Entscheidungsdatum: 21.06.2012
Zu Ansprüchen des Reinigungsunternehmens aus Geschäftsführung ohne Auftrag gegen den Verursacher einer Straßenverschmutzung, wenn das Unternehmen von der Gemeinde mit der Reinigung der Straße beauftragt worden ist.
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 19. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung von Kosten für die Entfernung einer von einem Omnibus der Beklagten am 11. Mai 2010 auf der W. Straße (L 3093) im Bereich der Ortsdurchfahrt L. /Hessen verursachten Kühlflüssigkeitsspur.
Die Stadt L. erteilte der Klägerin am 11. Mai 2010 einen Auftrag zur "Verkehrsflächenreinigung im maschinellen Nassreinigungsverfahren inkl. Nebenarbeiten". Der Text des von dem Vertreter der Stadt unterzeichneten Formulars der Klägerin war auf eine Auftragserteilung durch den Verursacher der Verschmutzung zugeschnitten. So heißt es in den über der Unterschriftsleiste befindlichen Passagen:
"Der Unterzeichnete erklärt hiermit, als Halter und/oder Fahrer ..., dass er die näher bezeichnete Verunreinigung verursacht hat. In Kenntnis dieser Tatsache hat er die ausführende Firma mit der Beseitigung der Verunreinigung beauftragt.
Als Auftraggeber bestätigt er ausdrücklich vor Leistung seiner Unterschrift, ausführlich darüber aufgeklärt worden zu sein, dass die Übernahme der Kosten durch den Haftpflichtversicherer zu einer Höherstufung des Versicherungsbeitrags führen kann. Gleichzeitig ist er darüber aufgeklärt worden, dass er neben seinem Haftpflichtversicherer persönlich verpflichtet ist, die Kosten der Reinigung zu tragen.
Datum:
Unterschrift Berechtigter/Fahrer/Halter."
Am 9. August 2010 trat die Stadt L. ihre aus dem Schadensfall vom 11. Mai 2010 resultierenden Schadensersatzansprüche gegen den Fahrer, den Halter und den Haftpflichtversicherer des unfallbeteiligten Fahrzeugs in Höhe der entstandenen Reinigungskosten an die Klägerin ab.
Mit Schreiben vom 10. August 2010 stellte die Klägerin der Beklagten für die ausgeführten Arbeiten einen Betrag in Höhe von 1.446,09 € in Rechnung, der von der Beklagten nicht beglichen wurde.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, eine Gemeinde könnte bei Verletzung ihres Eigentums an der Straße grundsätzlich Schadensersatz nach zivilrechtlichen Vorschriften verlangen. Zudem stehe ihr ein eigener Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag zu, da im vorliegenden Fall zwischen der Stadt L. und ihr keine Regelung über die Entgeltfrage getroffen worden sei.
Das Amtsgericht hat die auf Zahlung von 1.446,09 € und Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten gerichtete Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter.
Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat Ansprüche der Klägerin sowohl aus eigenem als auch aus abgetretenem Recht verneint.
Ein etwaiger öffentlich-rechtlicher Anspruch der Stadt L. gemäß § 15 Abs. 1 des Hessischen Straßengesetzes (HStrG), wonach eine Gemeinde (unter anderem) die Verunreinigung von Ortsdurchfahrten auf Kosten des Verursachers beseitigen oder beseitigen lassen könne, sei jedenfalls nicht wirksam an die Klägerin abgetreten worden. Ein privatrechtlicher Schadensersatzanspruch gemäß § 7 Abs. 1 StVG, § 823 Abs. 1 BGB stehe der Stadt L. nicht zu, da sie nicht Eigentümerin der verschmutzten Straße sei.
Die Klägerin habe gegen die Beklagte auch keine Ansprüche aus eigenem Recht aus Geschäftsführung ohne Auftrag. Denn sie habe ohne den notwendigen Fremdgeschäftsführungswillen gehandelt. Da die Klägerin aufgrund des mit der Stadt L. geschlossenen Vertrages tätig geworden sei, spiele es keine Rolle, dass es sich bei der Reinigung der Straße sowohl um ein objektiv eigenes als auch um ein objektiv fremdes Geschäft gehandelt habe. Die Grundsätze des sogenannten auch-fremden Geschäfts seien nicht anwendbar, wenn - wie vorliegend - Rechte und Pflichten und insbesondere die Entgeltfrage in einem mit einem Dritten geschlossenen Vertrag umfassend geregelt seien. Dem Auftragsformular vom 11. Mai 2010 sei zu entnehmen, dass die Reinigung der Straße gegen Zahlung einer Vergütung erfolgen solle. Soweit das Formular auf eine Beauftragung durch den Halter bzw. Fahrer des die Verunreinigung verursachenden Fahrzeugs zugeschnitten sei, ergebe sich bei interessengerechter Vertragsauslegung nichts anderes. Es sei ohne Belang, dass die vertragliche Vereinbarung keine ausdrückliche Regelung über die Höhe der von der Stadt L. an die Klägerin zu zahlenden Vergütung enthalte. Insofern sei ausreichend, dass die geschuldete Leistung überhaupt vergolten werden sollte.
II.
Dies hält der rechtlichen Überprüfung stand.
1. Soweit das Berufungsgericht Ansprüche der Klägerin aus abgetretenem Recht der Stadt L. verneint hat, wird dies von der Revision hingenommen.
2. Das Berufungsgericht hat zutreffend eigene Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte aus Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 677, 683, 670 BGB verneint.
a) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 HStrG hat derjenige, der eine Straße über das übliche Maß hinaus verunreinigt, die Verunreinigung ohne Aufforderung unverzüglich zu beseitigen. Aufgrund dieser neben der polizeilichen Reinigungspflicht der Gemeinde (§ 10 HStrG) bestehenden gesetzlichen Reinigungspflicht des Verursachers hat die Klägerin mit der Beseitigung der Verunreinigung (auch) ein Geschäft der Beklagten ausgeführt.
b) Beruht die Verpflichtung des Geschäftsführers indes auf einem wirksam geschlossenen Vertrag, der die Rechte und Pflichten des Geschäftsführers und insbesondere die Entgeltfrage umfassend regelt, kann ein Dritter, dem das Geschäft auch zu Gute kommt, nicht auf Aufwendungsersatz wegen einer Geschäftsführung ohne Auftrag in Anspruch genommen werden (BGH, Urteile vom 21. Oktober 2003 - X ZR 66/01, NJW-RR 2004, 81, 83 mwN und vom 28. Juni 2011 - VI ZR 184/10, NVwZ-RR 2011, 925, 926 Rn. 9; Staudinger/Bergmann [2006], BGB, Vorbem zu §§ 677 ff, Rn. 324). Den Rückgriff auf Aufwendungsersatzansprüche verwehrt in diesem Fall der aus der Parteiautonomie folgende Vorrang der vertraglichen Rechte gegenüber dem Ausgleich der aus der erbrachten Leistung resultierenden Vorteile Dritter, die außerhalb des Vertrags stehen (BGH, Urteil vom 21. Oktober 2003 aaO).
c) Die Würdigung des Berufungsgerichts, die Beauftragung der Klägerin durch die Stadt L. sei als eine in diesem Sinne umfassende Regelung zu verstehen, hält den Angriffen der Revision stand. Das Revisionsgericht überprüft die Auslegung von Individualvereinbarungen durch den Tatrichter nur daraufhin, ob Verstöße gegen gesetzliche Auslegungsregeln, Verfahrensvorschriften oder anerkannte Denkgesetze und Erfahrungssätze vorliegen und sich der Tatrichter mit dem Verfahrensstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurteil vom 13. Januar 2011 - III ZR 87/10, BGHZ 188, 71 Rn. 14).
Diesbezügliche Fehler der vom Berufungsgericht vorgenommenen Auslegung des zwischen der Stadt L. und der Klägerin geschlossenen Vertrags sind nicht erkennbar.
Vorliegend ist zwar der Revision einzuräumen, dass die über der Unterschriftsleiste befindliche Textpassage des Auftragsformulars ihrem Wortlaut nach lediglich eine Erklärung des Halters und/oder des Fahrers des die Verunreinigung verursachenden Fahrzeugs dahingehend beinhaltet, dass er (neben seinem Haftpflichtversicherer) persönlich verpflichtet sei, die Kosten der Reinigung zu tragen. Da aber der Vertreter der Stadt L. gleichwohl über der Leiste "Unterschrift Berechtigter / Fahrer / Halter" und unter den zuvor bezeichneten beiden Textpassagen das Auftragsformular unterschrieben hat, bestehen unter Zugrundelegung des revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs keine Bedenken gegen eine Auslegung der Willenserklärung der Stadt L. dahingehend, sie wolle die Klausel, aus der sich eine Kostenpflichtigkeit des unterzeichnenden Auftraggebers ergibt, auch gegen sich gelten lassen. Es mag sein, dass das Interesse der Stadt grundsätzlich darauf gerichtet war, nicht selbst mit den Kosten der Reinigungsmaßnahme belastet zu werden. Wer einen Auftrag zur Reinigung einer Straße erteilt, kann jedoch nicht erwarten, dass der Auftragnehmer ihm gegenüber unentgeltlich tätig wird und bereit ist, sich wegen der Vergütung ausschließlich an den - möglicherweise unbekannten oder seine Verantwortlichkeit bestreitenden beziehungsweise seine Zahlungspflicht in Abrede stellenden - Verursacher zu halten. Umstände, warum die Klägerin als Auftragnehmerin im Falle eines "kommunalen" Auftrags, anders als bei der Beauftragung durch den Verursacher oder Fahrzeughalter, bereit gewesen sein sollte, auf eine vertragliche Regelung der Kostenpflichtigkeit der beauftragten Maßnahmen zu verzichten, sind weder festgestellt noch vorgetragen. In beiden Konstellationen hat die Klägerin als Auftragnehmerin vielmehr ein erhebliches Interesse an einer unmittelbaren Regelung bereits im Rahmen der Auftragserteilung. Dem Interesse der Stadt, jedenfalls im Ergebnis nicht selbst mit den Kosten der Reinigung belastet zu werden, wird in diesem Rahmen hinreichend durch § 15 Abs. 1 HStrG Rechnung getragen, aufgrund dessen die Stadt von dem Verursacher die Erstattung der ihr entstandenen Kosten verlangen kann.
Entgegen der Auffassung der Revision erfordert eine die Anwendung der Bestimmungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag ausschließende "umfassende" Regelung der Rechte und Pflichten des Geschäftsführers und insbesondere der Entgeltfrage in einem zwischen dem Geschäftsführer und einem Dritten wirksam geschlossenen Vertrag nicht, dass sämtliche Details der Entgeltfrage einschließlich der exakten Höhe des Entgelts in dem Vertrag geregelt werden. Ausreichend ist vielmehr, dass in dem Vertrag, in dessen Rahmen die betreffende Leistung geschuldet ist, die Entgeltlichkeit überhaupt und im Sinne einer umfassenden Vergütungspflicht des Auftraggebers vereinbart ist (vgl. Wendlandt, NJW 2004, 985, 987). Dann nämlich erfolgt die Tätigkeit des Auftragnehmers ausschließlich auf der Grundlage der vertraglichen Regelung, so dass für einen Rückgriff auf die Bestimmungen der Geschäftsführung ohne Auftrag kein Raum bleibt. Das Fehlen besonderer Abreden über die konkrete Bemessung der geschuldeten Vergütung ist dagegen im Hinblick auf § 632 Abs. 2 BGB unschädlich.
3. Da vorliegend eine dem Rückgriff auf die §§ 677 ff BGB entgegenstehende umfassende vertragliche Regelung vorliegt, braucht nicht geklärt zu werden, ob bei der vorliegenden Fallgestaltung der Klägerin ein eigener Aufwendungsersatzanspruch gegen die Beklagte auch deshalb zu versagen ist, weil ansonsten sich - (auch) dem Schutz des Bürgers dienende - aus dem öffentlichen Recht ergebende Beschränkungen ausgehebelt würden.
a) Wenn eine (hessische) Gemeinde übermäßige Straßenverunreinigungen selbst beseitigt oder durch ein von ihr beauftragtes gewerbliches Reinigungsunternehmen beseitigen lässt, so kann sie nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 HStrG vom Verursacher der Verunreinigung Erstattung der ihr entstandenen (Werklohn-)Kosten verlangen. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist aber ein - grundsätzlich auch im Verhältnis zwischen (hoheitlich handelnden) Verwaltungsträgern und Privatpersonen möglicher - Rückgriff auf den Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 683, 670 BGB dann ausgeschlossen, wenn vorrangige einschlägige Regelungen über die Erstattung von Kosten und Auslagen für die betreffenden Maßnahmen bestehen (vgl. Urteile vom 13. November 2003 - III ZR 70/03, BGHZ 156, 394, 397 ff m.zahlr.w.N.; vom 19. Juli 2007 - III ZR 20/07, NVwZ 2008, 349 Rn. 8 f; Staudinger/Bergmann, aaO, Vorbem zu §§ 677 ff Rn. 283). § 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 HStrG, der der Gemeinde einen öffentlich-rechtlichen, durch Leistungsbescheid oder Leistungsklage geltend zu machenden Erstattungsanspruch zubilligt (vgl. Neumeyer, HStrG [2011], § 15 S. 6), enthält eine solche abschließende Sonderregelung, die keinen Raum für zivilrechtliche Ansprüche aus §§ 677, 683, 670 BGB der die Verunreinigung beseitigenden Körperschaft des öffentlichen Rechts lässt (vgl. OLG Koblenz, GewArch 1978, 351, 352 zu § 40 LStrG RP a.F.; Schneider, MDR 1989, 193, 197 zu § 7 Abs. 3 FStrG und den Straßengesetzen der Länder; ähnlich auch Edhofer/Willmitzer, BayStrWG, 12. Aufl., Art. 16 Erl. 2.3).
b) Angesichts dieses der Bestimmung des § 15 HStrG zugrunde liegenden Regelungskonzepts begegnete es erheblichen Bedenken, wenn eine Gemeinde den vorgewiesenen Weg über § 15 HStrG (bewusst und zielgerichtet) dadurch vermeiden könnte, dass sie die Reinigungsarbeiten mit der Maßgabe durchführen lässt, das von ihr eingeschaltete Reinigungsunternehmen möge sich wegen des Entgelts unmittelbar mit dem Verursacher auseinandersetzen. Es dürfte daher, um eine Umgehung der der Gemeinde auferlegten öffentlich-rechtlichen Bindungen zu verhindern, nahe liegen, einer derartigen Abrede - die letztlich auf die Erteilung eines Auftrags hinaus liefe, für einen anderen als Geschäftsführer ohne Auftrag tätig zu werden - den angestrebten rechtlichen Erfolg ("Zuweisung" eines Aufwendungsersatzanspruchs nach §§ 683, 670 BGB) zu versagen (in diesem Sinne auch Urteile des LG Baden-Baden vom 24. Juli 2009 - 2 O 121/09, juris Rn. 25 und des LG Bielefeld vom 23. Oktober 2009 - 1 O 486/08, juris Rn. 18; a.A. OLG Frankfurt am Main, Hinweisbeschluss vom 3. November 2009 - 16 U 225/08, n.v.).
Schlick Wöstmann Hucke
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