Entscheidungsdatum: 22.09.2011
NV: Bei der Entscheidung des FG, ob sich das Kind ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht hat, handelt es sich um eine Gesamtwürdigung des Einzelfalls, die durch den BFH im Rahmen des § 118 Abs. 2 FGO nur eingeschränkt überprüfbar ist.
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) bezog u.a. laufend Kindergeld für seinen im August 1984 geborenen Sohn M. Ende Januar 2003 brach M seine Ausbildung ab. In der Zeit von Mitte Februar bis Ende August 2003 nahm M an einem berufsvorbereitenden Lehrgang teil. Am 1. September 2005 begann er eine neue Ausbildung.
Nachdem die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) von dem Abbruch der ersten Ausbildung erfahren hatte, hob sie die Festsetzung von Kindergeld für M mit Bescheid vom 8. Juni 2005 für die Zeit von September 2003 bis November 2004 auf. Die Angaben des Klägers zu den Eigenbemühungen von M um einen Ausbildungsplatz erachtete die Familienkasse nicht als ausreichend.
Aufgrund im Rechtsbehelfsverfahren vorgelegter Bewerbungsunter- lagen half die Familienkasse dem Einspruch für die Monate September 2003 sowie Januar und August 2004 ab (Änderungsbescheid vom 29. Juli 2005). Die gegen die für die übrigen Monate erfolgte Zurückweisung erhobene Klage hatte keinen Erfolg, nachdem die Familienkasse in der mündlichen Verhandlung am 20. September 2007 in einem weiteren Änderungsbescheid den Rückforderungsbetrag herabgesetzt hatte.
Das Finanzgericht (FG) war der Ansicht, aus den vorgelegten Unterlagen ergäben sich für den Streitzeitraum nicht mit hinreichender Sicherheit ausreichende Bemühungen des M um einen Ausbildungsplatz. Auch die allgemeine Behauptung des Klägers, M sei stets bei der Arbeitsagentur als ausbildungsplatzsuchend gemeldet gewesen, genüge nicht, um ihn als Kind ohne Ausbildungsplatz zu berücksichtigen. Laut einem Vermerk in der Kindergeldakte sei seit dem 27. September 2003 keine Meldung des M mehr erfolgt.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c des Einkommensteuergesetzes in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung (EStG) und macht darüber hinaus geltend, das FG habe verfahrensfehlerhaft M nicht als Zeugen vernommen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil sowie den Bescheid über die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung vom 8. Juni 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. August 2005 und der Änderungsbescheide vom 29. Juli 2005 und 20. September 2007 aufzuheben.
Die Familienkasse beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet. Sie wird nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückgewiesen.
Die Entscheidung des FG, dass dem Kläger kein weiterer Kindergeldanspruch für M zusteht, weil sich dieser im Streitzeitraum (Oktober bis Dezember 2003, Februar bis Juli 2004 sowie September bis November 2004) nicht ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht habe, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
1. Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG besteht für ein über 18 Jahre altes Kind, das das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, Anspruch auf Kindergeld, wenn es eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 19. Juni 2008 III R 66/05 (BFHE 222, 343, BStBl II 2009, 1005) dargelegt, wie diese Voraussetzungen nachzuweisen oder glaubhaft zu machen sind.
a) Nach ständiger Rechtsprechung erfordert die Berücksichtigung eines Kindes gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG, dass sich dieses ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht (Senatsurteil in BFHE 222, 343, BStBl II 2009, 1005, m.w.N.).
b) Das Bemühen um einen Ausbildungsplatz ist glaubhaft zu machen. Pauschale Angaben, das Kind sei im fraglichen Zeitraum ausbildungsbereit gewesen, es habe sich ständig um einen Ausbildungsplatz bemüht oder sei stets bei der Agentur für Arbeit als ausbildungsuchend gemeldet gewesen, reichen nicht aus. Um einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Kindergeldes entgegen zu wirken, muss sich die Ausbildungsbereitschaft des Kindes durch belegbare Bemühungen um einen Ausbildungsplatz objektiviert haben (Senatsurteil in BFHE 222, 343, BStBl II 2009, 1005, m.w.N.).
Die Nachweise für die Ausbildungswilligkeit des Kindes und für sein Bemühen, einen Ausbildungsplatz zu finden, hat der Kindergeldberechtigte beizubringen. Die besondere Mitwirkungspflicht unter Einbeziehung des über 18 Jahre alten Kindes sieht § 68 Abs. 1 EStG ausdrücklich vor. Es liegt auch im Einflussbereich des Kindergeldberechtigten, Vorsorge für die Nachweise der Ausbildungswilligkeit des Kindes zu treffen (Senatsurteil in BFHE 222, 343, BStBl II 2009, 1005, m.w.N.).
c) Nachgewiesen werden kann das ernsthafte Bemühen um einen Ausbildungsplatz z.B. durch eine Bescheinigung der Agentur für Arbeit, dass das Kind als Bewerber um eine berufliche Ausbildungsstelle registriert ist (vgl. hierzu Senatsurteile in BFHE 222, 343, BStBl II 2009, 1005, und vom 17. Juli 2008 III R 95/07, BFH/NV 2009, 367; III R 106/07, BFH/NV 2009, 368).
d) Das Bemühen um einen Ausbildungsplatz kann außer durch eine Meldung bei der Arbeitsvermittlung auch glaubhaft gemacht werden durch Suchanzeigen in der Zeitung, durch direkte schriftliche Bewerbungen an Ausbildungsstätten und ggf. darauf erhaltene Zwischennachrichten oder Absagen. Bewerbungen und Absagen durch E-Mails können ebenfalls zu berücksichtigen sein. Telefonische Anfragen können im Einzelfall als Nachweis ausreichen, wenn detailliert und glaubhaft dargelegt wird, mit welchen Firmen, Behörden usw. zu welchen Zeitpunkten (erfolglose) Gespräche geführt worden sind (Senatsurteile in BFHE 222, 343, BStBl II 2009, 1005, und vom 17. Juli 2008 III R 109/07, BFH/NV 2009, 391).
Auch wenn das Kindergeld monatlich entsteht und deshalb die Anspruchsvoraussetzungen --wie das Bemühen um einen Ausbildungsplatz-- in jedem Monat gegeben sein müssen, braucht nicht zwingend für jeden Monat ein erneuter Nachweis vorgelegt zu werden, der das Bemühen um einen Ausbildungsplatz dokumentiert. Es ist daher nicht erforderlich, dass sich das Kind jeden Monat erneut um eine Ausbildungsstelle bewirbt, solange über die bisherigen Bewerbungen noch nicht entschieden ist; allerdings ist spätestens nach Ablauf von drei Monaten eine Parallelbewerbung erforderlich, wenn das Kind innerhalb dieses Zeitraums keine Absage erhalten hat (Senatsurteil in BFHE 222, 343, BStBl II 2009, 1005).
e) Das FG hat die Entscheidung, ob sich das Kind ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht hat, unter Berücksichtigung der vorgenannten Beweisanzeichen zu treffen; ggf. ist das Kind anzuhören. Bei der Entscheidung handelt es sich um eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles, die durch den Bundesfinanzhof (BFH) nur eingeschränkt überprüfbar ist.
2. In Anwendung der vorgenannten Grundsätze ist die Entscheidung des FG, der Kläger habe für M keinen Kindergeldanspruch für die Monate Oktober bis Dezember 2003, Februar bis Juli 2004 sowie September bis November 2004, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Für den Streitzeitraum ist das FG nach Würdigung aller Umstände des Einzelfalles zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger in diesen Monaten ein ernsthaftes Bemühen des M um einen Ausbildungsplatz weder durch ausreichende eigene Bemühungen noch durch eine regelmäßige Meldung bei der Agentur für Arbeit als Bewerber um einen Ausbildungsplatz nachgewiesen hat. Da die Würdigung nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt, ist sie für den BFH als Revisionsgericht nach § 118 Abs. 2 FGO bindend, selbst wenn die Wertung des FG nicht zwingend, sondern lediglich möglich ist (vgl. BFH-Beschluss vom 10. Februar 2005 VI B 113/04, BFHE 209, 211, BStBl II 2005, 488).
a) Letztlich nicht zu beanstanden ist, dass das FG den Bewerbungen, die zu einer Abhilfe für die Monate September 2003 sowie Januar und August 2004 geführt haben, jeweils keine über den einzelnen Monat hinausreichende Bedeutung beigemessen hat. Die von dem Kläger insoweit vorgelegten Nachweise bezogen sich jeweils nur auf den konkreten Monat. Dass diese Bewerbungen sich über mehrere Monate erstreckten (s. Senatsurteil in BFHE 222, 343, BStBl II 2009, 1005, unter II.1.d), ist weder vorgetragen noch aus den Akten ersichtlich.
Weiter ist nicht zu beanstanden, dass das FG der von dem Kläger vorgelegten Auflistung mit Hotels sowie den beiden Stellenangeboten, auf die sich M beworben haben will, keine Bedeutung beigemessen hat. Aus der Liste gehen allein die Anschriften der verschiedenen Hotels hervor, dagegen ist insbesondere nicht dargelegt, zu welchen Zeitpunkten die Bewerbungen erfolgt sein sollen. Die Stellenangebote wurden erst im Dezember 2004 --und damit nach Ablauf des Streitzeitraums-- ausgedruckt. Ab Dezember 2004 hat die Familienkasse M jedoch wieder als Kind ohne Ausbildungsplatz berücksichtigt.
b) Das FG hat für die streitigen Monate auch keine Meldung des M bei der Agentur für Arbeit festgestellt. Entgegen der Ansicht des Klägers ergibt sich eine solche Meldung nicht aus dem von dem FG in Bezug genommenen Vermerk.
c) Die Verfahrensrüge des Klägers, mit der er sinngemäß eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) geltend macht, greift nicht durch. Der Senat sieht insoweit von einer Begründung ab (§ 126 Abs. 6 Satz 1 FGO).