Entscheidungsdatum: 20.05.2010
Ein Kind, das sich in Berufsausbildung befindet und Zivildienst geleistet hat, wird über die Vollendung des 25. Lebensjahres hinaus berücksichtigt. Der Verlängerungszeitraum entspricht auch dann der Dienstzeit (im Streitfall 10 Monate), wenn im ersten Monat des Dienstes noch Kindergeld bezogen wurde, weil der Dienst nicht am Monatsersten begann .
I. Der Sohn der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) vollendete im November 2008 sein 25. Lebensjahr. Nach dem Abitur im Sommer 2003 hatte er vom 4. August 2003 bis zum 31. Mai 2004 Zivildienst geleistet und zum Wintersemester 2004 mit dem Medizinstudium begonnen, das im September 2009 noch nicht abgeschlossen war.
Die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) hob die Festsetzung des Kindergeldes ab September 2009 nach § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf, weil im Jahr 2003 Kindergeld bis einschließlich August 2003 --dem Monat des Dienstantritts-- gezahlt worden war; damit sei ein Monat des Zivildienstes bereits abgegolten. Als Verlängerungstatbestand gemäß § 32 Abs. 5 EStG berücksichtigte die Familienkasse mithin nur die neun Monate des Dienstes ohne Kindergeldbezug und nicht die zehn Monate, die der Dienst gedauert hatte. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Das Finanzgericht (FG) gab der auf Gewährung von Kindergeld für September 2009 gerichteten Klage --gegen die Regelung in der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes (DA-FamEStG) 63.5 Abs. 3 (BStBl I 2009, 1029, 1086)-- unter Hinweis auf das Senatsurteil vom 27. August 2008 III R 88/07 (BFH/NV 2009, 132) statt.
Die Familienkasse trägt zur Begründung ihrer Revision vor, das im BStBl II nicht veröffentlichte Senatsurteil in BFH/NV 2009, 132 betreffe eine Verlängerung wegen des Grundwehrdienstes und nicht --wie im Streitfall-- des Zivildienstes. Es berücksichtige auch nicht, dass Zivildienstleistende staatliche Leistungen bezögen und die kindergeldberechtigten Eltern daher auch im Monat des Dienstantritts nicht mit Unterhaltsansprüchen belastet seien. Die doppelte Berücksichtigung eines Monats würde zu einer Ungleichbehandlung mit den Kindern führen, die ihren Dienst bereits am Monatsersten anträten oder keinen Dienst leisteten.
Die Familienkasse beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Senat hält an seiner Auffassung fest (Senatsurteil in BFH/NV 2009, 132), dass der Verlängerungszeitraum nach § 32 Abs. 5 Satz 1 EStG auch dann der Dienstzeit entspricht, wenn der Dienst nicht am Monatsersten angetreten wurde und daher im ersten Monat des Dienstes noch Kindergeld bezogen wurde. Der Klägerin steht daher für September 2009 noch Kindergeld zu.
1. Nach §§ 62, 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG wird für ein Kind, das sich in Berufsausbildung befindet, Kindergeld grundsätzlich nur bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres gewährt. Über diese Altersgrenze hinaus wird ein Kind gemäß § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG ausnahmsweise dann berücksichtigt, wenn es den gesetzlichen Grundwehrdienst oder den Zivildienst geleistet hat. Der Endzeitpunkt für die Gewährung des Kindergeldes wird dann um einen der Dauer des geleisteten Dienstes entsprechenden Zeitraum hinausgeschoben. Eine Beschränkung dieser Verlängerung auf Dienstmonate, in denen kein Kindergeld gewährt wurde, ist dem Gesetzeswortlaut ebenso wenig zu entnehmen wie eine der "Doppelberücksichtigung" von Dienstmonaten entgegenstehende, in Monaten bemessene, maximale Bezugsdauer.
2. Nach dem Wortlaut des § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG besteht der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Kindergeld im Monat September 2009, da ihr Sohn im November 2008 sein 25. Lebensjahr vollendet, zehn Monate Zivildienst geleistet hatte und noch studierte.
3. Eine einschränkende Auslegung des § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG ist nicht geboten. Der Verlängerungszeitraum ist nicht zu kürzen, wenn der Zivildienst nicht am Monatsersten angetreten und deshalb im Monat des Dienstantritts noch Kindergeld bezogen wurde.
a) Die Verwaltung ist der Auffassung, die Berücksichtigung eines Kindes verlängere sich um die in dem jeweiligen Verpflichtungsgesetz geforderte Dauer des Dienstes (DA-FamEStG 63.5 Abs. 4); als Verlängerungstatbestand könnten aber nur diejenigen nach Vollendung des 18. Lebensjahres geleisteten Monate des Dienstes berücksichtigt werden, in denen nicht bereits nach § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG ein Kindergeldanspruch bestanden habe (DA-FamEStG 63.5 Abs. 3; R 32.11 der Einkommensteuer-Richtlinien 2008). Diese Auffassung steht im Widerspruch zum Wortlaut des § 32 Abs. 5 Satz 1 EStG. Zudem berücksichtigt sie nicht, dass der durch § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG auszugleichende Nachteil der kindergeldberechtigten Eltern auch darin liegt, dass sich der Ausbildungsabschluss des Kindes und die --typisierend zu unterstellende-- Belastung mit Unterhaltsansprüchen um die Dauer des gesamten Dienstes verzögert und dass dieser Nachteil nicht durch die --im Streitfall sechs Jahre zurückliegende-- Gewährung von Kindergeld im Monat des Dienstantritts ausgeglichen wird.
b) Kindergeld wird somit für in Ausbildung befindliche Kinder bis zum selben Alter gewährt, unabhängig davon, ob ihr Dienst am Monatsersten oder erst einige Tage später begonnen hatte. Kinder, die ihren Dienst nicht am Monatsersten angetreten haben und im ersten Dienstmonat noch gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b oder Buchst. c EStG berücksichtigt wurden, werden demnach zwar insgesamt einen Monat mehr gefördert. Dies ist indessen eine Folge des grob typisierenden Monatsprinzips, das eine Kürzung nur dann erlaubt, wenn die Anspruchsvoraussetzungen an keinem Tag des Monats vorliegen.
c) Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 14. Oktober 2002 VIII R 68/01 (BFH/NV 2003, 460) entschieden, dass der nach § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG verlängerte Zeitraum für den Bezug von Kindergeld zu begrenzen ist, wenn ein Teil des Verlängerungstatbestandes sich bereits nach Vollendung des 21. Lebensjahres ausgewirkt hatte; dann könne nur noch die Differenz zum gesetzlichen Grundwehr- oder Zivildienst als Verlängerungstatbestand berücksichtigt werden. Anderenfalls käme es zu einer doppelten Berücksichtigung der bereits "verbrauchten" Monate des Verlängerungstatbestandes. Eine derartige "doppelte" Berücksichtigung der Zivildienstzeit als Verlängerungstatbestand tritt aber nicht ein, wenn für den Monat des Dienstantritts noch Kindergeld gewährt wird.
d) Nicht zu entscheiden ist im Streitfall, ob der Verlängerungszeitraum des § 32 Abs. 5 Satz 1 EStG zu begrenzen wäre, wenn ein Kind während der Dienstzeit weiterhin berücksichtigt wird, weil es gleichzeitig den Dienst leistet und eine Ausbildung betreibt (ebenfalls offen gelassen in den BFH-Urteilen vom 14. Mai 2002 VIII R 61/01, BFHE 199, 210, BStBl II 2002, 807, und in BFH/NV 2009, 132).
Vorliegend beruhte die Kindergeldgewährung im August 2003 nicht darauf, dass der Sohn der Klägerin seine Ausbildung während des Zivildienstes fortsetzte, sondern darauf, dass er den Dienst wegen des davorliegenden Wochenendes erst am Montag, den 4. August 2003, anzutreten hatte und sich deshalb vom 1. bis 3. August 2003 formal noch in der Übergangszeit zwischen einem Ausbildungsabschnitt --Gymnasium-- und dem Zivildienst befand (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG).