Entscheidungsdatum: 23.02.2017
Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main - 10. Zivilsenat - vom 30. August 2016 - 10 W 37/16 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 3.123,72 € festgesetzt.
I.
Der Kläger und der Beteiligte streiten nach Klagerücknahme über die Kosten des Rechtsstreits.
Der Kläger erteilte der späteren Insolvenzschuldnerin wegen ihm zustehender Schadensersatzansprüche eine schriftliche Inkassovollmacht. Gleichzeitig trat er die Forderungen an sie ab. Am 2. September 2013 beantragte die Insolvenzschuldnerin als Prozessbevollmächtigte des Klägers einen Mahnbescheid gegen den Beklagten. Dieser legte Widerspruch ein und stellte einen Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens. Nach Fristsetzung des Landgerichts zur Anspruchsbegründung hat der Kläger die Rücknahme des Mahnantrags und der Klage erklärt. Der Beklagte hat beantragt, dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Das Landgericht hat die Kosten des Rechtsstreits dem Beteiligten als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin auferlegt.
Auf die sofortige Beschwerde des Beteiligten hat das Oberlandesgericht den Beschluss des Landgerichts abgeändert und die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt. Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Kläger die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde des Beteiligten gegen den Beschluss des Landgerichts.
II.
Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, das Landgericht habe dem Beteiligten nach Klagerücknahme durch den Kläger zu Unrecht in Abweichung von § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Zwar sei anerkannt, dass im Fall des Fehlens einer wirksamen Bevollmächtigung die Prozesskosten demjenigen aufzuerlegen seien, der den nutzlosen Verfahrensaufwand veranlasst habe. Der vollmachtlose Vertreter komme als Veranlasser in Betracht, wenn er den Mangel der Vollmacht kenne. Vorliegend habe jedoch der Kläger den Prozess veranlasst, da er der Insolvenzschuldnerin eine umfassende Inkassovollmacht zur Einleitung aller Beitreibungsmaßnahmen erteilt habe. Die Vollmacht habe auch zur Erwirkung eines Titels und Einleitung eines Mahnverfahrens berechtigt. Sie sei nicht deshalb unwirksam, weil der Kläger zugleich seine Forderung an die Insolvenzschuldnerin abgetreten habe. Der Kläger habe die Vollmacht auch nicht dahingehend verstehen können, dass die Beitreibung entgegen dem eindeutigen Wortlaut der Vollmacht lediglich im eigenen Namen der Insolvenzschuldnerin gestattet sei.
Die Bevollmächtigung sei von dem ihr zugrunde liegenden Verhältnis zu trennen. Für das Außenverhältnis gegenüber dem Dritten seien die Vollmacht und ihr Umfang maßgebend. Selbst wenn der Vertreter seine Vertretungsmacht missbrauche, indem er sich bewusst über die im Innenverhältnis auferlegte Bindung hinwegsetze, habe das Geschäft im Interesse des Dritten Rechtsfolgen für den Vertretenen. Das prozessuale Kostenrisiko des Missbrauchs der erteilten Vollmacht trage der Vollmachtgeber.
Die Insolvenzschuldnerin habe mithin bei der Einleitung des Mahnverfahrens nicht als vollmachtlose Vertreterin gehandelt. Dass sie einen etwaigen Mangel der Vollmacht gekannt habe, leuchte nicht ein. Aus dem Grundverhältnis folgende Kostenfreistellungs- oder -erstattungsansprüche des Klägers gegen die Insolvenzschuldnerin müsse der Kläger in einem eigenständigen Prozess verfolgen. Sie blieben im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO außer Betracht. Es sei auch kein Ausnahmefall nach § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO gegeben.
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
Nimmt der Kläger die Klage zurück, ist er nach § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, sofern nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt ist oder sie dem Beklagten aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind. Das Beschwerdegericht hat dem Kläger nach dieser Vorschrift zu Recht die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
a) Allerdings sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wenn die unterlegene Partei - ausnahmsweise - keinen Anlass für den Prozess gegeben hat, die Bestimmungen der §§ 91, 97 ZPO entsprechend dahin anzuwenden, dass die Kosten demjenigen Verfahrensbeteiligten aufzuerlegen sind, der sie verursacht hat (BGH, Beschluss vom 4. März 1993 - V ZB 5/93, BGHZ 121, 397, 400 mwN). Dementsprechend ist anerkannt, dass bei einer fehlenden wirksamen Bevollmächtigung die Prozesskosten grundsätzlich dem aufzuerlegen sind, der den nutzlosen Verfahrensaufwand veranlasst hat (sog. Veranlasserprinzip; Senat, Beschluss vom 18. November 1982 - III ZR 113/79, NJW 1983, 883, 884; BGH, Beschluss vom 4. März 1993 aaO mwN). Dies kann auch der vollmachtlose Vertreter sein. Er kommt als Veranlasser in der Regel dann in Betracht, wenn er den Mangel der Vollmacht kennt (BGH, Beschluss vom 4. März 1993 aaO).
b) Eine entsprechende Anwendung des Veranlasserprinzips auch im Rahmen von § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO ist naheliegend. Danach wären nach Rücknahme der Klage die Kosten des Rechtsstreits nicht dem Kläger, sondern dem vollmachtlosen Vertreter, der Klage im Namen des Klägers erhoben hat, als Veranlasser aufzuerlegen (vgl. zur Rücknahme der Revision BGH, Beschluss vom 26. Oktober 1981 - II ZR 71/81, juris Rn. 11). Vorliegend kann dies jedoch offen bleiben. Denn der Kläger hat, wie das Beschwerdegericht zutreffend erkannt hat, den Rechtsstreit veranlasst, so dass ihm die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO aufzuerlegen sind.
aa) Der Kläger hat der Insolvenzschuldnerin eine Inkassovollmacht erteilt, die sie berechtigte, alle Beitreibungsmaßnahmen, die bis zur restlosen Bezahlung der Forderungen des Klägers erforderlich sind, einzuleiten. Hierzu gehörte ausdrücklich auch, für den Kläger in dessen Namen Rechtsanwälte mit dem Betreiben gerichtlicher Verfahren zu beauftragen, die sich aus dem Inkassoauftrag ergeben. Das Beschwerdegericht hat den Inhalt der Vollmacht zu Recht dahingehend ausgelegt, dass zu den Maßnahmen, zu denen die Insolvenzschuldnerin bevollmächtigt wurde, auch die Einleitung eines Mahnverfahrens und die Erwirkung eines Titels gehörten. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde sind die gleichzeitig erfolgten Erklärungen des Klägers - Erteilung einer Inkassovollmacht und Forderungsabtretung - nicht dahingehend auszulegen, dass die der Insolvenzschuldnerin erteilte Inkassovollmacht nicht die Befugnis umfasste, im Namen des Klägers ein gerichtliches Verfahren anzustrengen (a.A. in einem Parallelfall OLG Frankfurt [2. Zivilsenat], NJW-RR 2016, 1270 Rn. 17 ff).
Zwischen der Vollmacht zur Beitreibung der klägerischen Forderung im Namen des Klägers und der zeitgleich erfolgten (Voll-)Abtretung der klägerischen Forderung an die Insolvenzschuldnerin besteht zwar insofern ein gewisser Widerspruch, als infolge der Abtretung der Kläger nicht mehr Inhaber der Forderung ist, zu deren Beitreibung er die Insolvenzschuldnerin bevollmächtigt hat. Dies führt jedoch unter Berücksichtigung des objektiven Empfängerhorizonts (§§ 133, 157 BGB) nicht zu einer einschränkenden, mit dem Wortlaut der Vollmacht nicht zu vereinbarenden Auslegung dahingehend, dass der Bevollmächtigte - im Sinne eines einheitlichen und rechtlich möglichen Geschäfts (so OLG Frankfurt [2. Zivilsenat] aaO Rn. 21) - die an ihn abgetretene Forderung zumindest gerichtlich nur noch in seinem eigenen Namen geltend machen darf.
(1) Bereits im Innenverhältnis zwischen dem Kläger als Vollmachtgeber und der Insolvenzschuldnerin als Vollmachtnehmerin ist eine solche Auslegung nicht zwingend. Möglich und naheliegend ist vielmehr auch die Annahme des Beschwerdegerichts, nach der die Insolvenzschuldnerin mit den Erklärungen des Klägers möglichst umfassend in die Lage versetzt werden sollte, etwaige Schadensersatzforderungen - sei es durch den Gebrauch der Vollmacht, sei es durch Offenlegung der Forderungsabtretung - zumindest noch teilweise zu realisieren. Zu diesem Zweck war die uneingeschränkte Geltung der Vollmacht entsprechend ihrem ausdrücklichen Wortlaut und unabhängig von ihrer Vereinbarkeit mit der zeitgleich erklärten Forderungsabtretung sinnvoll. Ein mit ihrer Hilfe im Namen des Klägers durchzuführendes Mahnverfahren war nicht von vorneherein aussichtslos, da dem Beklagten die Forderungsabtretung nicht bekannt sein musste.
Einem solchen, die Befugnis zur Einleitung eines gerichtlichen Mahnverfahrens umfassenden Inhalt der Vollmacht steht auch nicht die Werbung der Insolvenzschuldnerin entgegen. In dem Werbeschreiben vom 15. April 2013 wird lediglich zugesagt, dass den "Mandanten/Kunden" keine "Kosten oder Kostenausgleiche" entstehen. Daraus ergibt sich nicht, wie die Kostenfreiheit der Kunden erreicht werden soll. Insbesondere folgt aus dieser Formulierung nicht ein Ausschluss der Belastung der Kunden der Insolvenzschuldnerin mit Kostenforderungen im Außenverhältnis - wie etwa bei der gerichtlichen Geltendmachung ihrer Ansprüche durch die Insolvenzschuldnerin im Namen ihrer Kunden. Die versprochene Kostenfreiheit der Kunden war wirtschaftlich auch dadurch erreichbar, dass die Insolvenzschuldnerin im Innenverhältnis ihre Mandanten von Forderungen Dritter (z.B. Rechtsanwälte oder Gerichte) freistellte oder von den Kunden vorgenommene Zahlungen erstattete.
(2) Bei der Auslegung einer - wie vorliegend - in einer Urkunde verlautbarten Vollmacht (§ 172 BGB) kann zudem nicht allein auf den Empfängerhorizont des Vollmachtnehmers abgestellt werden. Maßgeblich ist insofern vielmehr die Verständnismöglichkeit des Geschäftsgegners. Dabei dürfen nur solche Umstände herangezogen werden, die dem Geschäftsgegner bekannt sind (BGH, Urteil vom 9. Juli 1991 - XI ZR 218/90, NJW 1991, 3141; Palandt/Ellenberger, BGB, 76. Aufl., § 167 Rn. 5; jeweils mwN). Vorliegend ist daher in Bezug auf den Inhalt der schriftlichen Inkassovollmacht, soweit von ihr zur Einleitung des gerichtlichen Mahnverfahrens Gebrauch gemacht wurde, auf das Verständnis des Mahngerichts abzustellen. Dabei haben die diesem nicht bekannte Forderungsabtretung und die ihm ebenfalls nicht bekannte Werbung der Insolvenzschuldnerin mit der Kostenfreiheit ihrer Kunden unberücksichtigt zu bleiben. Aus der Sicht des Mahngerichts berechtigte die Inkassovollmacht ausweislich ihres Wortlauts auch zur Vertretung des Klägers in gerichtlichen Verfahren. Ein anderweitiges einschränkendes Verständnis ergibt sich aus der - allein maßgeblichen - Vollmachtsurkunde nicht.
bb) Die Forderungsabtretung hat, wie das Beschwerdegericht ebenfalls zutreffend erkannt hat, auch nicht die Unwirksamkeit der Vollmacht zur Folge (vgl. OLG Frankfurt [17. Zivilsenat], Beschluss vom 21. Dezember 2015 - 17 W 61/15, juris Rn. 10). Die Wirksamkeit einer Vollmacht zur Beitreibung einer Forderung des Vollmachtgebers hängt nicht davon ab, ob diesem die beizutreibende Forderung zusteht.
cc) Schließlich führt auch ein etwaiger Missbrauch der Inkassovollmacht durch die Insolvenzschuldnerin bei der Einleitung des Mahnverfahrens nicht dazu, im Rahmen des Veranlasserprinzips der Insolvenzschuldnerin anstatt dem Kläger (gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO) die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Soweit im Innenverhältnis zum Kläger die Insolvenzschuldnerin nicht zur Einleitung eines Mahnverfahrens im Namen des Klägers und zum entsprechenden Gebrauch der Inkassovollmacht berechtigt gewesen sein sollte, rechtfertigt dies keine Abweichung von der Regel des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO, wonach der Kläger, der die Klage zurückgenommen hat, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Das prozessuale Kostenrisiko des Missbrauchs der Vollmacht trägt der Kläger als Vollmachtgeber, zumal weder dem Mahngericht noch dem Beklagten ein etwaiger Missbrauch der Vollmacht durch die Insolvenzschuldnerin bekannt oder schuldhaft unbekannt war (zur Beschränkung der Prozessvollmacht im Außenverhältnis im Fall des dem Gegner bekannten oder schuldhaft unbekannten Vollmachtsmissbrauchs vgl. MüKoZPO/Toussaint, 5. Aufl., § 83 Rn. 19 mwN).
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