Entscheidungsdatum: 02.09.2011
1. NV: Liegt bereits eine Entscheidung des BFH zur entscheidungserheblichen Frage vor, muss zur ordnungsgemäßen Rüge der grundsätzlichen Bedeutung im Einzelnen konkret dargetan werden, welche neuen gewichtigen, rechtlichen Gesichtspunkte zu der aufgezeigten Rechtsfrage vorgetragen werden. Der bloße Hinweis, dass gegen eine Entscheidung des BFH, die zu einer vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfrage Stellung nimmt, eine Verfassungsbeschwerde beim BVerfG anhängig ist, reicht hierfür nicht aus.
2. NV: Mit der Rüge, das FG habe es versäumt, einen bestimmten rechtlichen Gesichtspunkt bei seiner Entscheidung zu prüfen, wird kein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht dargelegt, sondern eine fehlerhafte rechtliche Würdigung behauptet.
Die Beschwerde ist unzulässig und wird durch Beschluss verworfen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat die behaupteten Zulassungsgründe nicht in der durch § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO geforderten Art und Weise dargelegt.
1. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) ist eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herauszustellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll.
a) Hierzu bedarf es substantiierter Angaben, inwieweit die aufgeworfene Frage im Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Fortentwicklung und Handhabung des Rechts klärungsbedürftig und im konkreten Fall auch klärungsfähig ist (z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. Oktober 2010 II B 39/10, BFH/NV 2011, 206). Die Beschwerde muss sich insbesondere mit der einschlägigen Rechtsprechung des BFH, den Äußerungen im Schrifttum sowie mit ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinandersetzen (Senatsbeschluss vom 17. August 2004 III B 121/03, BFH/NV 2005, 46). Liegt bereits eine Entscheidung des BFH zu der entscheidungserheblichen Frage vor, ist schlüssig und substantiiert darzulegen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Frage nach wie vor umstritten und inwiefern sie im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig geblieben oder erneut geworden ist. Es muss im Einzelnen konkret dargetan werden, welche neuen gewichtigen, wesentlich rechtlichen Gesichtspunkte zu der aufgezeigten Rechtsfrage vorgetragen werden, die der BFH bisher nicht geprüft hat (Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 116 FGO Rz 179, m.w.N.).
Macht ein Beschwerdeführer verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine gesetzliche Regelung geltend, so ist darüber hinaus eine substantiierte, an den Vorgaben des Grundgesetzes (GG) und der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des BFH orientierte Auseinandersetzung mit der rechtlichen Problematik erforderlich (vgl. Senatsbeschluss vom 4. Oktober 2010 III B 82/10, BFH/NV 2011, 38).
b) Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Mit dem Vortrag, ein volljähriges Kind, das seine Berufsausbildung wegen der Betreuung des eigenen Kindes unterbreche, sei zur Vermeidung eines Gleichheitsverstoßes (Art. 3 Abs. 1 GG) ebenso nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetztes in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung (EStG) zu berücksichtigen wie eines, das seine Berufsausbildung wegen einer Erkrankung, des Eingreifens der Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz (MuSchG) oder einer Untersuchungshaft unterbreche, legt die Klägerin keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dar. Gleiches gilt, soweit die Klägerin sinngemäß anführt, ein volljähriges Kind, das sich wegen der Betreuung des eigenen Kindes nicht ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemühe, sei zur Vermeidung eines Gleichheitsverstoßes ebenso nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG zu berücksichtigen wie eines, dem dies wegen einer Erkrankung, des Eingreifens der Schutzfristen nach dem MuSchG oder einer Untersuchungshaft nicht möglich sei.
In der Rechtsprechung des BFH ist geklärt, dass ein volljähriges Kind, das seine Berufsausbildung zur Betreuung des eigenen Kindes im Rahmen der Elternzeit (vgl. §§ 15, 20 Abs. 1 des Bundeserziehungsgeldgesetzes --BErzGG-; ab 1. Januar 2007: §§ 15, 20 Abs. 1 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes --BEEG--) unterbricht, sich in dieser Zeit nicht in Berufsausbildung befindet (z.B. Senatsurteil vom 24. September 2009 III R 79/06, BFH/NV 2010, 614; BFH-Urteil vom 15. Juli 2003 VIII R 47/02, BFHE 203, 106, BStBl II 2003, 848). Ebenso ist geklärt, dass sich ein volljähriges Kind, das sich wegen der Betreuung des eigenen Kindes im zeitlichen Rahmen des § 15 BErzGG bzw. § 15 BEEG nicht ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht, nicht als Ausbildungsplatz suchendes Kind zu berücksichtigen ist (Senatsurteil vom 24. September 2009 III R 83/08, BFH/NV 2010, 619). Der BFH geht in den genannten Entscheidungen davon aus, dass gegen die von der Klägerin als gleichheitswidrig bezeichnete Gesetzesauslegung insbesondere deshalb keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, weil es sich hierbei um eine mit Blick auf die vorrangige Unterhaltspflicht des Vaters des Kindeskindes zulässige Typisierung handelt (vgl. §§ 1360, 1361 Abs. 1, § 1570, § 1608 und § 1615 l Abs. 2 Satz 2 f., Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), zumal eine steuerliche Entlastung der Eltern im Rahmen des § 33a EStG möglich ist.
Gleichwohl setzt sich die Klägerin in der Beschwerdebegründung mit dieser Auffassung des BFH nicht auseinander. Weiterhin legt sie nicht konkret dar, welche neuen gewichtigen, wesentlich rechtlichen Gesichtspunkte zu den aufgezeigten Rechtsfragen vorgetragen werden, die der BFH bisher nicht geprüft hat.
Mit dem Hinweis, dass gegen das Senatsurteil in BFH/NV 2010, 614 Verfassungsbeschwerde eingelegt worden ist (2 BvR 1395/10), wird ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargetan (vgl. auch Senatsbeschluss vom 16. Oktober 2008 III B 81/08, BFH/NV 2009, 169).
2. Soweit die Klägerin die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) begehrt, fehlt es an der schlüssigen Darlegung eines solchen Mangels. Mit dem Vortrag, das Finanzgericht (FG) habe gegen seine Sachaufklärungspflicht nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO verstoßen, weil es --trotz entsprechender Anhaltspunkte in den Akten-- nicht ermittelt habe, ob der Rückforderungsanspruch der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) verwirkt sei, weil die Familienkasse das Kindergeld in Kenntnis der Geburt des Kindeskindes (L) weitergezahlt und die Klägerin auf die Rechtmäßigkeit dieser Weiterzahlung habe vertrauen dürfen, wird kein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht dargelegt, sondern im Ergebnis eine fehlerhafte Rechtsanwendung des FG gerügt.
a) Aus dem Schweigen des FG zu diesem Punkt lässt sich allenfalls entnehmen, dass es den rechtlichen Gesichtspunkt der Verwirkung bei seiner Entscheidung übersehen hat. Ein Gericht verletzt jedoch nicht seine Sachaufklärungspflicht nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO, wenn es Tatsachen nicht ermittelt, weil es ihre rechtliche Bedeutung nicht erkennt. In diesem Fall ist nicht sein Verfahren bei der Sachaufklärung, sondern seine jeder Sachaufklärung notwendigerweise vorausgehende rechtliche Würdigung fehlerhaft (BFH-Beschluss vom 21. Oktober 1999 VII B 133/99, BFH/NV 2000, 490). Mit der Rüge einer fehlerhaften Rechtsanwendung lässt sich jedoch die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht erreichen (z.B. BFH-Beschluss vom 30. Mai 2008 IX B 216/07, BFH/NV 2008, 1510).
b) Im Übrigen ist nicht erkennbar, das dem FG hierbei ein Rechtsfehler unterlaufen ist. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH greift der Gesichtspunkt der Verwirkung selbst dann nicht durch, wenn die Behörde trotz Kenntnis von Umständen, die zum Wegfall des Kindergeldanspruchs führen, zunächst weiterhin Leistungen erbringt (Senatsurteil in BFH/NV 2010, 614, m.w.N.). Die Weiterzahlung des Kindergeldes reicht insoweit als Vertrauenstatbestand nicht aus (BFH-Urteil vom 14. Oktober 2003 VIII R 56/01, BFHE 203, 472, BStBl II 2004, 123). Hinzuweisen bleibt darauf, dass auf das nach dem EStG zu gewährende Kindergeld die Vorschriften der Abgabenordnung anzuwenden sind und die diesen gegenüber günstigeren Bestimmungen der §§ 44 ff. des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht analog herangezogen werden können (Senatsbeschluss vom 6. Mai 2011 III B 130/10, BFH/NV 2011, 1353, m.w.N.; vgl. auch BVerfG-Beschluss vom 6. April 2011 1 BvR 1765/09, zu § 44 SGB X, juris).
Zwar ist gegen das Senatsurteil in BFH/NV 2010, 614 --wie bereits erwähnt-- Verfassungsbeschwerde eingelegt worden (2 BvR 1395/10). Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist aber unzulässig, so dass die in der Verfassungsbeschwerde angesprochenen materiell-rechtlichen Fragen nicht in einem Revisionsverfahren geprüft werden könnten (vgl. BFH-Beschluss vom 16. Dezember 1992 II B 74/91, BFH/NV 1993, 737).