Entscheidungsdatum: 16.06.2011
Briefeinwurf
1. Für die Wirksamkeit einer Ersatzzustellung nach §§ 178 bis 181 ZPO genügt, vorbehaltlich dolosen Verhaltens, nicht, dass der Adressat in zurechenbarer Weise den Rechtsschein geschaffen hat, unter der Zustellanschrift eine Wohnung oder Geschäftsräume zu nutzen. Insbesondere reicht nicht, dass er nach Aufgabe der Wohnung oder der Geschäftsräume ein Schild mit seinem Namen an dem Briefeinwurf belässt .
2. Der nur einem überschaubaren Personenkreis (hier: drei Parteien) zugängliche Briefschlitz in einem Mehrparteienhaus ist auch dann für eine Ersatzzustellung gemäß § 180 Satz 1 ZPO geeignet, wenn die Sendungen nicht in ein geschlossenes Behältnis fallen, sondern auf den Boden des Hausflurs, sofern der Adressat seine Post typischerweise auf diesem Weg erhält und eine eindeutige Zuordnung des Einwurfschlitzes zum Empfänger möglich ist .
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 31. März 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Provisionen in Höhe von 35.907,82 € für die Akquisition von Aufträgen.
Die Klägerin erwirkte gegen die Beklagte einen Mahnbescheid über ihre Forderungen nebst Kosten, der dieser am 17. August 2007 unter der Anschrift B. Straße 8 in F. zugestellt wurde. Nachdem die Beklagte keinen Widerspruch eingelegt hatte, beantragte die Klägerin einen Vollstreckungsbescheid. Dieser wurde antragsgemäß erlassen und nach Angabe der im Aktenausdruck gemäß § 696 Abs. 2 Satz 1 ZPO wiedergegebenen Zustellungsurkunde am 7. September 2007 unter derselben Anschrift durch Einlegung des Schriftstücks "in den zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung" zugestellt.
In dem Haus B. Straße 8 hatten außer der Beklagten noch zwei weitere Parteien eine Wohnung beziehungsweise Geschäftsräume. In der Außentür des Hauses befand sich ein einzelner Briefschlitz, in den die Post für alle drei Parteien eingeworfen wurde. Da innen ein Behältnis nicht angebracht war, fielen die Sendungen hinter der Tür auf den Boden des Hausflurs. Die Beklagte macht geltend, sie habe am 3. September 2007 ihre Geschäftsräume dort aufgegeben und ihren Sitz an einen neuen Standort verlegt. Ihr Vorstand habe bereits am 29. August 2007 die Schilder mit ihrem Namen an der Hauseingangstür und am Briefeinwurf abmontiert. Sie ist deshalb der Auffassung, der Vollstreckungsbescheid sei nicht ordnungsgemäß zugestellt worden.
Nachdem die Beklagte mit am 23. November 2007 eingegangenem Schriftsatz Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid erhoben hatte, hat das Landgericht diesen aufgehoben und die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat demgegenüber den Vollstreckungsbescheid aufrechterhalten. Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten.
Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist der Einspruch der Beklagten gegen den Vollstreckungsbescheid unzulässig, da er nach Ablauf der Notfrist von zwei Wochen (§§ 339, 700 ZPO) bei Gericht eingegangen sei. Der Bescheid sei am 7. September 2007 ordnungsgemäß zugestellt worden. Die Beklagte habe den Inhalt der Zustellungsurkunde nicht entkräften können, wonach das Schriftstück in einen zu ihrem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung eingelegt worden sei. Sie habe nicht nachweisen können, dass der am Haus B. Straße 8 in die Haustür eingelassene Briefschlitz zum Zeitpunkt der beurkundeten Zustellung nicht mehr mit ihrem Namenszug versehen gewesen sei. Die hierzu vernommenen Zeugen hätten dies nicht bestätigt. Insbesondere habe der Zeuge K. , der einer der Mieter in dem Haus gewesen sei, bekundet, das ursprünglich vorhandene Namensschild der Beklagten sei erst ein "paar Tage" bevor oder nachdem er ein auf den 27. September 2007 datierendes Schreiben der neuen Hauseigentümerin erhalten habe, entfernt worden.
Der Briefschlitz sei eine geeignete Vorrichtung im Sinne des § 180 Satz 1 ZPO gewesen. Zwar werde in der Literatur teilweise ein Gemeinschaftsbriefkasten von mehreren Mietparteien mangels eindeutiger Zuordnungsmöglichkeit nicht als im Sinne dieser Vorschrift geeignete Einrichtung angesehen. Maßgeblich sei jedoch, ob der Briefkasten beziehungsweise die ähnliche Einrichtung eindeutig eine Zuordnung zum Adressaten ermögliche und auch für diesen beschriftet sei. Entscheidend sei auch, ob der Adressat typischerweise über diese Vorrichtung seine Post erhalte, da er damit zu erkennen gebe, dass er dem Kreis der Mitbenutzer hinreichendes Vertrauen entgegen bringe. Die Beklagte habe nicht bestritten, dass ihr die Post üblicherweise durch den Briefschlitz zugestellt worden sei. Dessen Nutzerkreis sei auf drei Personen begrenzt und damit überschaubar gewesen.
Unbeachtlich sei, ob die Beklagte tatsächlich ihren Geschäftssitz zum maßgeblichen Zeitpunkt bereits verlegt gehabt habe. Ihren Darlegungen könne nicht entnommen werden, dass nicht noch ein von ihr zurechenbar gesetzter Rechtsschein des Bestehens eines Geschäftssitzes in der B. Straße 8 bestanden habe. Unstreitig sei die Beklagte Dritten gegenüber noch unter dieser Adresse aufgetreten. Dies belege eindrucksvoll die Gerichtsakte, wonach die Schriftsätze der Beklagten im Rubrum noch bis zum Erlass des erstinstanzlichen Urteils am 28. Juli 2008 diese Anschrift aufgewiesen hätten.
Schließlich komme eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Einspruchsfrist nicht in Betracht. Da die Beklagte jedenfalls den Rechtsschein eines Geschäftslokals in der B. Straße 8 gesetzt habe, hätte sie auch dafür Sorge tragen müssen, dort niedergelegte Post zur Kenntnis zu nehmen.
II.
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
Die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts rechtfertigen nicht, den am 23. November 2007 bei Gericht eingegangenen Einspruch der Beklagten gegen den Vollstreckungsbescheid gemäß § 341 Abs. 1 Satz 2 ZPO i.V.m. § 700 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil er nicht innerhalb der gemäß § 339 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 700 Abs. 1 ZPO für diesen Rechtsbehelf geltenden zweiwöchigen Notfrist erhoben wurde. Ob der Vollstreckungsbescheid der Beklagten am 7. September 2007 nach § 180 Satz 1 ZPO wirksam zugestellt wurde, mit der Folge, dass die Einspruchsfrist am 21. September 2007 ablief, hängt von noch nachzuholenden Feststellungen dazu ab, ob die Beklagte an dem maßgeblichen Tag im Hause B. Straße 8 noch Geschäftsräume unterhielt.
1. Das Berufungsgericht durfte nicht offen lassen, ob die Beklagte, wie sie geltend macht, vor dem 7. September 2007 objektiv ihre Geschäftsräume an einen anderen Ort verlegt hatte.
Die Ersatzzustellung nach §§ 178 bis 181 ZPO setzt voraus, dass eine Wohnung oder ein Geschäftsraum des Adressaten an dem Ort, an dem zugestellt werden soll, tatsächlich von dem Adressaten genutzt wird (z.B. BGH, Beschlüsse vom 22. Oktober 2009 - IX ZB 248/08, NJW-RR 2010, 489 Rn. 15 und vom 2. Juli 2008 - IV ZB 5/08, ZIP 2008, 1747 Rn. 7 und Urteil vom 19. März 1998 - VII ZR 172/97, ZIP 1998, 862, 863). Entgegen der Ansicht der Vorinstanz genügt der bloße, dem Empfänger zurechenbare Rechtsschein, dieser unterhalte unter der jeweiligen Anschrift eine Wohnung oder Geschäftsräume, für eine ordnungsgemäße Zustellung nicht. Dies ergibt sich aus dem unmissverständlichen Wortlaut der §§ 178 bis 181 ZPO, nach dem nur in der Wohnung beziehungsweise den Geschäftsräumen oder durch Einwurf in die hierzu gehörenden Postempfangsvorrichtungen zugestellt werden kann, nicht aber dort, wo lediglich der Anschein einer Wohnung oder eines Geschäftsraums besteht.
Eine erweiternde Auslegung dieser Bestimmungen dahingehend, dass der vom Empfänger zurechenbar gesetzte Rechtsschein einer Wohnung oder eines Geschäftsraums genügt, scheidet aus. Die Zustellung dient unter anderem dazu, dem Adressaten zur Wahrung des Grundrechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) Gelegenheit zu verschaffen, das Dokument zur Kenntnis zu nehmen und seine Rechtsverfolgung oder -verteidigung hierauf einzurichten (z.B. BVerfGE 67, 208, 211; BGH, Urteil vom 6. April 1992 - II ZR 242/91, BGHZ 118, 45, 47 jew. mwN). Im Interesse der hierfür in besonderem Maße erforderlichen Rechtssicherheit haben die Zustellungsvorschriften notwendigerweise formalen Charakter (BGH, Urteil vom 12. März 1980 - VIII ZR 115/79, BGHZ 76, 222, 229; MünchKommZPO/Häublein, 3. Aufl., § 166 Rn. 6; vgl. auch BVerfG [3. Kammer des Ersten Senats], NJW-RR 2010, 421, Rn. 18). Dieser verbietet es, über den Wortlaut der Bestimmungen hinausgehend eine Zustellung an dem Ort zuzulassen, an dem lediglich der (zurechenbare) Rechtsschein einer Wohnung oder eines Geschäftsraums des Empfängers besteht. Da die Voraussetzungen, unter denen der Rechtsschein und seine Zurechenbarkeit gegenüber dem Empfänger angenommen werden könnten, wesentlich von den Details der konkreten Verhältnisse abhängen, würde ansonsten die rechtliche Beurteilung der einzelnen Zustellung mit Unsicherheiten belastet, die mit ihrem Zweck unvereinbar wären.
Allerdings ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass es eine unzulässige Rechtsausübung darstellt, wenn der Zustellungsadressat eine fehlerhafte Ersatzzustellung geltend macht, obwohl er einen Irrtum über seinen tatsächlichen Lebensmittelpunkt bewusst und zielgerichtet herbeigeführt hat (z.B. BVerfG aaO Rn. 17; OLG Jena NStZ-RR 2006, 238; OLG Köln NJW-RR 2001, 1511, 1512 jew. mwN; so auch MünchKommZPO/Häublein, aaO § 178 Rn. 11; Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 178 Rn. 7). Hierbei handelt es sich jedoch nicht um die Erleichterung einer wirksamen Zustellung im Wege der objektiven Zurechnung eines Rechtsscheins. Vielmehr wird dem Empfänger im Lichte des das gesamte Recht beherrschenden Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unter engen Voraussetzungen lediglich versagt, sich auf die Unwirksamkeit einer Zustellung zu berufen (BVerfG aaO Rn. 18). Auch wenn diese - verfassungsrechtlich unbedenkliche (BVerfG aaO) - Rechtsprechung im Ergebnis dazu führt, dass eine Entscheidung über die materiellrechtliche Rechtslage unterbleibt und damit zugleich das rechtliche Gehör verkürzt wird, verhilft sie auf der anderen Seite der allgemeinen Redlichkeitspflicht der Parteien zur Geltung, die sich auch auf die Prozessführung und damit auch auf die Voraussetzungen einer wirksamen Zustellung bezieht (BVerfG aaO; vgl. auch BVerfGE 104, 220, 232). Eine solche Fallgestaltung liegt hier jedoch nicht vor. Die Beklagte hat nach dem bisherigen Sach- und Streitstand nicht bewusst versucht, den Anschein zu erwecken, sie unterhalte ihre Geschäftsräume weiterhin im Hause B. Straße 8. Vielmehr steht, soweit sie ihre Geschäftsräume tatsächlich verlegt hatte, lediglich in Rede, dass sie es ohne dolose Absicht versäumte, ihr Namensschild an dem Briefeinwurf in der Haustür rechtzeitig zu entfernen.
2. Zur Beurteilung der Wirksamkeit der Zustellung vom 7. September 2007 weist der Senat für das weitere Verfahren auf folgendes hin:
a) Ein Geschäftslokal ist vorhanden, wenn ein dafür bestimmter Raum - und sei er auch nur zeitweilig besetzt - geschäftlicher Tätigkeit dient und der Empfänger dort erreichbar ist (BGH, Beschlüsse vom 22. Oktober 2009 - IX ZB 248/08, NJW-RR 2010, 489 Rn. 16 und vom 2. Juli 2008 - IV ZB 5/08, ZIP 2008, 1747 Rn. 7 und Urteil vom 19. März 1998 - VII ZR 172/97, ZIP 1998, 862, 863). Hat der Adressat die Nutzung der Räume aufgegeben, ist eine Zustellung an ihn dort nicht mehr möglich. Die Aufgabe setzt einen entsprechenden Willensentschluss voraus, der nach außen erkennbaren Ausdruck gefunden haben muss (BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2009 aaO Rn. 18, 21). Insoweit gilt nichts anderes als bei Wohnräumen (BGH aaO Rn. 21; zum Erfordernis des nach außen zu erkennenden Aufgabewillens bei einer Wohnung siehe BGH, Urteil vom 27. Oktober 1987 - VI ZR 268/86, NJW 1988, 713 f; Zöller/Stöber aaO § 178 Rn. 6). Der Aufgabewille muss, wenn auch nicht gerade für den Absender des zuzustellenden Schriftstücks oder die mit der Zustellung betraute Person, so doch jedenfalls für einen mit den Verhältnissen vertrauten Beobachter erkennbar sein (z.B. BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2009 aaO Rn. 18 und Urteil vom 27. Oktober 1987 aaO). Dies setzt indessen nicht voraus, dass ihr Inhaber alle Merkmale beseitigt, die den Anschein erwecken könnten, er nutze die Wohn- beziehungsweise Geschäftsräume dort auch weiterhin (BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2009 aaO Rn. 18). Insbesondere genügt allein die Existenz eines Namensschilds nicht, weil ansonsten doch die Erkennbarkeit für den konkreten Zusteller maßgeblich wäre (vgl. MünchKommZPO/Häublein, aaO § 178 Rn. 11).
Bei der Feststellung, ob die Beklagte am 7. September 2007 im Hause B. Straße 8 noch Geschäftsräume unterhielt, wird das Berufungsgericht insbesondere einerseits der behaupteten Anmeldung der Sitzverlegung gegenüber dem Handelsregister nachzugehen und andererseits zu berücksichtigen haben, dass die Zustellungsurkunde, deren Inhalt durch den Aktenausdruck des Mahnverfahrens nachgewiesen ist (§ 696 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 418 Abs. 1 ZPO), zwar keinen Beweis gemäß § 418 Abs. 1 ZPO für die Existenz von Geschäftsräumen an dem Zustellungsort erbringt, jedoch ein Indiz hierfür darstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Mai 2005 - IX ZB 43/03, NJW 2004, 2386, 2387; BVerfG [3. Kammer des Zweiten Senats], NJW 1992, 224, 225 f).
Demgegenüber kommt dem vom Berufungsgericht herangezogenen Umstand, dass in den Schriftsätzen der Prozessbevollmächtigten der Beklagten im Rubrum teilweise noch die Anschrift B. Straße 8 verwendet wurde, keine indizielle Bedeutung zu, da die Beklagte von Anbeginn im Widerspruch hierzu vorgetragen hat, sie habe am 7. September 2007 dort keine Geschäftsräume mehr unterhalten. Die Verwendung der Anschrift B. Straße 8 in den anwaltlichen Schriftsätzen lässt sich ohne weiteres damit erklären, dass lediglich versäumt wurde, die bereits in den Mandantendaten eingespeicherte Adresse der Beklagten zu aktualisieren.
b) Die Wirksamkeit der Zustellung scheiterte, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, nicht daran, dass der Vollstreckungsbescheid in den in der Außentür des Hauses B. Straße 8 befindlichen Briefschlitz eingeworfen wurde, obgleich es sich um eine von drei Parteien gemeinschaftlich genutzte Vorrichtung handelte und sich auf der Innenseite der Tür keine geschlossene Auffangvorrichtung für die eingeworfene Post befand. Der gemeinsame Briefschlitz in der Haustür eines Mehrparteienhauses ist jedenfalls dann eine "ähnliche Vorrichtung" im Sinne des § 180 Satz 1 ZPO, die eine Zustellung ermöglicht, wenn, wie hier, in dem betreffenden Gebäude lediglich drei Parteien wohnen beziehungsweise Geschäftsräume unterhalten, der Zustellungsadressat gewöhnlich seine Post durch diesen Einwurf erhält und - etwa aufgrund einer entsprechenden Beschriftung - eine eindeutige Zuordnung zum Adressaten möglich ist.
aa) In der Literatur wird allerdings in Übereinstimmung mit einigen obergerichtlichen Entscheidungen (OLG Bremen OLGR 2007, 304, 305; OLG Hamm, Beschluss vom 1. Juni 2004 - 4 Ws 172/04, juris Rn. 9) überwiegend vertreten, der Haustürbriefschlitz in einem Mehrfamilienhaus oder in einem sonstigen größeren Gebäude, das von mehreren nicht gemeinsam wohnenden Personen beziehungsweise von mehreren Inhabern verschiedener Unternehmen genutzt wird, sei keine für eine Ersatzzustellung geeignete "ähnliche Vorrichtung" (Musielak/Wolst, ZPO, 7. Aufl., § 180 Rn. 2; Prütting/Gehrlein/Kessen, ZPO, 2. Aufl., § 180 Rn. 2; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 180 Rn. 3; Wieczorek/Schütze/Rohe, 3. Aufl. § 180 Rn. 10; ZAP-Kommentar/ Zimmermann, ZPO, 8. Aufl., § 180 Rn. 1; so wohl auch Zöller/Stöber aaO § 180 Rn. 3).
bb) Der Senat hält jedoch die Gegenauffassung für überzeugender, nach der ein nur einem überschaubaren Personenkreis zugänglicher Briefschlitz in einem Mehrparteienhaus für eine Ersatzzustellung geeignet ist, wenn der Adressat seine Post typischerweise auf diesem Wege erhält und eine eindeutige Zuordnung zum Empfänger möglich ist (MünchKommZPO/Häublein, aaO § 180 Rn. 4).
(1) In der Rechtsprechung wird überwiegend vertreten, dass eine Ersatzzustellung nach § 180 Satz 1 ZPO durch Einwurf in einen solchermaßen beschränkt zugänglichen Gemeinschaftsbriefkasten erfolgen kann (OLG Frankfurt am Main, NStZ-RR 2010, 349, 350; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9. Februar 2006 - L 7 VU 28/05, juris Rn. 17; VG München, Beschluss vom 8. Mai 2008 - M 6b S 08.1916, juris Rn. 10, 28; weitergehend: LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12. Juli 2005 - 5 Sa 164/05, juris Rn. 14 f, das sogar einen für einen größeren Personenkreis zugänglichen Briefkasten für geeignet hält). Dem ist beizupflichten.
Durch die Anforderungen des § 180 Satz 1 ZPO an die Empfangseinrichtungen, in die das zuzustellende Schriftstück eingelegt werden darf, soll insbesondere zur Wahrung des rechtlichen Gehörs gewährleistet werden, dass der Adressat mit hinreichender Sicherheit in die Lage versetzt wird, den Inhalt der Sendung auch tatsächlich zur Kenntnis zu nehmen. Die Bereitstellung und Ausgestaltung einer Vorrichtung zum Postempfang liegt indessen in der Sphäre und Eigenverantwortung des Adressaten. Er verfügt deshalb über einen Spielraum, darüber zu entscheiden, welches Maß an Sicherheit gegen den Verlust von Sendungen die von ihm gewählte Einrichtung bieten soll. Entscheidet er sich für eine Variante, die einzelne Risiken nicht ausschließt, muss er sich hieran insbesondere bei einer förmlichen Zustellung auch zu seinem Nachteil festhalten lassen, solange die Vorrichtung insgesamt in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist.
Hiernach kann eine Zustellung nach § 180 Satz 1 ZPO durch Einlegen in eine Vorrichtung erfolgen, die für den Postempfang eines überschaubaren Personenkreises bestimmt ist, der ein von wenigen Parteien genutztes Haus bewohnt oder dort ein Geschäftslokal unterhält. Der Adressat, der eine solche Einrichtung gewöhnlich für den Erhalt von Postsendungen verwendet, gibt damit zu erkennen, dass er den ihm typischerweise persönlich bekannten Mitnutzern hinreichendes Vertrauen entgegenbringt, dass diese auch mit den an ihn gerichteten Sendungen sorgfältig umgehen (OLG Frankfurt am Main aaO; MünchKommZPO/Häublein aaO). Dies hält sich im Rahmen des einem Zustellungsadressaten durch § 180 Satz 1 ZPO eröffneten, eigenverantwortlich auszufüllenden Spielraums zur Gestaltung seines Postempfangs. Die Nutzung einer gemeinschaftlichen Postempfangseinrichtung gewährleistet unter den dargestellten Voraussetzungen auch in der allgemein üblichen Art noch eine sichere Aufbewahrung, da regelmäßig davon ausgegangen werden kann, dass ein überschaubarer Personenkreis, dem ein Hausnachbar vertraut, auch tatsächlich mit für diesen bestimmten Sendungen gewissenhaft verfährt. Auch der Wortlaut des § 180 Satz 1 ZPO fordert nicht, dass der Briefkasten oder die ähnliche Vorrichtung allein zur Wohnung oder zu den Geschäftsräumen des Empfängers gehört (OLG Frankfurt am Main aaO).
(2) Die vorstehenden Erwägungen gelten nicht nur für die Nutzung eines gemeinschaftlichen geschlossenen Briefkastens, sondern auch für einen Briefschlitz in einem Mehrparteienhaus, sofern die dargelegten engen Voraussetzungen erfüllt sind. Dieser stellt dann eine "ähnliche Vorrichtung" im Sinne des § 180 Satz 1 ZPO dar. Der Revision ist einzuräumen, dass das Risiko des Verlustes von Sendungen erhöht ist, wenn die Post nicht in ein geschlossenes Behältnis fällt, sondern auf den Boden des Hausflurs. Hierdurch unterliegen die eingeworfenen Briefe, solange die Nutzer des Hauses sie noch nicht an sich genommen haben, nicht nur deren Zugriff, sondern auch dem Dritter, die Einlass in das Gebäude erhalten. Dieses Risiko besteht jedoch nicht nur bei einem Mehrparteienhaus. Vielmehr haben auch Besucher eines Einfamilienhauses die Möglichkeit, Postsendungen im Hausflur oder Windfang an sich zu nehmen, wenn diese in einen ohne eine geschlossene Auffangvorrichtung versehenen Briefschlitz in der Außentür eingeworfen werden. Aus der Regierungsbegründung des Entwurfs des Zustellungsreformgesetzes (BR-Drucks. 492/00 S. 46) zu § 180 ZPO ergibt sich aber, dass ein solcher Briefschlitz jedenfalls in einem Einfamilienhaus eine für die Ersatzzustellung geeignete "ähnliche Vorrichtung" darstellt. Hieraus folgt, dass das Risiko des Zugriffs Dritter auf die eingeworfene Post nicht per se zum Fehlen der Eignung eines Briefschlitzes für die Ersatzzustellung führt. Befindet sich ein solcher Briefeinwurf in einem Mehrparteienhaus, hat zwar im Allgemeinen eine erhöhte Anzahl Dritter die Möglichkeit, auf Post zuzugreifen, die von den Nutzern noch nicht in die Wohnung oder das Geschäftslokal hereingeholt wurde. Ein gegenüber einem Einfamilienhaus andersartiges Risiko besteht hingegen nicht. Nutzt der Zustellungsadressat einen gemeinschaftlichen Briefeinwurf ungeachtet der potentiell erhöhten Gefahr, dass sich Besucher seiner Post bemächtigen, bringt er damit ebenfalls zum Ausdruck, dass er seinen Mitnutzern und deren Kontaktpersonen, denen sie Zutritt zum Haus gewähren, hinreichendes Vertrauen entgegen bringt. Solange es sich um ein Gebäude mit wenigen Parteien handelt, bleibt auch dies noch im Rahmen einer sicheren Aufbewahrung im Sinne des § 180 Satz 1 ZPO. Dies trifft jedoch nicht mehr zu, wenn - was in der Streitsache nicht der Fall ist - in den im Hause befindlichen Geschäftsräumen ein reger Publikumsverkehr herrscht.
Nichts anderes gilt für die Gefahren, dass die hinter der Außentür auf dem Boden liegenden Postsendungen durch Wind, Verschieben beim Öffnen und Schließen der Tür oder vergleichbare Ereignisse verlustig gehen oder unauffindbar werden, und das von der Revision angeführte - aber ohnehin wohl nur theoretische und daher vernachlässigbare - Risiko, dass ein Brief unbemerkt an den Schuhen einer Person haftet und nach draußen fort getragen wird. Diese Gefahren bestehen dem Grunde nach auch bei Einfamilienhäusern, in denen die Post durch einen bloßen Briefschlitz eingeworfen wird, ohne dass dieser als eine für eine Zustellung nach § 180 Satz 1 ZPO ungeeignete Vorrichtung anzusehen ist. Die Risiken sind bei einem kleinen Mehrparteienhaus lediglich in quantitativer Hinsicht höher, was dem Adressaten, der sich gleichwohl eines gemeinsamen Briefeinwurfs bedient, aus den vorstehenden Gründen im Rahmen des § 180 Satz 1 ZPO zuzurechnen ist.
Schließlich widerspricht auch die Regierungsbegründung zu § 180 ZPO dieser Würdigung nicht. Zwar ist darin als "ähnliche Vorrichtung" nur der Briefschlitz eines Einfamilienhauses genannt (BR-Drucks. 492/00 S. 46). Jedoch handelt es sich hierbei, wie sich aus der Verwendung des Wortes "insbesondere" ergibt, lediglich um ein Beispiel für eine einem Briefkasten gleichzustellende Einrichtung zum Empfang von Post.
3. Da die Sache noch nicht zur Endentscheidung reif ist, weil noch weitere Feststellungen notwendig sind, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1, 3 ZPO).
Schlick Herrmann Hucke
Seiters Tombrink