Entscheidungsdatum: 15.03.2012
1. NV: Sprachaufenthalte im Rahmen eines Au-pair-Verhältnisses sind grundsätzlich nur dann als Berufsausbildung anzusehen, wenn sie von einem durchschnittlich mindestens zehn Wochenstunden umfassenden theoretisch-systematischen Sprachunterricht begleitet werden (Bestätigung der Rechtsprechung). Bei weniger als durchschnittlich zehn Wochenstunden können ausnahmsweise einzelne Monate als Berufsausbildung zu werten sein, wenn sie durch intensiven, die Grenze von zehn Wochenstunden deutlich überschreitenden Unterricht geprägt werden (z.B. Blockunterricht oder Lehrgänge) .
2. NV: Darüber hinaus können Auslandsaufenthalte im Einzelfall als Berufsausbildung anerkannt werden, wenn der Fremdsprachenunterricht zwar weniger als zehn Wochenstunden umfasst, aber einen über die übliche Vor- und Nachbereitung hinausgehenden zusätzlichen Zeitaufwand erfordert (z.B. fachlich orientierter Sprachunterricht, Vorträge des Kindes in der Fremdsprache) .
3. NV: Auslandsaufenthalte, die von einer Ausbildungs- oder Prüfungsordnung zwingend vorausgesetzt werden oder der Vorbereitung auf einen für die Zulassung zum Studium oder zu einer anderen Ausbildung erforderlichen Fremdsprachentest dienen (z.B. TOEFL oder IELTS), können unabhängig vom Umfang des Fremdsprachenunterrichts als Berufsausbildung zu qualifizieren sein .
4. NV: Mehrtägige Au-pair-Kurse, in denen der Umgang mit Kindern erlernt werden soll, sind für sich nicht als Berufsausbildung einzuordnen, wenn sie nicht im Rahmen einer anerkannten Form der Berufsausbildung belegt werden, nicht zu einem fachlich anerkannten Abschluss führen sollen und für die anschließend betriebene Ausbildung ohne Bedeutung sind .
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) bezog für ihre im Jahr 1987 geborene Tochter bis einschließlich November 2007 laufend Kindergeld. Die Tochter hatte bis zum Ende des 13. Schuljahres die Fremdsprache Englisch belegt und schloss ihre Schulausbildung im Juli 2007 mit dem Abitur ab.
Vom 30. Juli 2007 an nahm sie für die Dauer eines Jahres an einem Cultural Care Au-pair-Programm in den USA teil. Sie lebte während dieser Zeit bei freier Kost und Logis in einer amerikanischen Gastfamilie im US-Bundesstaat Connecticut. Von montags bis freitags betreute sie die drei Gastkinder im Alter von fünf, zehn und zwölf Jahren und erhielt ein wöchentliches Taschengeld in Höhe von 157,95 US-Dollar.
Während ihres Aufenthaltes sollte sie eine Schule oder ein College besuchen, um die englische Sprache zu erlernen. Die Dauer hierfür sollte ca. zehn Stunden pro Woche inklusive Vor- und Nacharbeit betragen. Tatsächlich absolvierte die Tochter der Klägerin vom 16. bis 18. November 2007 und vom 13. bis 15. Juni 2008 an einem College jeweils einen "Au Pair Course". In diesen Kursen wurden u.a. die Unterschiede in der Kindererziehung zwischen Europa und den USA vermittelt sowie Kinderspiele und Kindermusik in englischer Sprache erlernt. Darüber hinaus bescheinigte der Veranstalter des Au-pair-Programms die Teilnahme an einem 32-stündigen bzw. 5-tägigen Au-pair-Training, in dem im Wesentlichen der Umgang mit den zu betreuenden Kindern erlernt werden sollte (Kinderkrankheiten, Sicherheitsfragen, Notfallbehandlungen, Kindesentwicklung, etc.). Schließlich bescheinigte eine Institution der Erwachsenenbildung, dass die Tochter im September 2007 dienstags und donnerstags in der Zeit von 19:00 bis 21:00 Uhr an "Adult Education classes" teilgenommen habe. Dabei handelte es sich um einen Englisch-Kurs für Nicht-Muttersprachler, in dem vorwiegend Grammatik und Vokabeln des täglichen Lebens behandelt wurden. Weiterer theoretisch-systematischer Sprachunterricht erfolgte nicht.
Zum Wintersemester 2008/2009 begann die Tochter der Klägerin ein rechtswissenschaftliches Studium an einer deutschen Universität und nahm im Rahmen des dort angebotenen Programms Law & Language an der Einführungslehrveranstaltung "Introduction to Anglo-American Law I" teil.
Die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) hob die Kindergeldfestsetzung gemäß § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitzeitraum maßgeblichen Fassung (EStG) rückwirkend ab August 2007 auf und forderte das für August bis November 2007 überzahlte Kindergeld zurück. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 652). Es entschied, die Au-pair-Tätigkeit sei nicht als Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG anzusehen. Die Tochter habe weniger als zehn Wochenstunden Sprachunterricht erhalten. Die Verbesserung der Fremdsprachenkenntnisse durch die tägliche Arbeit in der Gastfamilie sei einem einjährigem Au-pair-Aufenthalt im Ausland immanent und erlaube ebenso wenig wie die intensive Auseinandersetzung mit der englischen Sprache in der Freizeit, den USA-Aufenthalt als Berufsausbildung einzustufen. Der Au-pair-Aufenthalt sei keine berufsvorbereitende Maßnahme zum anschließenden Studium der Rechtswissenschaften gewesen. Es sei auch nicht erkennbar, dass die Tochter sich nach der Teilnahme an der Lehrveranstaltung "Introduction to Anglo-American Law I" bemüht hätte, zu dem Law & Language-Programm zugelassen zu werden.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe verkannt, dass der Au-pair-Aufenthalt nicht eine berufsvorbereitende Maßnahme zum Studium der Rechtswissenschaft ihrer Tochter, sondern für eine sich an das Studium anschließende Tätigkeit gewesen sei. Englische Sprachkenntnisse und die Teilnahme an der Lehrveranstaltung "Introduction to Anglo-American Law I" verbesserten ihre Aussichten auf den Einstieg in ein internationales Betätigungsfeld für Juristen. Die Entscheidung des FG stelle eine unbillige Härte dar, denn die Tochter hätte sich finanziell besser gestanden, wenn sie sich arbeitslos gemeldet hätte, als für den Au-pair-Aufenthalt immense Kosten zu übernehmen.
II. Die Revision ist unbegründet und zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Für ein volljähriges Kind besteht nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG Anspruch auf Kindergeld, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird. In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet. Dieser Vorbereitung dienen alle Maßnahmen, bei denen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen erworben werden, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind. Die Ausbildungsmaßnahme braucht Zeit und Arbeitskraft des Kindes nicht überwiegend in Anspruch zu nehmen (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteil vom 2. April 2009 III R 85/08, BFHE 224, 546, BStBl II 2010, 298).
a) Eine Berufsausbildung kann auch im Ausland absolviert werden. Sofern ein Kind dort z.B. eine Universität oder Fachschule besucht oder ein Praktikum zur Erlangung beruflicher Qualifikationen ableistet (Senatsurteil vom 26. August 2010 III R 88/08, BFH/NV 2011, 26), kann es auch dann berücksichtigt werden, wenn zugleich ein Au-pair-Verhältnis besteht. Ein Au-pair-Verhältnis dient regelmäßig nicht der Ausbildung; es schließt die Berücksichtigung eines Kindes nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG wegen einer anderweitigen Ausbildung jedoch ebenso wenig aus wie ein neben der Ausbildung bestehendes Wehrdienstverhältnis (Senatsurteil vom 27. August 2008 III R 88/07, BFH/NV 2009, 132).
b) Nicht jeder Auslandsaufenthalt, der zu einer Verbesserung der Kenntnisse in der jeweiligen Landessprache führt, erfüllt das Tatbestandsmerkmal der Ausbildung für einen Beruf (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Februar 2002 VIII R 83/00, BFHE 198, 192, BStBl II 2002, 469; Senatsbeschlüsse vom 31. August 2006 III B 39/06, BFH/NV 2006, 2256; vom 14. September 2009 III B 119/08, BFH/NV 2010, 34). Zwecks Abgrenzung von längeren Urlauben und sonstigen Auslandsaufenthalten, etwa zur Persönlichkeitsbildung --z.B. zur Verbesserung der Selbständigkeit oder um andere Länder und Kulturen kennenzulernen--, werden Sprachaufenthalte im Rahmen eines Au-pair-Verhältnisses nach ständiger Rechtsprechung daher nur dann als Berufsausbildung angesehen, wenn sie von einem theoretisch-systematischen Sprachunterricht begleitet werden, der nach seinem Umfang den Schluss auf eine hinreichend gründliche (Sprach-)Ausbildung rechtfertigt und grundsätzlich mindestens zehn Wochenstunden umfassen muss (BFH-Urteil vom 9. Juni 1999 VI R 33/98, BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701). Dabei ist grundsätzlich eine Durchschnittsbetrachtung für die Dauer des gesamten Aufenthaltes anzustellen, so dass bei insgesamt hinreichend umfangreichem Unterricht die Berücksichtigung in einem Ferienmonat nicht unterbrochen wird. Bei weniger als durchschnittlich zehn Wochenstunden können ausnahmsweise einzelne Monate gleichwohl als Berufsausbildung zu werten sein, wenn sie --z.B. infolge von Blockunterricht oder Lehrgängen-- durch intensiven, die Grenze von zehn Wochenstunden deutlich überschreitenden Unterricht geprägt werden.
c) Sprachaufenthalte im Ausland können darüber hinaus unter besonderen Umständen des Einzelfalls als Berufsausbildung anerkannt werden, wenn der Fremdsprachenunterricht zwar weniger als zehn Wochenstunden umfasst, aber einen über die übliche Vor- und Nachbereitung hinausgehenden erheblichen zusätzlichen Zeitaufwand des Kindes erfordert. Dies kann z.B. darauf beruhen, dass Einzelunterricht oder fachlich orientierter Sprachunterricht (z.B. Englisch für Juristen) erteilt wird oder das Kind Vorträge in der Fremdsprache hält (Senatsbeschluss in BFH/NV 2006, 2256).
d) Bezwecken der Auslandsaufenthalt und der Sprachunterricht, ein gutes Ergebnis in einem für die Zulassung zum Studium oder zu einer anderweitigen Ausbildung erforderlichen Fremdsprachentest zu erlangen (z.B. TOEFL oder IELTS) oder wird ein Auslandsaufenthalt von einer Ausbildungs- oder Prüfungsordnung zwingend vorausgesetzt, so kann ein Auslandsaufenthalt ebenfalls als Berufsausbildung zu qualifizieren sein, obwohl weniger als zehn Wochenstunden Sprachunterricht erteilt werden.
e) Ein Auslandsaufenthalt ohne gründliche Sprachausbildung gehört demgegenüber nicht bereits deshalb zur Berufsausbildung, weil er Erfahrungen und Fähigkeiten vermittelt, die sich allgemein förderlich auf die Aussichten auswirken, für einen Ausbildungsplatz oder eine Beschäftigung ausgewählt zu werden, ohne dafür indessen erforderlich zu sein. Denn derartige Vorteile können auch durch eine vorübergehende Berufstätigkeit im Ausland oder längere Besuche bei im Ausland lebenden Verwandten erreicht werden, die ebenfalls nicht als Berufsausbildung einzustufen sind.
Im Übrigen berücksichtigen einige Hochschulen und Arbeitgeber bei der Bewerberauswahl auch die Ausübung von Mannschaftssportarten oder Leistungssport sowie soziales oder politisches Engagement von Jugendlichen, weil sie Kooperationsfähigkeit, eine zupackende Art oder Leistungsbereitschaft indizieren; um eine Berufsausbildung handelt es sich indessen bei der Mitgliedschaft in einer Sportmannschaft oder der Mitarbeit in einer Hilfsorganisation oder der Jugendorganisation einer politischen Partei unzweifelhaft nicht.
2. Die Entscheidung des FG, dass die Tochter der Klägerin während ihres Au-pair-Aufenthaltes nicht i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG für einen Beruf ausgebildet wurde, ist danach revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Die Tochter der Klägerin hat lediglich im September 2007 jeweils vier Wochenstunden --bzw. ca. 5,5 Wochenstunden zu je 45 Minuten-- Sprachunterricht erhalten. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die Au-pair-Kurse insoweit ebenfalls zu berücksichtigen sind, denn auch dann wurden zehn Unterrichtsstunden wöchentlich in keinem Monat des streitigen Zeitraums erreicht.
b) Die Au-pair-Kurse sind auch nicht für sich als Berufsausbildung einzuordnen. Sie wurden nicht im Rahmen einer anerkannten Form der Berufsausbildung belegt, sollten nicht zu einem fachlich anerkannten Abschluss führen und waren für das anschließend im Inland betriebene Studium ohne Bedeutung.
c) Der USA-Aufenthalt wurde von der Universität, an der die Tochter der Klägerin vom Wintersemester 2008/2009 an studierte, nicht vorausgesetzt. Die Förderlichkeit von Fremdsprachenkenntnissen bei der Teilnahme an der Einführungsveranstaltung in Anglo-Amerikanisches Recht oder beim späteren Eintritt in den Arbeitsmarkt genügt nicht, um die Au-pair-Zeit als Berufsausbildung anzusehen.
d) Ob es für die Tochter finanziell günstiger gewesen wäre, sich bis zum Beginn ihres Studiums als arbeitsuchend zu melden (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG), ist für die Beurteilung des Au-pair-Aufenthaltes als Berufsausbildung ohne Bedeutung.