Entscheidungsdatum: 18.10.2012
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Aurich vom 15. April 2011 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsrechtszugs zu tragen.
Von Rechts wegen
Die Klägerin nimmt den Beklagten aus abgetretenem Recht der B. S. AG (vormals: G. W. AG) auf Zahlung restlicher Provision für die am 15. Dezember 2005 erfolgte Vermittlung einer fondsgebundenen Lebens- und Rentenversicherung bei der A. Lebensversicherung S. A. (Luxemburg) in Anspruch.
Bei der vermittelten Versicherung handelte es sich um eine so genannte Nettopolice, bei der die Versicherungsprämie keinen Provisionsanteil für die Vermittlung des Vertrags enthält. Stattdessen unterzeichnete der Beklagte eine vorformulierte "Vermittlungsgebührenvereinbarung", in der er sich zur Zahlung einer Vermittlungsprovision verpflichtete, die in 60 Monatsraten zu je 108,64 € entrichtet werden sollte. Dem sich daraus ergebenden Teilzahlungspreis von 6.518,40 € wurde ein Barzahlungspreis von 6.017,79 € gegenübergestellt; der effektive Jahreszins wurde mit 3,35 % angegeben.
In der Vermittlungsgebührenvereinbarung, die mit dem Versicherungsantrag in einem (perforierten) Faltblatt verbunden war, wurde unter Nummer 4 - durch Fettdruck hervorgehoben - Folgendes bestimmt:
"Der Anspruch des Handelsmaklers auf Zahlung der Vermittlungsgebühr entsteht mit dem Zustandekommen des vom Kunden beantragten Versicherungsvertrages. (…) Der Anspruch des Handelsmaklers auf Zahlung der Vermittlungsgebühr bleibt von der Änderung oder vorzeitigen Beendigung des Versicherungsvertrages aus anderen Gründen unberührt."
Das Vertragsformular enthielt ferner folgende Widerrufsbelehrung:
"Widerrufsrecht
Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an (…).
Widerrufsfolgen
Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und ggf. gezogene Nutzungen (z.B. Zinsen) herauszugeben."
Im Versicherungsantrag ist eine Monatsrate ab Versicherungsbeginn in Höhe von 147,51 € und ab dem 61. Monat in Höhe von 250 € eingetragen. Versicherungsbeginn war der 1. Mai 2006. Nachdem der Beklagte über 21 Monate hinweg die vereinbarten Versicherungsprämien sowie die Monatsraten für die Vermittlungsprovision entrichtet hatte, kündigte er zum Februar 2008 den Versicherungsvertrag und stellte seine Zahlungen ein. Die Höhe der noch offenen Vermittlungsgebühr berechnet die Klägerin nach Abzug der vom Beklagten erbrachten Ratenzahlungen sowie des Rückkaufswerts der Versicherung mit einem Betrag von 2.257,45 €, den sie mit ihrer Klage zur Zahlung verlangt. Mit Schriftsatz vom 16. April 2010 erklärte der Beklagte den Widerruf seiner auf Abschluss der Fondspolice und der Vermittlungsgebührenvereinbarung gerichteten Erklärungen.
Der Beklagte hat unter anderem eingewandt, die Provisionsvermittlungsvereinbarung sei gemäß §§ 305c, 307 BGB, nach § 138 BGB sowie § 655b Abs. 2 BGB nichtig und im Übrigen nach § 355 BGB wirksam widerrufen worden. Außerdem habe die Zedentin ihren Provisionsanspruch gemäß § 654 BGB verwirkt. Jedenfalls stehe ihm ein aufrechenbarer Schadensersatzanspruch wegen Pflichtverletzungen der Zedentin zu.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Die Revision des Beklagten ist zulässig. Für die nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO erforderliche bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt, bedarf es einer auf den Streitfall zugeschnittenen Darlegung, in welchen Punkten und aus welchen materiell-rechtlichen oder verfahrensrechtlichen Gründen der Revisionskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält; auf die Vertretbarkeit der erhobenen Rügen kommt es hierbei nicht an (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Juni 2003 - III ZB 71/02, NJW 2003, 2532, 2533; BGH, Urteil vom 20. Mai 2011 - V ZR 250/10, BeckRS 2011, 16297 Rn. 6). Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung des Beklagten gerecht, indem sie der Ablehnung einer Verwirkung des Provisionsanspruchs der Klägerin gemäß § 654 BGB entgegentritt.
Die Revision bleibt in der Sache ohne Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung der verlangten restlichen Provision gemäß § 652 BGB in Verbindung mit § 398 BGB HGB für begründet angesehen und hierzu ausgeführt: Der Provisionsanspruch sei nicht gemäß § 654 BGB verwirkt, weil der Kläger keine ausreichenden Anknüpfungstatsachen für eine schwerwiegende Treuepflichtverletzung der Zedentin vorgetragen habe. § 655b BGB gelte dem Wortlaut nach nur für Darlehensvermittlungsverträge und sei auf den vorliegenden Fall mangels planwidriger Regelungslücke auch nicht analog anwendbar. Die Vermittlungsgebührenvereinbarung sei nicht wirksam widerrufen worden, weil die in § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB geregelte Zweiwochenfrist nicht eingehalten sei, und weder nach §§ 305c, 307 BGB noch nach § 138 BGB unwirksam. Dem Maklerlohnanspruch stünden letztlich auch keine Ansprüche des Beklagten wegen der Verletzung vertraglicher Beratungs- und Aufklärungspflichten nach § 280 Abs. 1 BGB entgegen, da eine solche Pflichtverletzung nicht hinreichend dargelegt worden sei.
II.
Diese Beurteilung hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand.
1. Zu Recht hat das Berufungsgericht eine Nichtigkeit der Vermittlungsgebührenvereinbarung verneint.
a) Nach gefestigter Rechtsprechung des erkennenden Senats bestehen gegen die Wirksamkeit der Vereinbarung einer unmittelbar vom Kunden an den Versicherungsmakler (§ 93 HGB) zu zahlenden Provision bei der Vermittlung eines Lebensversicherungsvertrags mit Nettopolice, wie sie auch hier abgeschlossen worden ist, weder im Hinblick auf § 134 BGB (gesetzliches Verbot) noch im Rahmen einer Kontrolle gemäß §§ 305c, 307 BGB durchgreifende Bedenken (s. Senatsurteile vom 20. Januar 2005 - III ZR 251/04, BGHZ 162, 67, 73 ff; vom 20. Januar 2005 – III ZR 207/04, VersR 2005, 404, 405; vom 19. Mai 2005 - III ZR 322/04, NJW-RR 2005, 1423, 1424; vom 19. Mai 2005 - III ZR 309/04, NJW-RR 2005, 1425 und vom 14. Juni 2007 - III ZR 269/06, NJW-RR 2007, 1503, 1504 Rn. 7). Dem hat sich das Berufungsgericht angeschlossen; die Revision erhebt dagegen auch keine Einwände. Ebenso rechtsfehlerfrei und von der Revision unbeanstandet hat das Berufungsgericht einen Sittenverstoß gemäß § 138 BGB abgelehnt.
b) Soweit sich der Beklagte in den Vorinstanzen auf den Standpunkt gestellt hat, die - durch eine Perforationsnaht unterbrochene - Verbindung des Versicherungsantrags mit der "Vermittlungsgebührenvereinbarung" in einem Faltblatt führe analog § 655b Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 BGB a.F. (jetzt: § 655b Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BGB n.F.) zur Nichtigkeit der Provisionsabrede, wird dieser Einwand von der Revision zu Recht nicht mehr aufrecht erhalten. Das Berufungsgericht hat zutreffend dargelegt, dass es sich bei § 655b BGB um eine Spezialregelung für die Vermittlung von Verbraucherdarlehensverträgen handelt, die auf die Vermittlung von Versicherungsverträgen mangels Vorliegens einer planwidrigen Regelungslücke nicht entsprechend anzuwenden ist.
2. Auch die Ausführungen des Berufungsgerichts zum Einwand des Beklagten, die Zedentin habe ihren Provisionsanspruch gemäß § 654 BGB verwirkt, begegnen keinen rechtlichen Bedenken.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, kann § 654 BGB zwar auch dann anwendbar sein, wenn der Makler nicht vertragswidrig für den anderen Teil tätig geworden ist, er aber sonst unter Verletzung wesentlicher Vertragspflichten den Interessen seines Auftraggebers in erheblicher Weise zuwidergehandelt hat. Die Verwirkung des Maklerlohnanspruchs hat jedoch Strafcharakter. Nicht jede objektiv erhebliche Pflichtverletzung des Maklers und damit auch nicht jedes Informations- und Beratungsverschulden lässt deshalb den Provisionsanspruch nach § 654 BGB entfallen, vielmehr ist in erster Linie subjektiv eine schwerwiegende Treuepflichtverletzung zu fordern; der Makler muss sich seines Lohnes "unwürdig" erwiesen haben. Das ist erst dann der Fall, wenn er seine Treuepflicht vorsätzlich, wenn nicht gar arglistig, mindestens aber in einer dem Vorsatz nahekommenden grob leichtfertigen Weise verletzt hat (s. Senatsurteil vom 19. Mai 2005 - III ZR 322/04 aaO mwN).
b) Hiervon ausgehend hat das Berufungsgericht eine Verwirkung des Provisionsanspruchs zu Recht abgelehnt. Nach seinen Feststellungen fehlt es bereits an der Darlegung einer Pflichtverletzung der Zedentin. Die weit gespannten Betreuungs- und Beratungspflichten des Versicherungsmaklers betreffen das von ihm zu vermittelnde Versicherungsverhältnis, nicht hingegen den Abschluss des vorgelagerten Maklervertrags, bei dem sich der Versicherungsmakler und sein Kunde wie bei anderen Verträgen mit entgegengesetzten Interessen selbständig gegenüberstehen (s. Senatsurteil vom 14. Juni 2007 aaO Rn. 11). Den von der Revision vorgebrachten, auf die körperliche Verbindung der Vermittlungsgebührenvereinbarung mit dem Versicherungsantrag gestützten Eindruck, der Kunde schließe einen "verbundenen Vertrag" mit einem "gemeinsamen Schicksal", hat das Berufungsgericht unter Hinweis auf den Inhalt und die Gestaltung der Vereinbarung ohne Rechtsfehler verneint.
Soweit die Revision meint, bei der Prüfung einer Verwirkung des Provisionsanspruchs des Versicherungsmaklers nach § 654 BGB sei der in § 655b BGB enthaltene Rechtsgedanke zu beachten, verkennt sie, dass spezielle Regelungen über die Vermittlung von Verbraucherdarlehensverträgen grundsätzlich nicht - auch nicht ihrem Rechtsgedanken nach - auf die Vermittlung von Versicherungsverträgen übertragbar sind und dass die oben genannten strengen Voraussetzungen für eine Verwirkung nach § 654 BGB unter diesem Gesichtspunkt ohnehin nicht erfüllt wären.
3. Der Beklagte hat seine auf Abschluss der Vermittlungsgebührenvereinbarung gerichtete Willenserklärung auch nicht wirksam widerrufen.
a) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts war allerdings, als der Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 16. April 2010 gegenüber der Klägerin den Widerruf erklärte, die Widerrufsfrist nicht abgelaufen.
aa) Auf das Schuldverhältnis zwischen der Zedentin und dem Beklagten sind gemäß Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB das Bürgerliche Gesetzbuch und die BGB-Informationspflichten-Verordnung in der bis zum 11. Juni 2010 geltenden Fassung anzuwenden, da der Vertrag vor dem genannten Datum geschlossen worden ist und es sich nicht um ein unbefristetes Schuldverhältnis im Sinne des Art. 229 § 22 Abs. 3 EGBGB handelt.
bb) Dem Beklagten stand das ausgeübte Widerrufsrecht gemäß § 355 Abs. 1 BGB a.F. zu. Da die Vermittlungsgebühr in Teilzahlungen zu erbringen war, handelt es sich um ein Teilzahlungsgeschäft im Sinne des § 499 Abs. 2 BGB a.F. Gemäß § 501 Satz 1 BGB a.F. in Verbindung mit § 495 Abs. 1 und § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. konnte der Beklagte seine auf Abschluss der Vermittlungsgebührenvereinbarung gerichtete Willenserklärung innerhalb von zwei Wochen widerrufen. Diese Frist war zum Zeitpunkt seines Widerrufs nicht abgelaufen, da der in der Vertragsurkunde enthaltene Hinweis, die Frist für den Widerruf beginne "frühestens mit Erhalt dieser Belehrung", nicht den Anforderungen nach § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. genügte und deshalb die Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt worden war (vgl. ausführlich hierzu die wortgleiche Widerrufsbelehrungen betreffenden Senatsurteile vom 1. März 2012 - III ZR 83/11, NZG 2012, 427, 428 f Rn. 14 ff und vom 19. Juli 2012 - III ZR 252/11, WM 2012, 1668, 1670 f Rn. 12 ff, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen, jeweils mwN).
b) Gleichwohl fehlt es vorliegend an einem wirksamen Widerruf, weil dieser im Laufe des Prozesses (nur) gegenüber der Klägerin erklärt wurde, die die Provisionsforderung aus abgetretenem Recht geltend macht. Die Abtretung des Maklerlohnanspruchs änderte jedoch nichts daran, dass die den Maklervertrag als solchen berührenden Gestaltungsrechte wie Anfechtung, Kündigung oder Widerruf grundsätzlich gegenüber dem Vertragspartner, also hier der Zedentin, hätten ausgeübt werden müssen (siehe nur Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl., § 404 Rn. 4 mwN; vgl. auch RGZ 86, 305, 310). Dies ist nicht geschehen.
Schlick Wöstmann Hucke
Seiters Remmert