Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 05.07.2018


BGH 05.07.2018 - III ZR 355/17

Kleingartenpachtvertrag: Kündigung des Hauptpachtvertrages durch den Zwischenpächter; Herausgabeanspruch des Hauptverpächters gegen den Endpächter; Einwand der unzulässigen Rechtsausübung durch den Endpächter


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
3. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
05.07.2018
Aktenzeichen:
III ZR 355/17
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2018:050718BIIIZR355.17.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OLG Braunschweig, 27. Oktober 2017, Az: 9 U 68/17, Beschlussvorgehend OLG Braunschweig, 5. September 2017, Az: 9 U 68/17vorgehend LG Braunschweig, 26. Mai 2017, Az: 5 O 1808/16 (10), Urteil
Zitierte Gesetze

Leitsätze

1. § 10 Abs. 3 BKleingG findet auf den Fall, dass der Zwischenpachtvertrag vom Zwischenpächter gekündigt wird, weder direkt noch analog Anwendung. Dies gilt auch dann, wenn die Kündigung gemäß § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO durch den Insolvenzverwalter über das Vermögen des Zwischenpächters erfolgt (Anschluss an und Fortführung von BGH, Urteil vom 17. Dezember 1992, V ZR 254/91, BGHZ 121, 88, 91).

2. Zum Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) bei einer solchen Fallgestaltung.

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 27. Oktober 2017 - 9 U 68/17 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Streitwert: bis 40.000 €

Gründe

I.

1

Die Klägerin ist Eigentümerin des Kleingartengeländes "Am G.        " in S.      . Seit 1948 war das Gelände an den Bezirksverband S.                     (im Folgenden: Bezirksverband) - als Zwischenpächter - verpachtet, der es seinerseits an den Beklagten, den örtlichen Kleingartenverein, unterverpachtete. Der Beklagte verpachtete die einzelnen Kleingartenparzellen wiederum an die jeweiligen Nutzer, seine Vereinsmitglieder, weiter. Das Kleingartengelände hat eine Gesamtfläche von 132.960 m² und umfasst 179 Parzellen, von denen zuletzt - wegen eines großen Überangebots von Kleingartenparzellen im Gebiet S.         - nur noch etwa 70 an Nutzer verpachtet waren. Infolge einer Erhöhung der Pachtzinsen auf jährlich 0,28 €/m² und des großen Leerstands von Kleingartenparzellen geriet der Bezirksverband in Zahlungsschwierigkeiten. Im August 2015 wurde das Insolvenzverfahren über dessen Vermögen eröffnet. Mit Schreiben vom 6. Oktober 2015 kündigte der Insolvenzverwalter sowohl den (Haupt-)Pachtvertrag mit der Klägerin als auch den (Unter-)Pachtvertrag mit dem Beklagten zum 31. Januar 2016. Zum Zweck der Räumung und Herausgabe der Kleingartenfläche verlangte die Klägerin von dem Beklagten Auskunft über die Namen und Anschriften der jeweiligen Kleingartenparzellennutzer.

2

Wegen dieses Auskunftsbegehrens hat die Klägerin Klage eingereicht. Nach Klagezustellung hat der Beklagte die verlangten Angaben mitgeteilt. Hierauf hat die Klägerin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Der Beklagte hat dieser Erklärung widersprochen und seinerseits Widerklage erhoben, gerichtet auf die Feststellung, dass der Klägerin kein Anspruch auf Herausgabe der Kleingartenanlage gegen den Beklagten zusteht.

3

Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, ob die Kündigung des (Haupt-)Pachtvertrags durch den Insolvenzverwalter einen Herausgabeanspruch der Klägerin gegen den Beklagten begründete.

4

Das Landgericht hat festgestellt, dass der Rechtsstreit (bezüglich der Klage) in der Hauptsache erledigt ist, und die Widerklage abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückgewiesen. Beide Vorinstanzen haben die Auffassung vertreten, dass die Kündigung des Insolvenzverwalters einen Herausgabeanspruch der Klägerin gegen den Beklagten begründet habe. Die Klägerin sei nicht an Stelle des Bezirksverbands in den (Unter-)Pachtvertrag mit dem Beklagten eingetreten.

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Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde.

II.

6

Die Beschwerde des Beklagten ist unbegründet, weil die Zulassungsvoraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.

7

1. Zutreffend hält das Berufungsgericht den Beklagten gemäß § 985 BGB und § 546 Abs. 2, § 581 Abs. 2 BGB, § 4 Abs. 1 Bundeskleingartengesetz (BKleingG) für verpflichtet, das Kleingartengelände an die Klägerin herauszugeben und ihr die hierfür nötigen Angaben über die einzelnen Parzellennutzer mitzuteilen (§ 242 BGB).

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2. Entgegen der Ansicht der Beschwerde liegen die Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und des Erfordernisses für eine Fortbildung des Rechts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO) nicht vor.

9

Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob der Hauptverpächter gemäß oder analog § 10 Abs. 3 BKleingG in den Unterpachtvertrag eintritt, wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Zwischenpächters eröffnet worden ist und der Insolvenzverwalter den (Haupt- = Zwischen-)Pachtvertrag mit dem Hauptverpächter gemäß § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO kündigt, wird als solche weder in der Rechtsprechung noch im Schrifttum diskutiert. Ein einzelfallübergreifendes Klärungs- oder Orientierungsbedürfnis legt die Beschwerde nicht dar. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt eine - direkte oder analoge - Anwendung von § 10 Abs. 3 BKleingG auf die hier vorliegende Fallgestaltung nicht in Betracht. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (aus § 242 BGB) ist grundsätzlich möglich, wobei es allerdings stets auf die konkreten Einzelfallumstände ankommt. Ein treuwidriges Verhalten des Bezirksverbands oder der Klägerin ist vorliegend indessen weder dargetan noch sonst erkennbar.

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a) Eine direkte oder analoge Anwendung von § 10 Abs. 3 BKleingG scheidet hier aus.

11

Gemäß § 10 Abs. 3 BKleingG tritt im Falle der Kündigung des Zwischenpachtvertrags durch den Hauptverpächter dieser in die Verträge des Zwischenpächters mit den Kleingärtnern (Endpächtern) ein. Ist in die Verpachtungskette ein weiterer Zwischenpächter (hier: der Beklagte) eingeschaltet, wird der Hauptverpächter zum Verpächter der nächst niedrigeren Stufe; er nimmt also kraft Gesetzes im Wege einer Auswechselung der Vertragspartei die Stelle des bisherigen (erststufigen) Zwischenpächters als Verpächter des weiteren (zweitstufigen) Zwischenpachtvertrags ein (s. BGH, Urteil vom 2. Oktober 1992 - V ZR 185/91, BGHZ 119, 300, 302).

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§ 10 Abs. 3 BKleingG soll sicherstellen, dass die Kleingärtner, die ihre Pflichten erfüllen, ihren Kleingarten durch die Kündigung nicht verlieren; sie sollen nicht die Folgen tragen, die sich aus den Pflichtverletzungen des Zwischenpächters ergeben (s. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Bundeskleingartengesetz, BT-Drucks. 9/1900, S. 17 [zu § 9 Abs. 3 BKleingG-E] und Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, BT-Drucks. 9/2232, S. 22 [zu § 9 Abs. 3 BKleingG-E]; vgl. auch BVerfG, NJW 1998, 3559). Dementsprechend beschränkt sich der Anwendungsbereich des § 10 Abs. 3 BKleingG auf die Fälle, in denen der Hauptverpächter den Zwischenpachtvertrag aus den Gründen des § 10 Abs. 1 BKleingG (Pflichtverletzung des Zwischenpächters oder Aberkennung seiner kleingärtnerischen Gemeinnützigkeit) kündigt (Senat, Urteil vom 6. Juni 2002 - III ZR 181/01, BGHZ 151, 71, 73 f; BGH, Urteil vom 2. Oktober 1992 - V ZR 185/91, BGHZ 119, 300, 303; s. auch BGH, Urteil vom 17. Dezember 1992 - V ZR 254/91, BGHZ 121, 88, 91; Mainczyk/Nessler, BKleingG, 11. Aufl., § 10 Rn. 5c; Stang, BKleingG, 2. Aufl., § 10 Rn. 13 f). Folglich gilt § 10 Abs. 3 BKleingG weder für Kündigungen des Hauptverpächters nach § 9 Abs. 1 BKleingG (Senatsurteile vom 6. Juni 2002 aaO und vom 13. Februar 2014 - III ZR 250/13, NZM 2014, 352, 355 Rn. 32; BGH, Urteile vom 2. Oktober 1992 aaO S. 303 f und vom 11. März 1994 - V ZR 282/92, NJW-RR 1994, 779; Mainczyk/Nessler aaO; Stang aaO Rn. 14; s. auch BVerfG aaO S. 3560) noch für den Fall der Nichtigkeit des Zwischenpachtverhältnisses (BGH, Urteil vom 3. April 1987 - V ZR 160/85, BGHZ 101, 18, 22 f) noch für die Kündigung des Zwischenpachtvertrags mit dem Hauptverpächter durch den Zwischenpächter (s. BGH, Urteil vom 17. Dezember 1992 aaO; Mainczyk/Nessler aaO § 4 Rn. 35, 36 und § 10 Rn. 7; Stang aaO Rn. 13).

13

Soweit im Schrifttum eine analoge Anwendung von § 10 Abs. 3 BKleingG auf den Fall der einvernehmlichen Aufhebung des Zwischenpachtvertrags befürwortet wird (Mainczyk/Nessler aaO § 10 Rn. 6; Stang aaO Rn. 17), bedarf diese Frage hier keiner Entscheidung, weil die Klägerin und der Bezirksverband den zwischen ihnen geschlossenen Haupt- (= Zwischen-)Pachtvertrag nicht einvernehmlich aufgehoben haben, sondern dieser vom Insolvenzverwalter des Bezirksverbands gekündigt worden ist.

14

Eine Gleichstellung des Schutzes der Nutzer bei der Zwischenverpachtung von Kleingartenflächen mit den Wohnraummietern bei der gewerblichen Weitervermietung (§ 565 BGB) hat der Gesetzgeber nicht vorgenommen. Sie ist entgegen der Meinung der Beschwerde auch nicht nach Art. 3 Abs. 1 GG geboten. Zum einen ist das Schutzbedürfnis eines Mieters von Wohnraum, dessen existentielle Belange berührt sind, deutlich stärker als für den Nutzer eines Kleingartens. Zum anderen darf, worauf die Beschwerdeerwiderung zutreffend hinweist, ein Zwischenpachtvertrag gemäß § 4 Abs. 2 BKleingG aus Gründen der Wahrung der Interessen der Kleingartennutzer nur mit einer als gemeinnützig anerkannten Kleingärtnerorganisation oder der Gemeinde abgeschlossen werden; dies schließt es - anders als bei der gewerblichen Zwischenvermietung von Wohnräumen, für die eine solche Beschränkung nicht vorgesehen ist - regelmäßig aus, dass der Zwischenpächter eine nach der Interessenlage der Kleingärtner nicht zu rechtfertigende Kündigung des Haupt- (= Zwischen-)Pachtvertrags ausspricht.

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b) Der Beklagte kann dem Herausgabeanspruch der Klägerin auch nicht mit Erfolg den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegenhalten.

16

In der Literatur wird erwogen, dass die Endpächter (Kleingärtner) bzw. der weitere Zwischenpächter (hier: der Beklagte) den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung erheben können, wenn der Zwischenpachtvertrag durch eine Kündigung von Seiten des Zwischenpächters beendet wird (Mainczyk/Nessler aaO § 4 Rn. 36 und § 10 Rn. 7; Stang aaO Rn. 20). Dabei geht es freilich um Fälle, in denen die Kündigung des Haupt- (= Zwischen-)Pachtvertrags durch den Zwischenpächter das Schutzbedürfnis der Endpächter in treuwidriger Weise außer Acht lässt. So liegt es hier aber nicht.

17

Die Kündigung des Haupt- (= Zwischen-)Pachtvertrags durch den Bezirksverband geht auf seine Insolvenz zurück, die ihre Ursache wiederum darin findet, dass er nicht mehr in der Lage gewesen ist, den erhöhten Pachtzins (0,28 €/m² jährlich) für eine Kleingartenanlage aufzubringen, in der infolge des örtlichen Überangebots an Kleingärten ein großer Teil der Parzellen ungenutzt ist und leer steht. Die Rechtmäßigkeit der erhöhten Pacht ist im Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Bezirksverband gerichtlich bestätigt worden. Die schwierige wirtschaftliche Lage des Bezirksverbands hätten der Beklagte und seine Vereinsmitglieder dadurch abwenden können, dass Sie diesen Pachtzins entrichtet hätten, was sie indes verweigert haben. Eine Einigung zwischen den Parteien über eine Reduzierung der Pachtfläche und den hierauf zu zahlenden Pachtzins ist ebenfalls nicht zustande gekommen. Unter diesen Umständen erfolgte die Kündigung durch den Bezirksverband nicht wider Treu und Glauben und stellt sich die Geltendmachung des Herausgabeanspruchs der Klägerin nicht als unzulässige Rechtsausübung dar. Ein dauernder erheblicher Leerstand berührt die Existenzfähigkeit der Kleingartenanlage und der als Zwischenpächter eingeschalteten Kleingärtnerorganisationen. Weder liegt hier ein kollusives Zusammenwirken von Hauptverpächter und Zwischenpächter zum Nachteil der Endpächter (Kleingärtner) noch ein eigenes Fehlverhalten des Zwischenpächters vor.

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Der Umstand, dass das Gelände nach dem gültigen Bebauungsplan nur für kleingärtnerische Zwecke genutzt werden darf, steht dem Herausgabeverlangen der Klägerin nicht entgegen. Denn sie ist nicht verpflichtet, es gerade dem Beklagten und seinen Mitgliedern zu überlassen; es steht ihr im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften vielmehr frei, zu entscheiden, ob und an wen sie es zu welchen Bedingungen verpachten will (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 1994 aaO S. 780). Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist es für den Herausgabeanspruch der Klägerin auch ohne Bedeutung, dass die Stadt S.        den Beklagten gebeten hat, "bis zur endgültigen Klärung dieser Angelegenheit" die Verwaltung der Kleingartenfläche zu übernehmen. Dem tritt die Beschwerde auch nicht entgegen.

19

3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

Herrmann     

      

Tombrink     

      

Remmert

      

Reiter     

      

Pohl