Entscheidungsdatum: 17.01.2019
1. Die Bundesrepublik hat durch die Regelungen in § 4 Nr. 16 und 18 UStG 1980 und 1992 nicht in einer einen unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch begründenden hinreichend qualifizierten Weise gegen Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG verstoßen, indem sie private ambulante Pflegedienste in den Jahren 1989 bis 1991 nicht (rückwirkend) hinsichtlich der aus den Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung erzielten Umsätze von der Entrichtung der Umsatzsteuer befreit hat.
2. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB gilt auch für den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch (Bestätigung BGH, Urteile vom 12. Dezember 2013, III ZR 102/12, juris Rn. 36 und vom 4. Juni 2009, III ZR 144/05, BGHZ 181, 199 Rn. 38 ff).
3. Zur Vorlagepflicht eines letztinstanzlichen Gerichts gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV.
Auf die Revision der Beklagten wird unter Zurückweisung der Revision des Klägers das Urteil des 9. Zivilsenats des Kammergerichts vom 16. Juni 2017 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 13. März 2015 wird insgesamt zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Rechtsmittelzüge zu tragen.
Von Rechts wegen
Der Kläger macht aus eigenem und abgetretenem Recht einen unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch wegen legislativen und judikativen Unrechts geltend.
Herr O. P. (künftig: Zedent) betrieb seit dem Jahr 1983 einen ambulanten Pflegedienst. Mit Bescheid vom 22. Mai 1992 setzte das zuständige Finanzamt die Umsatzsteuer für die Umsätze des Zedenten aus den Leistungen der Behandlungs- und Grundpflege im Jahr 1989 zuzüglich Zinsen auf umgerechnet 82.283,17 € fest. Das Finanzgericht wies die nach erfolglosem Einspruch gegen den Bescheid vom 22. Mai 1992 erhobene Klage des Zedenten ab. Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesfinanzhof hatte keinen Erfolg (BFH, Beschluss vom 10. Juni 1997 - V B 62/96, juris).
Auch der Kläger betreibt - seit dem Jahr 1987 - einen ambulanten Pflegedienst. Im Anschluss an eine Außenprüfung vertrat das zuständige Finanzamt die Auffassung, der Kläger sei nicht von der Umsatzsteuer befreit und erließ Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1990 und 1991. Nach teilweise erfolgreichem Einspruch wurde für die Umsätze des Klägers aus den Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung die Umsatzsteuer auf umgerechnet 126.776,87 € festgesetzt. Die Umsätze aus den Leistungen der Behandlungspflege wurden steuerfrei belassen. Nach steuerlicher Beratung und in Kenntnis der den Zedenten betreffenden Verfahren sah der Kläger von einer Klageerhebung gegen die Einspruchsentscheidung ab.
Der Zedent beantragte am 10. Oktober 1994 den Erlass der Umsatzsteuerschuld aus Billigkeitsgründen. Dieser Antrag wurde nicht beschieden. Vor dem Hintergrund zwischenzeitlich ergangener Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesfinanzhofs beantragten der Kläger am 14. August 2000 und der Zedent erneut am 3. Juni 2004 erfolglos den Erlass der Umsatzsteuerschuld aus Billigkeitsgründen. Die Einsprüche gegen die Ablehnungsbescheide wurden zurückgewiesen. Die hiergegen gerichteten Klagen blieben ebenso ohne Erfolg wie die dagegen eingelegten Rechtsmittel (BFH, Urteil vom 29. Mai 2008 - V R 45/06, juris [Revision des Klägers]; Beschluss vom 1. April 2011 - XI B 75/10, juris [Nichtzulassungsbeschwerde des Zedenten]). Die Verfassungsbeschwerden des Klägers und des Zedenten wurden nicht zur Entscheidung angenommen.
Am 29. November 2011 stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Erlass der Umsatzsteuerschuld, gegen dessen Ablehnung er erfolglos Einspruch einlegte und Klage vor dem Finanzgericht erhob.
Der Kläger fordert von der Beklagten aus eigenem Recht die Erstattung der gezahlten Umsatzsteuer in Höhe von 126.776,87 € zuzüglich der ihm im Zusammenhang mit dem Erlassantrag vom 14. August 2000 entstandenen Verfahrenskosten von 18.683,97 €. Weiterhin verlangt er aus abgetretenem Recht des Zedenten die Erstattung der geleisteten Umsatzsteuer in Höhe von 82.283,17 €. Schließlich begehrt er die Verzinsung dieser Beträge seit dem 1. Juni 1999.
Der Kläger macht geltend, die Beklagte habe bei der Umsetzung der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (77/388/EWG; ABl. EG Nr. L 145 S. 1; im Folgenden: Sechste Richtlinie) qualifiziert gegen individuell begünstigende Rechtsnormen des Gemeinschaftsrechts verstoßen. Dies sei unmittelbar kausal für seinen Schaden gewesen. Primärrechtsschutz sei ihm nicht zumutbar gewesen. Überdies stehe ihm ein unionsrechtlicher Staatshaftungsanspruch zu, weil der Bundesfinanzhof in dem Verfahren - V R 45/06 - offenkundig und damit hinreichend qualifiziert gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen habe. Der Bundesfinanzhof habe auch in den Verfahren des Zedenten offenkundig gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, das Gemeinschaftsrecht habe weder die Verleihung subjektiver Rechte bezweckt noch habe sie bei der Umsetzung der Sechsten Richtlinie qualifiziert gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen. Dem Kläger sei es zudem zuzumuten gewesen, Primärrechtsschutz zu suchen. Ein etwaiger unionsrechtlicher Staatshaftungsanspruch sei verjährt. Judikatives Unrecht des Bundesfinanzhofs liege nicht vor, weil er die durch den Gerichtshof der Europäischen Union entwickelten Grundsätze zutreffend angewandt und damit nicht offenkundig gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen habe. Die Abtretung des Zedenten sei nicht wirksam. Darüber hinaus sei dessen etwaiger Anspruch wegen legislativen Unrechts verjährt. Auch der auf den Vorwurf judikativen Unrechts des Bundesfinanzhofs zum Nachteil des Zedenten in dem Verfahren - V B 62/96 - gestützte Anspruch sei verjährt. Schließlich könne dem Bundesfinanzhof auch in dem Verfahren - XI B 75/10 - kein qualifizierter Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht zum Nachteil des Zedenten vorgeworfen werden.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Kammergericht - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung - das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von 145.460,84 € nebst Zinsen verurteilt.
Mit ihren vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen verfolgen der Kläger seine weitergehenden Ansprüche gegen die Beklagte und diese ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Die zulässige Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Wiederherstellung des klageabweisenden Urteils des Landgerichts. Die Revision des Klägers bleibt ohne Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in UR 2017, 591 veröffentlicht ist, hat einen Anspruch des Klägers aus eigenem Recht bejaht und aus abgetretenem Recht des Zedenten verneint. Es hat im Wesentlichen ausgeführt:
1. Der Kläger habe aus eigenem Recht einen unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch in Höhe von 145.460,84 € zuzüglich Zinsen.
Die Regelungen in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c und g der Sechsten Richtlinie bezweckten, dem Einzelnen Rechte zu verleihen. Es sei zwar zweifelhaft, ob der Einzelne unmittelbar verlangen könne, von der Umsatzsteuer befreit zu werden. Allerdings könne sich der Kläger auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie berufen, um die Anwendung mit dieser Bestimmung unvereinbarer innerstaatlicher Rechtsvorschriften zu verhindern.
Die Beklagte habe qualifiziert gegen ihre Verpflichtung zur Umsetzung der Sechsten Richtlinie verstoßen, weil sie deren Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g nicht beziehungsweise ungenügend umgesetzt habe. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass sie von einer Umsatzsteuerbefreiung bewusst und in den Grenzen des ihr übertragenen Ermessens abgesehen habe. Im Gesetzgebungsverfahren zum Umsatzsteuergesetz 1980 sei die Umsatzsteuerbefreiung in Bezug auf Pflegeleistungen privater Pflegedienste nicht erwähnt oder thematisiert worden. Insoweit sei die Beklagte nicht der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast nachgekommen. Mangels Umsetzung der Sechsten Richtlinie komme es auch nicht darauf an, dass diese den Mitgliedstaaten bei der Anerkennung der nicht öffentlich-rechtlichen Einrichtungen ein Ermessen einräume. Ohne tatsächliche Ermessensausübung könne sich ein Mitgliedstaat auf ein von der Richtlinie eingeräumtes Ermessen nicht berufen. Unabhängig davon liege auch ein qualifizierter Verstoß gegen Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b zweiter Spiegelstrich der Sechsten Richtlinie vor, weil die Leistungen privater Pflegedienste und der Verbände der freien Wohlfahrtspflege steuerlich ungleich behandelt worden seien. Die Beklagte habe hierdurch zudem gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität verstoßen. Demgegenüber sei eine offenkundige Verletzung von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie zweifelhaft, weil sich aus dem Wortlaut dieser Bestimmung kein eindeutiger Umsetzungsbefehl bezüglich bloßer Pflegeleistungen ergeben habe.
Der unmittelbare Kausalzusammenhang zwischen Gemeinschaftsrechtsverstoß und Schaden sei gegeben, weil die Beklagte bei ordnungsgemäßer Umsetzung von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie auch die Pflegedienstleistungen des Klägers umsatzsteuerfrei gestellt hätte. Finanzgerichtliche Rechtsmittel habe der Kläger nicht erheben müssen, weil diese mit Blick auf die erfolglosen Rechtsmittel des Zedenten unzumutbar gewesen seien. Der Anspruch sei auch nicht verjährt.
2. Dagegen bestünden keine Ansprüche des Klägers aus abgetretenem Recht des Zedenten wegen legislativen beziehungsweise judikativen Unrechts.
Ein unionsrechtlicher Staatshaftungsanspruch wegen Verstoßes der Beklagten gegen die Verpflichtung zur Umsetzung der Sechsten Richtlinie und wegen judikativen Unrechts des Bundesfinanzhofs durch seine Entscheidung vom 10. Juni 1997 (aaO) sei verjährt. Die Verjährung habe Ende 2002 begonnen. Sie sei zwar durch den Erlassantrag des Zedenten vom 3. Juni 2004 und den Rechtsstreit vor den Finanzgerichten bis zum 28. Oktober 2011 gehemmt gewesen, so dass erst am 29. Mai 2012 Verjährung eingetreten sei. Die Ansprüche des Zedenten seien vom Kläger jedoch erst mit der Klageerweiterung vom 1. April 2014 geltend gemacht worden. Der Erlassantrag vom 10. Oktober 1994 und seine etwaige verjährungshemmende Wirkung stünden der Verjährung nicht entgegen. Auf die fehlende Bescheidung des Antrages könne sich der Kläger nicht berufen. Dieser Einwand sei verwirkt.
Es liege kein judikatives Unrecht des Bundesfinanzhofs durch seine Entscheidung vom 1. April 2011 (aaO) vor. Insofern fehle es an einem hinreichend qualifizierten Verstoß gegen Unionsrecht, insbesondere gegen das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 13. Januar 2004 in der Sache Kühne & Heitz (C-453/00, Slg. 2004, I-858, NVwZ 2004, 459). Der Vortrag des Klägers sei hierfür nicht ausreichend. Unabhängig hiervon sei nicht ersichtlich, dass der Bundesfinanzhof die unionsrechtlichen Grundsätze für die Abänderung einer bestandskräftigen Behördenentscheidung verkannt oder falsch angewendet habe. Im nationalen Recht bestehe - wie indes für die gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung zur Überprüfung bestandskräftiger Verwaltungsentscheidungen erforderlich - keine Befugnis zur Rücknahme bestandskräftiger Umsatzsteuerbescheide. Die Voraussetzungen eines Steuererlasses gemäß § 227 AO hätten nicht vorgelegen. Schließlich habe der Bundesfinanzhof auch nicht gegen die Vorlagepflicht aus Art. 267 Abs. 3 AEUV verstoßen. Die vom Kläger insoweit benannten Fragen seien nicht vorlagebedürftig, weil sie nicht entscheidungserheblich beziehungsweise durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bereits beantwortet seien.
II.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung teilweise nicht stand. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch aus eigenem (nachfolgend zu 1 und 2) oder abgetretenem (nachfolgend zu 3 und 4) Recht wegen legislativen beziehungsweise judikativen Unrechts.
1. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft einen unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch des Klägers aus eigenem Recht wegen legislativen Unrechts bejaht.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (künftig auch: Gerichtshof) kommt eine Haftung des Mitgliedstaats in Betracht, wenn er gegen eine Norm des Unionsrechts verstoßen hat, die bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, wenn der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und wenn zwischen diesem Verstoß und dem Schaden des Einzelnen ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht (EuGH, Urteile vom 24. März 2009 - C-445/06 - Danske Slagterier, Slg. 2009, I-2168, NVwZ 2009, 771 Rn. 20 und vom 5. März 1996 - C-46/93 und C-48/93 - Brasserie du Pêcheur und Factortame, Slg. 1996, I-1131, NJW 1996, 1267 Rn. 51; Senat, Urteile vom 12. Mai 2011 - III ZR 59/10, WM 2011, 1670 Rn. 13, insoweit in BGHZ 189, 365 nicht abgedruckt, und vom 4. Juni 2009 - III ZR 144/05, BGHZ 181, 199 Rn. 13; Beschluss vom 26. April 2012 - III ZR 215/11, WM 2013, 715 Rn. 6; jeweils mwN). Dieser Anspruch erfasst alle Bereiche staatlichen Handelns und damit auch das vorliegend in Frage stehende legislative Unrecht durch verspätete beziehungsweise fehlerhafte Umsetzung einer Richtlinie in nationales Recht durch den Gesetzgeber (vgl. EuGH, Urteil vom 19. November 1991 - C-6/90 u.a. - Francovich, Slg. 1991, I-5403, NJW 1992, 165 Rn. 37 ff, 46).
a) Ob das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Regelungen in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c und g der Sechsten Richtlinie individuell begünstigende, dem Einzelnen Rechte verleihende Normen des europäischen Unionsrechts sind, wofür jedenfalls im Hinblick auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie vieles spricht, kann auf sich beruhen und unterstellt werden.
b) Rechtsfehlerhaft ist jedenfalls die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe gegen ihre Verpflichtung zur Umsetzung der Sechsten Richtlinie in innerstaatliches Recht in qualifizierter Weise verstoßen.
aa) Art. 13 der - (nach Verlängerung der Umsetzungsfrist) bis zum 1. Januar 1979 in nationales Recht umzusetzenden und bis zum 31. Dezember 2006 geltenden (Art. 411 Abs. 1, Art. 413 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem; ABl. Nr. L 347 S. 1) - Sechsten Richtlinie sieht in Teil A Abs. 1 Buchst. c und g Steuerbefreiungen vor und zwar für Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin (Buchst. c) und für die eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen der Altenheime, durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen (Buchst. g).
In Deutschland blieben die maßgebenden Bestimmungen der § 4 Nr. 14, Nr. 16 und Nr. 18 UStG vom 29. Mai 1967 (BGBl. I S. 545) durch das zur Umsetzung der Sechsten Richtlinie verabschiedete Gesetz zur Neufassung des Umsatzsteuergesetzes und zur Änderung anderer Gesetze vom 26. November 1979 (BGBl. I S. 1953) - soweit vorliegend von Interesse - unverändert. Dies bedeutete für - wie hier - Einrichtungen der ambulanten Pflege, dass nur die Leistungen im Bereich der Behandlungspflege nach § 4 Nr. 14 UStG 1980 unter den dort genannten Voraussetzungen steuerbefreit waren, nicht jedoch - wie bei den Wohlfahrtsverbänden und deren Mitgliedern nach § 4 Nr. 18 UStG 1980 - die Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung. § 4 Nr. 16 UStG 1980 war nicht einschlägig. Erst mit dem Gesetz zur Entlastung der Familien und zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Investitionen und Arbeitsplätze vom 25. Februar 1992 (Steueränderungsgesetz 1992; BGBl. I S. 297) wurden § 4 Nr. 16 UStG der Buchstabe e angefügt und damit Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung durch Einrichtungen zur ambulanten Pflege ab 1. Januar 1992 steuerfrei behandelt.
bb) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist ein Verstoß des nationalen Gesetzgebers gegen das Unionsrecht hinreichend qualifiziert, wenn der betreffende Mitgliedstaat bei der Wahrnehmung seiner Rechtssetzungsbefugnisse die Grenzen, die der Ausübung seiner Befugnisse gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat (EuGH, Urteile vom 13. März 2007 - C-524/04 - Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, Slg. 2007, I-2157, IStR 2007, 249 Rn. 118 und vom 5. März 1996 aaO Rn. 55; vgl. auch Senat, Urteile vom 12. Mai 2011 aaO Rn. 23; vom 22. Januar 2009 - III ZR 233/07, NJW 2009, 2534 Rn. 22 und vom 24. Oktober 1996 - III ZR 127/91, BGHZ 134, 30, 38; Beschlüsse vom 26. April 2012 aaO Rn. 12 und vom 24. Juni 2010 - III ZR 140/09, NJW 2011, 772 Rn. 7). Diesem restriktiven Haftungsmaßstab liegt die Erwägung zu Grunde, dass die Wahrnehmung gesetzgeberischer Tätigkeit, insbesondere bei wirtschaftspolitischen Entscheidungen, nicht jedes Mal durch die Möglichkeit von Schadensersatzklagen behindert werden darf, wenn Allgemeininteressen den Erlass von Maßnahmen gebieten, die die Interessen des Einzelnen beeinträchtigen können (EuGH, Urteile vom 26. März 1996 - C-392/93 - British Telecommunications, Slg. 1996, I-1654, WRP 1996, 695 Rn. 40 und vom 5. März 1996 aaO Rn. 45). Nur wenn der Mitgliedstaat zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung über einen erheblich verringerten oder gar auf Null reduzierten Gestaltungsspielraum verfügte, kann schon die bloße Verletzung des Gemeinschaftsrechts ausreichen, um einen hinreichend qualifizierten Verstoß anzunehmen (EuGH, Urteile vom 13. März 2007 aaO Rn. 118 und vom 8. Oktober 1996 - C-178/94 u.a. - Dillenkofer, Slg. 1996, I-4867, NJW 1996, 3141 Rn. 25).
Um festzustellen, ob ein hinreichend qualifizierter Verstoß vorliegt, sind alle Gesichtspunkte des Einzelfalls zu berücksichtigen, die für den dem nationalen Gericht vorgelegten Sachverhalt kennzeichnend sind. Zu diesen Gesichtspunkten gehören insbesondere das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift, die Frage, ob der Verstoß oder der Schaden vorsätzlich begangen beziehungsweise zugefügt wurde oder nicht, die Frage, ob ein etwaiger Rechtsirrtum entschuldbar ist oder nicht, und die Frage, ob möglicherweise das Verhalten eines Gemeinschaftsorgans dazu beigetragen hat, dass nationale Maßnahmen oder Praktiken in gemeinschaftsrechtswidriger Weise eingeführt oder aufrechterhalten wurden (EuGH, Urteile vom 13. März 2007 aaO Rn. 119; vom 25. Januar 2007 - C-278/05 - Robins, Slg. 2007, I-1081, EuZW 2007, 182 Rn. 77 und vom 4. Dezember 2003 - C-63/01 - Evans, Slg. 2003, I-14492, NJW-RR 2004, 564 Rn. 86). Ob nach diesen Kriterien ein qualifizierter Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht zu bejahen ist, haben in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht die nationalen Gerichte festzustellen (EuGH, Urteile vom 30. September 2003 - C-224/01 - Köbler, Slg. 2003, I-10290, NJW 2003, 3539 Rn. 54; vom 26. März 1996 aaO Rn. 41 und vom 5. März 1996 aaO Rn. 58).
Die verspätete Umsetzung einer Richtlinie ist der klassische Fall eines hinreichend qualifizierten Verstoßes gegen Unionsrecht, weil die Umsetzungsfrist klar bestimmt ist und der Mitgliedstaat kein Ermessen hat, von sich aus eine andere - spätere - Frist vorzusehen, um die Richtlinie umzusetzen. Trifft mithin ein Mitgliedstaat unter Verstoß gegen Art. 288 Abs. 3 AEUV keinerlei Maßnahmen, obwohl dies zur Erreichung des durch die Richtlinie vorgeschriebenen Ziels erforderlich wäre, so überschreitet er offenkundig und erheblich die Grenzen, die der Ausübung seiner Befugnisse gesetzt sind (vgl. EuGH, Urteil vom 8. Oktober 1996 aaO Rn. 26).
cc) Bei Anwendung dieser Maßstäbe hält die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe qualifiziert gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen, indem sie Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie nicht beziehungsweise ungenügend umgesetzt habe, einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
(1) Zu Recht nimmt das Berufungsgericht unter Verweis auf das Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Kügler (EuGH, Urteil vom 10. September 2002 - C-141/00 - Kügler, Slg. 2002, I-6866, DB 2002, 2144 Rn. 54) an, Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie räume den Mitgliedstaaten ein Ermessen bezüglich der Frage ein, ob sie bestimmten Einrichtungen sozialen Charakter zuerkennen. Es ist grundsätzlich Sache des innerstaatlichen Rechts, die Regeln aufzustellen, nach denen Einrichtungen eine solche Anerkennung gewährt werden kann. Die Mitgliedstaaten verfügen insoweit über ein Ermessen (EuGH, Urteile vom 15. November 2012 - C-174/11, UR 2013, 35 Rn. 26 und vom 26. Mai 2005 - C-498/03 - Kingscrest Associates und Montecello, UR 2005, 453 Rn. 51). Danach hatte zunächst die Beklagte darüber zu befinden, unter welchen Voraussetzungen und Modalitäten sie private Einrichtungen der ambulanten Pflege von der Umsatzsteuer befreit.
(2) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat die Beklagte jedoch nicht die Umsetzung der Richtlinie sowie die Ausübung des ihr insoweit eingeräumten Ermessens unterlassen und damit qualifiziert gegen das Unionsrecht verstoßen.
(a) Die Sechste Richtlinie wurde - statt zum 1. Januar 1979 - zwar erst zum 1. Januar 1980 in das nationale Recht umgesetzt. Die dem Streitgegenstand zugrunde liegende Festsetzung der Umsatzsteuer für die Jahre 1990 und 1991 beruhte indes nicht auf dieser verzögerten Umsetzung der Richtlinie. Wäre das Gesetzgebungsvorhaben bis zum 1. Januar 1979 verwirklicht worden, hätte das Gesetz im Hinblick auf die Steuerbefreiungen des Art. 13 Teil A Abs. 1 der Sechsten Richtlinie denselben Inhalt gehabt (vgl. Senatsbeschluss vom 26. April 2012 aaO Rn. 20).
(b) Die Beklagte hat inhaltliche Maßnahmen zur Erreichung der sich aus der Sechsten Richtlinie ergebenden Ziele getroffen.
(aa) Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 26. April 2012 ausgeführt, dass der Gesetzgeber in Bezug auf die Umsetzung der Sechsten Richtlinie nicht untätig war (aaO). Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass er sich bewusst für eine Umsatzsteuerbefreiung privater Altenheime, Altenwohnheime und Altenpflegeheime (§ 4 Nr. 16 Buchst. d UStG 1980) sowie von Verbänden der freien Wohlfahrtspflege und ihrer Mitglieder (§ 4 Nr. 18 UStG 1980) entschieden hat. Während des Gesetzgebungsverfahrens wurde ausdrücklich auf die Steuerbefreiungen des Art. 13 der Sechsten Richtlinie, insbesondere die des Teil A Abs. 1 Buchst. g hingewiesen. Die Bundesregierung brachte am 5. Mai 1978 einen Gesetzentwurf für das Umsatzsteuergesetz ein, der der Anpassung des Umsatzsteuerrechts an die Sechste Richtlinie dienen sollte und zu § 4 UStG Änderungen im Hinblick auf die Steuerbefreiungen in Art. 13 der Sechsten Richtlinie vorsah (vgl. BT-Drs. 8/1779, S. 32 ff). In diesem Sinne wurde der Befreiungstatbestand des § 4 Nr. 16 UStG in dem neuen Buchstaben d auf private Altenheime, Altenwohnheime und Altenpflegeheime erweitert, die damit als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannt wurden. Dem entspricht die Einzelbegründung des Gesetzentwurfs, nach der § 4 Nr. 16 und Nr. 18 UStG (unter anderem) auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie beruhen (BT-Drs. 8/1779, S. 34 f). Auch die Beschlussempfehlung und der Bericht des Finanzausschusses des Bundestages nehmen auf die Sechste Richtlinie Bezug, die festlege, welche Leistungen die Mitgliedstaaten von der Umsatzsteuer befreien müssten (BT-Drs. 8/2827, S. 63).
Setzt aber der Gesetzgeber eine ihm Ermessen einräumende Regelung einer Richtlinie detailliert - hier: in Gestalt einer Steuerbefreiung bestimmter Einrichtungen - in einem nationalen Gesetz um, so spricht dies dafür, dass er, soweit er andere Sachverhalte - hier: die Steuerbefreiung für Einrichtungen der ambulanten Pflege - nicht in das nationale Gesetz einbezieht, im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens- beziehungsweise Wertungsspielraums bewusst hiervon abgesehen hat. Es handelt sich dann allenfalls um eine fehlerhafte Umsetzung der Richtlinienbestimmungen, nicht aber um einen Fall, in dem keinerlei Umsetzungsmaßnahmen im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs getroffen wurden.
(bb) Dem Kläger ist zwar einzuräumen, dass in dem Gesetzgebungsverfahren eine in Betracht kommende Steuerbefreiung ambulanter Pflegedienste nicht ausdrücklich erwähnt wurde. Dies erlaubt indes nicht den Schluss darauf, dass entsprechende Überlegungen nicht stattgefunden haben. Auf derartige Überlegungen weist im Gegenteil (neben den vorstehend zu (aa) ausgeführten Umständen) der - mit der Revisionserwiderung des Klägers und der Revisionserwiderung der Beklagten in Bezug genommene - Vortrag des Klägers hin, die Beklagte habe die Entwicklung der privaten Pflegedienste abwarten wollen. Bei einem solchen Abwarten handelt es sich um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, jedenfalls zu diesem Zeitpunkt von einer Umsatzsteuerbefreiung abzusehen. Die seinerzeit noch sehr begrenzte Bedeutung privater Pflegedienste - als Grundlage einer bewusst noch nicht erfolgten Steuerbefreiung - wird durch den Gesetzentwurf der Bundesregierung sowie die Beschlussempfehlung und den Bericht des Finanzausschusses des Bundestages zu dem - späteren - Steueränderungsgesetz 1992 bestätigt. Dort heißt es jeweils zu der nunmehr in § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG 1992 eingeführten Steuerbefreiung, den ambulanten Pflegeeinrichtungen komme insbesondere in den Großstädten im Hinblick auf den sich verändernden Altersaufbau der Bevölkerung zunehmende Bedeutung zu (BT-Drs. 12/1368, S. 27 und 12/1506, S. 178).
(c) Der vorliegende Fall ist damit nicht mit der Konstellation einer Untätigkeit des nationalen Gesetzgebers vergleichbar, die dem Urteil des Gerichtshofs vom 8. Oktober 1996 in der Rechtssache Dillenkofer (aaO) zu Grunde lag. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass andernfalls eine inhaltlich unzureichende beziehungsweise unvollständige Umsetzung einer Richtlinienbestimmung mit einer völligen gesetzgeberischen Untätigkeit gleichgesetzt würde. Dies erfordert die Rechtsprechung des Gerichtshofs indes nicht. Etwas anderes lässt sich entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht den Entscheidungen in den Rechtssachen Becker und Kügler entnehmen (EuGH, Urteile vom 19. Januar 1982 - 8/81 -, Slg. 1982, I-53, UR 1982, 70 und vom 10. September 2002 aaO). Beide Urteile hatten nicht das Vorliegen eines qualifizierten Unionsrechtsverstoßes zum Gegenstand, sondern die unmittelbare Geltung von Richtlinienbestimmungen. Auch betraf die Rechtssache Becker das Jahr 1979, in dem die Sechste Richtlinie in ihrer Gesamtheit noch nicht umgesetzt war (Urteil vom 19. Januar 1982 aaO Rn. 4, 30).
(3) Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass die Beklagte die Ausübung des ihr bei der Umsetzung der Richtlinie eingeräumten Ermessens vollständig unterlassen hat, begründete dies vorliegend keinen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Unionsrecht.
(a) Das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift ist ein wesentlicher Gesichtspunkt bei der Beurteilung der Qualifizierung des Rechtsverstoßes (siehe oben zu b aa).
Im konkreten Fall waren die Vorgaben in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie jedenfalls bis zur Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache Gregg (Urteil vom 7. September 1999 - C-216/97, Slg. 1999, I-4965, UR 1999, 419) nicht in der Weise eindeutig, dass auch eine natürliche Person - wie hier der Kläger - die Befreiung von der Umsatzsteuer hätte beanspruchen können (BFH, Urteil vom 29. Mai 2008 aaO Rn. 43). Insbesondere war unklar, ob unter den in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g genannten Begriff der "Einrichtungen" auch natürliche Personen fielen. So hatte der Gerichtshof vielmehr in der Rechtssache Bulthuis-Griffioen (Urteil vom 11. August 1995 - C-453/93, Slg. 1995, I-2352, EuZW 1995, 642 Rn. 21) im Gegenteil entschieden, dass nur juristische Personen, nicht aber natürliche Personen in den persönlichen Anwendungsbereich von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie fallen. Erst mit der Rechtssache Gregg wurde unter ausdrücklicher Aufgabe der in der vorgenannten Entscheidung vertretenen Rechtsauffassung geklärt, dass der Begriff "Einrichtungen" natürliche Personen nicht von der Steuerbefreiung ausschließt (EuGH, Urteil vom 7. September 1999 aaO Rn. 15 ff). Es ist daher ein Sachgebiet betroffen, auf dem klare gemeinschaftsrechtliche Vorgaben im maßgebenden Zeitraum zunächst fehlten. Selbst wenn es sich - dem Kläger folgend - bei der Entscheidung in der Rechtssache Bulthuis-Griffioen um eine "Überraschungsentscheidung" gehandelt hätte, folgte daraus nicht das notwendige Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Richtlinienbestimmung.
(b) Die Auffassung des Berufungsgerichts, ein Mitgliedstaat könne sich ohne tatsächliche Ermessensausübung nicht auf ein von der Richtlinie eingeräumtes Ermessen berufen, übersieht, dass es auf die Frage des Umsetzungsermessens nicht ankommen kann, wenn - wie hier - der persönliche Anwendungsbereich nicht hinreichend klar bestimmt und daher bereits ein Umsetzungserfordernis (für natürliche Personen) nicht hinreichend deutlich erkennbar ist. Betraf, was zunächst unklar war, die Steuerbefreiung in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie nicht natürliche Personen, bestand insofern von vorneherein kein - von der Beklagten auszuübendes - Umsetzungsermessen. Dann aber kann ihr nicht als qualifizierter Unionsrechtsverstoß zur Last gelegt werden, ein solches Ermessen nicht ausgeübt zu haben.
(4) Gleiches gilt, wenn man - wie zutreffend (siehe oben zu (2)) - nicht von einer fehlenden Ausübung des von der Richtlinie eingeräumten Umsetzungsermessens, sondern lediglich von einer (bei ex post-Betrachtung) unzureichenden und damit fehlerhaften Umsetzung der streitgegenständlichen Richtlinienbestimmung ausgeht. In diesem Fall wäre eine Haftung der Beklagten nur zu bejahen, wenn sie ihre Befugnisse in offenkundiger und erheblicher Weise überschritten hätte. Dies ist anhand einer Gesamtschau der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festzustellen.
Auch hier ist das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift von Bedeutung (vgl. Senatsurteil vom 12. Mai 2011 aaO Rn. 25 mwN). Wie vorstehend (unter (3) (a)) ausgeführt, waren die Vorgaben in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie bis zur Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache Gregg nicht in der Weise eindeutig, dass auch eine natürliche Person - wie der Kläger - die Befreiung von der Umsatzsteuer hätte beanspruchen können und auch insofern ein Umsetzungserfordernis bestand.
Des Weiteren ist zu berücksichtigen, wie die nationalen Gerichte das Gemeinschaftsrecht im Rahmen von Gerichtsverfahren ausgelegt haben, die von durch die beanstandeten Regelungen Betroffenen anhängig gemacht worden sind (vgl. EuGH, Urteil vom 5. März 1996 aaO Rn. 63; Senatsurteil vom 22. Januar 2009 aaO Rn. 35). Gegen einen offenkundigen Verstoß der Beklagten gegen Gemeinschaftsrecht spricht insofern der Umstand, dass die nationalen Gerichte nach der Umsetzung der Sechsten Richtlinie wiederholt die Gemeinschaftskonformität der Regelungen in § 4 Nr. 14, Nr. 16 und Nr. 18 UStG 1980 bekräftigt und bei ambulanten Pflegediensten keinen Klärungsbedarf gesehen haben (BFH, Beschlüsse vom 10. Juni 1997 aaO; vom 16. Dezember 1993 - V B 124/93, juris Rn. 17 ff und vom 29. Mai 1991 - V B 14/91, juris Rn. 6, 9 f; siehe auch BFH, Urteil vom 29. Mai 2008 aaO Rn. 31). Zudem hat sich der Bundesfinanzhof der Rechtsprechung des Gerichtshofs angeschlossen, natürliche Personen fielen nicht unter den Begriff der "Einrichtungen" und damit nicht in den persönlichen Anwendungsbereich von Art. 13 der Sechsten Richtlinie (DStRE 1998, 893, 894 [zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i]; BFHE 179, 477, 479 [zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n]). Ein Rechtsirrtum der Legislative der Beklagten bei der Frage der Umsatzsteuerbefreiung privater Einrichtungen der ambulanten Pflege, die - wie hier - von natürlichen Personen betrieben werden, begründet vor diesem Hintergrund keinen offenkundigen und damit qualifizierten Verstoß gegen das Unionsrecht.
dd) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegt auch kein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen den in Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b zweiter Spiegelstrich der Sechsten Richtlinie spezifisch statuierten Grundsatz der steuerlichen Neutralität vor.
(1) Nach dieser Regelung sind von der in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie vorgesehenen Steuerbefreiung bestimmte Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen ausgeschlossen, wenn sie im Wesentlichen dazu bestimmt sind, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen durchgeführt werden. Darin liegt eine spezifische Ausprägung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität, dem es insbesondere zuwiderläuft, dass gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich behandelt werden (EuGH, Urteile vom 14. Juni 2007 - C-434/05 - Horizon College, Slg. 2007, I-4821, IStR 2007, 545 Rn. 43 und vom 1. Dezember 2005 - C-394/04 u.a. - Ygeia, Slg. 2005, I-10392, DStRE 2006, 286 Rn. 32). Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität ist bereits dann verletzt, wenn zwei aus der Sicht des Verbrauchers gleiche oder gleichartige Dienstleistungen, die dieselben Bedürfnisse des Verbrauchers befriedigen, hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich behandelt werden (EuGH, Urteil vom 10. November 2011 - C-259/10 u.a. - The Rank Group, Slg. 2011, I-10951, UR 2012, 104 Rn. 36; siehe auch BFHE 243, 435 Rn. 58).
(2) Das Berufungsgericht ist der Auffassung, es liege eine gegen Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b zweiter Spiegelstrich der Sechsten Richtlinie verstoßende steuerliche Ungleichbehandlung vor. Obwohl sich ein Wettbewerb entwickelt habe, seien zwar die Leistungen der Verbände der freien Wohlfahrtspflege und ihrer Mitglieder von der Umsatzsteuer befreit gewesen (§ 4 Nr. 18 UStG 1980), nicht aber die Leistungen der privaten Pflegedienste. Auf eine Gewinnerzielungsabsicht komme es nicht an. Es sei davon auszugehen, dass die Beklagte unter Berücksichtigung von Art. 13 Teil A Absatz 2 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie auch die Pflegedienstleistungen des Klägers umsatzsteuerfrei gestellt hätte.
Diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsfehlern. Schon die Prämisse des Berufungsgerichts, es verstoße gegen die genannte Richtlinienbestimmung, dass die Beklagte die Wohlfahrtsverbände nicht von der Steuerbefreiung ausgenommen habe, ist unrichtig. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs kommt für Tätigkeiten, die den Kernbereich der gemeinschaftsrechtlichen Befreiungsnorm betreffen, ein Ausschluss nach Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b zweiter Spiegelstrich der Sechsten Richtlinie nicht in Betracht (BFHE 247, 369 Rn. 40 f [allgemein und zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b]; BFHE 222, 134, 138 [zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g]; BFHE 243, 435 Rn. 59 und 221, 451, 455 f [zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m]). Entgegen der Auffassung des Klägers betrifft diese Rechtsprechung nicht nur Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Sechsten Richtlinie (vgl. BFHE 222, 134, 138). In diesem Sinn hat auch der Gerichtshof in der Rechtssache Kügler die Befreiung der hauswirtschaftlichen Leistungen eines ambulanten Pflegedienstes nicht an der - von ihm wörtlich zitierten - Wettbewerbsschutzklausel scheitern lassen (vgl. EuGH, Urteil vom 10. September 2002 aaO Rn. 6; so auch BFHE 222, 134, 138). Dem ist das Schrifttum gefolgt (vgl. zu Art. 132 Abs. 1 Buchst. g und Art. 134 Buchst. b der Mehrwertsteuersystemrichtlinie: Erdbrügger in Hartmann/Metzenmacher, UStG, § 4 Nr. 16 Rn. 87 [Stand: Lfg. 6 - VIII/15]; Hölzer in Rau/Dürrwächter, UStG, § 4 Nr. 14 Rn. 61 und § 4 Nr. 16 Rn. 151 [Stand: 10.2018]).
Der Senat schließt sich der vorgenannten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs an. Die Steuerbefreiungen in Art. 13 Teil A Abs. 1 der Sechsten Richtlinie liefen in weiten Teilen leer, würde man auch die zum Kernbereich der jeweiligen Befreiungsnorm gehörenden Tätigkeiten nach Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b zweiter Spiegelstrich ausschließen. Hier gehörten die in Rede stehenden Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung unzweifelhaft zum Kernbereich der Regelung in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g (BFHE 222, 134, 137 f; vgl. auch EuGH, Urteile vom 15. November 2012 aaO Rn. 23 und vom 10. September 2002 aaO Rn. 44, 61).
ee) Die Beklagte hat bei der Umsetzung von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie auch sonst nicht gegen den (allgemeinen) Grundsatz der steuerlichen Neutralität hinreichend qualifiziert verstoßen.
(1) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs haben die nationalen Gerichte zu prüfen, ob die Mitgliedstaaten bei Beachtung der Grundsätze des Gemeinschaftsrechts, insbesondere des Grundsatzes der Gleichbehandlung, der im Mehrwertsteuerbereich im Grundsatz der steuerlichen Neutralität zum Ausdruck kommt, bei der Aufstellung von Bedingungen nicht etwa die Grenzen ihres Ermessens überschritten haben (EuGH, Urteile vom 8. Juni 2006 - C-106/05 - L.u.P., Slg. 2006, I-5139, DStRE 2006, 811 Rn. 48 und vom 26. Mai 2005 aaO Rn. 52 ff). Daraus folgt für Art. 13 Teil A Abs. 1 der Sechsten Richtlinie, dass alle Einrichtungen, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, in Bezug auf ihre Anerkennung bei der Erbringung vergleichbarer Leistungen gleich behandelt werden müssen (EuGH, Urteil vom 15. November 2012 aaO Rn. 43 mwN). Gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Waren oder Dienstleistungen dürfen hinsichtlich der Mehrwertsteuer nicht unterschiedlich behandelt werden (EuGH, Urteile vom 15. November 2012 aaO Rn. 48 und vom 17. Februar 2005 aaO Rn. 24). Dieser Grundsatz ist nach dem Urteil des Gerichtshofs vom 7. September 1999 etwa verletzt, wenn die Steuerbefreiung der in Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und g genannten Einrichtungen von der Rechtsform abhängt, in welcher die Tätigkeit ausgeübt wird (aaO Rn. 20). Zudem steht es dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität zwar nicht entgegen, wenn Einrichtungen, die eine systematische Gewinnerzielung anstreben, die Befreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g gemäß der in Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. a erster Spiegelstrich vorgesehenen Befugnis versagt wird (EuGH, Urteil vom 15. November 2012 aaO Rn. 55). Ist dies aber nicht der Fall, darf die nationale Regelung im Rahmen der Umsetzung von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g keine sachlich unterschiedlichen Bedingungen für Einheiten mit Gewinnerzielungsabsicht einerseits und die unter § 4 Nr. 18 UStG 1980 fallenden juristischen Personen ohne Gewinnerzielungsabsicht andererseits vorsehen (EuGH, Urteile vom 15. November 2012 aaO Rn. 56 ff und vom 26. Mai 2005 aaO Rn. 42).
Im Anwendungsbereich von § 4 Nr. 16 und Nr. 18 UStG 1980 kam es im maßgeblichen Zeitraum aber nicht zu für den Kläger relevanten Wettbewerbsverzerrungen. Das wäre der Fall gewesen, wenn die von § 4 Nr. 18 UStG 1980 erfassten Einrichtungen unter anderen Voraussetzungen von der Mehrwertsteuer befreit gewesen wären als die unter § 4 Nr. 16 UStG 1980 fallenden Einrichtungen. Mit Blick auf den Kläger ist jedoch auch hier zu berücksichtigen, dass die Beklagte in dem in Rede stehenden Zeitraum davon ausgehen durfte, dass natürliche Personen bereits nicht in den persönlichen Anwendungsbereich des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie fielen. Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass der Gerichtshof in der Rechtssache Bulthuis-Griffioen selbst 1995 noch diese Auffassung vertrat (Urteil vom 11. August 1995 aaO). Auch § 4 Nr. 16 UStG 1980 sah damit für natürliche Personen keine Steuerbefreiung vor. Soweit nach der späteren Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache Gregg (Urteil vom 7. September 1999 aaO) auch natürliche Personen die Befreiung der hier streitigen Leistungen von der Umsatzsteuer beanspruchen konnten, stellt es - wie ausgeführt (unter bb) - keinen qualifizierten Verstoß gegen Unionsrecht dar, dass die Beklagte diese Befreiung (unter Beachtung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität) im maßgeblichen Zeitraum nicht in nationales Recht umgesetzt hat.
(2) Zudem ist - betrachtet man die Rechtsprechung des Gerichtshofs und des Bundesfinanzhofs - zu berücksichtigen, dass die vorerörterten Fragen bei der Umsetzung der Steuerbefreiung des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie in das nationale Recht unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität erst nach der dem streitigen Anspruch zugrunde liegenden Steuerfestsetzung in ihrer ganzen Tragweite geklärt wurden. Dies betraf nicht nur die Frage der Rechtsformneutralität in der Rechtssache Gregg (EuGH, Urteil vom 7. September 1999 aaO), sondern darüber hinaus auch die Wahrung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität bei der Anwendung der Steuerbefreiungen in Art. 13 Teil A beginnend mit der Rechtssache Kügler (EuGH, Urteil vom 10. September 2002 aaO) und den hierauf Bezug nehmenden Entscheidungen in den Rechtssachen Dornier (EuGH, Urteil vom 6. November 2003 - C-45/01 - Dornier, Slg. 2003, I-12936, IStR 2004, 20 Rn. 42, 44), Kingscrest Associates und Montecello (EuGH, Urteil vom 26. Mai 2005 aaO), L.u.P. (EuGH, Urteil vom 8. Juni 2006 aaO) und Zimmermann (EuGH, Urteil vom 15. November 2012 aaO). Auch aus diesem Grund kann für die hier zur Entscheidung stehende Zeit ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität nicht angenommen werden.
ff) Schließlich lässt sich ein hinreichend qualifizierter Verstoß auch nicht damit begründen, dass die Beklagte der Vorschrift des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG 1992 keine Rückwirkung beigemessen hat.
Die Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung durch ambulante Pflegedienste waren nach § 4 Nr. 16 UStG 1980 nicht umsatzsteuerfrei. Erst durch Art. 12 Nr. 2 Buchst. c, Art. 40 Abs. 2 Satz 3 des Steueränderungsgesetzes 1992 wurde § 4 Nr. 16 UStG mit Rückwirkung zum 1. Januar 1992 erweitert. Nunmehr waren nach Buchstabe e auch Einrichtungen zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen und Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen unter bestimmten Voraussetzungen von der Steuerbefreiung erfasst.
(1) Vorliegend kann dahinstehen, ob in der Nichtanordnung einer Rückwirkung für den Zeitraum vor dem 1. Januar 1992 unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs (EuGH, Urteile vom 24. Januar 2018 - C-616/16 und 617/16 - Pantuso u.a., juris Rn. 50; vom 25. Februar 1999 - C-131/97 - Carbonari u.a., juris Rn. 53; vom 11. Juli 1991 - C-87/90 u.a. - Verholen, Slg. 1991, I-3783, EuZW 1993, 60 Rn. 28 ff und vom 8. März 1988 - C-80/87 - Dik, Slg. 1988, 1612, juris Rn. 12 ff) ein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht gesehen werden kann. Der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann eine entsprechende Verpflichtung nicht eindeutig entnommen werden. In den Rechtssachen Pantuso und Carbonari hat er lediglich festgestellt, dass eine rückwirkende Inkraftsetzung unionsrechtskonformer Gesetze als Schadenskompensation beziehungsweise Form der Wiedergutmachung ausreichend ist (Ruffert in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl., Art. 340 Rn. 72; Jacob/Kottmann in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 340 AEUV Rn. 182 [Stand: August 2018]). Dort ging es um die Art und Weise der Schadenskompensation, nicht hingegen um die Frage, ob ein qualifizierter Verstoß vorlag, wenn eine Rückwirkung nicht angeordnet wurde.
Im Ansatz zutreffend weist der Kläger zwar weiter darauf hin, dass die - den innerstaatlichen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten überlassenen - Verfahrensmodalitäten, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, nicht ungünstiger sein dürfen als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln (Äquivalenzgrundsatz; vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 5. März 1996 aaO Rn. 83), und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen (Effektivitätsgrundsatz; EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - C-501/12 u.a. - Specht, NVwZ 2014, 1294 Rn. 112 mwN). Ob insofern bei dem im Rahmen des Äquivalenzprinzips anzustellenden Vergleich mit innerstaatlichen Sachverhalten auf die Pflicht zur rückwirkenden Beseitigung eines festgestellten Verfassungsverstoßes abgestellt werden kann (vgl. BVerfGE 145, 106 Rn. 162 ff) und vor diesem Hintergrund ein Verstoß gegen das vorgenannte Prinzip anzunehmen ist, kann aber offen bleiben.
(2) Denn jedenfalls wäre ein etwaiger Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip in Gestalt der fehlenden Rückwirkung der Vorschrift des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG 1992 nicht hinreichend qualifiziert. Die Beklagte hat insofern ihre Befugnisse nicht in offenkundiger und erheblicher Weise überschritten.
(a) Sie hat sich in dem zum Steueränderungsgesetz 1992 führenden Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich mit der Frage einer Rückwirkung auseinandergesetzt.
Das gesetzgeberische Tätigwerden wurde mit der zunehmenden Bedeutung der ambulanten Pflegedienste insbesondere in den Großstädten und der Verbesserung der bestehenden Versorgungsstrukturen bei der Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen begründet (vgl. BT-Drs. 12/1368, S. 27; BT-Drs. 12/1506, S. 178). Nach dem Vortrag des Klägers lag es außerdem darin begründet, dass die Oberfinanzdirektion Hamburg in einer Verfügung im Jahr 1988 darauf hingewiesen hatte, dass die Leistungen der nicht unter § 4 Nr. 18 UStG 1980 fallenden ambulanten Pflegedienste nur im Umfang des § 4 Nr. 14 UStG 1980 steuerbefreit seien und alle übrigen Pflegeleistungen dem vollen Steuersatz unterlägen (UR 1990, 197).
Die neue Regelung sollte Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie entsprechen (vgl. BT-Drs. 12/1368, S. 27; BT-Drs. 12/1506, S. 178). Eine rückwirkende Anwendung - über den 1. Januar 1992 hinaus - wurde gesetzlich nicht vorgesehen, weil Steuervergünstigungen im Interesse einer gleichmäßigen Besteuerung nicht rückwirkend eingeführt werden sollten, um Ungleichbehandlungen zwischen bestandskräftigen und nicht bestandskräftigen Festsetzungen zu vermeiden (vgl. Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 18. März 1994 [Anlage K7]; Schreiben der Bundesministerin für Familie und Senioren vom 17. Juni 1994, S. 2 f [Anlage K 10]). Auch die Vertreter der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder beschlossen, § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG 1992 nicht im Verwaltungswege rückwirkend anzuwenden, weil sachliche Billigkeitsgründe hierfür nicht vorlägen und im Einzelfall aus persönlichen Gründen Billigkeitsmaßnahmen unberührt blieben (Erlass des Hessischen Finanzministeriums vom 9. September 1992, DB 1992, 2321).
(b) Zudem waren die Vorgaben in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie - wie ausgeführt - unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs in der Rechtssache Bulthuis-Griffioen (EuGH, Urteil vom 11. August 1995 aaO) und des Bundesfinanzhofs bis zur Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache Gregg (Urteil vom 7. September 1999 aaO) nicht in der Weise eindeutig, dass auch natürliche Personen wie der Kläger die Befreiung der hier streitigen Leistungen von der Umsatzsteuer hätten beanspruchen können und daher von einer mangelnden Rückwirkung der nationalen Befreiungsregelung betroffen waren.
Selbst wenn der Gesetzgeber im Rahmen des Steueränderungsgesetzes 1992 bereits erkannt haben sollte, dass in Umsetzung der Sechsten Richtlinie auch natürliche Personen als Einrichtungen zur ambulanten Pflege von der Umsatzsteuer zu befreien waren, und dennoch von einer rückwirkenden Befreiung absah, läge hierin noch kein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen das Unionsrecht. Der nationale Gesetzgeber, der bei unklarem Unionsrecht dieses - wie sich erst später herausstellt - zutreffend auslegt, dieser Auslegung aber im Wesentlichen nur für die Zukunft, nicht jedoch rückwirkend Geltung verschafft, verstößt in geringerem Maße gegen das Unionsrecht als der nationale Gesetzgeber, der das (unklare) Unionsrecht unzutreffend auslegt und ihm deshalb überhaupt keine Geltung verschafft. Hätte die Beklagte natürliche Personen nicht in die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG 1992 einbezogen, wäre ihr in Anbetracht der unklaren Unionsrechtslage kein qualifizierter Verstoß gegen das Unionsrecht vorzuwerfen. Dann aber kann ihr ein solcher Verstoß erst recht nicht zur Last gelegt werden, wenn sie das unklare Unionsrecht zutreffend ausgelegt sowie - ab 1992 - umgesetzt hat und ihm lediglich nicht rückwirkend Geltung verschafft hat.
(c) Vor dem Hintergrund der vorstehend dargestellten Überlegungen des deutschen Gesetzgebers und der zu diesem Zeitpunkt noch unklaren Unionsrechtslage hat die Beklagte ihren gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum nicht dadurch offenkundig und erheblich überschritten, dass sie § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG 1992 - jedenfalls in Bezug auf die Befreiung natürlicher Personen von der Umsatzsteuer - keine Rückwirkung beigemessen hat.
2. Ein unionsrechtlicher Staatshaftungsanspruch des Klägers aus eigenem Recht wegen judikativen Unrechts, zu dem das Berufungsgericht von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig keine Feststellungen getroffen hat, besteht ebenfalls nicht. Ein hinreichend qualifizierter beziehungsweise offenkundiger Verstoß des Bundesfinanzhofs gegen das Gemeinschaftsrecht liegt nicht in seiner Entscheidung vom 29. Mai 2008 in dem den Kläger betreffenden Revisionsverfahren - V R 45/06 - (aaO) begründet.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs sind die Grundsätze des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs für Verstöße der Mitgliedstaaten gegen das Gemeinschaftsrecht auch dann anwendbar, wenn der fragliche Verstoß in der Entscheidung eines letztinstanzlichen Gerichts besteht (EuGH, Urteile vom 13. Juni 2006 - C-173/03 - Traghetti del Mediterraneo, Slg. 2006, I-5204, NJW 2006, 3337 Rn. 30 ff und vom 30. September 2003 aaO Rn. 52 ff; siehe auch Senatsbeschluss vom 28. Oktober 2004 - III ZR 294/03, NJW 2005, 747 f). Bei der Entscheidung darüber, ob der Verstoß hinreichend qualifiziert ist, muss unter Berücksichtigung der Besonderheit der richterlichen Funktion sowie der berechtigten Belange der Rechtssicherheit geprüft werden, ob dieser Verstoß offenkundig ist (EuGH, Urteile vom 13. Juni 2006 aaO Rn. 42 und vom 30. September 2003 aaO Rn. 53, 59). Dabei müssen alle Gesichtspunkte des Einzelfalls berücksichtigt werden, zu denen unter anderem das Maß an Klarheit und Präzision der verletzten Vorschrift, die Vorsätzlichkeit des Verstoßes, die Entschuldbarkeit des Rechtsirrtums, gegebenenfalls die Stellungnahme eines Gemeinschaftsorgans sowie die Verletzung der Vorlagepflicht nach Art. 267 AEUV durch das in Rede stehende Gericht gehören (EuGH, Urteile vom 13. Juni 2006 aaO Rn. 32, 43 und vom 30. September 2003 aaO Rn. 54 f). Ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht ist jedenfalls dann hinreichend qualifiziert, wenn die fragliche Entscheidung die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs offenkundig verkennt (EuGH, Urteil vom 30. September 2003 aaO Rn. 56).
b) Dies zu Grunde gelegt, hat der Bundesfinanzhof nicht offenkundig und somit nicht hinreichend qualifiziert gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßen.
aa) Er hat insbesondere die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Überprüfung und Rücknahme bestandskräftiger Steuerbescheide nicht offenkundig verkannt.
(1) Der Bundesfinanzhof geht in seiner Entscheidung vom 29. Mai 2008 davon aus, dass allein ein Widerspruch der festgesetzten Steuer zu einer später entwickelten oder geänderten Rechtsprechung keinen Steuererlass rechtfertigt. Voraussetzung für einen Erlass im Billigkeitsverfahren nach § 227 AO sei vielmehr nach seiner ständigen Rechtsprechung, dass die Steuerfestsetzung - aus ex-ante-Sicht - offensichtlich und eindeutig unrichtig und es dem Steuerpflichtigen nicht zuzumuten gewesen sei, sich hiergegen in dem dafür vorgesehenen Festsetzungsverfahren rechtzeitig zu wehren. Dies stehe im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Bedeutung der Bestandskraft, die er in der Rechtssache Kempter betont habe (BFH aaO Rn. 26 f, 29 unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 12. Februar 2008 - C-2/06, Slg. 2008, I-448, NVwZ 2008, 870 Rn. 37). Hier habe jedoch die Entscheidung im Festsetzungsverfahren der damaligen Rechtslage entsprochen (aaO Rn. 26).
(2) Diese Bewertung lässt einen offenkundigen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht nicht erkennen. Allein der Umstand, dass § 227 AO dafür in Betracht kommt, Widersprüche zwischen dem Unionsrecht und dem deutschen Steuerrecht zu beseitigen, rechtfertigt es nicht, die Bestandskraft eines Steuerbescheides zu durchbrechen. Der Bundesfinanzhof hat nachvollziehbar und zumindest vertretbar dargelegt, warum § 227 AO keine Anwendung findet. Er hat unter Berücksichtigung der Entscheidungen in den Rechtssachen Kempter sowie Kühne & Heitz (EuGH, Urteile vom 12. Februar 2008 aaO und vom 13. Januar 2004 - C-453/00, Slg. 2004, I-858, NVwZ 2004, 459 Rn. 24) zutreffend festgestellt, dass die Rechtssicherheit zu den im Gemeinschaftsrecht anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehört. Daher verlangt es das Gemeinschaftsrecht nicht, dass eine Verwaltungsbehörde grundsätzlich verpflichtet ist, eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung zurückzunehmen (EuGH, Urteile vom 13. Januar 2004 und vom 12. Februar 2008 jew. aaO). Nach der Kühne & Heitz- Rechtsprechung des Gerichtshofs (aaO Rn. 28) ist die Behörde ausnahmsweise auf einen entsprechenden Antrag hin verpflichtet, eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung zu überprüfen, um der mittlerweile vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung der einschlägigen Bestimmung Rechnung zu tragen, wenn
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die Behörde nach nationalem Recht befugt ist, diese Entscheidung zurückzunehmen, |
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die Entscheidung infolge eines Urteils eines in letzter Instanz entscheidenden nationalen Gerichts bestandskräftig geworden ist, |
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das Urteil, wie eine nach seinem Erlass ergangene Entscheidung des Gerichtshofs zeigt, auf einer unrichtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts beruht, die erfolgt ist, ohne dass der Gerichtshof um Vorabentscheidung ersucht wurde, obwohl der Tatbestand des Artikels 234 Abs. 3 EG (jetzt Art. 267 Abs. 3 AEUV) erfüllt war, und |
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der Betroffene sich, unmittelbar nachdem er Kenntnis von der besagten Entscheidung des Gerichtshofs erlangt hat, an die Verwaltungsbehörde gewandt hat. |
Der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil vom 29. Mai 2008 nachvollziehbar und vertretbar ausgeführt, dass ein solcher Aufhebungsanspruch jedenfalls daran scheitert, dass das innerstaatliche Recht keine Vorschrift zur Korrektur bestandskräftiger Steuerbescheide wegen späterer Änderungen der Rechtsprechung kennt (aaO Rn. 38). Das Billigkeitsverfahren stellt gemäß § 227 AO keine Änderungsmöglichkeit im Sinne der - vorstehend wiedergegebenen - Rechtsprechung des Gerichtshofs dar. Danach regelt das sorgfältig austarierte Korrektursystem der §§ 172 ff AO die Durchsetzung auch der sich aus dem Unionsrecht ergebenden Ansprüche abschließend. Weitergehende Korrekturmöglichkeiten für Steuerbescheide muss das nationale Verfahrensrecht wegen des Grundsatzes der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten auch nach den Vorgaben des Unionsrechts nicht vorsehen (BFHE 248, 485 Rn. 59, 61). Letzterem kann nicht entnommen werden, dass eine unionsrechtswidrige, aber rechtskräftig festgesetzte Steuer erstattet werden muss (BFH aaO Rn. 45 mwN aus der Rechtsprechung des EuGH).
(3) Entgegen der Auffassung des Klägers verstößt die vorgenannte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs auch nicht (offenkundig) gegen die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität.
Die deutschen Verfahrensmodalitäten, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, sind in vorliegendem Zusammenhang nicht ungünstiger als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln (Äquivalenz). Der Bundesfinanzhof hat im Hinblick auf den Effektivitätsgrundsatz erkannt, dass dem Kläger die Ausübung der Gemeinschaftsrechte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden darf (BFH, Urteil vom 29. Mai 2008 aaO Rn. 39). Er hat dies aber mit Blick auf die Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache i-21 Germany GmbH (EuGH, Urteil vom 19. September 2006 - C-392/04 u.a., Slg. 2006, I-8591, NVwZ 2006, 1277 Rn. 57 ff) verneint. Nach dieser Entscheidung müssen die Betroffenen gegen Gebührenbescheide innerhalb einer angemessenen Frist ab ihrer Bekanntgabe einen Rechtsbehelf einlegen und die ihnen aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte geltend machen können (aaO Rn. 59). Insoweit hat der Bundesfinanzhof zu Recht auf die vom Kläger nicht erhobene Klage gegen die Steuerfestsetzung verwiesen (BFH aaO Rn. 40).
(4) Folglich kommt es auf die - vom Bundesfinanzhof ebenfalls verneinte (Urteil vom 29. Mai 2008 aaO Rn. 38) - zweite Voraussetzung der Kühne & Heitz-Rechtsprechung des Gerichtshofs (infolge eines Urteils eines letztinstanzlichen nationalen Gerichts bestandskräftige Behördenentscheidung) nicht mehr an.
bb) Der Bundesfinanzhof hat in dem Verfahren - V R 45/06 - auch nicht die Vorlagepflicht nach Art. 234 Abs. 3 EG (jetzt Art. 267 Abs. 3 AEUV) verletzt, weil er es unterlassen hat, den Gerichtshof zu fragen, wie dessen Entscheidung in der Rechtssache Kühne & Heitz (EuGH, Urteil vom 13. Januar 2004 aaO) zu verstehen ist.
(1) Unter den Voraussetzungen des Art. 234 Abs. 3 EG muss ein letztinstanzlich entscheidendes Gericht seiner Vorlagepflicht nachkommen, wenn sich in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine Frage des Unionsrechts stellt. Hiervon ist es nur enthoben, wenn die Frage nicht entscheidungserheblich ist, sie bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (acte clair; st. Rspr., z.B. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81 - CILFIT, Slg. 1982, 3415, NJW 1983, 1257, 1258).
(2) Der Bundesfinanzhof hat keinen Anlass zu einem Vorabentscheidungsverfahren gesehen, weil er die vom Kläger genannten Fragen als geklärt angesehen hat (BFH, Urteil vom 29. Mai 2008 aaO Rn. 45). Dies war zumindest vertretbar. Insofern wird auf die vorstehenden Ausführungen (zu aa (2)) Bezug genommen. Auch wenn man mit dem Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts davon ausgeht, dass der Gerichtshof die Fragen zur Durchbrechung der Bestandskraft unionsrechtswidriger Steuerbescheide bisher noch nicht erschöpfend beantwortet hat, ist nicht erkennbar, dass der Bundesfinanzhof den ihm zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat. Das gilt insbesondere für die Annahme, dass die Behörde nach nationalem Recht befugt sein müsse, den sich im Nachhinein als unionsrechtswidrig erweisenden Hoheitsakt zurückzunehmen (BVerfG, NVwZ 2012, 1033, 1034 unter Bezugnahme auf BVerfG, UR 2008, 884, 886). Aus dem Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 4. September 2008 (UR 2008 aaO) ist keine verfassungsrechtliche Pflicht des Bundesfinanzhofs zur Vorlage an den Gerichtshof abzuleiten, denn in dieser Entscheidung wurde die Vertretbarkeit der damaligen Auffassung des Bundesfinanzhofs zur inhaltlichen Frage und zur Vorlage an den Gerichtshof ausdrücklich bejaht und näher begründet. Auch vor dem Hintergrund der seitherigen Entwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofs verbleibt die Auffassung des Bundesfinanzhofs vielmehr innerhalb seines Beurteilungsrahmens (BVerfG, NVwZ 2012, 1033, 1034).
Der Bundesfinanzhof musste den Gerichtshof auch nicht fragen, ob die Auslegung von § 227 AO mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung vereinbar ist, insbesondere ob eine Gleichbehandlung mit § 130 AO (Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts) eine andere Auslegung von § 227 AO gebietet. Die Auffassung des Klägers, der Grundsatz der Gleichbehandlung gebiete eine Auslegung von § 227 AO wie § 130 AO, überzeugt nicht. Der Bundesfinanzhof hat zutreffend ausgeführt, dass ein Erlass keine Änderungsmöglichkeiten schaffen darf, die das Gesetz in §§ 172 ff AO nicht vorsieht. Ein Steuerbescheid kann nur aufgrund der §§ 172 ff AO geändert werden, während sonstige Steuerverwaltungsakte nach § 130 AO zurückgenommen werden können. Diese ausdrückliche gesetzliche Differenzierung zwischen Steuerbescheid und sonstigem Steuerverwaltungsakt erlaubt es nicht, im Rahmen des Billigkeitsverfahrens zur Auslegung von § 227 AO die Änderungsmöglichkeit nach § 130 AO heranzuziehen oder auf die Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes zurückzugreifen (vgl. BFHE 248, 485 Rn. 28). Dass diese Differenzierung mit dem Unionsrecht in Widerspruch stehen könnte und daher Anlass für eine Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 AEUV gibt, ist nicht ersichtlich.
(3) Selbst wenn der Bundesfinanzhof aber seine Vorlagepflicht verletzt hätte, ist zu berücksichtigen, dass nicht jeder objektive Verstoß gegen die Vorlagepflicht zur unionsrechtlichen Haftung führt, sondern es sich nur um einen von mehreren zu berücksichtigenden Gesichtspunkten des Einzelfalls zur Beurteilung eines offenkundigen und damit hinreichend qualifizierten Verstoßes handelt (siehe vorstehend zu a). Weitere Umstände, die auf einen qualifizierten Verstoß deuten, werden durch den Kläger nicht aufgezeigt und sind nach den vorangehenden Ausführungen auch sonst nicht ersichtlich.
3. Das Berufungsgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass ein Anspruch des Klägers aus abgetretenem Recht wegen legislativen Unrechts gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB verjährt ist. Die von der Beklagten in Abrede gestellte Wirksamkeit der Abtretung kann deshalb dahinstehen.
a) Zu Recht hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass die Verjährung eines solchen Anspruchs des Zedenten nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres 2002 begann, weil dem Zedenten zu diesem Zeitpunkt die Erhebung einer Schadensersatzklage zuzumuten war.
aa) Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 12. Dezember 2013 - III ZR 102/12, juris Rn. 36 und vom 4. Juni 2009 - III ZR 144/05, BGHZ 181, 199 Rn. 38 ff [dort u.a. Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 24. März 2009 - C-445/06 - Danske Slagterier, Slg. 2009, I-2168, NVwZ 2009, 771 Rn. 27 ff]) gilt (auch) für den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch nach Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB seit dem 1. Januar 2002 die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB. Sie beginnt unter den Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 BGB. Die insoweit erforderliche Kenntnis beziehungsweise grob fahrlässige Unkenntnis ist vorhanden, wenn der Geschädigte aufgrund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine bestimmte Person eine Schadensersatzklage, sei es nur eine Feststellungsklage, erheben kann, die bei verständiger Würdigung so viel Erfolgsaussicht hat, dass sie ihm zumutbar ist (st. Rspr., siehe nur Senatsurteile vom 23. Juli 2015 - III ZR 196/14, NVwZ 2016, 708 Rn. 15; vom 21. April 2005 - III ZR 264/04, NVwZ 2006, 245, 248 und vom 6. Mai 1993 - III ZR 2/92, BGHZ 122, 317, 325). Die Frage, wann dem Geschädigten eine Klage zumutbar ist, beurteilt sich nach ähnlichen Gesichtspunkten, wie der Senat sie für den Gebrauch eines Rechtsmittels im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB angenommen hat (zur Zumutbarkeit der Klageerhebung im Amtshaftungsrecht: Senat, Urteil vom 11. Mai 1989 - III ZR 88/87, NJW 1990, 245, 247; Beschluss vom 31. Januar 2014 - III ZR 84/13, juris Rn. 6; jeweils mwN). Zwar ist in der Regel nicht erforderlich, dass der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht. Ausnahmsweise kann die Rechtsunkenntnis den Verjährungsbeginn aber hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag. In diesen Fällen fehlt es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung (st. Rspr.; siehe nur Senatsurteile vom 3. März 2005 - III ZR 353/04, NJW-RR 2005, 1148, 1149 und vom 14. März 2002 - III ZR 302/00, BGHZ 150, 172, 186; jeweils mwN).
bb) So liegt der Fall hier bis in das Jahr 2002, so dass die Verjährung nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss dieses Jahres begann.
(1) Der Zedent wusste zwar mit Erhalt des Umsatzsteuerbescheides, dass er mit den dortigen - vorliegend als Schaden geltend gemachten - Beträgen belastet wird, hatte mithin Kenntnis von einer konkreten Vermögensminderung (zum Beginn der Verjährung des Amtshaftungsanspruchs mit der formellen Bestandskraft des Steuerbescheids vgl. Senat, Urteil vom 12. Mai 2011 - III ZR 59/10, BGHZ 189, 365 Rn. 39, 41). Ferner war ihm bekannt, dass er diese Beträge an den Staat abführte, kannte also die Person des (potentiellen) Schuldners. Auch waren die Grundlagen und Voraussetzungen, unter denen ein gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftungsanspruch wegen legislativen Unrechts geltend gemacht werden konnte, seit der Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache Brasserie du Pêcheur und Factortame (EuGH, Urteil vom 5. März 1996 - C-46/93 und C- 48/93, Slg. 1996, I-1131, NJW 1996, 1267) geklärt (vgl. Senat, Beschluss vom 12. Oktober 2006 - III ZR 144/05, NVwZ 2007, 362 Rn. 28).
(2) Jedoch war die Rechtslage vor dem Hintergrund der - vorstehend (zu 1 b bb (4)) dargelegten - herrschenden Rechtsauffassung zu § 4 Nr. 14, Nr. 16 UStG 1980 und Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c und g der Sechsten Richtlinie bis zu dem - klarstellenden und dem Zedenten günstigen - Urteil des Gerichtshofs vom 10. September 2002 in der Rechtssache Kügler (aaO) noch so unsicher und zweifelhaft, dass dem Zedenten eine Klageerhebung nicht zumutbar war. Erst im Anschluss an diese Entscheidung lag keine unsichere und zweifelhafte Rechtslage mehr vor und war es dem Zedenten zumutbar, einen Ersatzanspruch geltend zu machen. Billigt man ihm eine Frist von drei Monaten zu, um die Auswirkungen der genannten Entscheidung auf seine Situation zu überprüfen, wäre ihm Ende des Jahres 2002 die Erhebung einer Schadensersatzklage zuzumuten gewesen.
(3) Soweit das Berufungsgericht - wenn auch nur im Hinblick auf eigene Ansprüche des Klägers - und die Beklagte demgegenüber darauf abstellen, dem Kläger sei bereits mit dem Bekanntwerden der Vorlageentscheidung des Bundesfinanzhofs vom 3. Februar 2000 (BFHE 191, 76) eine Klageerhebung zumutbar gewesen, vermag sich der Senat dem - in Bezug auf die Verjährung des abgetretenen Anspruchs - nicht anzuschließen. Ab dem vorgenannten Zeitpunkt konnte der Zedent allenfalls die Möglichkeit einer Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der fehlenden nationalen Umsatzsteuerbefreiung für den hier maßgeblichen Veranlagungszeitraum kennen. Die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit war indes so unsicher, dass ihm die Erhebung einer Schadensersatzklage noch nicht zumutbar war. Auch ein rechtskundiger Dritter vermochte auf der Grundlage der Vorlageentscheidung die zweifelhafte und unsichere Rechtslage nicht zuverlässig einzuschätzen. Es waren gerade die Zweifel bei der Auslegung des Unionsrechts, insbesondere darüber, ob Leistungen der ambulanten Krankenpflege unter Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie fallen und ob sich ein Steuerpflichtiger auf diese Bestimmung berufen kann, die den Bundesfinanzhof zur Anrufung des Gerichtshofs veranlassten (Beschluss vom 3. Februar 2000 aaO S. 82 f). Die Vorlageentscheidung allein ließ noch keine Abkehr von der bisherigen herrschenden Rechtsauffassung erwarten. Es fehlte vielmehr an der notwendigen Herausbildung einer entsprechenden gefestigten Auffassung (siehe dazu BGH, Urteil vom 4. Juli 2017 - XI ZR 562/15, NJW 2017, 2986 Rn. 98 f, zur Veröffentlichung in BGHZ 215, 172 vorgesehen; Beschluss vom 16. Dezember 2015 - XII ZB 516/14, BGHZ 208, 210 Rn. 34).
(4) Umgekehrt hat entgegen der Auffassung des Klägers die Verjährungsfrist allerdings auch nicht erst Ende 2005, nach den Urteilen des Bundesfinanzhofs vom 22. April 2004 (BFHE 205, 514) und vom 18. Januar 2005 (HFR 2005, 1010), begonnen. Vielmehr hatte der Zedent bereits nach der Klärung der Rechtslage durch das Urteil des Gerichtshofs vom 10. September 2002 (aaO) dahingehend, dass Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie darstellen und sich ein Steuerpflichtiger auf diese Bestimmung vor einem nationalen Gericht berufen kann, eine in vorstehendem Sinne ausreichende Kenntnis von den für einen unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch wegen legislativen Unrechts maßgebenden Tatsachen. Ab diesem Zeitpunkt war er in der Lage, eine hinreichend aussichtsreiche und ihm zumutbare Klage zu erheben. Auf die konkrete Anwendung dieser Rechtsprechung durch die nationalen Gerichte und die durch sie gegebenenfalls erzielbare noch höhere Gewissheit hinsichtlich der Erfolgsaussicht einer Klage kam es dagegen nicht an. Es hat auf den Lauf der Verjährungsfrist grundsätzlich keinen Einfluss, wenn bestimmte Fragen in einem Parallelverfahren ebenfalls zu beantworten sind und der Geschädigte den Ausgang eines solchen Verfahrens abwarten möchte (Senat, Urteil vom 4. Juni 2009 aaO Rn. 34). Hier kann nichts anderes gelten.
b) Ob die Verjährung in der Folgezeit in entsprechender Anwendung der § 204 Abs. 1 Nr. 1, § 209 BGB durch den Erlassantrag des Zedenten vom 3. Juni 2004 gehemmt wurde, bedarf keiner Entscheidung. Denn selbst für den Fall, dass dies zu bejahen sein sollte, wären etwaige Ansprüche des Klägers aus abgetretenem Recht wegen legislativen Unrechts gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB verjährt. Die durch den Erlassantrag bewirkte Hemmung der Verjährung hätte sich fortgesetzt in der von dem Zedenten vor dem Finanzgericht B. erhobenen Klage gegen den den Erlass ablehnenden Bescheid und die hierauf bezogene Einspruchsentscheidung sowie anschließend in der gegen die Klageabweisung gerichteten Nichtzulassungsbeschwerde des Zedenten vor dem Bundesfinanzhof. Sie hätte entsprechend § 204 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1, § 209 BGB sechs Monate nach der am 28. April 2011 erfolgten, die Verkündung ersetzenden Zustellung (§ 104 Abs. 3 FGO) des die Nichtzulassungsbeschwerde zurückweisenden Beschlusses des Bundesfinanzhofs vom 1. April 2011 und mithin am 28. Oktober 2011 geendet. Am Folgetag (29. Oktober 2011) wäre - bei Unterstellung einer verjährungshemmenden Wirkung des Erlassantrages vom 3. Juni 2004 - eine (restliche) Verjährungsfrist von 577 Tagen bis zum 27. Mai 2013 weitergelaufen, so dass mit dessen Ablauf der Anspruch des Zedenten verjährt gewesen wäre. Eine weitere Verjährungshemmung trat nicht ein. Denn der Kläger hat den Anspruch aus abgetretenem Recht erst mit bei Gericht am 1. April 2014 eingegangenem Schriftsatz geltend gemacht.
c) Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass sich der Kläger nicht auf eine andauernde verjährungshemmende Wirkung des - nicht beschiedenen - Erlassantrages des Zedenten vom 10. Oktober 1994 berufen kann. Dem steht der - von Amts wegen zu berücksichtigende - Einwand der Verwirkung entgegen.
aa) Die Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen der illoyal verspäteten Geltendmachung von Rechten (§ 242 BGB) setzt neben einem Zeit- ein Umstandsmoment voraus. Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Urteil vom 20. Juli 2017 - III ZR 545/16, WM 2017, 1800 Rn. 27 mwN; zur Verwirkung im Abgabenrecht vgl. Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 4 Rn. 169 ff mwN [Stand: 10.2018]). Zur Beurteilung, ob nach diesen Maßstäben Verwirkung eingetreten ist, sind die besonderen Umstände des Falles tatrichterlich zu würdigen (BGH, Urteil vom 16. Mai 2017 - XI ZR 586/15, WM 2017, 1258 Rn. 27 mwN; Drüen in Tipke/Kruse aaO Rn. 173 mwN).
bb) Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht angenommen, der Kläger könne sich im Hinblick auf den Erlassantrag des Zedenten vom 10. Oktober 1994 nicht auf die Untätigkeit der Finanzbehörden berufen, weil dieser Einwand verwirkt sei.
Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Berufungsurteil beruht auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage, berücksichtigt alle erheblichen Gesichtspunkte, verstößt nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze und geht nicht von einem falschen Wertungsmaßstab aus. Erhebliche, vom Berufungsgericht übersehene Umstände trägt der Kläger nicht vor.
Das Berufungsgericht ist zutreffend vom Vorliegen nicht nur des Zeit-, sondern auch des Umstandsmoments der Verwirkung ausgegangen. Der Zedent hatte bereits vor dem Erlassantrag im Jahr 1992 Klage gegen die - seinen Einspruch gegen die Festsetzung der Umsatzsteuer für das Jahr 1989 zurückweisende - Behördenentscheidung erhoben. Seine Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Klageabweisung durch das Finanzgericht wies der Bundesfinanzhof mit Beschluss vom 10. Juni 1997 (aaO) zurück. Nachdem der Zedent in der Folge den Erlassantrag vom 10. Oktober 1994 nicht mehr weiterverfolgte, durfte sich die Finanzbehörde darauf einrichten, er werde seine diesbezüglichen Rechte nicht mehr geltend machen.
Letzteres gilt umso mehr, als der Zedent in Kenntnis des Umstandes, dass über seinen Erlassantrag aus dem Jahr 1994 noch immer nicht entschieden worden war, keinen Untätigkeitseinspruch nach § 347 Abs. 1 Satz 2 AO einlegte. Ein solcher Einspruch ist zulässig, wenn über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes binnen angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist. Welche Frist angemessen ist, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab (vgl. Seer in Tipke/Kruse, aaO § 347 AO Rn. 27). Der Senat geht davon aus, dass eine Entscheidung über den Erlassantrag nach Abschluss des finanzgerichtlichen Verfahrens jedenfalls bis Ende des Jahres 1997 möglich und angemessen gewesen wäre. Im Anschluss daran unterließ es der Zedent, einen Untätigkeitseinspruch bei den Finanzbehörden einzulegen. Damit stärkte er deren Vertrauen, er werde Rechte aus dem Erlassantrag vom 10. Oktober 1994 nicht mehr geltend machen.
Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang auch dem erneuten, mit Anwaltsschriftsatz vom 3. Juni 2004 gestellten Erlassantrag des Zedenten zu. Darin wird der - denselben Steuersachverhalt betreffende und von demselben Rechtsanwalt für den Zedenten gestellte - Erlassantrag vom 10. Oktober 1994 nicht erwähnt. Dieses Verhalten konnten die Finanzbehörden (erneut) dahingehend verstehen und entsprechend darauf vertrauen, dass der Antrag vom 10. Oktober 1994 nicht weiterverfolgt werden und allein der Erlassantrag vom 3. Juni 2004 maßgebend sein sollte.
Soweit der Kläger geltend macht, die Finanzbehörden hätten sich nicht darauf eingerichtet, dass der Zedent seinen Antrag nach § 227 AO nicht weiterverfolgen werde, trifft dies nicht zu. Sie durften in Anbetracht der vorgenannten Umstände darauf vertrauen, dass der Zedent an seinem Antrag vom 10. Oktober 1994 nicht mehr festhält, und richteten sich auch hierauf ein, indem sie allein noch den neueren Erlassantrag vom 3. Juni 2004 beschieden. Eine Bescheidung des - nach der Darstellung des Klägers - noch heute offenen Erlassantrages aus dem Jahr 1994 war und ist ihnen nicht zumutbar. Dies muss sich auch der Kläger als Zessionar entgegenhalten lassen (§ 404 BGB; vgl. BGH, Urteil vom 19. Oktober 2005 - XII ZR 224/03, juris Rn. 27 zur Geltung von § 404 BGB im Hinblick auf den Einwand der Verwirkung).
d) Das Berufungsgericht hat, soweit es von einer Verjährung des auf legislatives Unrecht gestützten Staatshaftungsanspruchs des Zedenten ausgegangen ist, den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) entgegen der Rüge des Klägers nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
Ob eine Gehörsverletzung darin zu sehen ist, dass das Berufungsgericht den Anspruch des Klägers aus abgetretenem Recht als verjährt angesehen hat, obwohl es zuvor darauf hingewiesen hatte, der Anspruch sei nicht verjährt, weil eine Hemmung der Verjährung durch einen Antrag gemäß § 227 AO unter dem Gesichtspunkt des Vorrangs des Primärrechtsschutzes in Betracht komme (Hinweisverfügung vom 27. Februar 2017), kann dahinstehen. Denn eine solche Gehörsverletzung wäre jedenfalls nicht entscheidungserheblich. Selbst bei Gewährung rechtlichen Gehörs wäre keine für den Kläger günstigere Entscheidung zu erwarten gewesen.
aa) Die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör hat nur dann Erfolg, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG beruht, wenn also nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Anhörung das Gericht zu einer anderen Beurteilung des Sachverhalts oder in einem wesentlichen Punkt zu einer anderen Würdigung veranlasst oder im Ganzen zu einer anderen, ihm günstigeren Entscheidung geführt hätte. Insoweit hat die darauf gerichtete Rüge auszuführen, wie die Partei auf einen entsprechenden Hinweis reagiert hätte, insbesondere was sie im Einzelnen vorgetragen hätte und wie sie weiter vorgegangen wäre (BVerfG, MDR 2018, 614 Rn. 7; Senat, Urteil vom 16. Oktober 2008 - III ZR 253/07, NJW 2009, 148 Rn. 10; jeweils mwN).
bb) Der Kläger hat insoweit zwar in seiner Revisionsbegründung (S. 83 ff) eine Reihe von Argumenten ausgeführt, die er wohl bereits dem Berufungsgericht vorgetragen hätte, wenn er rechtzeitig auf eine mögliche Verjährung des Anspruchs aus abgetretenem Recht hingewiesen worden wäre. Auch unter Berücksichtigung dieses Vortrags hätte indes - wie vorstehend (unter a bis c) ausgeführt - keine für den Kläger günstigere Entscheidung ergehen können.
4. Ohne Erfolg beruft sich der Kläger schließlich auf einen unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch aus abgetretenem Recht des Zedenten wegen judikativen Unrechts aufgrund der in dessen Verfahren ergangenen Entscheidungen des Bundesfinanzhofs.
a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass ein solcher Anspruch gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB verjährt ist, soweit er auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 10. Juni 1997 (aaO) gestützt wird. Nach den vorstehenden Ausführungen (zu 3 b) ist im Hinblick auf einen mit legislativem Unrecht begründeten gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch des Zedenten mit Ablauf des 27. Mai 2013 Verjährung eingetreten, so dass der am 1. April 2014 bei Gericht eingegangene Schriftsatz des Klägers, mit dem dieser Anspruch erstmals geltend gemacht worden ist, die Verjährung nicht mehr hemmen konnte. Gleiches gilt für einen etwaigen mit judikativem Unrecht begründeten Staatshaftungsanspruch des Zedenten, soweit dieser vom Kläger auf die Fehlerhaftigkeit der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 10. Juni 1997 gestützt wird.
b) Ein - an den Kläger abgetretener - unionsrechtlicher Staatshaftungsanspruch des Zedenten wegen judikativen Unrechts kann auch nicht auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 1. April 2011 (aaO) gestützt werden. Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, dass insofern kein qualifizierter Verstoß des Bundesfinanzhofs gegen Unionsrecht vorliegt, weil dieser weder die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs offenkundig verkannt noch seine Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV verletzt hat. Daher kann dahinstehen, ob der diesbezügliche Vortrag des Klägers überhaupt ausreichend ist, was das Berufungsgericht verneint hat.
aa) Der Bundesfinanzhof hat nicht offenkundig die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs verkannt. Ein Erlass der Umsatzsteuer im Billigkeitsverfahren nach § 227 AO schied nach den vorstehenden Ausführungen (zu 2 b aa (2)) - wegen fehlender offensichtlicher und eindeutiger Unrichtigkeit der Steuerfestsetzung - ebenso aus wie - mangels nationaler Befugnis zur Rücknahme - eine Überprüfung und Aufhebung des Steuerbescheids nach den Rechtsgrundsätzen der Kühne & Heitz-Rechtsprechung des Gerichtshofs. Die Ausgangssituation des Zedenten war insoweit mit der des Klägers vergleichbar, weil es in beiden Fällen an einer Befugnis nach nationalem Recht fehlte, die Entscheidung zurückzunehmen. Auf den bei Anwendung der Kühne & Heitz-Rechtsprechung zu berücksichtigenden Umstand, dass sich der Zedent - anders als der Kläger - vor den Finanzgerichten gegen die Festsetzung gewehrt hat, kommt es daher nicht an.
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass Ziel des Zedenten im Rahmen der Billigkeitsmaßnahme nicht nur - wie im Fall des Klägers - die faktische Änderung eines bestandskräftigen Steuerbescheids war. Er wollte vielmehr - im wirtschaftlichen Ergebnis - auch die Rückgängigmachung einer ihm gegenüber ergangenen letztinstanzlichen Gerichtsentscheidung erreichen, nämlich des seine Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Finanzgerichts zurückweisenden Beschlusses des Bundesfinanzhofs vom 10. Juni 1997. Die Frage, ob ein Erlass aus Billigkeitsgründen gemäß § 227 AO möglich ist, wenn ein rechtskräftiges Urteil dem inhaltlich entgegensteht, wird in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nicht einheitlich beantwortet (vgl. hierzu BFHE 248, 485 Rn. 33 ff mwN). Selbst wenn dies zu bejahen sein sollte, kommt eine Billigkeitsmaßnahme, die sich über die Rechtskraft eines Urteils hinwegsetzt, nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht, da bei der Prüfung der sachlichen Unbilligkeit der hohe Stellenwert der Rechtskraft zu berücksichtigen ist. Dies setzt voraus, dass das Urteil so offenbar unrichtig ist, dass dessen Fehlerhaftigkeit ohne Weiteres erkannt werden konnte (BFH aaO Rn. 36 ff, 39).
Auch das Unionsrecht fordert nicht, dass eine unionsrechtswidrige, aber rechtskräftig festgesetzte Steuer erstattet werden muss (BFH aaO Rn. 45 ff mwN aus der Rechtsprechung des EuGH). Der Effektivitätsgrundsatz ist gewahrt, weil es dem Betroffenen nicht unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird, die ihm durch das Unionsrecht vermittelten Rechte geltend zu machen (BFH aaO Rn. 50 unter Bezugnahme auf das Urteil des Gerichtshofs vom 19. September 2006 - C-392/04 u.a. - i-21 Germany, Slg. 2006, I-8591, NVwZ 2006, 1277; vgl. hierzu bereits oben unter 2 b aa (3)). Gleiches gilt für das Äquivalenzprinzip. Denn nach deutschem Verfahrensrecht kommt ein Billigkeitserlass bei Verstößen gegen deutsche Rechtsgrundsätze und Normen ebenfalls nur bei eindeutigen und offensichtlichen Fehlern eines rechtskräftigen, den Steuerbescheid bestätigenden Urteils in Betracht (BFH aaO Rn. 52 f).
bb) Der Bundesfinanzhof hat mit seiner Entscheidung vom 1. April 2011 auch nicht die Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV verletzt. Der Kläger beanstandet insoweit die mangelnde Vorlage der in dem Verfahren vor dem Bundesfinanzhof vom Zedenten mit Schriftsatz vom 2. November 2010 benannten Fragen (Anlage K 20, S. 1, 22 ff) an den Gerichtshof.
(1) Der Bundesfinanzhof hat diese Fragen unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Vorlagepflicht gemäß § 267 Abs. 3 AEUV zumindest vertretbar als geklärt beziehungsweise als nicht entscheidungserheblich angesehen (aaO Rn. 14 ff) und deshalb von einer Vorlage an den Gerichtshof abgesehen.
Die Vorlagefragen des Zedenten betreffend die Zulassung von Rechtsmitteln (Anlage K 20, S. 1) waren nicht entscheidungserheblich. Denn selbst bei ihrer Beantwortung im Sinne des Zedenten wäre eine Zulassung der Revision durch den Bundesfinanzhof nicht in Betracht gekommen, weil die insofern vom Zedenten formulierten materiellen Vorlagefragen zur Auslegung der Kühne & Heitz-Entscheidung des Gerichtshofs (Anlage K 20, S. 22 ff) vom Bundesfinanzhof nachvollziehbar und zumindest nicht unvertretbar als geklärt angesehen werden konnten (vgl. BFH aaO Rn. 18 f):
Die dortige Vorlagefrage Nr. 1 betrifft die Auslegung von § 227 AO im Lichte des unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatzes. Sie ist dahingehend geklärt, dass in der Auslegung und Anwendung von § 227 AO durch den Bundesfinanzhof kein Verstoß gegen den Effektivitätsgrundsatz zu sehen ist (siehe vorstehend zu aa und 2 b aa (3)). Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs das Gemeinschaftsrecht einem nationalen Gericht nicht gebietet, von der Anwendung innerstaatlicher Verfahrensvorschriften, aufgrund deren eine Entscheidung Rechtskraft erlangt, abzusehen, selbst wenn dadurch ein Verstoß dieser Entscheidung gegen Gemeinschaftsrecht abgestellt werden könnte (EuGH, Urteil vom 16. März 2006 - C-234/04 - Kapferer, Slg. 2006, I-2605, NJW 2006, 1577 Rn. 21, 23 mwN). Dem Effektivitätsgrundsatz ist Genüge getan, wenn der Betroffene gegen einen ihn belastenden Bescheid innerhalb einer angemessenen Frist ab seiner Bekanntgabe einen Rechtsbehelf einlegen und die ihm aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte geltend machen kann (vgl. EuGH, Urteil vom 19. September 2006 aaO Rn. 59). Dies war im Hinblick auf den Zedenten und den ihn betreffenden Steuerbescheid vom 22. Mai 1992 der Fall.
Die Vorlagefragen Nr. 2 und 3 (Anlage K 20, S. 23) betreffen ebenfalls die Auslegung und Anwendung von § 227 AO im Lichte der Kühne & Heitz-Entscheidung des Gerichtshofs. Die Auffassung des Bundesfinanzhofs, sie seien nicht vorlagebedürftig, weil auch ihr Gegenstand bereits geklärt sei, erscheint zumindest vertretbar. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen (zu 2 b aa (2), bb (2)) Bezug genommen.
Die Vorlagefrage Nr. 4 betrifft die dritte Voraussetzung der unionsrechtlichen Verpflichtung zur Überprüfung bestandskräftiger Behördenentscheidungen im Sinne der Kühne & Heitz-Entscheidung des Gerichtshofs (Verletzung der Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV in einem letztinstanzlichen Urteil, aufgrund dessen die Behördenentscheidung bestandskräftig geworden ist). Sie war nicht entscheidungserheblich, weil - wie ausgeführt (zu 2 b aa (2)) - der Bundesfinanzhof vertretbar davon ausgehen konnte, dass bereits die erste Voraussetzung der Kühne & Heitz-Entscheidung fehlte (Befugnis der Behörde nach nationalem Recht, ihre bestandskräftige Entscheidung zurückzunehmen).
(2) Der Bundesfinanzhof hat auch nicht gegen seine Pflicht zur Begründung der nicht erfolgten Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 AEUV verstoßen.
Die letztinstanzlichen Gerichte sind gehalten, ihre Ablehnung der Vorlage entsprechend den vom Gerichtshof festgelegten Ausnahmen zu begründen (EuGH, Urteil vom 28. Juli 2016 - C-379/15 - Association France Nature Environnement, juris Rn. 52 f; EGMR, NJOZ 2012, 2149 Rn. 62; BVerfG, VersR 2014, 1485 Rn. 30; Wegener in Callies/Ruffert, aaO Art. 267 Rn. 39).
Dieser Begründungspflicht ist der Bundesfinanzhof entgegen der Auffassung des Klägers nachgekommen. Er hat sich mit den vom Kläger formulierten Vorlagefragen betreffend die Zulassung von Rechtsmitteln (Anlage K 20, S. 1) in der Entscheidung vom 1. April 2011 ausdrücklich auseinandergesetzt (aaO Rn. 17 ff). Soweit die Auslegung der Kühne & Heitz-Entscheidung des Gerichtshofs betroffen war (Anlage K 20, S. 22 f, Vorlagefragen Nr. 1, 2 [teilweise] und 3), hat der Bundesfinanzhof festgestellt, die aufgeworfenen Fragen seien durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt, die er, der Bundesfinanzhof, in verschiedenen Entscheidungen wiedergegeben habe. Er hat unter anderem auf seine Entscheidung vom 29. Mai 2008 verwiesen (aaO Rn. 14 f). Dort ging es - wie hier - um einen Erlass nach § 227 AO und die erste Voraussetzung der Kühne & Heitz-Rechtsprechung des Gerichtshofs (Urteil vom 29. Mai 2008 aaO Rn. 32 ff). Die Befugnis zur Rücknahme nach nationalem Recht gemäß der Kühne & Heitz-Entscheidung und der Grundsatz der Effektivität waren auch Gegenstand der weiteren, vom Bundesfinanzhof in seinem Beschluss vom 1. April 2011 in Bezug genommenen Entscheidungen (BFHE 230, 504 Rn. 42 ff; BFHE 216, 357, 362 f [vgl. dazu BVerfG, UR 2008, 884: Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen]). Ferner waren verschiedene Vorlagefragen (Anlage K 20, S. 23, Vorlagefragen Nr. 4), soweit sie sich etwa auf die weiteren Voraussetzungen der Kühne & Heitz-Entscheidung des Gerichtshofs bezogen, nicht entscheidungserheblich.
(3) Der Kläger hatte bereits mit einer gegen die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 1. April 2011 gerichteten Verfassungsbeschwerde die unterlassene Vorlage gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV gerügt und eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG geltend gemacht (Anlage K23, S. 35 ff). Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde indes nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 18. Juli 2013, Anlage K 24).
5. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV ist auch in vorliegendem Verfahren nicht erforderlich. Die Erwägungen des Senats zum Europarecht ergeben sich ohne weiteres aus dem Wortlaut der Sechsten Richtlinie und aus der angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs, so dass die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für vernünftige Zweifel kein Raum mehr bleibt (vgl. Senat, Urteil vom 17. April 2014 - III ZR 87/13, BGHZ 201, 11 Rn. 29). Die Sache unterfällt auch nicht der Fallgruppe der Unvollständigkeit der Rechtsprechung des Gerichtshofs (vgl. hierzu BVerfG, GRUR 2005, 52). Zu den im Streitfall relevanten unionsrechtlichen Fragen besteht eine einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs, auf die sich der Senat stützen kann. Dies gilt insbesondere für die von der Revisionsbegründung und -erwiderung des Klägers formulierten Vorlagefragen, soweit sie entscheidungserheblich sind.
a) Die den Verjährungsbeginn des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs betreffende Frage Nr. 1 wird vom Kläger in seinen Revisionsschriftsätzen nicht erläutert. Ihre Vorlagebedürftigkeit ist auch sonst nicht erkennbar. Zur Verjährung des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs besteht eine einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs, die der Senat in ständiger Rechtsprechung - so auch hier - zu Grunde legt (siehe oben unter 3 a aa).
b) Die ersten beiden Teilfragen der die Auslegung des Urteils des Gerichtshofs vom 24. Januar 2018 in der Rechtssache Pantuso (aaO Rn. 49 f) zum Rückwirkungsgebot betreffenden Frage Nr. 2 sind nach den vorstehenden Ausführungen (zu 1 b ee) nicht entscheidungserheblich. Danach kann dahinstehen, ob darin, dass die Beklagte der Vorschrift des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG 1992 keine Rückwirkung beigemessen hat, ein Verstoß gegen das Unionsrecht gesehen werden kann. Denn ein solcher Verstoß wäre jedenfalls nicht hinreichend qualifiziert.
Dem vorgenannten Urteil des Gerichtshofs lassen sich auch keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass im Falle der verspäteten Umsetzung einer Richtlinie in nationales Recht die Anforderungen an einen Schadensersatzanspruch der betroffenen Bürger geringer sind als die Anforderungen, die der Gerichtshof in seinem Urteil vom 5. März 1996 in der Rechtssache Brasserie du Pêcheur und Factortame (Slg. 1996, I-1131, NJW 1996, 1267 Rn. 51) formuliert hat (Frage Nr. 2, Teilfrage 3). Der Gerichtshof betont vielmehr in der Rechtssache Pantuso, das vorlegende Gericht habe zu prüfen, ob sämtliche vom Gerichtshof aufgestellten Voraussetzungen für eine unionsrechtliche Haftung erfüllt seien (aaO Rn. 51). Er verweist zudem (aaO Rn. 50) auf seine Entscheidung in der Rechtssache Carbonari. Dort (Urteil vom 25. Februar 1999 - C-131/97, juris Rn. 52) wird wiederum auf die Entscheidung des Gerichtshofs vom 8. Oktober 1996 in der Rechtssache Dillenkofer Bezug genommen, in der ausgeführt wird (aaO Rn. 21 ff), dass die Voraussetzungen eines unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs im Sinne des Urteils des Gerichtshofs in der Rechtssache Brasserie du Pêcheur auch im Falle der nicht fristgemäßen Umsetzung einer Richtlinie anwendbar sind. Die dritte Teilfrage der Frage Nr. 2 ist mithin in der Rechtsprechung des Gerichtshofs bereits geklärt.
c) Die Fragen Nr. 3 zu Zinsen auf einen unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch sind nicht entscheidungserheblich, weil - wie ausgeführt - bereits keine unionsrechtlichen Staatshaftungsansprüche des Klägers und des Zedenten begründet sind.
d) Es bestehen im konkreten Fall auch keine klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Fragen im Zusammenhang mit der Kühne & Heitz-Entscheidung des Gerichtshofs (Fragen Nr. 4 und 5). Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen (zu 2 b aa (2), bb (2) und 4 b bb (1)) Bezug genommen. Danach war die Nichtvorlage an den Gerichtshof durch den Bundesfinanzhof zumindest vertretbar. Die Wahrung des Grundsatzes der Effektivität ist derart offenkundig, dass für vernünftige Zweifel kein Raum mehr bleibt (acte clair). Zutreffend weist die Beklagte im Übrigen darauf hin, dass die erste Voraussetzung der Kühne & Heitz-Entscheidung (Rücknahmebefugnis der Behörde) auf das nationale Recht verweist. Dieses ist mithin - in seiner Ausprägung durch die nationale Rechtsprechung - heranzuziehen, ohne dass sich insofern ein Bezugspunkt für den unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz ergibt.
e) Die Fragen Nr. 6 zur qualifizierten Verletzung der Vorlagepflicht sind nicht entscheidungserheblich, da der Bundesfinanzhof weder gegen seine Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV noch gegen die Pflicht zur Begründung einer Nichtvorlage verstoßen hat. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen (zu 2 b bb und 4 b bb).
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