Entscheidungsdatum: 08.07.2011
1. NV: Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision kann eine Protokollberichtigung oder Protokollergänzung nicht erreicht werden .
2. NV: Eine Frist ist nur gewahrt, wenn der fristgebundene Schriftsatz vor Fristablauf vollständig eingegangen ist .
3. NV: Der Eingangzeitpunkt bestimmt sich nach dem Uhrzeitaufdruck des Telefaxgerätes des Gerichts.
4. NV: Neuer Vortrag nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist ist unbeachtlich .
Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) rügen in ihrem Schriftsatz vom 12. Januar 2010 als Verfahrensfehler, dass die Faxschreiben vom … der Vertreterin des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) zwar übergeben worden seien, dass sich dem Sitzungsprotokoll aber nicht entnehmen lasse, dass der Inhalt der Schreiben und die in diesen Schreiben gestellten Anträge mit der Vertreterin des FA erörtert worden seien und dass diese, wie das Finanzgericht (FG) in seinem Urteil ausführe, einem Ruhen des Verfahrens nicht zugestimmt habe; auch lasse sich dem Sitzungsprotokoll die Stellungnahme der Vertreterin des FA zu den einzelnen Punkten in den Schreiben nicht entnehmen.
Mit diesem Vorbringen wird ein Verfahrensfehler nicht schlüssig geltend gemacht. Ausweislich des Sitzungsprotokolls (zu dessen Beweiskraft: § 94 FGO i.V.m. § 165 der Zivilprozessordnung --ZPO--) wurde die Sach- und Rechtslage mit der Vertreterin des FA erörtert. Anhaltspunkte dafür, dass das Protokoll unrichtig ist, haben weder die Kläger substantiiert vorgetragen noch sind solche sonst ersichtlich. Abgesehen davon hätten die Kläger eine etwaige Unrichtigkeit des Protokolls gemäß § 94 FGO i.V.m. § 164 ZPO mit einem Antrag auf Protokollberichtigung, eine etwaige Ergänzungsbedürftigkeit mit einem Antrag auf Protokollergänzung nach § 94 FGO i.V.m. § 160 Abs. 4 ZPO geltend machen müssen. Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision kann eine Protokollberichtigung oder -ergänzung nicht erreicht werden (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. Januar 2008 VII S 56/07 (PKH), BFH/NV 2008, 809, und vom 25. November 2010 II B 3/10, BFH/NV 2011, 415).
Es stand den Klägern und ihrem Bevollmächtigten frei, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen und so etwaige von der Vertreterin des FA dort abgegebene Erklärungen zu erfahren und ggf. zu ihnen Stellung zu nehmen. Dass das FG den Vortrag der Kläger bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt hat oder diese auf einen Gesichtspunkt gestützt hat, mit dem sie --die Kläger-- nicht rechnen mussten, ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich.
2. Die erstmals im Schriftsatz vom 12. März 2010 geltend gemachten Rügen können ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision führen. Denn sie wurden erst nach Ablauf der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde erhoben. Diese Frist beträgt nach § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO grundsätzlich zwei Monate, endete aber im vorliegenden Fall, da das Urteil des FG am 12. Dezember 2009 zugestellt und die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 116 Abs. 3 Satz 4 FGO um einen weiteren Monat verlängert wurde, mit Ablauf des 12. März 2010. Neuer Vortrag nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist ist unbeachtlich (z.B. BFH-Beschluss vom 15. Juli 2010 VIII B 117/09, BFH/NV 2010, 2091). Die Frist ist nur gewahrt, wenn der fristgebundene Schriftsatz vor Fristablauf vollständig eingegangen ist.
Daran fehlt es. Denn der vom 12. März 2010 datierende Schriftsatz ging beim BFH erst am 13. März 2010 um 00:02 Uhr ein. Das ergibt sich aus dem maschinellen Empfangsbericht des Telefaxgeräts beim BFH. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger hat zwar vorgetragen, aus den von ihm vorgelegten Nachweisen des Faxversands ergebe sich, dass jedenfalls die erste Übersendung des Schriftsatzes, mit der er nach seinem "Nachweis Faxversand" um 23:58 Uhr begonnen habe, noch vor Ablauf des 12. März 2010 eingegangen sein müsse, da er ausweislich des entsprechenden "Nachweises Faxversand" mit der zweiten Übermittlung bereits um 23:59:16 Uhr begonnen habe. Der Eingangszeitpunkt bestimmt sich jedoch nach dem Uhrzeitaufdruck des Telefaxgerätes des Gerichts (z.B. BFH-Beschluss vom 28. Januar 2010 VIII B 88/09, BFH/NV 2010, 919, m.w.N.). Abgesehen davon hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger selbst vorgetragen, dass er nach dem Einscannen des Schriftsatzes, das er mit "ca. 23.40 Uhr" angibt, durch dringende Anrufe seiner Lebensgefährtin die Zeitkontrolle verloren habe und es zudem eine "nicht erklärbare fehlerhafte Zeitangabe seiner PC-Uhr" gegeben habe.
3. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der mithin versäumten Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde kommt nicht in Betracht. Denn der Prozessbevollmächtigte der Kläger war nicht ohne Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten. Das Verschulden ihres Bevollmächtigten müssen sich die Kläger wie eigenes Verschulden zurechnen lassen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO).
a) War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm gemäß § 56 Abs. 1 FGO auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. In formeller Hinsicht setzt die Gewährung der Wiedereinsetzung voraus, dass innerhalb einer Frist von einem Monat (§ 56 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO) nach Wegfall des Hindernisses die versäumte Rechtshandlung nachgeholt und diejenigen Tatsachen vorgetragen und im Verfahren über den Antrag glaubhaft gemacht werden, aus denen sich die schuldlose Verhinderung ergeben soll. Die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen können, sind innerhalb dieser Frist vollständig, substantiiert und in sich schlüssig darzulegen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 15. Dezember 2010 IV R 5/10, BFH/NV 2011, 809, m.w.N.).
b) Die Beteiligten dürfen gesetzliche Fristen ausschöpfen, und zwar grundsätzlich bis zur letzten Minute. Sie müssen aber zugleich dafür Sorge tragen, dass ein fristgebundener Schriftsatz auf dem gewählten Übertragungsweg noch rechtzeitig vor Fristablauf bei dem Gericht eingeht. Auf die gewöhnlichen Übertragungszeiten darf vertraut werden.
Da es auf den vollständigen Eingang beim Empfänger ankommt, muss der Absender eines Telefaxes mit der Übermittlung so rechtzeitig beginnen, dass er unter gewöhnlichen Umständen mit dem Abschluss des Übermittlungsvorgangs noch vor Fristablauf rechnen kann. Er muss dabei auch die mögliche Belegung des Empfangsgeräts durch andere eingehende Sendungen in Betracht ziehen. Es ist kein ungewöhnliches Ereignis, mit dem der Absender des Telefaxes nicht rechnen muss, wenn das Empfangsgerät in den Abendstunden und Nachtstunden für eine Zeit von zwanzig Minuten belegt ist (z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2010, 919, m.w.N.). Schon deshalb durfte der Prozessbevollmächtigte nicht darauf vertrauen, dass ein Telefax von vier Seiten, das er seinen Angaben zufolge um 23:58:47 Uhr absandte, vor Ablauf des betreffenden Tages noch vollständig beim BFH eingehen würde.
Abgesehen davon räumt der Prozessbevollmächtigte der Kläger selbst ein, dass diese Zeitangabe fehlerhaft sei, da es eine "nicht erklärbare fehlerhafte Zeitangabe seiner PC-Uhr" gegeben habe, ohne dass sich seinem Vortrag allerdings entnehmen lässt, weshalb es zu dieser fehlerhaften Zeitangabe gekommen ist. Denn auch "dringende Anrufe der Lebensgefährtin", ein dadurch bedingter Verlust der Zeitkontrolle sowie eine Internetrecherche erklären eine entsprechende fehlerhafte Zeitangabe der PC-Uhr nicht.
Darüber hinaus ergibt sich aus dem Vorbringen des Prozessbevollmächtigten, dass er die erforderliche Sorgfalt, zu der er gerade bei einer Übersendung eines fristgebundenen Schriftsatzes kurz vor Ablauf der Frist verpflichtet ist, nicht beachtet hat. Eigenen Angaben zufolge hat er den Schriftsatz um "ca. 23.40 Uhr" eingescannt. Die daran anschließende Übertragung des Schriftsatzes habe er jedoch wiederholen müssen, da ein unerwarteter Telefonanruf seiner Lebensgefährtin zu Beginn der Anwahl des ersten Übertragungsversuchs die Leitungen belegt habe. Kurz vor Beginn der Faxübertragung bzw. beim Abwarten auf die Wiederholung der Faxübertragung unter ständigem "hin und her klicken" habe er, weil noch ausreichend Zeit zur Verfügung gestanden habe, parallel mit einer Internetrecherche begonnen - dies habe er schon x-fach ohne jegliche Probleme getan; er habe einen sehr schnellen DSL-Anschluss. Durch die "dringenden" Anrufe seiner Lebensgefährtin habe er die Zeitkontrolle verloren. Zudem habe es eine nicht erklärbare fehlerhafte Zeitangabe seiner PC-Uhr gegeben.
Dahinstehen kann, ob "dringende Telefonanrufe der Lebensgefährtin" wegen einer "vermeintlichen Autopanne" eine Fristversäumnis entschuldigen können. Nicht zu entschuldigen ist es jedenfalls, wenn trotz der schon durch solche Störungen bedingten Verringerung der verbleibenden Zeit für eine Übersendung eines fristgebundenen Schriftsatzes noch mit einer Internetrecherche begonnen wird, zumal der Prozessbevollmächtigte schon durch die "dringenden Anrufe der Lebensgefährtin" die Zeitkontrolle verloren haben will.