Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 13.09.2012


BGH 13.09.2012 - III ZR 249/11

Schadensersatzanspruch wegen der Vollziehung von - unrichtigen - Steuerbescheiden nach Steuerarrest in ein Wertpapierdepot


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
3. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
13.09.2012
Aktenzeichen:
III ZR 249/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OLG München, 20. Oktober 2011, Az: 1 U 2268/11, Urteilvorgehend LG München I, 4. Mai 2011, Az: 15 O 2549/10
Zitierte Gesetze

Leitsätze

1. Durch die Vollziehung von (unrichtigen) Steuerbescheiden entstandene Schäden sind nicht nach § 945 ZPO zu ersetzen (im Anschluss an Senatsurteil vom 31. Januar 1963, III ZR 138/61, BGHZ 39, 77).

2. Dies gilt auch dann, wenn dem Erlass der Steuerbescheide ein Arrestverfahren vorausgegangen ist, das zur Pfändung einer Forderung geführt hat. Denn mit Erlass der Steuerbescheide ist das Arrestverfahren in das normale Vollstreckungsverfahren übergeleitet und als solches fortgesetzt worden mit der Folge, dass das Arrestpfandrecht sich in ein (rangwahrendes) Pfändungspfandrecht umgewandelt hat (im Anschluss an BFH, 7. Juli 1987, VII R 167/84, NV 1987, 702; BFH, 30. September 2000, VII B 33/00, BFH NV 2001, 458).

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 20. Oktober 2011 - 1 U 2268/11 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO) zu tragen.

Streitwert: 883.000 €

Gründe

1

Die Beschwerde des Klägers ist nicht begründet, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

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1. Der Kläger verlangt von dem beklagten Land Ersatz des Schadens (Kursverluste ab dem Jahr 2001), der ihm dadurch entstanden sein soll, dass sich die Finanzverwaltung im Sommer 2001 weigerte, der Übertragung eines - von ihr im Wege des Steuerarrestes gepfändeten - Wertpapierdepots des Klägers bei der H.                AG auf ein "aktiv gemanagtes" Depot bei einer Schweizer Bank zuzustimmen. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Dabei haben sie insbesondere einen - von der Beschwerde in den Vordergrund gestellten - Schadensersatzanspruch aus § 945 ZPO (analog) verneint.

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a) Zu Unrecht rügt die Beschwerde, das Berufungsgericht habe übersehen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs § 945 ZPO auch auf Fälle des Steuerarrestes anzuwenden ist. Die von der Beschwerde zitierte (ältere) Rechtsprechung bezieht sich noch auf § 378 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung, der auf die §§ 930 ff ZPO verwies (s. Senatsurteil vom 25. Mai 1959 - III ZR 39/58, BGHZ 30, 123, 128 ff unter Aufgabe der entgegenstehenden Rechtsprechung des Reichsgerichts, vgl. RGZ 108, 253, sowie BGH, Urteil vom 26. November 1974 - VI ZR 124/72, BGHZ 63, 277 f). Ob an dieser Rechtsprechung auch nach Inkrafttreten der Abgabenordnung 1977, die in § 324 Abs. 3 Satz 4 lediglich die §§ 930 bis 932 ZPO für entsprechend anwendbar erklärt, festzuhalten ist, hat der Senat bisher offen gelassen (vgl. Beschluss vom 18. Dezember 1986 - III ZR 168/86, BGHR ZPO § 945 Steuerarrest 1; Urteil vom 3. Oktober 1985 - III ZR 168/86, VersR 1986, 289, 292). Der Gesetzgeber ist allerdings mit Einführung der Abgabenordnung ersichtlich von einer Anwendbarkeit ausgegangen. Denn er hat von einer ausdrücklichen Bezugnahme (auch) auf § 945 ZPO zum einen mit der Begründung Abstand genommen, die entsprechende Anwendung dieser Bestimmung durch die Rechtsprechung sei gesichert, so dass eine Rechtsunsicherheit nicht zu befürchten sei. Zum anderen hat er auf die anstehende umfassende Reform des Staatshaftungsrechts hingewiesen und es für nicht angezeigt gehalten, der Arbeit der von der Bundesregierung Anfang 1970 eingesetzten Staatshaftungsrechtskommission vorzugreifen (BT-Drucks. VI/1982 S. 184 zu §§ 307 bis 309 AO-E).

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b) Die Frage der analogen Anwendung des § 945 ZPO bedarf freilich auch im Streitfall keiner abschließenden Beantwortung. Denn das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass Vollstreckungsmaßnahmen auf der Grundlage der Arrestanordnung den behaupteten Schaden nicht herbeigeführt haben und schon deshalb ein Schadensersatzanspruch nach dieser Vorschrift nicht gegeben ist.

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aa) Vorliegend ergingen zwar aufgrund der Arrestanordnungen der Finanzverwaltung vom 15. Februar 1999 beziehungsweise 30. Mai 2000 (auch) das Wertpapierdepot erfassende Pfändungsverfügungen gegen die H.           AG als Drittschuldnerin. Aber noch vor der Verweigerung der Zustimmung durch die Finanzverwaltung und erst recht noch vor Entstehen der vom Kläger als Schaden geltend gemachten Kursverluste sind im Juni und August 2000 Steuerbescheide ergangen, die auch die durch die Arrestanordnung und Pfändungsverfügung gesicherten Steuerforderungen für das Jahr 1994 betrafen.

6

Durch diese Steuerbescheide ist das Arrestverfahren in das normale Vollstreckungsverfahren übergeleitet und als solches fortgeführt worden. Das Arrestpfandrecht wandelte sich in ein - den Rang wahrendes - Pfändungspfand-

recht um, ohne dass es einer erneuten Pfändung und einer Aufhebung der Arrestanordnung bedurfte (vgl. ausführlich BFH, NV 1987, 702 f, NV 2001, 458, 459; ebenso Bittner, in Pump/Fittkau, AO, Stand März 2009, § 324 Rn. 62 ff.).

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bb) Da mithin vorliegend die Rechtslage nicht anders zu beurteilen ist, als wenn die Pfändung des Wertpapierdepots erst beziehungsweise nur aufgrund der Steuerbescheide ausgesprochen worden wäre, es also am Zurechnungszusammenhang zwischen der vorausgegangenen (erledigten) Arrestpfändung und dem geltend gemachten Schaden fehlt, hat das Berufungsgericht zutreffend § 945 ZPO für nicht einschlägig erachtet.

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Auf kraft Gesetzes (vgl. §§ 251, 361 AO, § 69 FGO) sofort vollziehbare Steuerbescheide, deren Wirksamkeit durch die Einlegung eines Rechtsmittels nicht gehemmt wird, sind weder § 717 Abs. 2 ZPO noch § 945 ZPO anwendbar (vgl. Senatsurteile vom 31. Januar 1963 - III ZR 138/61, BGHZ 39, 77, 79 f und vom 11. März 1982 - III ZR 174/80, BGHZ 83, 190, 196 f). Diesen Bestimmungen liegt der allgemeine Rechtsgedanke zugrunde, dass der Gläubiger aus einem nur vorläufigen Titel auf eigenes Risiko vollstreckt und die Folgen zu tragen hat, falls der Titel letztlich keinen Bestand hat. Die Vollziehbarkeit eines Steuerbescheids beruht demgegenüber auf dem Vorrang des Allgemeininteresses vor dem Einzelinteresse und lässt einen Vergleich mit vorläufig vollstreckbaren Titeln aus dem Bereich des Zivilprozesses nicht zu (Senatsurteile vom 11. März 1982, aaO; vom 31. Januar 1963, aaO sowie Urteil vom 16. November 2000 - III ZR 1/00, NJW 2001, 1067, 1068).

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2. Auch im Übrigen enthält die angefochtene Entscheidung keine zulassungsrelevanten Rechtsfehler. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

Schlick                                               Herrmann                                               Hucke

                           Tombrink                                               Remmert