Entscheidungsdatum: 27.02.2014
NV: Der Senat hält daran fest, dass die Verheiratung eines Kindes dessen Berücksichtigung seit Januar 2012 nicht mehr ausschließen kann. Da es seitdem auf die Höhe der Einkünfte und Bezüge des Kindes nicht mehr ankommt, ist der sog. Mangelfallrechtsprechung die Grundlage entzogen (gegen DA-FamEStG 2013 Abschn. 31.2.2).
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Mutter einer im Dezember 1989 geborenen Tochter, die im Juli 2007 eine Tochter geboren hat und seit Januar 2010 verheiratet ist. Die Tochter befindet sich im Erststudium und bezieht ein elternunabhängiges Stipendium in Höhe von 1.015 € monatlich. Daneben ist sie bei der Universität beschäftigt; ihre regelmäßige Arbeitszeit beträgt 40 Stunden im Monat. Ihr Ehemann absolviert eine Ausbildung, für die er ein Schulgeld zu zahlen hat, und erhält aus einer Teilzeitbeschäftigung monatlich etwa 250 €.
Die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) hob die Kindergeldfestsetzung mit Bescheid vom 8. Januar 2013 ab Januar 2013 gemäß § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf und wies den fristgemäß eingelegten Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 11. März 2013 als unbegründet zurück, weil nach der Heirat eines Kindes nur noch in Mangelfällen Kindergeld beansprucht werden könne, die Tochter aber über ausreichende Einkünfte und Bezüge zur Deckung ihres Unterhaltsbedarfs verfüge. Ihr Einkommen für 2013 prognostizierte die Familienkasse mit mehr als 11.000 € und den ihr zustehenden Ehegattenunterhalt mit 0 €.
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hob den "Ablehnungsbescheid vom 8. Januar 2013" sowie die Einspruchsentscheidung vom 11. März 2013 auf und verpflichtete die Familienkasse, für die Tochter ab Januar 2013 monatlich Kindergeld in Höhe von 184 € zu zahlen. Es entschied, die Ablehnung der Gewährung von Kindergeld sei rechtswidrig, da es nach der seit 2012 geltenden Rechtslage auf die Höhe der Einkünfte und Bezüge des Kindes nicht mehr ankomme. Dies gelte auch bei Verheiratung des Kindes.
Die Familienkasse rügt die Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe sie zur Zahlung von Kindergeld ab Januar 2013 verpflichtet, obwohl es nur über die Monate Januar bis März 2013 zu entscheiden gehabt hätte. In der Sache hätte es die Klage auch für diesen Zeitraum abweisen müssen, weil infolge der Verheiratung der Tochter keine typische Unterhaltssituation mehr gegeben sei.
Die Familienkasse beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend entschieden, dass die Tochter trotz ihrer Verheiratung zu berücksichtigen ist.
1. Der Senat hat beim Urteilsausspruch richtig gestellt, dass es sich bei dem vom FG aufgehobenen Bescheid vom 8. Januar 2013 nicht um einen Ablehnungsbescheid handelt, sondern um einen Bescheid, mit dem die bis dahin bestehende Festsetzung von Kindergeld mit Wirkung ab Januar 2013 aufgehoben wurde. Infolge der Aufhebung des Aufhebungsbescheides kann die Klägerin aufgrund der bereits für das Jahr 2012 geltenden Festsetzung weiterhin Kindergeld beanspruchen. Einer Verurteilung der Familienkasse zur Festsetzung oder --wie geschehen-- zur Zahlung von Kindergeld ab Januar 2013 bedurfte es nicht.
Das FG-Urteil betrifft lediglich die Monate Januar bis März 2013, da die Einspruchsentscheidung im März 2013 bekannt gegeben wurde und die Familienkasse über die zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannten zukünftigen Tatsachengrundlagen noch keine Regelung treffen konnte (Senatsurteil vom 22. Dezember 2011 III R 41/07, BFHE 236, 144, BStBl II 2012, 681). Die Familienkasse wird daher für die nicht streitgegenständlichen Monate ab April 2013 jeweils die Anspruchsvoraussetzungen zu prüfen haben und die Kindergeldfestsetzung aufheben, sobald sie entfallen.
2. Der Klägerin steht nach dem Wortlaut der §§ 32, 62 ff. EStG für die Monate Januar 2013 bis März 2013 für ihre 1989 geborene Tochter Kindergeld zu, die das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, mittels ihres Studiums für einen Beruf ausgebildet wird (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) und noch keine erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium abgeschlossen hat (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG i.d.F. des Steuervereinfachungsgesetzes 2011, BGBl I 2011, 2131). Die Höhe ihrer Einkünfte und Bezüge ist nach dem Gesetzeswortlaut --im Gegensatz zu der bis Ende 2011 geltenden Rechtslage-- ohne Bedeutung.
3. Der Senat hat in dem Urteil vom 17. Oktober 2013 III R 22/13 (BFHE 243, 246, BStBl II 2014, 257) entschieden, dass die Verheiratung eines Kindes seiner Berücksichtigung nicht entgegensteht, weil die Berücksichtigung keine "typische Unterhaltssituation" voraussetzt und die Fortführung einer Einkünfte- und Bezügegrenze, die sich zwecks Prüfung eines Mangelfalles allein auf verheiratete Kinder beschränkt, im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes bedenklich wäre und der mit der Abschaffung der Grenzbetragsregelung bei volljährigen Kindern vom Gesetzgeber bezweckten Entlastung der Verwaltung widersprechen würde. Daran hält der Senat fest.