diese Erwägungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Revision nicht stand.

7

1. Der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach die Klägerin einen Anspruch aus § 1004 BGB in Verbindung mit § 37 Abs. 1 Satz 1 WHG geltend machen könne, trifft auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht zu.

8

a) § 37 WHG, nach dessen Absatz 1 Satz 1 der natürliche Ablauf wild abfließenden Wassers auf ein tiefer liegendes Grundstück nicht zum Nachteil eines höher gelegenen Grundstücks behindert werden darf, ist mit dem hier maßgeblichen Inhalt am 1. März 2010 in Kraft getreten (Art. 24 Abs. 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Wasserrechts vom 31. Juli 2009, BGBl. I S. 2585) und betrifft nur solche Fallgestaltungen, in denen die tatbestandliche Ablaufbehinderung nach diesem Zeitpunkt vorgenommen worden ist. Eine rückwirkende Anwendbarkeit dieser Bestimmung ist nicht anzunehmen. Übergangsvorschriften sind insoweit nicht vorhanden. Auch der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/12275 S. 62, 84) ist keine vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes abweichende Regelung einer rückwirkenden Geltung der Norm zu entnehmen (vgl. auch BeckOK UmwR/Riedel, § 37 WHG Rn. 3 [Stand: 1. April 2016]). Es ist deshalb maßgeblich auf den Zeitpunkt der Errichtung des Abflusshindernisses abzustellen. Nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin ist aber die fragliche Erdanböschung spätestens im Jahr 1984 errichtet worden. Auch wenn nach ihrer Darstellung des Öfteren eine Aufschüttung, letztmals 2009, vorgenommen worden ist, lagen sämtliche Handlungen vor Inkrafttreten des § 37 WHG.

9

b) Ein Anspruch der Klägerin auf Beseitigung der fraglichen Anböschung kann danach nur auf die zuvor geltenden landesrechtlichen Vorschriften, hier Art. 63 Abs. 1 BayWG in der Fassung vom 26. Juli 1962 (GVBl. S. 143), der bis zur Einführung des § 37 WHG keine inhaltliche Änderung erfahren hat, gestützt werden. Nach Art. 63 Abs. 1 Nr. 2 BayWG a.F. durfte der Eigentümer eines Grundstücks den natürlichen Lauf wild abfließenden Wassers zu den tiefer liegenden Grundstücken nicht so verändern, dass belästigende Nachteile für die höher liegenden Grundstücke entstehen. Sinngemäß ergibt sich ein entsprechendes Verbot bereits aus der Vorgängernorm des Art. 17 BayWG 1907 (GVBl. 1907 S. 157 f). Dabei stellt das Oberflächenwasser, dessen Aufstauung auf ihrem Grundstück die Klägerin verhindert wissen will, als Niederschlagswasser wild abfließendes Wasser im Sinne dieser Vorschriften dar (vgl. Drost, Das Wasserrecht in Bayern, Art. 63 Rn. 3 [Stand Januar 2009]).

10

aa) Für die Annahme der tatbestandlichen Voraussetzungen eines sich aus dieser als Schutzgesetz anzusehenden Vorschrift in Verbindung mit § 1004 BGB ergebenden Anspruchs (vgl. zu anderen landesrechtlichen Regelungen: Senatsurteile vom 21. Februar 1980 - III ZR 185/78, NJW 1980, 2580, 2581 und vom 18. April 1991 - III ZR 1/90, BGHZ 114, 183, 185 f; BGH, Urteil vom 12. Juni 2015 - V ZR 168/14, NJW-RR 2016, 24) reichen die bislang getroffenen Feststellungen der Vorinstanzen nicht aus. Zwar stellt die errichtete Anböschung auf dem Grundstück des Beklagten eine Veränderung beziehungsweise Behinderung des natürlichen Abflusses von Niederschlagswasser vom Grundstück der Klägerin dar, die von Art. 63 BayWG a.F. gerade verhindert werden soll. Davon ist nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. G.      in seinem Gutachten auszugehen. Indessen ist nicht festgestellt, dass dadurch ein nach dieser Bestimmung weiter erforderlicher belästigender Nachteil für die Klägerin entstanden ist. Sie hat zwar vorgetragen, es seien verschiedentlich, und besonders heftig im Frühjahr 2011, Überschwemmungen ihres Grundstücks vorgekommen. Inwieweit darin jedoch ein belästigender Nachteil im Sinne des Art. 63 BayWG a.F. zu sehen ist, lässt sich daraus nicht entnehmen.

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bb) Der Nachteilsbegriff ist nicht rein subjektiv im Sinne eines bloßen "Nichtpassens" zu verstehen. Er ist vielmehr objektiviert grundstücksbezogen auszulegen; die Nutzbarkeit des Grundstücks muss gegenüber dem bisherigen Zustand eingeschränkt und es muss eine Belästigung für den Grundstückseigentümer entstanden sein, die von einigem Gewicht und spürbar ist. Nur drohende Nachteile reichen nicht aus, sie müssen tatsächlich eintreten oder doch mit Sicherheit zu erwarten sein (vgl. Drost, aaO, Rn. 13; Grziwotz/Saller, Bayerisches Nachbarrecht, 2. Aufl. Rn. 116).

12

cc) Nach dem Gutachten des vom Amtsgericht bestellten Sachverständigen ist ein solcher spürbarer Nachteil nicht ausreichend ersichtlich. Der Gutachter hat ausgeführt, das nördlich des Wohngebäudes der Klägerin entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze stehende Nebengebäude und auch weitere Gebäude verhinderten, dass die insoweit größeren Wassermengen so wie früher abströmen könnten; sie stauten sich in der nunmehr entstandenen abflusslosen Senke (Mulde); ohne den fraglichen Erdwall würden geringere Teilwassermengen auf das Grundstück des Beklagten abfließen. Insoweit ist deshalb zu klären, in welchem Umfang im Vergleich das Ansammeln von Wasser auf dem Klägergrundstück auf die fragliche Anböschung zurückzuführen ist und ob sich daraus ein maßgeblich belästigender Nachteil für die Klägerin ergibt.

13

2. Soweit das Berufungsgericht einen Beseitigungsanspruch der Klägerin bejaht, zugleich aber angenommen hat, der Beklagte könne dem einen eigenen Anspruch aus § 1004 iVm § 37 Abs. 1 Satz 2 WHG entgegenhalten und ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen, kann dem nach den bislang getroffenen Feststellungen ebenfalls nicht gefolgt werden.

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a) Rechtsfehlerfrei ist zwar die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin sei als Eigentümerin des oben liegenden Grundstücks passivlegitimiert. Beruht die Beeinträchtigung eines Grundstücks auf dem gefahrenträchtigen Zustand des Nachbargrundstückes (hier des so genannten Oberliegers), so ist es nicht erforderlich, dass dessen Eigentümer diesen Zustand durch positives Tun oder pflichtwidriges Unterlassen geschaffen hat. Ausreichend ist vielmehr, dass der das Eigentum beeinträchtigende Zustand durch den maßgebenden Willen des Eigentümers aufrecht erhalten wird, von dessen Grundstück die Beeinträchtigung ausgeht, und damit die Beseitigung von dessen Willen abhängt (vgl. BGH, Urteil vom 22. September 2000 - V ZR 443/99, NJW-RR 2001, 232 sub II. 2. a mwN).

15

b) Allerdings ist für einen derartigen Anspruch des Beklagten wiederum zu berücksichtigen, dass die von ihm als Behinderung des natürlichen Ablaufs wild abfließenden Wassers zu seinem Nachteil geltend gemachte Bebauung auf dem Grundstück der Klägerin in den Jahren 1957, 1967 sowie von 1970 bis 1972 und damit vor Inkrafttreten des § 37 WHG zum 1. März 2010 vorgenommen worden ist. Ein Anspruch kann sich deshalb nur aus Art. 63 BayWG Abs. 1 Nr. 1 a.F. in Verbindung mit § 1004 BGB ergeben. Hierfür sind die bislang getroffenen Feststellungen jedoch nicht ausreichend.

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aa) Im Hinblick auf den Zeitablauf ist bei der Beurteilung der maßgeblichen Anspruchsvoraussetzungen insbesondere zu berücksichtigen, dass durch die vorgenommene Bebauung auf dem Grundstück der Klägerin der natürliche Ablauf wild abfließenden Wassers verändert worden ist, wie dies der Sachverständige Prof. Dr. G.     deutlich gemacht hat. Bei dieser Sachlage sind deshalb in erster Linie Feststellungen dazu erforderlich, von welchem natürlichen Abflusszustand auszugehen ist. Dieser ist nach den Rechtsverhältnissen zu beurteilen, die im Zeitpunkt der Geltendmachung von Abwehransprüchen des Nachbarn bestehen (Drost, aaO, Rn. 4). Da insbesondere Bebauungen die natürliche Geländebeschaffenheit verändern können, ist im Rahmen des Art. 63 BayWG a.F. nicht allein auf den im engen Sinn natürlichen Ursprungszustand, sondern auch darauf abzustellen, ob der vorhandene Zustand in seiner Gesamtheit rechtmäßig besteht (Drost aaO; Grziwotz/Saller, aaO Rn. 115) und damit zugleich den Zustand des natürlichen Gefälles mitbestimmt. Dies setzt jedoch eine durch die Bebauung erfolgte rechtmäßige Beschränkung der Nachbarrechte aus Art. 63 BayWG a.F. oder einen Sachverhalt voraus, der sonst deren Verlust bewirkt oder die Ausübung der Rechte hindert, etwa unter dem Aspekt der Verwirkung (Drost aaO). Im Falle eines zeitlich lang zurückliegenden Eingriffs in die natürlichen Verhältnisse kann der daraus folgende Zustand selbst im Rechtssinne zum natürlichen Zustand werden, wenn dieser Eingriff mit Zustimmung des Betroffenen erfolgt ist oder er ihn für einen längeren Zeitraum unwidersprochen hingenommen hat (vgl. Drost aaO; Heiland, Praxis der Kommunalverwaltung, L 11 BW § 81 [Stand Januar 2005]; Bulling/Finkenbeiner, Wassergesetze für Baden-Württemberg, § 81 Rn. 2 [Stammlfg. Febr. 1968]; Grziwotz/Lüke/Saller, Praxishandbuch Nachbarrecht, 2. Aufl. Rn. 281 [auch zu § 37 WHG: Fröhlich in Wellmann/Queitsch/Fröhlich, WHG, 1. Aufl., § 37 Rn. 2]).

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bb) Entgegen der Auffassung der Revision scheidet ein möglicher Anspruch des Beklagten nach Art. 63 Abs. 1 Nr. 1 BayWG a.F. in Verbindung mit § 1004 BGB allerdings nicht schon deshalb aus und ist ein ohne Weiteres nunmehr rechtmäßig geschaffener veränderter natürlicher Abfluss anzunehmen, weil allein die Bebauung auf dem Grundstück der Klägerin eine wirtschaftliche Nutzung darstellt, die nicht unter das Verbot des Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayWG a.F. fällt.

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(1) In der Rechtsprechung ist allerdings wiederholt entschieden worden, dass mittelbare Änderungen der Stärke oder Richtung des Wasserabflusses, die aus einer üblichen landwirtschaftlichen Nutzung, besonders aus jährlich wechselnder Fruchtfolge, eintreten, auch dann keine unzulässige Veränderung darstellen, wenn die einschlägige landesrechtliche Vorschrift diesbezüglich keine ausdrückliche Ausnahme vorsieht (vgl. BGH, Urteil vom 2. März 1984 - V ZR 54/83, BGHZ 90, 255, 264 sowie Senatsurteil vom 18. April 1991 - III ZR 1/90, BGHZ 114, 183, 188, vgl. auch BayVGH, AgrarR 1985, 293, 294). Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich daraus indes jedenfalls für das Bayerische Wasserrecht nicht, dass damit insbesondere auch jedwede Bebauung des Grundstücks nicht als eine Veränderung im Sinne des Art. 63 Abs. 1 BayWG a.F. anzusehen ist. Die genannten und von der Revision weiter herangezogenen Entscheidungen (OLG Düsseldorf, RdL 2000, 152; OLG Hamm, BauR 2008, 1478 und OLG Hamm, Urteil vom 5. März 2012 - 5 U 160/11, abgedruckt nur in juris, Rn. 37 f) betrafen nur die Regelung des § 115 Abs. 1 Satz 2 LWG-NRW a.F., der eine Veränderung des Wasserablaufes in Folge veränderter wirtschaftlicher Nutzung des oben liegenden Grundstücks vom Verbot des Eingriffs in das ablaufende Wasser ausdrücklich ausnahm. Die Entscheidung des Kammergerichts betraf eine entsprechende Regelung im Berliner Wassergesetz (vgl. KG, Urteil vom 22. April 2004 - 25 U 49/04, juris, Rn. 34 f).

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(2) Eine dem § 115 Abs. 1 Satz 2 LWG-NRW a.F. gleichlautende gesetzliche Einschränkung sah das Bayerische Wassergesetz in seinen vor Inkrafttreten des § 37 WHG geltenden Fassungen nicht vor. Auch die Auslegung der in diesem Bundesland zuvor geltenden Rechtslage führt nicht zu einem derartigen Befund (vgl. Zeitler in Sieder/Zeitler, BayWG, Art. 63 Rn. 36 a.E. [Stand: Juni 1998]).

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Der historische bayerische Gesetzgeber normierte in wesentlicher Übereinstimmung mit dem gemeinen Recht (Pözl, Die bayerischen Wassergesetze vom 28. Mai 1852, Art 34 und 35 vor Anm. 1) bereits mit Art. 34 BayWG 1852 ein Verbot für den Grundstückseigentümer, dem sich auf seinem Grundstück sammelnden Wasser eine belästigende andere Leitung als dem natürlichen Bodenablauf folgend zu geben. Gleichermaßen untersagte Art. 35 BayWG 1852 dem Unterlieger, den Abfluss natürlich ablaufenden Wassers vom höher liegenden Grundstück zu dessen Nachteil zu verhindern. Entsprechende Regelungen finden sich in Art. 17 Abs. 1 und 2 BayWG 1907; sie wurden in Art. 63 BayWG 1962 übernommen und in weiteren Gesetzesfassungen bis zur Einführung des § 37 WHG beibehalten.

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Zwar sollte es nach dieser Regelung dem jeweiligen Eigentümer grundsätzlich unbenommen bleiben, sein Grundstück unter Beachtung der Vorschriften des öffentlichen und privaten Rechts zu bebauen. Allerdings sollte ein damit verbundener Eingriff in den Wasserabfluss zum Nachbargrundstück nur erlaubt sein, wenn der Unterlieger keine belästigenden Nachteile erlitt. Dementsprechend musste eine durch Bebauung eingetretene Veränderung, die zu belästigenden Nachteilen für das unterliegende Grundstück führte, nicht hingenommen werden, da eine solche Maßnahme nicht mehr eine (ursprüngliche) ordnungsgemäße Bewirtschaftung des oben liegenden Grundstücks, sondern vielmehr eine Änderung der Nutzungsqualität darstellte. Es blieb dem Oberlieger überlassen, entweder für eine nicht belästigende Wasserführung zu sorgen oder die Bebauung zu unterlassen (Zeitler, aaO; Grziwotz/Saller, aaO Rn. 115 mwN). Maßgeblich sollte stets sein, dass nur ein solcher Eingriff, gegebenenfalls auch eine Bebauung, erlaubt war, der keine stärkere Belästigung auslöste als sie die Natur mit sich brachte (vgl. auch Sieder/Zeitler, aaO, Rn. 23). Deshalb lässt sich das vor Einführung des § 37 WHG geltende Wasserrecht in Bayern nicht dahin deuten, dass auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung jegliche wirtschaftlichen Veränderungen auf dem jeweiligen Grundstück, insbesondere jedwede Bebauung, vom Veränderungsverbot ausgenommen sein sollten. Eine andere Beurteilung lässt sich auch nicht der von der Revision herangezogenen Entscheidung zum rheinland-pfälzischen Wassergesetz (§ 82 Abs. 1 - BGH, Urteil vom 2. März 1984 - V ZR 54/83, BGHZ 90, 255, 265) entnehmen. Sie betraf ebenfalls nur landwirtschaftliche Veränderungen, nicht aber eine Bebauung wie im vorliegenden Fall.

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Das Verbot, den Ablauf des wild abfließenden Wassers künstlich so zu verändern, dass tiefer liegende Grundstücke belästigt werden, soll allerdings den Oberlieger in seiner Dispositionsfreiheit nicht allzu sehr einschränken und in der wirtschaftlichen Ausnutzung seines Grundstücks Bewegungsfreiheiten belassen (vgl. Senatsurteile vom 22. November 1971 - III ZR 211/68, BeckRS 1971, 31122898 unter II. 1. und vom 18. April 1991 aaO, S. 191). Dem wird die vor Inkrafttreten des § 37 WHG am 1. März 2010 geltende Rechtslage in Bayern jedoch gerecht, da sie unter dem Aspekt des besonders ausgestalteten nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses, welches zur wechselseitigen Rücksichtnahme verpflichtet (vgl. schon zur identischen Rechtslage unter dem Bayerischen Wassergesetz 1907: Riederer/Sieder, Bayerisches Wassergesetz, Art. 17 Rn. 18) belästigende Beeinträchtigungen des Nachbarn in den Vordergrund stellt. Es besteht deshalb kein Anlass, das Eingriffsverbot des Oberliegers nach Art. 63 BayWG a.F. eng auszulegen und ihm jedwede Bebauung ohne Berücksichtigung der Zumutbarkeit der dadurch entstehenden Belästigungen des Unterliegers zu gestatten (Drost, aaO Rn. 11).

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cc) Kann danach grundsätzlich allein die Bebauung als wirtschaftliche Nutzung noch keine rechtmäßige Veränderung des Wasserablaufs darstellen und ist damit der (neue) natürliche Wasserablauf zu Lasten des Unterliegers festgelegt, ließen sich im Streitfall die Grundsätze der Verwirkung heranziehen. Für die Beurteilung der insoweit erforderlichen Voraussetzungen bedarf es allerdings Feststellungen dazu, durch welche Bebauung jeweils eine Veränderung des Wasserablaufs eingetreten ist und wann der Vater des Beklagten begonnen hat, die Anböschung als Ausdruck dafür, dass er mit der eingetretenen Veränderung nicht einverstanden ist, zu errichten - bereits in den Sechzigerjahren oder erst im Jahr 1984. Sollten die maßgeblichen Abflussveränderungen schon frühzeitig eingetreten sein und der Beklagte beziehungsweise sein Vater dem erst 1984 mit der Errichtung der Anböschung entgegengetreten sein, ist die Verwirkung eines ihm etwa zustehenden Anspruchs gegen die Klägerin in Betracht zu ziehen.

24

3. Sofern ein Anspruch des Beklagten anzunehmen sein sollte und dieser nicht als verwirkt anzusehen ist, sind weiter Feststellungen dazu zu treffen, ob durch die in Folge der Bebauung veränderte Ablaufsituation überhaupt belästigende Nachteile nach Art. 63 Abs. 1 Nr. 1 BayWG a.F. für das tiefer liegende Grundstück des Beklagten eingetreten sind. Dazu ist erforderlich festzustellen, zu welcher Veränderung des Wasserabflusses die Bebauung geführt hat und inwieweit dadurch eine maßgebliche Benachteiligung des Grundstücks des Beklagten eingetreten ist. Wie bereits dargestellt, hat der Sachverständige Prof. Dr. G.    hierzu lediglich allgemein ausgeführt, die Bebauung habe die Fließrichtung verändert, und (größere Teil-)Wassermengen stauten sich auf dem Grundstück der Klägerin, während nur geringere Teilwassermengen ohne die Anböschung auf das Grundstück des Beklagten flössen. Zwar hat der Beklagte den Wasserübertritt auf sein Grundstück geltend gemacht und vorgetragen, Wasser könne auch in seine Scheune eindringen. Ob dies tatsächlich der Fall ist und in welchem Umfang eine solche Gefahr besteht, ist jedoch nicht ersichtlich. Auch insoweit gilt, dass ein nur drohender Nachteil nicht ausreichend ist.

25

4. Sollten sich nach weiteren Feststellungen die erforderlichen belästigenden Nachteile im Sinne des § 63 BayWG Abs. 1 a.F. für beide Grundstücke ergeben, wird das Berufungsgericht diese gegeneinander abzuwägen und unter Berücksichtigung des grundsätzlich besseren Rechts des Oberliegers, der Grundsätze der Zumutbarkeit und der gegenseitigen nachbarschaftlichen Rücksichtnahme zu gewichten haben. Dabei ist vor allem einzubeziehen, dass der Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt durch die Anbringung einer Sperr- oder Stauvorrichtung den Zufluss sämtlichen (wild) ablaufenden Wassers vom Grundstück der Klägerin verhindern darf.

26

5. Sofern nach erneuter Würdigung gegebenenfalls die Heranziehung der Rechtsfolgen des § 274 Abs. 1 BGB in Betracht kommen sollte, ist zu berücksichtigen, dass dann eine Verurteilung Zug-um-Zug vorzunehmen und gleichzeitig die Klage teilweise abzuweisen ist.

III.

27

Das angefochtene Urteil kann danach keinen Bestand haben und ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da weitere Feststellungen zu treffen sind, ist der Senat an einer eigenen Entscheidung in der Sache gehindert, die Sache ist deshalb an das Berufungsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Herrmann     

       

Hucke     

       

Tombrink

       

Remmert     

       

Arend