Bundesfinanzhof

Entscheidungsdatum: 23.11.2011


BFH 23.11.2011 - III R 76/09

Keine Minderung der als Bezüge anzusetzenden Ehegatten-Unterhaltsleistungen wegen Versicherungsaufwendungen


Gericht:
Bundesfinanzhof
Spruchkörper:
3. Senat
Entscheidungsdatum:
23.11.2011
Aktenzeichen:
III R 76/09
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 2. April 2008, Az: 2 K 286/07 (Kg), Urteil
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Die als Bezüge i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG anzusetzenden Unterhaltsleistungen, die ein verheiratetes Kind von seinem Ehegatten erhält, sind nicht deshalb zu mindern, weil der Ehegatte Aufwendungen für die Versicherung eines PKW sowie für eine sog. Unfall-Prämienrückgewähr-Versicherung getragen hat.

Tatbestand

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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) bezog zunächst Kindergeld für ihre verheiratete, im Jahr 1980 geborene Tochter (T), die ein Studium absolvierte. T und ihr Ehemann (E) haben die gemeinsame Tochter C. Die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) war der Ansicht, die Einkünfte und Bezüge von T hätten im Jahr 2005 den Jahresgrenzbetrag von 7.680 € nach § 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung für das Jahr 2005 (EStG) überschritten und hob deshalb durch Bescheid vom 6. November 2006 die Festsetzung für das Jahr 2005 auf. Die Familienkasse errechnete als Bezüge anzusetzende Unterhaltsleistungen des E an T in Höhe von 6.320,54 €. Hinzu kamen weitere Bezüge der T von 1.608 €, so dass sich nach der Berechnung der Familienkasse ein Betrag von 7.928,54 € ergab. Der gegen den Aufhebungsbescheid gerichtete Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg.

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Das Finanzgericht (FG) wies die anschließend erhobene Klage ab, mit der die Klägerin geltend gemacht hatte, die als Bezüge der T anzusetzenden Unterhaltsleistungen seien herabzusetzen (Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1620). Es war der Ansicht, die zusätzlich geltend gemachten Aufwendungen des E hätten dessen Unterhaltsleistungen an T nicht gemindert. Es berücksichtigte nicht die Aufwendungen für eine Kfz-Haftpflichtversicherung von 412,64 €, ebenso wenig für eine sog. Unfall-Prämienrückgewähr-Versicherung von 652,40 € und errechnete Einkünfte und Bezüge der T von 7.886,29 €.

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Zur Begründung der Revision trägt die Klägerin vor, die von E getragene Lohnsteuer in Höhe von 241,92 € sei abzuziehen, da E in Höhe dieses Betrages keinen Unterhalt habe zahlen können. Entsprechendes gelte für die Kfz-Haftpflichtversicherung, weil E das Fahrzeug zwingend für seine berufliche Tätigkeit benötigt habe sowie für die Unfall-Prämienrückgewähr-Versicherung. Bei einer Berücksichtigung dieser Aufwendungen ergäben sich Bezüge von 7.362,31 €.

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Die Klägerin beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil, den Aufhebungsbescheid vom 6. November 2006 sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 15. Januar 2007 aufzuheben.

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Die Familienkasse beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision ist unbegründet und wird daher zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 FGO). Die Klägerin hat für T im streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf Kindergeld.

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1. Für ein über 18 Jahre altes Kind, das --wie T im Streitzeitraum 2005-- das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und für einen Beruf ausgebildet wird, besteht nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG ein Anspruch auf Kindergeld.

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2. Voraussetzung für die Kindergeldgewährung ist nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG u.a., dass die Einkünfte und Bezüge des Kindes den für das Jahr 2005 maßgeblichen Jahresgrenzbetrag von 7.680 € nicht überschreiten.

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a) Ist das Kind, für das Kindergeld beansprucht wird, bereits verheiratet, so besteht wegen der gesetzlichen Unterhaltspflicht des Ehepartners (§ 1608 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB-- i.V.m. §§ 1360, 1360a BGB) eine Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber ihrem verheirateten Kind nur dann, wenn das Einkommen des Ehepartners so gering ist, dass dieser zum vollständigen Unterhalt nicht in der Lage ist --sog. Mangelfall-- (Senatsurteile vom 19. April 2007 III R 65/06, BFHE 218, 70, BStBl II 2008, 756, und vom 4. August 2011 III R 48/08, BFHE 234, 310, BStBl II 2011, 975). Ein solcher Mangelfall ist anzunehmen, wenn die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes einschließlich der Unterhaltsleistungen des Ehepartners den Jahresgrenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht überschreiten (Senatsurteil in BFHE 234, 310, BStBl II 2011, 975).

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b) Die Unterhaltsleistungen können bei Ehepartnern, die in einem gemeinsamen Haushalt leben, regelmäßig nur geschätzt werden. Bei einer kinderlosen Ehe, in der ein Ehepartner allein verdient und ein durchschnittliches Nettoeinkommen erzielt, entspricht es der Lebenserfahrung, dass dem nicht verdienenden Ehepartner in etwa die Hälfte des Nettoeinkommens in Form von Geld- und Sachleistungen als Unterhalt zufließt; allerdings muss dem unterhaltsverpflichteten Ehepartner ein verfügbares Einkommen in Höhe des steuerrechtlichen Existenzminimums verbleiben (Senatsurteil in BFHE 218, 70, BStBl II 2008, 756, m.w.N.). Verfügt das Kind auch über eigene Mittel, so ist zu unterstellen, dass sich die Eheleute ihr verfügbares Einkommen teilen. Haben die Ehegatten eigene Kinder, so sind die Einkünfte und Bezüge desjenigen Ehegatten, für den Kindergeld begehrt wird, allenfalls in Höhe der halben Unterhaltsbelastung gegenüber den Kindern zu mindern (Senatsurteil in BFHE 234, 310, BStBl II 2011, 975).

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c) Im Streitfall sind die als Bezüge anzusetzenden Unterhaltsleistungen des E an T entgegen der Rechtsansicht der Klägerin nicht deshalb zu kürzen, weil E wegen der Aufwendungen für eine Kfz-Haftpflichtversicherung von 412,64 € und für eine Unfall-Prämienrückgewähr-Versicherung von 652,40 € nur zu einem verminderten Unterhalt in der Lage gewesen sei. Die Aufwendungen für die Kfz-Haftpflichtversicherung gehören zum Familienunterhalt (s. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24. Februar 1983 IX ZR 42/82, Neue Juristische Wochenschrift 1983, 1113). Der Umstand, dass der unterhaltsverpflichtete Ehegatte den PKW (auch) aus beruflichen Gründen benötigt, ändert hieran nichts. Soweit der PKW im Rahmen der Einkünfte des E aus nichtselbständiger Arbeit eingesetzt wurde und hierfür Werbungskosten anfielen, kommt eine bezügemindernde Berücksichtigung ohnehin nicht in Betracht.

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Auch die Aufwendungen für die sog. Unfall-Prämienrückgewähr-Versicherung mindern nicht die Unterhaltsleistungen des E. Bei dieser Versicherung handelt es sich um eine Kombination aus einer Unfall- und einer Lebensversicherung (s. Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 23. Mai 1991  8 U 1687/90, Verbraucher und Recht 1991, 274). Auch wenn allein Risiken des E versichert gewesen sein sollten, handelte es sich dennoch im weiteren Sinne um Aufwendungen für den Familienunterhalt, da die Familie gegen die finanziellen Folgen eines Unfalls oder Versterbens des E abgesichert werden sollte.

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3. Eine Vorwegkürzung der als Bezüge der T anzusetzenden Unterhaltsleistungen wegen der von E getragenen Aufwendungen von 412,64 € für die Kfz-Haftpflichtversicherung und von 652,40 € für die Unfall-Prämienrückgewähr-Versicherung scheidet nach den vorstehenden Ausführungen aus. Die Klägerin hat --nach Abzug der Versicherungsaufwendungen sowie der für E abgeführten Lohnsteuer-- Einkünfte und Bezüge der T von 7.362,31 € errechnet. Ohne Berücksichtigung der Versicherungsaufwendungen liegen die Einkünfte und Bezüge von T über dem Jahresgrenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG von 7.680 €. Auf die --vom FG verneinte-- Frage, ob die als Bezüge anzusetzenden Unterhaltsleistungen im Hinblick auf die für E abgeführte Lohnsteuer zu mindern sind, kommt es nicht an.