Entscheidungsdatum: 28.01.2010
NV: Wer um 23:59:00 Uhr damit beginnt, einen fristgebundenen Schriftsatz vom 7 Seiten Länge per Telefax zu übermitteln, kann nicht darauf vertrauen, dass der Übertragungsvorgang bis um 23:59:59 Uhr desselben Tages abgeschlossen sein wird.
Die Beschwerde ist unzulässig, da sie nicht innerhalb der Frist des § 116 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) begründet worden ist und die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist nach § 56 Abs. 1 FGO nicht gegeben sind. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war nicht ohne Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten. Das Verschulden ihres Bevollmächtigten müssen sich die Kläger wie eigenes Verschulden zurechnen lassen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung --ZPO--).
1. Das Urteil des Finanzgerichts ist den Klägern am 21. April 2009 zugestellt worden. Die Frist zur Begründung der (rechtzeitig erhobenen) Nichtzulassungsbeschwerde lief am 22. Juni 2009 ab, denn der 21. Juni 2009 war ein Sonntag (§ 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 2 ZPO). Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ist per Telefax erst am 23. Juni 2009 um 00:02:17 Uhr beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen. Das ergibt sich aus dem maschinellen Empfangsbericht des Telefax-Geräts beim BFH. Die Frist ist damit versäumt. Die Frist ist nur gewahrt, wenn der fristgebundene Schriftsatz vor Fristablauf vollständig eingegangen ist (BFH-Beschluss vom 20. Dezember 2006 I B 70/06, BFH/NV 2007, 929; Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 56 Rz 20 "Telefax", m.w.N.). Dabei entspricht die Handhabung im BFH hinsichtlich der Rechtzeitigkeit des Eingangs des per Telefax übersandten Begründungsschriftsatzes den durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) aufgestellten Grundsätzen, wonach es entscheidend nicht erst auf den Ausdruck des per Telefax übermittelten Schriftsatzes, sondern bereits auf den vollständigen Empfang der gesendeten Signale vom Telefaxgerät des Gerichts noch vor Ablauf des letzten Tages der Frist ankommt (vgl. BGH-Beschluss vom 25. April 2006 IV ZB 20/05, BGHZ 167, 214, Neue Juristische Wochenschrift 2006, 2263). Der Eingangszeitpunkt bestimmt sich nach dem Uhrzeitaufdruck des Telefaxgerätes des Gerichts (vgl. BFH-Beschlüsse vom 2. März 2000 VII B 137/99, BFH/NV 2000, 1344; vom 25. November 2003 VII R 9/03, BFH/NV 2004, 519; vom 24. April 2008 IX B 164/07, BFH/NV 2008, 1349).
2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht begründet; Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann deshalb nicht gewährt werden.
a) Der Prozessbevollmächtigte der Kläger hat vorgetragen, er bediene sich bei der Versendung von Schriftsätzen eines Internet-Dienstleistungs-Anbieters. Der eingescannte Schriftsatz werde in einer Internet-Sitzung an den Dienste-Anbieter übertragen und durch diesen als Fax zur Versendung gebracht. Die Übertragung erfolge erfahrungsgemäß innerhalb weniger Sekunden. Er habe sich darauf verlassen, dass die Übertragung höchstens 60 Sekunden in Anspruch nehmen werde. Das entspreche seiner Erfahrung. Zum Beleg dafür hat er vier Übertragungsprotokolle vorgelegt. Er habe den Schriftsatz deshalb um 23:59 Uhr am 22. Juni 2009 noch rechtzeitig an den Dienste-Anbieter übermittelt. Entgegen seiner Erwartung sei der Schriftsatz dann aber erst am 23. Juni um 00:02 Uhr an den BFH versandt worden.
b) Die Beteiligten dürfen gesetzliche Fristen ausschöpfen, und zwar grundsätzlich bis zur letzten Minute. Sie müssen aber zugleich dafür Sorge tragen, dass ein fristgebundener Schriftsatz auf dem gewählten Übertragungsweg noch rechtzeitig vor Fristablauf bei dem Gericht eingeht. Auf die gewöhnlichen Übertragungszeiten darf vertraut werden. Da es auf den vollständigen Eingang beim Empfänger ankommt, muss der Absender eines Telefax mit der Übermittlung so rechtzeitig beginnen, dass er unter gewöhnlichen Umständen mit dem Abschluss des Übermittlungsvorgangs noch vor Fristablauf rechnen kann. Er muss dabei auch die mögliche Belegung des Empfangsgeräts durch andere eingehende Sendungen in Betracht ziehen. Es ist kein ungewöhnliches Ereignis, mit dem der Absender des Telefax nicht rechnen muss, wenn das Empfangsgerät in den Abendstunden und Nachtstunden für eine Zeit von zwanzig Minuten belegt ist (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 519).
c) Im Streitfall ist nicht feststellbar, ob die Verzögerung beim Empfang auf der Belegung der Empfangsstelle beim BFH oder auf die Bearbeitungszeit bei dem Internet-Dienstleistungs-Anbieter beruht. Das Telefax-Gerät des BFH arbeitete fehlerfrei. Darauf kommt es jedoch nicht an. Der Prozessvertreter der Kläger konnte jedenfalls nicht ohne Verschulden davon ausgehen, dass der Schriftsatz bis 23:59:59 Uhr des 22. Juni 2009 vollständig beim BFH eingehen würde, selbst wenn man zu seinen Gunsten unterstellt, dass er den Schriftsatz um 23:59:00 Uhr an den von ihm mit der Fax-Übertragung beauftragten Internet-Dienstleistungs-Anbieter übermittelt hatte. Denn er konnte nicht darauf vertrauen, dass ein Schriftsatz von 7 Seiten Länge in der letzten Minute vor Fristablauf per Telefax stets vollständig übertragen werden kann.