Entscheidungsdatum: 18.11.2010
Zur Abgrenzung der Krankenhausbehandlung von der medizinischen Rehabilitation für Neurologiepatienten, die nach den Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation der Phase B zuzuordnen sind .
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 23. Juli 2009 aufgehoben und das Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 19. Dezember 2007 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche wegen der Ablehnung eines Antrags auf Abschluss eines Versorgungsvertrags im Sinne des § 111 SGB V, der zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen gemeinsam mit der Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung zu schließen ist.
Die Klägerin betreibt in F. eine medizinische Rehabilitationsklinik. Sie gehört zur B. Gruppe, die weitere Kliniken in Bayern und Sachsen unterhält. Die Beklagte ist die Allgemeine Ortskrankenkasse Bayern; sie ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassenverbände in Bayern (im Folgenden: Arbeitsgemeinschaft).
Zwischen der Klägerin und den der Arbeitsgemeinschaft angehörenden Krankenkassenverbänden bestanden seit 1999 ein Versorgungsvertrag für die Zulassung der Rehabilitation Neurologie Phase C und D und eine hierauf bezogene Vergütungsvereinbarung. Das Phasenmodell zur neurologischen Rehabilitation wurde von der Arbeitsgruppe "Neurologische Rehabilitation" des Verbands Deutscher Rentenversicherungsträger erarbeitet (vgl. DRV 1994, 111, 120 ff) und 1995 - unter Beteiligung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung und Beratung durch ärztliche Sachverständige - zur Grundlage von Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (im Folgenden: BAR) gemacht. Die BAR ist die gemeinsame Repräsentanz aller Verbände der gesetzlichen Krankenversicherung, Unfallversicherung, Rentenversicherung, Kriegsopferfürsorge und Sozialhilfe, der Bundesanstalt für Arbeit, sämtlicher Bundesländer, des Deutschen Gewerkschaftsbundes, der Deutschen Angestelltengewerkschaft, der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände sowie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zu dem Zweck, die Maßnahmen der medizinischen, schulischen, beruflichen und sozialen Rehabilitation zu koordinieren und zu fördern. Nach diesem Modell werden, soweit hier von Interesse, die Phasen A bis D wie folgt abgegrenzt:
Phase A: |
Akutbehandlungsphase |
Phase B: |
Behandlungs-/Rehabilitationsphase, in der noch intensivmedizinische Behandlungsmöglichkeiten vorgehalten werden müssen |
Phase C: |
Behandlungs-/Rehabilitationsphase, in der die Patienten bereits in der Therapie mitarbeiten können, sie aber noch kurativmedizinisch und mit hohem pflegerischen Aufwand betreut werden müssen |
Phase D: |
Rehabilitationsphase nach Abschluss der Frühmobilisation (Medizinische Rehabilitation im bisherigen Sinne) |
Die Klägerin stellte am 28. Mai 2003 bei der Arbeitsgemeinschaft den Antrag, für 20 Betten der Phase B - im Austausch zu den bereits genehmigten Betten der Phase C - einen Versorgungsvertrag abzuschließen. Die Arbeitsgemeinschaft vertrat in Schreiben vom 29. Juli 2003 und 16. Januar 2004 die Auffassung, dem Antrag könne nicht entsprochen werden, weil die Phase B der Behandlung im Krankenhaus zuzuordnen sei und dieser Bereich der Landesplanung unterliege. Nach weiterem Schriftwechsel lehnte die Klägerin mit Schreiben vom 14. Oktober 2004 den Vorschlag der Arbeitsgemeinschaft ab, den Antrag auf Abschluss eines Versorgungsvertrags in einen solchen mit einem Krankenhaus im Sinne des § 108 Nr. 3, § 109 SGB V umzudeuten.
Ende November 2004 teilte die Klägerin der Beklagten mit, sie werde ihre neurologische Abteilung aus wirtschaftlichen Gründen schließen. Mit Bescheid vom 23. Dezember 2004 lehnte die Arbeitsgemeinschaft den Abschluss eines Versorgungsvertrags nach § 111 SGB V mit der Begründung ab, die neurologische Frührehabilitation (Phase B) sei der Krankenhausbehandlung zuzuordnen. Der Widerspruch der Klägerin vom 26. Januar 2005 wurde durch Bescheid der Arbeitsgemeinschaft vom 20. Juni 2005 zurückgewiesen. Ihre zum Sozialgericht eingereichte Klage nahm die Klägerin mit Schriftsatz vom 30. Mai 2006 zurück.
Die Klägerin steht auf dem Standpunkt, bei Neurologiepatienten der Phase B stehe die Rehabilitationsbehandlung, die in Rehabilitationseinrichtungen zu erbringen sei, im Vordergrund; mit ihr hätte deshalb ein entsprechender Versorgungsvertrag geschlossen werden müssen. Sie begehrt im anhängigen Verfahren Schadensersatz in Höhe eines Teilbetrags von 1.355.451,80 € nebst Zinsen, weil sie im Fall der Zulassung für die Phase B für die Monate September bis Dezember 2003 durchschnittlich täglich 30 Betten, für das Jahr 2004 täglich 120 Betten und für die Jahre 2005 und 2006 täglich 200 Betten hätte belegen können. Das Landgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Die Revision der Beklagten ist begründet.
I.
Das Berufungsgericht versteht den Antrag der Klägerin dahin, dass sie zur Behandlung aller Patienten der Phase B entsprechend den BAR-Empfehlungen in einer Einrichtung nach § 111 SGB V habe zugelassen werden wollen. Die Beklagte hafte als Mitglied der Arbeitsgemeinschaft nach den Grundsätzen des Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen für die Entscheidung, diesen Antrag insgesamt abgelehnt zu haben. Der Klägerin hätte die Zulassung zur Behandlung von solchen Patienten der Phase B entsprechend dem neurologischen BAR-Phasenmodell erteilt werden müssen, die nicht mehr krankenhausbehandlungsbedürftig im Sinne von § 39 SGB V seien. Ob ein Patient Krankenhaus- oder Rehabilitationspatient sei, richte sich nach den Bestimmungen der §§ 39, 40 SGB V und unterliege insoweit weder einem landesplanerischen Ermessen noch dem bestimmenden Einfluss einer geübten Verwaltungspraxis. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei die Abgrenzung zwischen vollstationärer Krankenhausbehandlung und medizinischer Rehabilitation, die beide auf die Behandlung von Krankheiten und die Beseitigung ihrer Folgen beim Betroffenen gerichtet seien, im Wesentlichen nach der Art der Einrichtung, den Behandlungsmethoden und dem Hauptziel der Behandlung zu treffen, die sich auch in der Organisation der Einrichtung widerspiegelten. Mit Blick auf die Beschreibung von Krankenhäusern und Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen in § 107 Abs. 1 und 2 SGB V ist das Berufungsgericht der Auffassung, die Phase B nach den BAR-Empfehlungen sei nicht mit Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit gleichzusetzen. Dafür spreche auch die unterschiedliche Zuweisungspraxis von Patienten der Phase B. In den Bundesländern Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern würden die Phase B-Patienten - abweichend von der Praxis der übrigen Bundesländer - sowohl Krankenhäusern als auch Rehabilitationseinrichtungen zugeordnet. Berücksichtige man weiter, dass in der Phase B nach den Empfehlungen neben kurativmedizinischen Maßnahmen umfangreiche Rehabilitationsmaßnahmen bei einer Therapiedichte von mehreren Stunden am Tag über Zeiträume von in der Regel bis zu sechs Monaten zu erbringen seien, bestünden erhebliche Bedenken, die Phase B stets mit einer Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit gleichzusetzen.
Die Beklagte habe die Pflichtverletzung auch zu vertreten, da ihr der Entlastungsbeweis (§ 280 Abs. 1 BGB) nicht gelungen sei. Ihr hätten der Streitstand und die unterschiedliche Verwaltungspraxis sowie die bundesgesetzlichen Grundlagen der Abgrenzung einer Krankenhausbehandlung von einer Rehabilitationsbehandlung bekannt sein müssen. Sie hätte sich damit umfassend auseinandersetzen und bei pflichtgemäßer und ergebnisoffener Prüfung zu dem Ergebnis kommen müssen, dass zumindest in Einzelfällen Patienten der Phase B nicht krankenhausbehandlungsbedürftig seien oder sein müssten.
II.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.
1. Zutreffend ist der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft, die den Abschluss eines Versorgungsvertrags nach § 111 SGB V nur gemeinsam durchführen können, für (vor-)vertragliche Pflichtverletzungen als Gesamtschuldner nach den §§ 421, 427 BGB haften. Daneben kommt wegen des Fehlverhaltens eines Bediensteten der als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisierten Beklagten eine deliktische Haftung nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 24. Juni 2004 - III ZR 215/03, NVwZ-RR 2004, 804, 806).
An einer solchen Prüfung sind die Zivilgerichte nicht deshalb gehindert, weil die Klägerin ihre Klage vor dem Sozialgericht zurückgenommen hat und der Widerspruchsbescheid der Arbeitsgemeinschaft bestandskräftig geworden ist. Für den Fall der Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen wegen des pflichtwidrigen Erlasses eines Verwaltungsakts entspricht es ständiger Rechtsprechung des Senats, dass die Zivilgerichte die Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsakts ohne Rücksicht auf seine Rechtswirksamkeit zu prüfen haben (vgl. Senatsurteile vom 15. November 1990 - III ZR 302/89, BGHZ 113, 17, 18 ff; vom 13. Oktober 1994 - III ZR 24/94, BGHZ 123, 223, 225; vom 12. Dezember 2002 - III ZR 182/01, DVBl 2003, 460, 461). Diesen Grundsatz hat der Senat nicht auf Amtshaftungsansprüche beschränkt, sondern auch bei Entschädigungsansprüchen angewandt (vgl. Senatsurteil vom 26. Januar 1984 - III ZR 216/82, BGHZ 90, 17, 23; Senatsbeschluss vom 25. November 1991 - III ZR 7/91, NVwZ 1992, 404, 405). Für eine entsprechende Prüfung im Rahmen von Schadensersatzansprüchen wegen Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen gilt nichts anderes.
Im Übrigen hat die Klägerin auf Ersatzansprüche nach § 839 BGB nicht dadurch - wie die Revision meint - bewusst verzichtet, dass sie ihre Klage vor dem Sozialgericht zurückgenommen hat. Denn dem Verfahren auf Primärrechtsschutz kam keine Bedeutung mehr zu; die dort mögliche Feststellung der Rechtswidrigkeit des den Abschluss eines Versorgungsvertrags ablehnenden Verwaltungsakts wäre keine Maßnahme gewesen, mit der der Eintritt eines Schadens nach § 839 Abs. 3 BGB verhindert worden wäre.
2. Für die Frage, ob die Arbeitsgemeinschaft den Abschluss eines Versorgungsvertrags für Neurologiepatienten der Phase B ablehnen durfte, kommt es entscheidend darauf an, ob die nach dem Phasenmodell beschriebenen Patienten krankenhausbehandlungsbedürftig sind. Denn dann dürfen die Krankenkassen eine Krankenhausbehandlung nur durch zugelassene Krankenhäuser erbringen lassen (§ 108 SGB V), zu denen auch Krankenhäuser gehören, mit deren Träger ein Versorgungsvertrag nach § 109 SGB V geschlossen worden ist. Den Abschluss eines solchen Versorgungsvertrags hat die Klägerin aber nicht angestrebt.
a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Frage, ob ein Patient der Behandlung in einem Krankenhaus (§§ 39, 107 Abs. 1 SGB V) oder in einer Rehabilitationseinrichtung (§§ 40, 107 Abs. 2 SGB V) bedarf, Gegenstand bundesrechtlicher Normen ist, für deren Beurteilung nicht darauf abzustellen ist, wie die einzelnen Phasen der neurologischen Rehabilitation nach der jeweiligen krankenhausplanerischen Kompetenz der Länder zugeordnet werden oder wie die BAR-Empfehlungen in dem jeweiligen Bundesland durch die an der Krankenhausplanung beteiligten Verkehrskreise verstanden werden.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist die Abgrenzung der Krankenhausbehandlung von der medizinischen Rehabilitation bisweilen schwierig, weil beide Versorgungsformen auf die Behandlung von Krankheiten und die Beseitigung ihrer Folgen beim Betroffenen gerichtet sind. Es trifft eine Unterscheidung im Wesentlichen nach der Art der Einrichtung, den Behandlungsmethoden und dem Hauptziel der Behandlung und nimmt in diesem Zusammenhang besonders die Intensität der ärztlichen Tätigkeit und die verfolgten Behandlungsziele in den Blick (vgl. BSGE 94, 139 Rn. 12; BSG GesR 2008, 599, 602). Bei aller Schwierigkeit der Abgrenzung, für die regelmäßig eine Gesamtschau unter Berücksichtigung der Verhältnisse des einzelnen Falles erforderlich ist (vgl. BSGE 94, 139 Rn. 12 unter Bezugnahme auf BSGE 81, 189, 193), ist jedoch erkennbar, dass eine genaue Grenzziehung unentbehrlich ist. Nur Krankenhäuser im Sinne des § 107 Abs. 1 SGB V unterliegen z.B. der von den Ländern ausgeübten staatlichen Bedarfsplanung (vgl. BSGE 81, 189, 192). Darüber hinaus hängt von ihr vielfach ab, wer für die Kosten der in Frage stehenden Behandlung aufzukommen hat. Ob daher eine stationäre Krankenhausbehandlung aus medizinischen Gründen notwendig ist, hat das Gericht im Streitfall uneingeschränkt zu überprüfen, wobei von dem im Behandlungszeitpunkt verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des verantwortlichen Krankenhausarztes auszugehen ist, dem eine "Einschätzungsprärogative" nicht zukommt (vgl. Großer Senat des BSG, BSGE 99, 111). Mit dieser strikten Auslegung der für die stationäre Krankenhausbehandlung maßgebenden Bestimmung des § 39 SGB V wäre es nicht zu vereinbaren, unter Berufung auf eine landesplanerische Kompetenz die Grenzziehung zwischen der Krankenhausbehandlung und der medizinischen Rehabilitation zu verschieben.
b) Im vorliegenden Zusammenhang geht es freilich nicht um die Frage, ob ein einzelner Patient einem Krankenhaus oder einer Rehabilitationseinrichtung zuzuweisen ist, sondern um die Zulassung der Klägerin als Trägerin einer Rehabilitationseinrichtung im Sinne des § 107 Abs. 2 SGB für Neurologiepatienten der Phase B. Insoweit kommt es darauf an, ob ein Teil dieser Patienten in einer Rehabilitationseinrichtung behandelt werden kann oder ob sie durchgängig krankenhausbehandlungsbedürftig sind.
aa) Die Phaseneinteilung in der neurologischen Rehabilitation, die den BAR-Empfehlungen zugrunde liegt, bedient sich einer Terminologie, die sich nicht unmittelbar in den gesetzlichen Bestimmungen der sozialen Krankenversicherung findet. Vor dem Hintergrund, dass Rehabilitation als Behandlungsauftrag bereits während der Akutbehandlung einsetzen muss, um die Rehabilitationschancen nicht zu gefährden, und dass in der Rehabilitation von Patienten mit schweren und schwersten Hirnschädigungen in der Phase zwischen der Erstversorgung im Akutkrankenhaus und der umfassenden Therapie in der Rehabilitationsklinik erhebliche Versorgungslücken sowie Koordinierungsbedarf bei den beteiligten Trägern bestanden, lösten sich die Urheber der Empfehlungen von dem für sie als zu eng und dem unterschiedlichen Verlauf beziehungsweise der Krankheitsentwicklung bei neurologischen Patienten nicht gerecht werdenden Begriff der Frührehabilitation und verwendeten für diesen Behandlungsabschnitt, der in dem Phasenmodell übereinstimmend als Behandlungs-/Rehabilitationsphase bezeichnet wird, die Begriffe Phase B und Phase C (vgl. hierzu das Vorwort und die Vorbemerkungen in den BAR-Empfehlungen). Dabei hatten sie allerdings auch vor Augen, mit der Zuordnung der Phase B zur Krankenhausbehandlung (§ 39 SGB V) und der Phase C zur stationären Behandlung in einer Rehabilitationseinrichtung (§ 40 Abs. 2 SGB V) eine Grundlage für die Bestimmung der Leistungszuständigkeiten und die Zuweisung der Strukturverantwortung für die Schaffung der erforderlichen Betten zu geben (vgl. Vorwort und Nr. 3.1.7 und 3.2.8 der Empfehlungen). Insoweit wurde für Betten der Phase B den Ländern sowie der Kranken- und Unfallversicherung die Strukturverantwortung zugewiesen (Vorbemerkungen, S. 5 der Empfehlungen).
Geht man davon aus, dass es den Urhebern der Empfehlungen zum einen um eine möglichst früh einsetzende Rehabilitation ging, ihnen andererseits die rechtlichen Rahmenbedingungen des Fünften Buches Sozialgesetzbuch bekannt waren, gelangt man zu einer gesetzeskonformen Zuweisung von Patienten der Phase B in die Krankenhausbehandlung nur dann, wenn man - gewissermaßen definitionsgemäß - davon ausgeht, die dort näher beschriebenen Patienten seien nach ihren Charakteristika als krankenhausbehandlungsbedürftig anzusehen. Es liegt nahe, dass die Urheber der Empfehlungen die Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit als Merkmal der Phase B in der Weise haben zum Ausdruck bringen wollen, dass in dieser Phase, anders als in der Phase C, noch intensivmedizinische Behandlungsmöglichkeiten vorgehalten werden müssen. Vor diesem Hintergrund steht die Beklagte auf dem Standpunkt, Patienten, die nicht mehr krankenhausbehandlungsbedürftig seien, seien der Phase C zuzuordnen. Eine Praxis in Bayern, die Patienten der Phase B als krankenhausbehandlungsbedürftig anzusehen, hat auch die Vernehmung einer im Medizinischen Dienst der Krankenversicherung tätigen Zeugin ergeben.
bb) Die Beklagte sieht sich in ihrer Auffassung, Patienten der Phase B seien definitionsgemäß krankenhausbehandlungsbedürftig, durch die im Jahr 2001 vorgenommene Einfügung in § 39 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 SGB V bestätigt, wonach die akutstationäre Behandlung auch die im Einzelfall erforderlichen und zum frühestmöglichen Zeitpunkt einsetzenden Leistungen zur Frührehabilitation umfasst, und meint, die Phase B sei Frührehabilitation im Sinne dieser Vorschrift. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass die eingefügte Bestimmung nicht den Begriff der Krankenhausbehandlung zu Lasten des Begriffs der Rehabilitationsbehandlung erweitern, sondern nur - klarstellend - sicherstellen wollte, dass die Chancen der medizinischen Rehabilitation bereits während der Akutbehandlung im Krankenhaus genutzt werden. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers kann und soll das Krankenhaus die Rehabilitationseinrichtung nicht ersetzen, sondern die Ausschöpfung des Rehabilitationspotentials im Rahmen der Krankenhausbehandlung verbessern (vgl. BT-Drucks. 14/5074 S. 117 f). Frührehabilitative Leistungen im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V können daher vom Krankenhaus nur als integraler Bestandteil einer stationären Akutbehandlung innerhalb der für die Akutbehandlung erforderlichen Verweildauer erbracht werden. Dass Patienten, bei denen diese Verweildauer vorüber ist - im Phasenmodell der neurologischen Rehabilitation ist die Akutbehandlung der Phase A zugeordnet -, allgemein nicht mehr die für die Phase B charakteristischen Eigenschaften (etwa schwere Bewusstseinsstörungen oder Hirnfunktionsstörungen, nicht fähig zur kooperativen Mitarbeit) besitzen, sondern - wie die Beklagte meint - ohne weiteres die Eingangskriterien für die Phase C erfüllen, d.h. etwa überwiegend bewusstseinsklar sind, einfachen Anforderungen nachkommen und deren Handlungsfähigkeit ausreicht, um an mehreren Therapiemaßnahmen täglich von je etwa 30 Minuten Dauer aktiv mitzuarbeiten (vgl. Nr. 3.2.1 der BAR-Empfehlungen), ist den BAR-Empfehlungen, die eine phasenübergreifende Rehabilitation fördern wollen, so nicht zu entnehmen. Das Berufungsgericht zieht daher - am Beispiel lang dauernder Behandlungsverläufe mit erheblicher rehabilitativer Therapiedichte und einer abweichenden Zuweisungspraxis in den Bundesländern Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern - nachvollziehbar in Zweifel, dass Patienten der Phase B ausnahmslos krankenhausbehandlungsbedürftig seien und die Phase B mit der Frührehabilitation im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V gleichzusetzen sei.
3. Ob die ausnahmslose Zuweisung von Patienten der Phase B in die stationäre Krankenhausbehandlung und die darauf beruhende Ablehnung des Abschlusses eines Versorgungsvertrages nach § 111 SGB V unter diesen Umständen mit dem Berufungsgericht als rechtswidrig anzusehen ist, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Denn nach Auffassung des Senats fehlt es für einen möglichen Rechtsverstoß an einem Verschulden der Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft.
a) Wie bereits ausgeführt, gehen die BAR-Empfehlungen davon aus, dass die Behandlung von Neurologiepatienten der Phase B im Krankenhaus vorzunehmen ist, weil intensivmedizinische Behandlungsmöglichkeiten vorgehalten werden müssen oder weil bestimmte Patienten mit schweren neurologischen Störungen intensivbehandlungspflichtig sind (vgl. Nr. 3.1 und Nr. 3.1.1 2. Spiegelstrich der Empfehlungen). Dem folgen auch Stimmen in der Literatur (vgl. jurisPK-SGB VI/Stähler, § 13 Rn. 18 <2008>; Rollnik/Janosch, Deutsches Ärzteblatt 2010, 286, 291; Stier-Jarmer/Koenig/Stucki, Phys Med Rehab Kuror 2002, 260, 263 f). Allerdings wird auch vertreten, die in der Phase B vorzunehmende Behandlung erfordere nicht zwangsläufig die besonderen Mittel des Krankenhauses und könne daher zumindest grundsätzlich in einer Rehabilitationseinrichtung erbracht werden (vgl. Fuchs, SozSich 2005, 168, 171 f; ders., in: Frührehabilitation im Krankenhaus, Konsequenzen für die medizinische Rehabilitation
b) Eine hinreichende Klärung hat sich aus Sicht des Senats auch nicht in einem Abstimmungsprozess ergeben, der zwischen dem Bundesministerium für Gesundheit und den für die Krankenhausplanung zuständigen Ministerien und Senatsverwaltungen der Länder stattgefunden hat. In der Anlage 1 zu dem Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 27. Oktober 2004, in dem ein vorangegangener Abstimmungsprozess zusammengefasst wird, heißt es, für die leistungsrechtliche Zuordnung sei der Begriff der Frührehabilitation im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V vorrangig vor anderen gebräuchlichen Verwendungen des Begriffs "Frührehabilitation", z.B. vor der Phaseneinteilung nach den Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR-Empfehlungen). Rechtlich gesehen sei die Behandlung in Rehabilitationseinrichtungen nicht als Frührehabilitation, sondern als "Rehabilitation" einzustufen. Im Unterschied zur (weiterführenden) Rehabilitation sei die Frührehabilitation dadurch gekennzeichnet, dass bei vordringlich bestehendem akutstationären Behandlungsbedarf gleichzeitig Rehabilitationsbedarf bestehe, die Rehabilitationsfähigkeit erheblich eingeschränkt sein könne und die Rehabilitationsprognose oftmals unsicher sei. Frührehabilitation werde nicht einheitlich untergliedert. Unterteilt werde oftmals nach der geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung, der neurologischen-neurochirurgischen Frührehabilitation (inklusive Phase B), der fachübergreifenden Frührehabilitation und anderen Zweigen der Frührehabilitation. Unabhängig von der Untergliederung seien diese Gebiete der Frührehabilitation und damit der Krankenhausbehandlung zuzuordnen, sofern bei einer primär erforderlichen akutstationären Behandlung eine gleichzeitige (Früh)Rehabilitationsbedürftigkeit und gegebenenfalls eingeschränkte (Früh)Rehabilitationsfähigkeit bestehe.
Hierzu ist aus Sicht frühzeitiger und durchgängiger Rehabilitationsbemühungen kritisch bemerkt worden, die Bindung der Frührehabilitation an den Zeitraum einer erforderlichen Behandlung im Akutkrankenhaus stelle die für den neurologischen Versorgungsbereich festgestellte Versorgungslücke im Übergang zwischen Krankenhaus und Rehabilitationseinrichtung wieder her, weil ein Eingangskriterium für die Phase B darin bestehe, dass die primäre Akutversorgung abgeschlossen sei (vgl. Kirchberger, in DEGEMED 2005, 14 f). Zu der hier im Mittelpunkt stehenden Frage, ob die BAR-Empfehlungen mit ihrer Zuordnung der Phase B zur Krankenhausbehandlung überholt seien oder differenziert betrachtet werden müssten, lässt sich dem Schreiben vom 27. Oktober 2004 nur wenig entnehmen. Zur Praxis in den Ländern wird mitgeteilt, dass bei einem Gesamtbestand von rund 3000 Betten diese Kapazitäten zu 89 % dem Krankenhausbereich und lediglich zu 11 % dem Rehabilitationsbereich zugeordnet seien.
Dass es sich bei dem Schreiben vom 27. Oktober 2004 nicht nur um eine "Momentaufnahme" handelt, zeigt das im Verfahren vorgelegte Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 2. März 2006 an das Sächsische Staatsministerium für Soziales. In diesem Schreiben wird die Frage angesprochen, ob eine Einrichtung sowohl nach § 108 SGB V (als Krankenhaus) als auch nach § 111 SGB V zugelassen werden könne. Es heißt dort, dass im Hinblick auf einzelne Anforderungen für die Behandlung von Patientinnen und Patienten, die der Phase B zugeordnet werden, darauf hinzuweisen sei, dass soweit bei der Erbringung frührehabilitativer Leistungen die Vorhaltung intensivmedizinischer Behandlungsmöglichkeiten und/oder die jederzeitige Möglichkeit zur Beherrschung von lebensbedrohlichen Komplikationen bestehe, diese vor dem Hintergrund der Legaldefinition des § 107 SGB V als Krankenhausaufgabe einzustufen seien. Demgegenüber wäre die Zuordnung von solchen Patienten zur Rehabilitationsbehandlung, die noch nicht in der Lage seien, aktiv an der Rehabilitation mitzuwirken, oder die laufende Überwachung lebenswichtiger Funktionen benötigen und die im Rahmen der Phase B auf der Intensiv- oder Intermediärstation aufgenommen würden, rechtlich nicht gedeckt. Abschließend heißt es in dem Schreiben, im Ergebnis sei die in Sachsen diskutierte vollständige Zuordnung von Leistungen der Phase B zum Rehabilitationsbereich nicht mit geltendem Bundesrecht vereinbar, soweit es sich hierbei um die Versorgung von primär und gleichzeitig akutstationär behandlungsbedürftigen Patientinnen und Patienten handele. Das Schreiben lehnt sich, auch wenn es die Begrifflichkeit der Frührehabilitation im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V für vorrangig hält, aus Sicht des Senats eng an die BAR-Empfehlungen an, indem es auf die Vorhaltung intensivmedizinischer Behandlungsmöglichkeiten Bezug nimmt und dies als Krankenhausaufgabe einstuft.
c) Da es an einer höchstrichterlichen Klärung fehlt, wie die neurologische Behandlung von Patientinnen der Phase B leistungsrechtlich einzuordnen ist, eine weit überwiegende, keinesfalls auf Bayern beschränkte Praxis Patienten der Phase B der Krankenhausbehandlung zuweist, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der Medizinische Dienst der Krankenversicherung in Bayern sich in dem fraglichen Zeitraum gutachtlich ebenfalls hierfür ausgesprochen hat und die Abstimmung zwischen dem Bundesministerium für Gesundheit und den Ländern zu keinem eindeutigen Ergebnis gelangt ist, kann den Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft kein Verschuldensvorwurf gemacht werden. Es mag zwar sein, dass sich die Beklagte, wie das Berufungsgericht ausgeführt hat, nicht hinreichend ergebnisoffen mit den zur Entscheidung stehenden Fragen beschäftigt hat. Es handelt sich jedoch um eine Fragestellung, die weit über die Zuständigkeit einer einzelnen Krankenkasse oder eines Landesverbands hinausreicht und schwierige Grenzziehungen in einem Bereich betrifft, in dem eine einheitliche Behandlung von Patienten mit bestimmten Therapieerfordernissen wünschenswert ist. Wenn sich die Beklagte unter diesen Umständen einer Handhabung angeschlossen hat, die in der Bundesrepublik weit verbreitet ist, kann ihr kein Schuldvorwurf gemacht werden.
Schlick Dörr Hucke
Seiters Tombrink