Entscheidungsdatum: 17.12.2015
Die Rechtsbeschwerde der Klägerin und des Drittwiderbeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Bamberg - 1. Zivilsenat - vom 24. Februar 2015 - 1 W 38/14 - wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens tragen die Klägerin 37%, der Drittwiderbeklagte 63%.
Beschwerdewert: bis 4.000 €
I.
Die Klägerin hat die Beklagte aus abgetretenem Recht ihres Vaters auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfonds in Anspruch genommen. Die Beklagte hat mit der Klageerwiderung Drittwiderklage gegen den Zedenten auf negative Feststellung erhoben, dass ihm im Zusammenhang mit dem Erwerb seiner Beteiligung keine Ansprüche gegen die Beklagte zustehen. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat daraufhin auch die Vertretung des Drittwiderbeklagten übernommen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. In der Berufungsinstanz haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 30. Januar 2014 vor dem Oberlandesgericht den Rechtsstreit durch Vergleich beigelegt. Die Kosten wurden dabei im Verhältnis 5/14 (Klägerin) zu 9/14 (Beklagte) verteilt, wobei die Beklagte zusätzlich die außergerichtlichen Kosten des Drittwiderbeklagten in vollem Umfang übernahm. Im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren haben die Klägerin und der Drittwiderbeklagte - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Bedeutung - für die erste und zweite Instanz jeweils eine Verfahrens- sowie eine Terminsgebühr ihrer gemeinsamen Prozessbevollmächtigten geltend gemacht. Das Landgericht (Rechtspflegerin) hat die von der Beklagten insoweit zu erstattenden Beträge mit der Maßgabe festgesetzt, dass wegen des Vorliegens einer Angelegenheit (§ 15 Abs. 2 RVG) für jede Instanz die Verfahrensgebühr - diese erhöht um 0,3 (Nr. 1008 des Vergütungsverzeichnisses, Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG) - und die Terminsgebühr nur einmal in Ansatz gebracht werden können. Die gegen diese Entscheidung eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerin und des Drittwiderbeklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Klägerin und des Drittwiderbeklagten.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zutreffend sind die Instanzgerichte davon ausgegangen, dass es sich bei der anwaltlichen Vertretung der Klägerin und des Drittwiderbeklagten um dieselbe Angelegenheit im Sinne der § 7 Abs. 1, § 15 Abs. 2 RVG handelt.
1. Ob von einer oder mehreren Angelegenheiten auszugehen ist, lässt sich nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände beantworten, wobei insbesondere der Inhalt des erteilten Auftrags maßgebend ist (vgl. BGH, Urteile vom 21. Juni 2011 - VI ZR 73/10, NJW 2011, 2168 Rn. 9 und vom 8. Mai 2014 - IX ZR 219/13, NJW 2014, 2126 Rn. 14). Weisungsgemäß erbrachte anwaltliche Leistungen betreffen in der Regel dieselbe Angelegenheit, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen anwaltlicher Tätigkeit gesprochen werden kann.
2. Der Klage und der Drittwiderklage liegt der inhaltlich identische Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte wegen fehlerhafter Aufklärung und Beratung des Drittwiderbeklagten im Zusammenhang mit dem Erwerb seiner Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds zugrunde. Sowohl dem Drittwiderbeklagten als Zedenten als auch der Klägerin als Zessionarin war an einer erfolgreichen Durchsetzung dieses Anspruchs gelegen. Der Drittwiderbeklagte hat durch die Abtretung seiner Ansprüche an die Klägerin deren Aktivlegitimation überhaupt erst herbeigeführt. Dieser innere Zusammenhang ist im Übrigen notwendige Voraussetzung der Zulässigkeit der Drittwiderklage. Denn eine isolierte Widerklage gegen eine bisher am Verfahren nicht beteiligte Partei ist nur zulässig, wenn unter anderem die Gegenstände der Klage und Widerklage tatsächlich und rechtlich eng miteinander verknüpft sind (vgl. nur BGH, Urteil vom 13. Juni 2008 - V ZR 114/07, NJW 2008, 2852 Rn. 27 mwN). Hierbei resultiert das rechtlich schutzwürdige Interesse des im Klagewege vom Zessionar in Anspruch genommenen Schuldners an der Drittwiderklage gegen den Zedenten daraus, dass nur auf diesem Weg das Nichtbestehen der mit der Klage verfolgten Ansprüche in diesem Rechtsstreit mit Rechtskraft auch gegenüber dem Zedenten sicher festgestellt werden kann (BGH aaO Rn. 31 ff). Der enge Zusammenhang zeigt sich auch daran, dass sich der Streitwert gemäß § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG bemisst und eine Zusammenrechnung der Werte von Klage und Widerklage wegen derer wirtschaftlicher Identität unterbleibt. Vor diesem Hintergrund wurde die Prozessbevollmächtigte der Klägerin, als sie die Vertretung des Drittwiderbeklagten übernahm, in derselben Angelegenheit tätig.
3. Der Senat teilt insoweit nicht die Auffassung der Klägerin und des Drittwiderbeklagten, die sich hierzu auf einen Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 8. November 2012 (NJW-RR 2013, 63) berufen, dass wegen konträrer Interessen der Klägerin und des Drittwiderbeklagten nicht dieselbe Angelegenheit vorliege. In der zitierten Entscheidung wird ausgeführt, die isolierte Drittwiderklage sei dadurch gekennzeichnet, dass ihre Abwehr durch den Drittwiderbeklagten eine zur Anspruchsverfolgung der Klage entgegengesetzte Zielrichtung habe. Die mit der Klage verfolgten Anträge seien nur durchzusetzen, wenn der Anspruch wirksam abgetreten sei. Der Drittwiderbeklagte könne sich aber gegen die negative Feststellungsklage nur wehren mit dem Argument, dass er wegen der Unwirksamkeit der Abtretung nach wie vor Anspruchsinhaber sei.
Dem vermag der Senat für den vorliegenden Fall schon deshalb nicht zu folgen, weil zwischen der Klägerin und dem Drittwiderbeklagten bezüglich der Wirksamkeit der Abtretung kein Streit bestand. Richtet sich aber die Frage, ob eine Angelegenheit vorliegt, nach dem Inhalt des Auftrags, so kann jedenfalls dann, wenn sich der Drittwiderbeklagte gerade nicht damit verteidigt, dass die Abtretung unwirksam ist, sondern vielmehr - in Übereinstimmung mit dem Klagevorbringen - sich darauf beruft, dass sich die Beklagte/Widerklägerin schadensersatzpflichtig gemacht hat, nicht von einer entgegengesetzten Interessenlage gesprochen werden. Anderenfalls hätte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin die zusätzliche Vertretung des Drittwiderbeklagten auch gar nicht übernehmen dürfen.
Im Übrigen beruht die Auffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart (aaO S. 64) auf einem Fehlverständnis der Drittwiderklage. Das Oberlandesgericht geht davon aus, dass eine Drittwiderklage unzulässig sei, wenn sich der Zedent seit der Abtretung an den Zessionar nicht mehr der streitgegenständlichen Ansprüche berühmt habe und insoweit beide im Prozess übereinstimmend von der Wirksamkeit der Abtretung ausgingen. Die zulässige Drittwiderklage sei demgegenüber von einem Interessengegensatz zwischen Zedent und Zessionar geprägt; ihr Ziel sei die Feststellung, dass dem Zedenten die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche "in Folge der Abtretung" nicht mehr zustehen.
Für das Interesse an der richterlichen Feststellung, dass auch dem Zedenten keine Ansprüche zustehen, ist es aber unerheblich, dass sich der Zedent nach der Abtretung keiner eigenen Ansprüche mehr berühmt (BGH aaO Rn. 31). Die Drittwiderklage ist darauf gerichtet, das Nichtbestehen der mit der Klage verfolgten Ansprüche mit Rechtskraft sicher auch gegenüber dem Zedenten festzustellen (BGH aaO Rn. 32). Sie soll insoweit die Fälle erfassen, in denen die Abtretung entweder von vorneherein oder aufgrund späterer Umstände, z.B. einer zukünftigen Anfechtung durch den Zedenten, unwirksam ist, sodass bei einer Klageabweisung gegenüber dem (Schein-)Zessionar im Fall der Erklärung der Rückabtretung § 325 Abs. 1 ZPO nicht eingreift (BGH aaO Rn. 34). Die Drittwiderklage ist deshalb - für den Fall, dass die Abtretung von vorneherein unwirksam sein sollte oder aufgrund späterer Umstände unwirksam werden könnte - darauf gerichtet festzustellen, dass dem Zedenten keine Schadensersatzansprüche zustehen, das heißt er von Anfang an keine abtretbaren Ansprüche gehabt hat. Dementsprechend geht der Streit der Beteiligten - so wie auch hier - regelmäßig nur darum, ob solche Ansprüche entstanden sind oder nicht. Auch im Verhältnis der beklagten Partei und des Zedenten ist deshalb über die Ansprüche selbst eine Entscheidung zu treffen.
Herrmann Wöstmann Seiters
Reiter Liebert