Entscheidungsdatum: 19.03.2014
NV: Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass das Existenzminimum im Veranlagungszeitraum 2011 in ausreichender Höhe durch den Grundfreibetrag und die Freibeträge gemäß § 32 Abs. 6 EStG berücksichtigt worden ist.
I. Streitig ist, ob die Höhe des Grundfreibetrages und des Kinderfreibetrages den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Steuerfreistellung des Existenzminimums genügt.
Die Beschwerdeführer und Antragsteller (Antragsteller) sind Eheleute, die im Streitjahr 2011 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Sie leben mit ihrer minderjährigen Tochter in Berlin. Bei der Festsetzung der Einkommensteuer berücksichtigte der Beschwerdegegner und Antragsgegner (das Finanzamt --FA--) die genannten Freibeträge in gesetzlicher Höhe. Über den Einspruch, mit dem die Verfassungswidrigkeit dieser gesetzlichen Grundlagen geltend gemacht wird, hat das FA noch nicht entschieden. Anträge auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) blieben beim FA wie beim Finanzgericht (FG) erfolglos.
Mit ihrer vom FG zugelassenen Beschwerde machen die Antragsteller geltend, das FG habe unreflektiert die Zahlen des Siebten Existenzminimumberichts vom 21. November 2008 (BTDrucks 16/11065) übernommen, ohne den Mindestbedarf unter unmittelbarem Rückgriff auf die sozialrechtlichen Bestimmungen zu ermitteln. Auszugehen sei von den Leistungen zur Grundsicherung erwerbsfähiger Hilfebedürftiger nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und nicht von den Sozialhilfeleistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Danach sei gemäß § 20 SGB II von einem monatlichen Regelbedarf in Höhe von 364 € auszugehen, zzgl. Kosten für die Unterkunft in Höhe von mindestens 378 €. Hieraus ergebe sich ein jährlicher sozialhilferechtlicher Anspruch in Höhe von 8.904 €. Wenn Einzel- und Mehrbedarfe in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) mit einem Aufschlag von 25 % auf die Regelleistung berücksichtigt würden, folge daraus ein jährlicher Mindestbedarf in Höhe von 11.130 €, der deutlich über dem steuerlichen Grundfreibetrag liege. Ferner sei im Hinblick auf ihre minderjährige Tochter zu beanstanden, dass der im Existenzminimumbericht angesetzte Bedarf für Kinder außerhalb jeglicher Realität liege. Mit dem Freibetrag in Höhe von 7.008 € (einschließlich der Bedarfe für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung) könne eine Minderung der Steuerzahllast bis maximal 2.943,36 € erreicht werden oder es werde im Jahr ein Kindergeld von 2.208 € gewährt. Es könne niemand ernsthaft behaupten, dass ein Kind mit Beträgen dieser Größenordnung seinen existenznotwendigen Lebensunterhalt decken könne.
Die Antragsteller beantragen sinngemäß, unter Aufhebung des Beschlusses des FG die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids vom 10. Dezember 2012 in Höhe von 1.756,15 € auszusetzen.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat den Antrag auf AdV zu Recht abgelehnt.
1. a) Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind u.a. dann zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts neben für seine Rechtmäßigkeit sprechende Umstände gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen bewirken (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182, seitdem ständige Rechtsprechung). Dies gilt auch für ernstliche Zweifel an der verfassungsrechtlichen Gültigkeit einer dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegenden Norm. An die Zweifel hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sind, wenn die Verfassungswidrigkeit von Normen geltend gemacht wird, keine strengeren Anforderungen zu stellen als im Fall der Geltendmachung fehlerhafter Rechtsanwendung (BFH-Beschluss vom 26. August 2010 I B 49/10, BFHE 230, 445, BStBl II 2011, 826, m.w.N.).
b) Beruhen die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts auf Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Gesetzesvorschrift, dann setzt die Gewährung der AdV nach langjähriger Rechtsprechung des BFH wegen des Geltungsanspruchs jedes formell verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes zusätzlich ein (besonderes) berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes voraus (BFH-Beschluss vom 1. April 2010 II B 168/09, BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558, mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung). Bei der Prüfung, ob ein solches berechtigtes Aussetzungsinteresse des Steuerpflichtigen besteht, ist dieses mit den gegen die Gewährung von AdV sprechenden öffentlichen Belangen abzuwägen. Diese Rechtsprechung ist mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Gewährung effektiven Rechtsschutzes vereinbar (BVerfG-Beschlüsse vom 6. April 1988 1 BvR 146/88, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Finanzgerichtsordnung, § 69, Rechtsspruch 283, und vom 3. April 1992 2 BvR 283/92, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1992, 726).
2. Die Voraussetzungen für eine AdV lagen danach im Streitfall nicht vor. Es kann dahinstehen, ob ein (besonderes) berechtigtes Interesse der Antragsteller an der Gewährung von AdV besteht. Denn der Senat hat im Hinblick auf den im Streitjahr geltenden Grund- und Kinderfreibetrag keine ernstlichen Zweifel an deren Verfassungsmäßigkeit.
a) Grundfreibetrag
Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG (Beschlüsse vom 25. September 1992 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413; vom 13. Februar 2008 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125, m.w.N.) ist dem Steuerpflichtigen das Existenzminimum zu belassen. Die Höhe dieses Existenzminimums, welches unter Berücksichtigung des Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) für eine Familie zu betrachten ist, orientiert sich dabei am Mindestbedarf, wie ihn das Sozialrecht in Form der Sozialhilfeleistungen konkretisiert (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413). Zur verfassungsrechtlichen Überprüfung der Höhe des steuerlichen Grundfreibetrags ist dieser dem Mindestbedarf gegenüberzustellen.
aa) Für zusammenveranlagte Steuerpflichtige betrug der Grundfreibetrag gemäß § 32a Abs. 1 und 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 16.008 €.
bb) Was die Höhe des für 2011 anzusetzenden Mindestbedarfs angeht, entnimmt der Senat die maßgeblichen Daten dem Siebten und ergänzend auch dem Achten Existenzminimumbericht der Bundesregierung (BTDrucks 16/11065 und 17/5550). Zwar wird der nur alle zwei Jahre vorzulegende Bericht (Beschluss des Deutschen Bundestags vom 31. Mai 1995, BTDrucks 13/1558) für ein bestimmtes Jahr und für das Folgejahr --in prognostischer Art und Weise-- aufgestellt, so dass eigentlich ausschließlich der für das Jahr 2010 erstellte Siebte Existenzminimumbericht heranzuziehen wäre. Jedoch berücksichtigt der Achte Bericht die in Folge der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung (sog. "Hartz IV"-Urteil des BVerfG vom 9. Februar 2010 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, BVerfGE 125, 175) erfolgte Neuermittlung der Regelbedarfe zum 1. Januar 2011. Bei der gesetzlichen Festlegung des "neuen" Regelbedarfs (§ 20 SGB II; Anlage zu § 28 SGB XII) wurden die verfassungsrechtlichen Vorgaben beachtet (Urteile des Bundessozialgerichts --BSG-- vom 12. Juli 2012 B 14 AS 153/11 R, BSGE 111, 211; B 14 AS 189/11 R, juris; vom 28. März 2013 B 4 AS 12/12 R, Sozialrecht --SozR-- 4-4200 § 20 Nr. 18). Mit dem --auch von den Antragstellern wiederholt zitierten-- Vorlagebeschluss des Sozialgerichts (SG) Berlin, in dem die Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit des "neuen" Regelbedarfs geäußert wird (Beschluss des SG Berlin vom 25. April 2012 S 55 AS 9238/12, juris), hat sich das BSG in den Gründen seiner Entscheidung(en) auseinandergesetzt. Das BSG hat die Argumentation des SG Berlin nicht geteilt. Verfassungsbeschwerden, die gegen die Entscheidungen des 14. Senats des BSG eingelegt wurden, hat das BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG-Beschlüsse vom 20. November 2012 1 BvR 2203/12; vom 27. Dezember 2012 1 BvR 2471/12; vgl. Behrend in jurisPK-SGB II, § 20 Rz 109.9). Der erkennende Senat schließt sich der Rechtsprechung des BSG an und legt seiner Entscheidung in Übereinstimmung mit dem Achten Existenzminimumbericht die "neuen" Regelbedarfssätze zugrunde.
(1) Nach den Existenzminimumberichten setzt sich der Sozialhilfebedarf aus drei Positionen zusammen (Regelsatz, Kosten der Unterkunft, Heizkosten). Zu unterscheiden sind drei Personengruppen (Alleinstehende, Ehepaare, Kinder). Da die Antragsteller verheiratet sind, können entgegen ihren Berechnungen in der Beschwerdeschrift nicht die Daten für Alleinstehende herangezogen und einfach verdoppelt werden. Denn bei Ehepaaren ist im Hinblick auf den Regelbedarf --die Existenzminimumberichte sprechen nicht vom Regelbedarf, sondern vom Regelsatz-- eine Haushaltsersparnis zu berücksichtigen, die sich auf dessen Höhe auswirkt (vgl. BFH-Urteil vom 18. November 2009 X R 34/07, BFHE 227, 99, BStBl II 2010, 414; BSG-Urteil in SozR 4-4200 § 20 Nr. 18, Rz 25 der Gründe). Auch was die Unterkunfts- und Heizungskosten angeht, sind ausschließlich die für Ehepaare geltenden Daten (angemessene Wohnungsgröße u.ä.) anzusetzen.
(2) Beim Regelsatz ist bei Ehepaaren von einem Betrag in Höhe von 656 €/Monat, also jährlich von 7.872 € auszugehen (Achter Existenzminimumbericht unter Ziffer 4.1.1; 2 x 328 € gemäß § 20 Abs. 4 SGB II und Regelbedarfsstufe 2 gemäß Anlage A zu § 28 SGB XII, jeweils in der im Streitjahr geltenden Fassung). Das sog. sozio-kulturelle Existenzminimum wurde bei der Berechnung des "neuen" Regelsatzes bereits erfasst (vgl. Behrend in jurisPK-SGB II, § 20 Rz 43 f.).
(3) Bei den Kosten der Unterkunft geht der Senat auf der Grundlage der im Siebten und Achten Bericht angegebenen Daten von einem Jahresbetrag in Höhe von 4.272 € aus (die Multiplikation der durchschnittlichen monatlichen Bruttokaltmiete pro qm in Höhe von 5,93 € mit der angemessenen Wohnungsgröße von 60 qm ergibt einen Monatsbetrag von 356 €). Der X. Senat des BFH hat bei den Wohnkosten die im Fünften Existenzminimumbericht (BTDrucks 15/2462) niedergelegte Bedarfsermittlung für das Jahr 2005 ausführlich überprüft und ausdrücklich gebilligt (BFH-Urteil in BFHE 227, 99, BStBl II 2010, 414). Der Senat schließt sich dieser Auffassung an. Er kann der Beschwerdebegründung keine Argumente entnehmen, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen würden. Auf die dort aufgeworfene Frage, ob für einen Alleinstehenden eine Wohnungsgröße von 30 qm, so die Existenzminimumberichte, oder von 50 qm angemessen ist, so die Beschwerdebegründung, kommt es für den Streitfall nicht an, da die Antragsteller zusammen leben. Für Ehepaare hat der BFH in Übereinstimmung mit dem Bericht eine Wohnungsgröße von 60 qm als angemessen erachtet (BFH-Urteil in BFHE 227, 99, BStBl II 2010, 414). Die von den Antragstellern herangezogene --allerdings erst am 3. April 2012 erlassene (Gesetz- und Verordnungsblatt Berlin 2012, 99)-- Wohnaufwendungenverordnung (WAV) Berlin weist in ihrer Anlage 1 für einen Zweipersonenhaushalt ebenfalls eine 60 qm-Wohnung als angemessen aus (vgl. auch Piepenstock in jurisPK-SGB II, § 22 Rz 69). Auch gegen die Herleitung der Durchschnittsmieten aus der Wohngeldstatistik hat der BFH keine Einwendungen erhoben (BFH-Urteil in BFHE 227, 99, BStBl II 2010, 414). Soweit die Antragsteller auch diesbezüglich auf die WAV Berlin verweisen, ist zum einen anzumerken, dass das BVerfG eine Regionalisierung des Grundfreibetrags im Hinblick auf die Kosten der Unterkunft nicht gefordert hat. Vielmehr hat es darauf abgestellt, dass angesichts des erheblichen Preisgefälles Preisunterschiede durch das Wohngeld ausgeglichen werden können (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413). Zum anderen weist die WAV Berlin für Zwei-Personen-Haushalte nur geringfügig höhere Bruttokaltmieten aus als der Existenzminimumbericht. Soweit in der Literatur teilweise die Notwendigkeit gesehen wird, die Ballungsraumproblematik bei den Kosten der Unterbringung im Rahmen der Bemessung des Grundfreibetrags zu berücksichtigen (z.B. Dziadkowski, Finanz-Rundschau 2008, 124), können die Antragsteller hieraus keinen Vorteil für sich ableiten. Denn das Mietniveau in Berlin bleibt deutlich hinter vergleichbaren Großstädten wie München oder Hamburg zurück (vgl. www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/mietspiegel/de/download: Dokument "Ausstellung Berliner Mietspiegel 2011").
(4) Die dem Existenzminimumbericht zugrunde liegende Berechnung der Heizkosten auf der Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) begegnet keinen durchgreifenden Bedenken (vgl. BFH-Urteil in BFHE 227, 99, BStBl II 2010, 414). Für das Jahr 2011 ist danach für Ehepaare von einem Jahresbetrag von 835 € auszugehen (vgl. Achter Existenzminimumbericht, Ziffer 4.1.3). Dass dieser Betrag ausreichend ist, bestätigt der Blick in andere öffentlich verfügbare Quellen, wie z.B. den durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit geförderten bundesweiten Heizkostenspiegel. Danach kostete das Beheizen einer 70-qm-Wohnung im Abrechnungsjahr 2011 mit Heizöl durchschnittlich 890 €, mit Erdgas 715 € und mit Fernwärme 785 € (Quelle: www.heizspiegel.de).
cc) Damit beträgt der Mindestbedarf von Ehepaaren 12.979 €. Zwischen dieser Summe und dem steuerlichen Freibetrag in Höhe von 16.008 € besteht eine Differenz von 3.029 €. Der Senat vermag bei der gebotenen summarischen Prüfung nicht zu erkennen, durch welche zusätzlichen Bedarfspositionen dieser "Puffer" aufgezehrt werden könnte. Für den von den Antragstellern befürworteten pauschalen 25 %-igen Zuschlag auf den Regelsatz zur Abgeltung von einmaligen Hilfen und Mehrbedarfen --dies entspricht einem Betrag von 1.968 €-- ist kein Raum. Der Rechtsprechung des BVerfG lässt sich nicht entnehmen, dass dieser Bedarf überhaupt und auf diese Weise berücksichtigt werden müsste. Die maßgeblichen Entscheidungen des BVerfG sind zur Rechtslage nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) ergangen. Das Verfassungsgericht hat die folgenden im BSHG vorgesehenen Leistungen als Maßgröße für das einkommensteuerrechtliche Existenzminimum herangezogen: Regelsatz; Leistungen für Unterkunft und die Heizung; einmalige Hilfen, die einen zusätzlichen Grundbedarf berücksichtigen, der durch die laufenden Leistungen nicht gedeckt ist; Mehrbedarf für Erwerbstätige (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413). Danach sind Mehrbedarfe, die das BSHG beispielsweise für Schwangere, Alleinerziehende oder Behinderte anerkannte (§ 23 BSHG i.d.F. vom 20. Januar 1987; vgl. jetzt auch § 21 SGB II und § 30 SGB XII), nicht Teil des sozialhilferechtlichen Mindestbedarfs, der allgemein durch Hilfen zum notwendigen Lebensunterhalt an jeden Bedürftigen befriedigt wird. Die im Zuge der sog. Hartz-Reformen erfolgten Änderungen im Sozialrecht haben dazu geführt, dass einmalige Beihilfen zum Lebensunterhalt, von wenigen Ausnahmen (§ 24 Abs. 3 SGB II, § 31 Abs. 1 SGB XII) abgesehen, nicht mehr gewährt werden (Schmidt in Oestreicher, SGB II/SGB XII, § 20 SGB II Rz 12 und 26). Dem Wegfall der vom BSHG noch zahlreich vorgesehenen einmaligen Beihilfen (z.B. zur Anschaffung von Kleidung oder Gebrauchsgütern längerer Nutzungsdauer) wurde durch eine Erhöhung der Regelleistung und neu eingeführte Sonderbedarfstatbestände (vgl. z.B. § 24 Abs. 3 SGB II) Rechnung getragen (vgl. BVerfG-Urteil in BVerfGE 125, 175, m.w.N.). Das SGB II und das SGB XII sehen im Unterschied zu § 23 Abs. 4 Nr. 1 BSHG (in der zum 1. Januar 1987 geltenden Fassung) auch keinen Mehrbedarf für Erwerbstätige mehr vor. Es erscheint daher naheliegend, dass dieser Bedarf bei der Ermittlung des Mindestbedarfs auch nicht mehr zu berücksichtigen ist (a.A. wohl Sartorius, Das Existenzminimum im Recht, 2000, S. 188 f.).
Aus den genannten Gründen kann es jedenfalls nicht angehen, pauschal 25 % des --erhöhten-- Regelbedarfs als Teil des sozialhilferechtlichen Mindestbedarfs anzuerkennen, um Mehrbedarfslagen und einmaligen Leistungsgewährungen Rechnung zu tragen. Im Übrigen würde der oben erwähnte "Puffer" ausreichen, um selbst einen --auf diese Weise ermittelten-- zusätzlichen Bedarf auch noch abzudecken.
b) Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG
Es ist auch nicht ernstlich zweifelhaft, dass im Streitjahr das Kinderexistenzminimum steuerlich verschont wurde.
aa) Was die Steuerfreiheit des Existenzminimums der Kinder des Steuerpflichtigen angeht, gesteht das BVerfG (Beschluss vom 14. Juni 1994 1 BvR 1022/88, BVerfGE 91, 93, BStBl II 1994, 909, unter C.II.1.c, m.w.N.) dem Gesetzgeber einerseits zu, die steuerliche Entlastung in Höhe des Existenzminimums der Kinder für alle Altersstufen und im ganzen Bundesgebiet einheitlich festzulegen, erkennt andererseits aber, dass die Leistungen der Sozialhilfe weder für alle in Betracht kommenden Altersstufen der Kinder noch in allen Bundesländern einheitlich sind. Daraus folgert es, dass für den Vergleich aus den unterschiedlichen Sätzen ein Durchschnittssatz des im Sozialhilferecht anerkannten Bedarfs gebildet werden muss. Die Kriterien für die Ermittlung des sozialrechtlichen Mindestbedarfs hat das BVerfG in seinem Beschluss vom 10. November 1998 2 BvL 42/93 (BVerfGE 99, 246, BStBl II 1999, 174) dahingehend weiter präzisiert, dass der Wohnbedarf des Kindes nicht nach der Pro-Kopf-Methode, sondern nach dem Mehrbedarf zu ermitteln ist.
bb) Auf der Basis dieser Grundsätze vermag der Senat nicht zu erkennen, dass die für 2011 geltenden Freibeträge verfassungsrechtlich zu beanstanden sein könnten. Die vergleichende Betrachtung mit dem Mindestbedarf zeigt, dass ausgehend von den Daten der Existenzminimumberichte die Freibeträge ausreichend bemessen waren.
(1) Im Veranlagungszeitraum 2011 waren gemäß § 32 Abs. 6 EStG Freibeträge für das sächliche Existenzminimum in Höhe von 4.368 € und für den Betreuungs- oder Erziehungs- und Ausbildungsbedarf eines Kindes in Höhe von 2.640 € zu gewähren. Nach dem Siebten beziehungsweise Achten Existenzminimumbericht betrug das sächliche Existenzminimum eines Kindes für das Jahr 2010 3.864 € und für das Jahr 2012 4.272 €.
(2) Bei der Ermittlung des Mindestbedarfs geht der Achte Existenzminimumbericht unter Ziffer 5.1.1 zunächst von dem seit 1. Januar 2011 geltenden "neuen" Regelbedarf aus. Altersabhängige Unterschiede werden durch die Berechnung eines nach Lebensjahren gewichteten durchschnittlichen Regelbedarfs berücksichtigt, wobei nur minderjährige Kinder einbezogen wurden. Regionale Unterschiede bleiben unbeachtet. Das alles ist methodisch nicht zu beanstanden, was sich inzident aus der Rechtsprechung des BVerfG ergibt. Im Verfahren 1 BvR 1022/88 hat es die vergleichbaren Berechnungen des Bundesministers für Familie und Senioren wiedergegeben und nicht verworfen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 91, 93, BStBl II 1994, 909). Auch der Existenzminimumbericht für das Jahr 1999 vom 17. Dezember 1997 (BTDrucks 13/9561, Ziffer 4.1), der Grundlage für die eigenen Berechnungen des BVerfG im Verfahren 2 BvL 42/93 war (Beschluss in BVerfGE 99, 246, BStBl II 1999, 174), beruht auf derselben Vorgehensweise.
Hilfe zum Lebensbedarf umfasst auch die mit Wirkung ab 2011 neugeregelten Bildungs- und Teilhabeleistungen für Kinder (§ 28 SGB II und § 34 SGB XII; vgl. hierzu Luik in jurisPK-SGB XII, § 34 Rz 10 ff. und 25). Der Achte Existenzminimumbericht (Tz. 5.1.2) setzt hierfür --unter Ausgrenzung von Sonderbedarfslagen (z.B. Nachhilfeunterricht, mehrtägige Klassenfahrten)-- pro Kind und Monat 19 € an (100 € jährlich für Schulbedarf, 3 € monatlich für Ausflüge sowie 10 € monatlich insbesondere für Vereinsmitgliedschaften, vgl. § 28 Abs. 3 und 7 SGB II, § 34 Abs. 3 und 7 SGB XII). Der Betrag wurde als nach Lebensjahren gewichteter Durchschnitt berechnet. Der Bericht qualifiziert diese Leistungen als Teil des sächlichen Existenzminimums, der dem entsprechenden steuerlichen Freibetrag in Höhe von 4.368 € gegenübergestellt wird. Dies erscheint dem Senat zweifelhaft, weil offenkundig auch ein Bedarf befriedigt wird, der steuerlich durch den Freibetrag für Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf zusätzlich abgegolten wird. Angesichts der im Bericht vollzogenen sachlich nachvollziehbaren Abgrenzung zwischen Sonder- und Regelbedarfslagen, der schlüssigen Berechnungen und des ohnehin bestehenden "Puffers" zwischen Existenzminimum und den Freibeträgen des § 32 Abs. 6 EStG sieht der Senat keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine verfassungsrechtliche Beanstandung. Solche ergeben sich insbesondere auch nicht aus der Beschwerdebegründung.
Bei der Berechnung der Kosten der Unterkunft wird für ein Kind eine Wohnfläche von 12 qm zugrunde gelegt (Achter Existenzminimumbericht, Ziffer 5.1.3). Die Methode stellt damit auf den für Kinder notwendigen Mehrbedarf an Wohnraum ab und nicht auf eine Aufteilung der Wohnkosten nach Köpfen (so aber die Beschwerdebegründung). Das BVerfG hat die Ermittlung nach der Mehrbedarfsmethode ausdrücklich verlangt (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 99, 246, BStBl II 1999, 174). Der Achte Existenzminimumbericht legt sodann die bei kinderlosen Ehepaaren berücksichtigte monatliche Bruttokaltmiete pro Quadratmeter Wohnfläche auch für Kinder zugrunde. Beim Mietenniveau werden somit Alleinerziehende mit einem Kind einem Zwei-Personen-Haushalt gleichgestellt. Bereits im Existenzminimumbericht für 1999 (BTDrucks 13/9561, Ziffer 5.3), der den Berechnungen des BVerfG im soeben zitierten Beschluss vom 10. November 1998 zugrunde lag, wurde der Wohnbedarf auf diese Weise ermittelt.
Da in der EVS die Heizkosten nicht kindbezogen erfasst sind, werden im Achten Existenzminimumbericht die Heizkosten für Kinder als Relation zu deren Bruttokaltmiete entsprechend dem Verhältnis der Heizkosten eines kinderlosen Paares zu dessen Bruttokaltmiete in Ansatz gebracht.
Da es bei der Ermittlung des kindbezogenen Mindestbedarfs angesichts der großen regionalen und altersbedingten Bandbreiten letztendlich nur darum geht, einen Richtwert auf statistisch nachvollziehbare Weise zu erhalten, sind für den Senat keine Gründe dafür ersichtlich, warum die im Existenzminimumbericht verarbeiteten Daten und die dort angewandten Berechnungsmethoden diesem Zweck nicht genügen sollten.
(3) Aus den umfangreichen Darlegungen und Berechnungen der Antragsteller ergibt sich jedenfalls nichts Gegenteiliges. Sie beruhen schon im Ansatz auf unzutreffenden rechtlichen Annahmen. Es kommt nach der Rechtsprechung des BVerfG gerade nicht darauf an, welchen konkreten Sozialhilfeanspruch die Antragsteller als Ehepaar mit einem Kind unter 14 Jahren an ihrem Wohnort Berlin --bei unterstellter Bedürftigkeit-- hätten. Dass der kindbezogene Sozialhilfeanspruch im Einzelfall höher ist --im Streitfall nach den Angaben der Antragsteller 5.220 €-- als der steuerliche Freibetrag, führt damit nicht per se zu dessen Verfassungswidrigkeit.
Auch die übrigen Berechnungen der Antragsteller sind rechtlich unerheblich. Es kommt entgegen ihrer Meinung nicht darauf an, ob mit dem gesamten jährlichen Kindergeldzahlbetrag oder dem sich aus der Anwendung der Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG ergebenden durchschnittlichen oder maximalen Steuerersparnisbetrag der existentielle Lebensunterhalt eines Kindes gedeckt werden kann. Es kommt stets nur darauf an, dass derjenige Teil des selbst erzielten Einkommens, der zur Bestreitung des existenznotwendigen Bedarfs der Familie eingesetzt werden muss, unbesteuert bleibt.