Entscheidungsdatum: 29.11.2012
Die Lageplanerstellung und die Gebäudeeinmessung durch öffentlich bestellte Vermessungsingenieure werden im Land Berlin nicht als öffentliche Aufgabe durchgeführt. Die Haftung für Vermessungsfehler gegenüber dem Auftraggeber bestimmt sich insoweit nach werkvertraglichen Grundsätzen und nicht nach Maßgabe des § 839 BGB.
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 27. Zivilsenats des Kammergerichts vom 22. Dezember 2011 - 27 U 112/11 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Streitwert: 31.228,11 €
I.
Die Kläger nehmen die Beklagten als Vermessungsingenieure auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Einmessung des Grundstücks K. weg 12/14 in B. -F. in Anspruch.
Die Kläger planten den Bau einer Kindertagesstätte auf ihrem Grundstück und beauftragten die Beklagten, die beide als Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure bestellt sind, mit der Anfertigung des Lageplans und der Durchführung der dafür notwendigen Vermessungsarbeiten. Nach Beginn der Bauarbeiten stellte sich heraus, dass der Abstand des zu errichtenden Gebäudes von der Grundstücksgrenze zu gering war. Das Bauamt verfügte daraufhin die Einstellung der Bauarbeiten. Die Kläger trafen mit dem Nachbarn eine Vereinbarung, in der dieser sich gegen eine sofort zu zahlende Entschädigung in Höhe von 30.000 € mit der Unterschreitung der Abstandsfläche einverstanden erklärte. Der Baustopp wurde daraufhin aufgehoben.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Kammergericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten.
II.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
1. Die Rüge der Beklagten, das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft das Verweisungsprivileg des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht angewandt und deshalb zu Unrecht die Verantwortlichkeit (auch) des bauausführenden Unternehmens und des bauaufsichtsführenden Architekten dahinstehen lassen, greift nicht durch, weil die Beklagten ausschließlich nach (werk-)vertraglichen Grundsätzen haften und nicht (auch) deliktisch nach Maßgabe des § 839 BGB.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 14. Januar 1993 - I ZB 24/91, BGHZ 121, 126, 129) beschränkt sich der öffentlich-rechtlich geprägte Charakter der Tätigkeit eines Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs auf die staatlichen Aufgaben und Kompetenzen, die der Staat als ihrer Natur nach zu seinem öffentlich-rechtlichen Aufgabenbereich gehörend auf den Öffentlich bestellten Vermessungsingenieur delegiert hat. Im Land Berlin werden nach § 1 des Gesetzes über das Vermessungswesen in Berlin (VermGBln) in der Fassung vom 9. Januar 1996 (GVBl. S. 56) die Landesvermessung, die Führung des Liegenschaftskatasters sowie die raumplanerischen und städtebaulichen Vermessungsaufgaben für Zwecke der Raumplanung und der städtebaulichen Entwicklung sowie für die räumliche Abgrenzung von Rechten an Grundstücken nach den Erfordernissen von Verwaltung, Wirtschaft, Recht und Wissenschaft als öffentliche Aufgaben wahrgenommen, an deren Erfüllung nach § 2 VermGBln Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure mitwirken.
Vorliegend waren die Beklagten im Zusammenhang mit der Stellung eines Baugenehmigungsantrags mit der Vermessung beauftragt worden. Der Sache nach ging es hier um die Einmessung des Gebäudes auf dem Grundstück, was sich aus dem eigenen Schreiben der Beklagten vom 7. Mai 2010 ergibt. Die Beklagten haben dabei ausgeführt, dass die Absteckung des Gebäudes auf der Grundlage des Lageplans unrichtig erfolgt sei. Die Lageplanerstellung und die Gebäudeeinmessung sind jedoch privatrechtlicher Natur und stellen sich nicht als hoheitliche Tätigkeit im Sinne der §§ 1, 2 VermGBln dar (vgl. BGH, Urteil vom 9. März 1972 - VII ZR 202/70, BGHZ 58, 225, 226; zustimmend OLG Düsseldorf, BauR 1992, 665; vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Dezember 2003 - I-21 W 45/03, juris Rn. 4 f; OLG Hamm, NZBau 2006, 788, 789 zu den nordrhein-westfälischen Öffentlich bestellten Vermessungsingenieuren; vgl. für das Land Berlin KG, KGReport Berlin 1998, 360, 361). Die entsprechende Beauftragung durch die Kläger ist danach als Werkvertrag einzustufen (BGH aaO), so dass die Beklagten allein nach werkvertraglichen Regeln haften.
2. Die - im Übrigen nach Auffassung des Senats auch in der Sache unbegründete - weitere Rüge der Beklagten, der Haftungsausschluss des Landes Berlin nach § 3 Abs. 7 Satz 2 VermGBln für Fehler der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure bei der Wahrnehmung ihrer öffentlichen Aufgaben sei wegen Verstoßes gegen Art. 34 GG nichtig, geht nach den obigen Ausführungen wegen der privatrechtlichen Natur der zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen ebenfalls ins Leere.
Schlick Herrmann Wöstmann
Hucke Seiters