Bundesfinanzhof

Entscheidungsdatum: 12.10.2012


BFH 12.10.2012 - III B 212/11

Darlegungsanforderungen an die Sachaufklärungsrüge bei Nichterhebung eines Zeugenbeweises - Keine Rüge unrichtiger Sachverhaltsfeststellungen im Rechtsmittelverfahren - Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung bei bereits erfolgter Klärung der Rechtsfrage durch den BFH - Kindergeldauszahlung bei getrennt lebenden Ehegatten - Gesamtergebnis des Verfahrens - Rügeverzicht


Gericht:
Bundesfinanzhof
Spruchkörper:
3. Senat
Entscheidungsdatum:
12.10.2012
Aktenzeichen:
III B 212/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 18. Oktober 2011, Az: 2 K 1159/11, Urteil
Zitierte Gesetze

Leitsätze

1. NV: Wird ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht wegen Nichterhebung eines Zeugenbeweises geltend gemacht, gehört zur ordnungsgemäßen Darlegung u.a. der Vortrag, weshalb das Beweisergebnis nach der materiell-rechtlichen Auffassung des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können .

2. NV: Einwendungen gegen die Richtigkeit des im FG-Urteil festgestellten Tatbestands können grundsätzlich nicht als Verfahrensmängel im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH, sondern nur mit dem Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 108 FGO beim FG geltend gemacht werden .

3. NV: Hat der BFH über die herausgearbeitete Rechtsfrage bereits entschieden, ist für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung u.a. auszuführen, welche neuen gewichtigen rechtlichen Gesichtspunkte eine erneute Entscheidung erforderlich machen .

Gründe

1

Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise dargelegt.

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1. Der Kläger rügt als Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) einen Verstoß des Finanzgerichts (FG) gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO), eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--, § 96 Abs. 2 FGO) und einen Verstoß gegen die Pflicht, bei der Entscheidung das Gesamtergebnis des Verfahrens zu berücksichtigen (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO). Zur Darlegung dieser Mängel trägt er im Wesentlichen vor, das FG habe es in der mündlichen Verhandlung unterlassen, verschiedene Zeugen zur Frage des Aufenthaltsortes des P zu vernehmen. Hierdurch seien seine Anhörungsrechte erkennbar verletzt worden. Das FG sei ohne hinreichende Aufklärung von einem falschen Sachverhalt ausgegangen.

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Diese Verfahrensrügen sind zwar nicht schon deshalb unzulässig, weil der Kläger als spezielleren Rechtsbehelf die von ihm in der Beschwerdebegründung erwähnte Urteilsergänzung nach § 109 FGO hätte wählen müssen (s. dazu Lange in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 109 FGO Rz 7, m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH--). Der Kläger rügt gerade nicht das Übergehen eines Sachantrags, sondern das Übergehen von Beweisangeboten und damit von Angriffs- und Verteidigungsmitteln.

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Die Verfahrensrügen sind aber deshalb unzulässig, weil er sie nicht ordnungsgemäß bezeichnet hat.

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a) Der behauptete Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) ist nicht schlüssig dargelegt.

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Zur ordnungsgemäßen Rüge eines solchen Verstoßes hätte der im finanzgerichtlichen Verfahren fachkundig vertretene Kläger u.a. darlegen müssen, weshalb das Beweisergebnis zu einer anderen Entscheidung des FG hätte führen können. Solche Ausführungen sind in der Beschwerdebegründung nicht enthalten. Das FG ist bei seiner Entscheidung im Einklang mit der BFH-Rechtsprechung zutreffend davon ausgegangen, dass bei getrennt lebenden Ehegatten derjenige das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat, der es überwiegend in seinem Haushalt betreut und versorgt (BFH-Beschluss vom 14. Dezember 2004 VIII R 106/03, BFHE 208, 220, BStBl II 2008, 762). Der Kläger legt nicht dar, dass die Zeugeneinvernahmen unter Zugrundelegung dieser Rechtsauffassung zu einer anderen Entscheidung hätten führen können. Vielmehr behauptet er, dass P zumindest zu 30 % in seinem Haushalt untergebracht gewesen sei. Danach ist nicht ersichtlich, dass das FG auf der Grundlage eines solchen Beweisergebnisses zu einer abweichenden Entscheidung gelangt wäre. Im Übrigen hätte vorgetragen werden müssen, dass er (Kläger) die Nichterhebung der Zeugenbeweise vor dem FG rechtzeitig gerügt hat bzw. weshalb eine entsprechende Rüge nicht möglich war (z.B. BFH-Beschluss vom 12. Dezember 2001 V B 132/00, BFH/NV 2002, 531, m.w.N.). Ein solcher Vortrag ist zu fordern, weil das Übergehen eines Beweisantrags zu den verzichtbaren Verfahrensmängeln (vgl. § 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung --ZPO--) gehört. Danach führt eine unterlassene rechtzeitige Rüge zum endgültigen Rügeverlust (Senatsbeschluss vom 30. August 2005 III B 22/05, BFH/NV 2006, 88). Auch an solchen Darlegungen fehlt es in der Beschwerdebegründung.

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b) Ebenso ist die Rüge einer Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 FGO) nicht schlüssig dargelegt.

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Aus dem Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör folgt zwar die Verpflichtung des FG, entscheidungserhebliche Fakten, Unterlagen und Beweisangebote zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidung in Erwägung zu ziehen (Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 96 Rz 62, m.w.N. aus der BFH-Rechtsprechung). Auf die Geltendmachung eines solchen Verstoßes kann aber, wenn dieser --wie im Streitfall-- nicht den Gesamtinhalt des Verfahrens betrifft, ebenfalls verzichtet werden (vgl. § 155 FGO i.V.m. § 295 ZPO). Der Prozessbeteiligte verliert sein Rügerecht, wenn er nicht alle prozessualen Möglichkeiten ausschöpft, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (BFH-Beschluss vom 22. Februar 2005 X B 164/04, BFH/NV 2005, 1126). Die schlüssige Rüge setzt daher die substantiierte Darlegung des Beschwerdeführers voraus, dass er die Gehörsverletzung in der mündlichen Verhandlung gerügt habe bzw. aus welchen Gründen er an einer solchen Rüge gehindert gewesen sei (BFH-Beschluss vom 18. Dezember 2007 XI B 16/07, BFH/NV 2008, 595). Solche Ausführungen sind in der Beschwerdebegründung nicht enthalten. Der Kläger behauptet lediglich, dass durch die Nichterhebung des Zeugenbeweises seine Anhörungsrechte verletzt worden seien.

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c) Die Behauptung des Klägers, das FG habe seiner Entscheidung einen falschen Sachverhalt zugrunde gelegt, entspricht ebenfalls nicht einer ordnungsgemäßen Bezeichnung eines Verfahrensmangels. Hierin könnte allenfalls die Rüge eines Verstoßes gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO gesehen werden. Hierzu ist aber darzulegen, dass der vom FG zugrunde gelegte Sachverhalt dem schriftlichen oder protokollierten Vorbringen der Beteiligten nicht entspricht (Senatsbeschluss vom 4. Oktober 2010 III B 82/10, BFH/NV 2011, 38). Es müssen die Aktenteile genau bezeichnet werden, die das FG nach Ansicht des Klägers nicht berücksichtigt hat.

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Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung des Klägers nicht. Der Kläger hat kein schriftliches oder protokolliertes Vorbringen bezeichnet, welches dem vom FG zugrunde gelegten Sachverhalt widerspricht. Abgesehen davon gehören zu dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht die Ergebnisse, die eine nicht durchgeführte Beweiserhebung hätte haben können (BFH-Beschluss vom 22. Juli 2008 II B 18/08, BFH/NV 2008, 1866).

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d) Soweit der Kläger Einwendungen gegen die Richtigkeit des im angefochtenen Urteil festgestellten Sachverhalts erhebt, können diese grundsätzlich nicht als Verfahrensmängel im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden, sondern nur mit dem Antrag auf Tatbestandsberichtigung gemäß § 108 FGO (BFH-Beschluss vom 28. November 2008 VIII B 228/07, Zeitschrift für Steuern & Recht 2009, R-240, m.w.N.). Soweit der Kläger überdies die Richtigkeit der Sitzungsniederschrift in Zweifel ziehen will, hätte er im Rahmen seiner Beschwerde dartun müssen, weshalb er von der Möglichkeit der Protokollberichtigung (§ 94 FGO i.V.m. § 164 ZPO) keinen Gebrauch gemacht hat (BFH-Beschluss vom 23. September 1998 I B 53/98, BFH/NV 1999, 458). Das ist jedoch nicht geschehen.

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2. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) ist ebenfalls nicht ordnungsgemäß dargelegt.

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a) Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss der Kläger konkret auf hinreichend bestimmte Rechtsfrage(n), ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre Klärungsfähigkeit und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingehen (Senatsbeschluss vom 4. März 2011 III B 166/10, BFH/NV 2010, 1007). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

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b) Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, dass in Fällen, in denen Eltern getrennt leben oder sich scheiden lassen, die minderjährigen Kinder in die Haushalte beider Elternteile aufgenommen seien. Das GG gebiete, beiden Elternteilen Kindergeld zu gewähren. Mit diesem Vortrag arbeitet der Kläger aber schon keine hinreichend bestimmte Rechtsfrage heraus, sondern trägt vielmehr im Stil einer Revisionsbegründung vor, dass die Vorentscheidung inhaltlich unzutreffend sei. Im Übrigen zeigt der Kläger auch nicht die Klärungsbedürftigkeit bestimmter Rechtsfragen auf. Nach der Rechtsprechung des BFH ist geklärt, dass es weder gegen das GG noch gegen sonstiges Recht verstößt, das Kindergeld gemäß § 64 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) an nur einen Berechtigten zu zahlen (BFH-Beschluss in BFHE 208, 220, BStBl II 2008, 762). Ebenso ist geklärt, dass der Begriff der Haushaltsaufnahme i.S. des § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG dahin auszulegen ist, dass ein Kind, welches sich in den Haushalten beider Elternteile in einer den Besuchscharakter überschreitenden Weise aufhält, demjenigen Elternteil zuzuordnen ist, in dessen Haushalt es sich überwiegend aufhält und seinen Lebensmittelpunkt hat (BFH-Beschluss in BFHE 208, 220, BStBl II 2008, 762). Zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit hätte der Kläger daher vortragen müssen, weshalb eine erneute oder weitere Entscheidung für erforderlich gehalten wird (z.B. Senatsbeschluss vom 2. November 2011 III B 48/11, BFH/NV 2012, 265). Das ist nicht geschehen. Der Kläger legt nicht dar, welche neuen gewichtigen, wesentlichen rechtlichen Gesichtspunkte in der Rechtsprechung der FG oder in der Literatur vorgetragen werden, die der BFH bisher nicht geprüft hat.

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c) Im Kern wendet sich der Kläger mit seinem Vortrag --wie bereits ausgeführt-- im Stil einer Revisionsbegründung gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung. Hiermit lässt sich jedoch die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht erreichen (Senatsbeschluss in BFH/NV 2010, 1007).

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3. Zur Darlegung einer Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO) wäre insbesondere erforderlich gewesen, einen abstrakten tragenden Rechtssatz des angefochtenen FG-Urteils sowie einen tragenden abstrakten Rechtssatz einer divergierenden Entscheidung herauszuarbeiten und so gegenüberzustellen, dass die behauptete Abweichung erkennbar wird (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom 13. März 2000 III B 92/99, BFH/NV 2000, 1120, m.w.N.). Daran fehlt es in der Beschwerdebegründung. Der Kläger hat keine abstrakten tragenden Rechtssätze des FG-Urteils herausgearbeitet, die von ebensolchen Rechts-sätzen vermeintlicher Divergenzentscheidungen abweichen sollen.