Entscheidungsdatum: 21.02.2019
NV: In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Neuherstellung eines Gebäudes anzunehmen ist, wenn dieses vor der baulichen Erneuerung einem Vollverschleiß unterlegen war. Kommt das FG aufgrund einer tatsächlichen Würdigung der Umstände zu dem Ergebnis, dass ein solcher Vollverschleiß vorlag, so muss es im Urteil nicht auf die Frage eingehen, ob im Zuge der Erneuerung neue Bauteile eingefügt wurden, die dem Gebäude das Gepräge geben .
Die Beschwerde des Beklagten wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Januar 2018 13 K 13038/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
I.
Die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin), eine Kapitalgesellschaft luxemburgischen Rechts, erwarb mit notariell beurkundetem Vertrag vom 20. Oktober 2006 das Grundstück T in X zum Kaufpreis von ca. 7,3 Mio. €. Darauf befand sich ein im Jahr 19.. errichtetes Gebäude, in dem ursprünglich ein Warenhaus betrieben worden war. Nach verschiedenen anderen Nutzungen, zuletzt als ..., stand es seit dem Jahr 1996 leer und war insgesamt in einem schlechten Zustand. Die Klägerin ließ das Gebäude ab dem Jahr 2007 mit einem Kostenaufwand von ca. 30 Mio. € herrichten. Darin befindet sich nunmehr u.a. ein Hotel, das die Klägerin an einen Betreiber vermietet. Sie beantragte am 17. Juni 2013 die Gewährung einer Investitionszulage nach dem Investitionszulagengesetz 2010 (InvZulG 2010) für das Jahr 2011. Sie war der Ansicht, es handele sich nicht lediglich um eine Modernisierung, sondern um die Herstellung eines neuen Gebäudes i.S. von § 2 Abs. 2 Satz 1 InvZulG 2010.
Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) führte bei der Klägerin eine Investitionszulagen-Sonderprüfung durch. Der Prüfer war der Ansicht, dass trotz der Veränderungen kein wesentlicher Eingriff in die Gebäudesubstanz vorliege. Auch habe die Klägerin nicht beachtet, dass die Teilherstellungskosten sowie die auf Teillieferungen entfallenden Anschaffungskosten, die vor dem 1. Januar 2010 angefallen seien, nach dem InvZulG 2007 hätten geltend gemacht werden müssen. Das FA erließ unter dem 16. Oktober 2014 für das Jahr 2011 einen Festsetzungsbescheid, der auf einen Betrag von 0 € lautete.
Bereits im Verlauf der Sonderprüfung war die Klägerin zur Auffassung gekommen, dass sie für das Jahr 2009 einen eigenen Antrag stellen müsse. Sie beantragte im Dezember 2013 erstmals für die bis zum 31. Dezember 2009 angefallenen Aufwendungen eine Investitionszulage nach dem InvZulG 2007. Das FA setzte die Zulage für das Jahr 2009 durch Bescheid vom 23. Dezember 2014 ebenfalls auf 0 € fest. Gegen beide Bescheide wandte sich die Klägerin mit Einsprüchen, die ohne Erfolg blieben.
Das Finanzgericht (FG) gab der anschließend erhobenen Klage statt. Es setzte die Investitionszulage für das Jahr 2009 auf 1.349.780,04 € und für das Jahr 2011 auf 3.131.635,94 € fest. Das FG war der Ansicht, angesichts des im Streitfall anzunehmenden Vollverschleißes handele es sich um die Herstellung eines neuen Gebäudes i.S. des § 2 Abs. 2 Satz 1 InvZulG 2007 bzw. des InvZulG 2010.
Gegen das Urteil wendet sich das FA mit der Nichtzulassungsbeschwerde. Es ist der Ansicht, das Urteil werfe folgende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf:
"Ist von einem Neubau im Sinne des InvZulG auszugehen, sofern eine Beseitigung des Vollverschleißes vorliegt oder (alternativ) dass die neu eingefügten Gebäudeteile dem Gesamtgebäude in bautechnischer Hinsicht das Gepräge geben oder müssen für die Annahme eines neuen Gebäudes beide Voraussetzungen, somit die Beseitigung des Vollverschleißes und (kumulativ) neu eingefügte Gebäudeteile, die dem Gesamtgebäude das bautechnische Gepräge geben, vorliegen?"
Das FG sei lediglich von einem Vollverschleiß ausgegangen und habe die Frage, ob die neu eingefügten Bauteile dem Gebäude das Gepräge gäben, nicht für entscheidungserheblich gehalten. Die diesbezügliche Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei nicht einheitlich. Im Urteil vom 25. Mai 2004 VIII R 6/01 (BFHE 206, 266, BStBl II 2004, 783) habe der BFH ausgeführt, dass ein Neubau nur dann vorliege, wenn entweder die bisher vorhandene Gebäudesubstanz nicht mehr nutzbar gewesen sei (Vollverschleiß) oder, sofern dies nicht anzunehmen sei, wenn die neu eingefügten Teile dem Gesamtgebäude in bautechnischer Hinsicht das Gepräge gäben. Diese Alternative könne aus dem Urteil des BFH vom 3. Dezember 2002 IX R 64/99 (BFHE 201, 148, BStBl II 2003, 590) nicht abgeleitet werden, ebenso wenig aus dem BFH-Beschluss vom 5. März 2007 X B 171/06 (BFH/NV 2007, 1127) sowie aus dem BFH-Urteil vom 17. Dezember 1997 X R 54/96 (BFH/NV 1998, 841). Das FG Nürnberg lasse im Urteil vom 16. August 2005 I 341/2002 (juris) nicht erkennen, ob neben einem Vollverschleiß kumulativ erforderlich sei, dass neu eingefügte Gebäudeteile dem Gesamtgebäude das Gepräge eines bautechnisch neuen Gebäudes verliehen. Im Beschluss vom 29. Mai 2006 III B 159/05 (BFH/NV 2006, 1884) über die gegen das Urteil des FG Nürnberg eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde habe der BFH auf das durch Umbaumaßnahmen bewirkte bautechnische Gepräge abgestellt.
Es sei auch eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Der BFH habe im Urteil vom 22. Dezember 2011 III R 37/09 (BFHE 236, 179, BStBl II 2013, 182) keine alternative Betrachtung angestellt. Die Ausführungen des FG, wonach allein die Beseitigung des Vollverschleißes zur Herstellung eines neuen Gebäudes geführt habe, widersprächen diesem Urteil.
Aber auch bei einer alternativen Betrachtung sei im Streitfall keine Neuherstellung anzunehmen, da gerade keine schweren Substanzschäden an Fundamenten, tragenden Außenwänden, Innenwänden und Geschossdecken vorgelegen hätten. Es seien zwar umfassende Umbaumaßnahmen durchgeführt worden, die sich auch auf die Beseitigung von Schäden am Tragwerk bezogen hätten, allerdings seien diese Arbeiten nicht von überwiegender Natur gewesen. Außerdem seien nur hinsichtlich eines Bauteils und der Seitenflügel, die zusammen ca. 50 % des Gebäudes ausgemacht hätten, schadhafte Stützen verstärkt und wieder tragfähig gemacht worden. Die insoweit erforderlichen Arbeiten seien nicht überwiegend gewesen.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet und wird daher durch Beschluss zurückgewiesen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig sein (Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 115 Rz 23, m.w.N.).
b) Nach Ansicht des FA ist die Rechtsfrage, ob es für die Annahme einer Gebäudeneuherstellung ausreicht, dass ein zuvor vorhandenes Gebäude einem Vollverschleiß unterlegen war oder ob zusätzlich zu fordern ist, dass es nach der baulichen Erneuerung durch neu eingefügte Bauteile geprägt wird, von grundsätzlicher Bedeutung.
c) Die Rechtsfrage braucht jedoch nicht in einem Revisionsverfahren geklärt zu werden. Aus der bisherigen BFH-Rechtsprechung ergibt sich, dass ein Gebäude, das dem Vollverschleiß unterlegen war und durch Baumaßnahmen wieder nutzbar gemacht wird, neu hergestellt wird. In keiner der vom FA zitierten BFH-Entscheidungen wurde für die Annahme einer Neuherstellung verlangt, dass in ein durch Vollverschleiß unbrauchbar gewordenes Gebäude im Verlauf der baulichen Erneuerung neue Bauteile eingefügt wurden, die ihm das Gepräge gaben. Dies wäre schon deshalb fernliegend gewesen, weil Fälle, in denen ein derartiges Gebäude erneuert wird, ohne dass neue, prägende Bauteile eingefügt werden, kaum vorstellbar sind. Bei der Abgrenzung der Neuherstellung von Erhaltungsmaßnahmen, die im Zuge einer Generalsanierung durchgeführt werden, ist u.a. darauf abzustellen, ob neue, prägende Bauteile eingefügt werden. Bei der Beseitigung eines Vollverschleißes und Wiedernutzbarmachung eines Gebäudes handelt es sich dagegen von vornherein nicht um Erhaltungsmaßnahmen. Kommt das FG --wie im Streitfall-- aufgrund einer Gesamtschau der tatsächlichen Verhältnisse zum Ergebnis, dass ein Gebäude vor seiner baulichen Erneuerung dem Vollverschleiß unterlegen war, dann muss es nicht ausdrücklich auf die Frage eingehen, ob neue, prägende Bauteile eingefügt wurden, wenn es eine Neuherstellung bejahen will.
2. Die Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO).
Die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung setzt voraus, dass das FG in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Gerichts abgewichen ist, dass dabei über dieselbe Rechtsfrage entschieden wurde und diese für beide Entscheidungen rechtserheblich war, dass die Entscheidungen zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sind, dass die abweichend beantwortete Rechtsfrage im Revisionsverfahren geklärt werden kann und dass eine Entscheidung des BFH zur Wahrung der Rechtseinheit erforderlich ist (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 8. Mai 2013 III B 140/12, BFH/NV 2013, 1248).
Das FG ist im Streitfall nicht von der BFH-Rechtsprechung abgewichen. Der Senat hat im Urteil in BFHE 236, 179, BStBl II 2013, 182, welches das FA als Divergenzurteil zitiert hat, nicht den Rechtssatz aufgestellt, dass auch bei einem Gebäude, bei dem ein Vollverschleiß vorgelegen hatte, für die Annahme einer Neuherstellung die Einfügung neuer, prägender Gebäudeteile erforderlich ist.
3. Soweit das FA meint, das FG sei zu Unrecht von einem Vollverschleiß ausgegangen, weil trotz umfangreicher Sanierungsmaßnahmen kein wesentlicher Eingriff in die Gebäudesubstanz vorgenommen worden sei, macht es Einwände gegen die tatsächliche Würdigung der Vorinstanz und damit gegen die materiell-rechtliche Richtigkeit des angefochtenen Urteils geltend. Mit derartigen Einwänden kann ein Beschwerdeführer im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde jedoch grundsätzlich nicht gehört werden (z.B. Senatsbeschluss vom 18. April 2017 III B 76/16, BFH/NV 2017, 1050).
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.