Entscheidungsdatum: 28.01.2014
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 17. Januar 2013 - 3 U 81/12 - aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf bis zu 65.000 € festgesetzt.
I.
Der Kläger nimmt den Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Notarhaftung auf Schadensersatz im Zusammenhang mit einer unklaren Vertragsklausel in Anspruch.
Der Kläger ist Alleinerbe seines am 29. August 2003 verstorbenen Vaters. Dieser hatte mit notariellem Kaufvertrag vom 26. November 1993 die Hofstelle seines landwirtschaftlichen Anwesens an den Zeugen K. veräußert. Die dazugehörigen landwirtschaftlichen Nutzflächen waren auf Grund Vertrags vom 8. Mai 1992 zunächst bis zum 30. September 2010 an den Landwirt I. verpachtet worden. Unter dem 25./31. März 2007 schlossen der Kläger und I. einen neuen Pachtvertrag mit einer Laufzeit bis zum 30. September 2019.
§ 12 des Grundstückskaufvertrages enthält zu Gunsten des Käufers hinsichtlich der vorgenannten Pachtflächen ein "Vorpachtrecht" für den Fall, "dass nach Ablauf des jetzigen Pachtverhältnisses diese Flächen dem Käufer verpachtet werden".
In einem Vorprozess wurde der Kläger durch rechtskräftiges Urteil des Oberlandesgerichts N. vom 14. April 2010 verurteilt, das Angebot des Erwerbers der Hofstelle auf Abschluss eines Landpachtvertrages über die an I. verpachteten landwirtschaftlichen Nutzflächen anzunehmen.
Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger von dem beklagten Notar Ersatz von Schäden, die nach seiner Behauptung auf die unklare Formulierung in § 12 des Grundstückskaufvertrages zurückzuführen sind.
Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme durch Vernehmung von drei Zeugen mit der Begründung abgewiesen, die an dem Abschluss des Grundstückskaufvertrages Beteiligten hätten die streitgegenständliche Klausel übereinstimmend im Sinne einer Pachtoption zu Gunsten des Käufers nach Beendigung des Pachtverhältnisses mit I. verstanden. Diesen Willen der Vertragsparteien habe der Beklagte durch eine eindeutige Formulierung umgesetzt.
Darüber hinaus sei der behauptete Schaden nicht unmittelbar kausal auf ein Verhalten des Beklagten zurückzuführen. Der Kläger habe vorzeitig einen neuen Pachtvertrag bis zum 30. September 2019 abgeschlossen. Die Schäden, die er jetzt geltend mache (Zahlung einer Abstandssumme von 60.000 € an den Pächter sowie verminderte Pachteinnahmen) beruhten auf neuen Verträgen, die der Kläger mit I. und dem Zeugen K. abgeschlossen habe. Durch diese Verträge, auf deren Zustandekommen der Beklagte keinerlei Einfluss gehabt habe, sei das Urteil des Oberlandesgerichts N. vom 15. April 2010 nicht "komplett" umgesetzt worden.
Das Oberlandesgericht hat die hiergegen eingelegte Berufung des Klägers - nach vorherigem Hinweis - als unzulässig verworfen und hierzu ausgeführt, dass die Berufungsbegründung den Anforderungen nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO nicht genüge. Die Berufungsbegründung befasse sich ausschließlich mit der Frage einer durch Verwendung einer unklaren Vertragsklausel begangenen Pflichtverletzung des Beklagten. Auf den vom Landgericht selbständig tragend zur Begründung der Klageabweisung herangezogenen Gesichtspunkt der fehlenden Kausalität eines etwaigen Verstoßes gegen § 17 Abs. 1 BeurkG für den geltend gemachten Schaden werde nicht eingegangen. Da die Berufungsbegründung das Urteil insoweit nicht angreife, sei das Rechtsmittel insgesamt unzulässig.
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.
II.
1. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig, da die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO).
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Verwerfung der Berufung als unzulässig verletzt den Kläger in seinem Verfahrensgrundrecht auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). Das Berufungsgericht hat die in § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO beschriebenen Anforderungen an den Inhalt der Berufungsbegründung überspannt und hierdurch dem Kläger den Zugang zur Berufungsinstanz in unzulässiger Weise versagt.
a) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO hat die Berufungsbegründung die Bezeichnung der Umstände zu enthalten, aus denen sich nach Ansicht des Rechtsmittelführers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Da die Berufungsbegründung erkennen lassen soll, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält, hat dieser - zugeschnitten auf den Streitfall und aus sich heraus verständlich - diejenigen Punkte rechtlicher Art darzulegen, die er als unzutreffend beurteilt ansieht, und dazu die Gründe anzugeben, aus denen sich die Fehlerhaftigkeit jener Punkte und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung herleitet. Zur Darlegung der Fehlerhaftigkeit ist somit lediglich die Mitteilung der Umstände erforderlich, die das Urteil aus der Sicht des Berufungsführers in Frage stellen. Besondere formale Anforderungen werden nicht gestellt; für die Zulässigkeit der Berufung ist es insbesondere ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind (ständige Rechtsprechung, vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 26. Juni 2003 - III ZB 71/02, NJW 2003, 2532, 2533; vom 30. Oktober 2008 - III ZB 41/08, NJW 2009, 442 Rn. 12; vom 13. September 2012 - III ZB 24/12, NJW 2012, 3581 Rn. 8 und vom 30. Januar 2013 - III ZB 49/12, NJW-RR 2013, 509 Rn. 7; BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2012 - XI ZB 25/11, NJW 2013, 174 Rn. 10 mwN).
Hat das Erstgericht - wie hier - die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung in dieser Weise jede tragende Erwägung angreifen; andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (Senat, Beschluss vom 30. Januar 2013 aaO Rn. 8; BGH, Urteil vom 18. Dezember 2003 - I ZR 195/01, NJW-RR 2004, 1002; Beschlüsse vom 18. Oktober 2005 - VI ZB 81/04, NJW-RR 2006, 285; vom 28. Februar 2007 - V ZB 154/06, NJW 2007, 1534 Rn. 11; vom 15. Juni 2011 - XII ZB 572/10, NJW 2011, 2367 Rn. 10 und vom 23. Oktober 2012 aaO Rn. 11). Der Grund hierfür liegt darin, dass in derartigen Fällen jede der gleichwertigen Begründungen des Erstgerichts seine Entscheidung trägt. Selbst wenn die gegen einen Grund vorgebrachten Angriffe durchgreifen, ändert sich nichts daran, dass die Klage aus dem anderen Grund weiterhin abweisungsreif ist (BGH, Beschluss vom 30. Januar 2013 aaO).
b) Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung des Klägers noch gerecht.
aa) Die Berufungsbegründung wendet sich in den Abschnitten I. und II. zunächst gegen die Auslegung der streitauslösenden Vertragsklausel durch das Landgericht und legt sodann im Einzelnen dar, woraus sich nach Auffassung des Klägers die Amtspflichtverletzung des Notars im Sinne von § 19 Abs. 1 BNotO ergibt.
bb) Die Frage der Kausalität einer etwaigen Pflichtverletzung des Beklagten für den geltend gemachten Schaden behandelt die Berufungsbegründung in einem weiteren Abschnitt (III.). Dort wird ausgeführt, dass der Beklagte dem Kläger die auf die streitige Vertragsklausel zurückzuführenden Schäden zu ersetzen habe. Auf Grund des Urteils des Oberlandesgerichts N. vom 15. April 2010 hätten die anderweitig verpachteten Ackerflächen nunmehr an den Zeugen K. verpachtet werden müssen. Zu diesem Zweck habe der Kläger eine vom Beklagten zu erstattende Ausgleichszahlung in Höhe von 60.000 € an den bisherigen Pächter zahlen müssen.
Damit hat der Kläger in seiner Berufungsbegründung hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er die Wertung des Landgerichts, die behaupteten Schäden stünden in keinem Kausalzusammenhang mit der Notartätigkeit des Beklagten bekämpfen möchte. Denn das Berufungsvorbringen beinhaltet die Behauptung, dass die geleistete Ausgleichszahlung (sowie der vom Landgericht festgestellte Verzicht auf Pachteinnahmen) auf die unklar formulierte Vertragsklausel und die damit im Zusammenhang stehende Verurteilung des Klägers durch das Oberlandesgericht N. zurückzuführen sind. Auf diese Weise hat der Kläger hinreichend klar zu erkennen gegeben, dass und aus welchen Gründen er die rechtliche Würdigung des Landgerichts für unrichtig und eine erneute - ihm günstige - Würdigung durch das Berufungsgericht für geboten erachtet.
Soweit das Landgericht darauf abgestellt hat, der Kläger "dürfte" die einen etwaigen Schaden begründende Ursache selbst gesetzt haben, indem er vorzeitig (im Jahre 2007) einen neuen Pachtvertrag mit einem Dritten abgeschlossen habe, ist dem der Kläger ebenfalls entgegengetreten. Er hat geltend gemacht, die unklare Vertragsklausel habe bei ihm zu einer Fehlvorstellung über die Möglichkeit der erneuten Verpachtung geführt und sei auch von dem Zeugen K. "nicht kapiert" worden.
Damit ist den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO entsprochen.
cc) Der Einwand des Beklagten, der im Berufungsrechtszug zusätzlich gestellte Antrag auf Zahlung von 60.000 € sei entgegen § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO nicht ausreichend begründet worden, übersieht, dass diese Vorschrift für eine Klageerweiterung in zweiter Instanz nicht gilt. Diese stellt keine Anfechtung des erstinstanzlichen Urteils dar; sie setzt vielmehr eine zulässige Berufung voraus. Anträge und Begründung für die Klageerweiterung richten sich nach §§ 525, 533, 264 Nr. 2 ZPO und betreffen nicht die an eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung zu stellenden Anforderungen (Hk-ZPO/Wöstmann, 5. Aufl., § 520 Rn. 19; Musielak/Ball, ZPO, 10. Aufl., § 520 Rn. 27).
3.Nach alledem durfte das Berufungsgericht die Berufung nicht als unzulässig verwerfen, so dass der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist, damit es über die Begründetheit der Berufung befindet (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
Schlick Herrmann Seiters
Remmert Reiter