Bundesfinanzhof

Entscheidungsdatum: 10.04.2012


BFH 10.04.2012 - III B 131/11

Rückforderung von Kindergeld, das auf das Konto des Kindes überwiesen wurde - Keine Hinweispflicht der Familienkasse bei fehlender Möglichkeit der Abzweigung - Keine "einvernehmliche" Abzweigung


Gericht:
Bundesfinanzhof
Spruchkörper:
3. Senat
Entscheidungsdatum:
10.04.2012
Aktenzeichen:
III B 131/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 7. Juni 2011, Az: 8 K 8467/10, Urteil
Zitierte Gesetze

Leitsätze

1. NV: Die Abzweigung von Kindergeld an das Kind setzt voraus, dass der Kindergeldberechtigte seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt oder mangels Leistungsfähigkeit weniger Unterhalt schuldet als das in Betracht kommende Kindergeld. Eine "einvernehmliche" Abzweigung in anderen Fällen ist nicht möglich .

2. NV: Die Familienkasse braucht den Kindergeldberechtigten nicht auf die Möglichkeit einer Abzweigung an das Kind hinzuweisen, wenn deren Voraussetzungen nicht vorliegen. Dessen erklärter Wille, nicht selbst als Antragsteller fungieren zu wollen, steht der Rückforderung des auf das Konto des Kindes überwiesenen Kindergeldes nicht entgegen .

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wandte sich im Mai 2004 an die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) und teilte mit, das Kindergeld für seine im Juni 1986 geborene und sich in Berufsausbildung befindende Tochter solle auf deren Konto überwiesen werden. Auf die Aufforderung, eine Ausbildungsbescheinigung einzureichen, antwortete er, die Tochter sei 18 Jahre alt und beantrage das Kindergeld selber.

2

Die Familienkasse behandelte das Schreiben als Antrag auf Auszahlung des Kindergeldes an die Tochter. Nachdem sie den Kläger zu Angaben über Unterhaltszahlungen und die Tochter um die Abgabe eines formularmäßigen Antrags gebeten hatte, setzte sie im Dezember 2004 Kindergeld ab Juli 2004 gegenüber dem Kläger fest und wies dabei auf seine Verpflichtung hin, Änderungen in den anspruchserheblichen Verhältnissen unverzüglich anzuzeigen. Der Kläger verbat sich daraufhin, ihn zu etwas zu verpflichten; seine Tochter sei volljährig und er wolle nicht für etwas haften, worauf er keinen Einfluss habe. Nachdem die Festsetzung ab Oktober 2005 aufgehoben wurde, bestand der Kläger darauf, dass weiterer Schriftwechsel mit seiner Tochter geführt werde.

3

Ein ähnlicher Schriftwechsel ergab sich im Jahr 2008; der Kläger führte erneut aus, seine Tochter könne selber Kindergeld beantragen, da sie volljährig sei und einen eigenen Haushalt führe. Die Familienkasse zahlte sodann Kindergeld rückwirkend ab Oktober 2007 auf das vom Kläger angegebene Konto der Tochter.

4

Im November 2010 hob die Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes ab Februar 2010 auf und forderte das überzahlte Kindergeld vom Kläger zurück. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

5

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte aus, die Festsetzung sei wegen des Abbruchs der Ausbildung zu Recht nach § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) aufgehoben worden. Der Kläger sei auch zu Recht in Anspruch genommen worden. Er habe die Festsetzung als Kindergeldberechtigter beantragt und sei Adressat des Aufhebungsbescheides. Seine Vorbehalte seien als unbeachtliches widersprüchliches Verhalten zu werten. Der Kläger habe das Kindergeld erhalten, da es auf seine Weisung hin auf das Konto der Tochter überwiesen worden sei. Die für eine Abzweigung des Kindergeldes erforderliche dauerhafte Verletzung der Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind habe der Kläger nicht dargelegt; ein Abzweigungsantrag sei weder vom Kläger noch von seiner Tochter gestellt worden.

6

Zur Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde trägt der Kläger vor, er habe die Familienkasse mehrfach schriftlich darauf hingewiesen, nicht als Antragsteller fungieren zu wollen. Die Familienkasse hätte ihn deshalb nach dem Grundsatz von Treu und Glauben auf die Möglichkeit einer Abzweigung hinweisen müssen. Dann wäre seine Tochter Schuldnerin des Rückforderungsanspruchs gewesen, auf deren Konto das Geld überwiesen worden sei, und nicht er, der kaum Kontakt zu ihr halte und die Berechtigung des Kindergeldanspruchs nicht habe kontrollieren können.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Beschwerde ist unbegründet und wird durch Beschluss zurückgewiesen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Senat kann offen lassen, ob sie den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entspricht, denn der geltend gemachte Zulassungsgrund liegt jedenfalls nicht vor.

8

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder sie eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Denn die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob einer Inanspruchnahme durch die Familienkasse entgegensteht, dass diese den Kindergeldberechtigten nicht über die Möglichkeit einer Abzweigung an das Kind selbst beraten hat, könnte im Streitfall nicht geklärt werden.

9

Eine Verpflichtung der Familienkasse, einen Kindergeldberechtigten auf die Möglichkeit eines Abzweigungsantrags hinzuweisen, wenn dieser ersichtlich nicht als Antragsteller fungieren will, wäre allenfalls dann in Betracht zu ziehen, wenn eine Abzweigung nach den Verhältnissen des Einzelfalls auch in Betracht käme. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, setzt eine Abzweigung an das Kind indessen voraus, dass der Kindergeldberechtigte seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt (§ 74 Abs. 1 Satz 1 EStG) oder mangels Leistungsfähigkeit weniger Unterhalt schuldet als das in Betracht kommende Kindergeld beträgt (§ 74 Abs. 1 Satz 3 EStG). Eine "einvernehmliche" Abzweigung des Kindergeldes an das Kind auch in den Fällen, in denen der Kindergeldberechtigte Unterhalt leistet, der das Kindergeld übersteigt, hat der Gesetzgeber demgegenüber nicht vorgesehen.

10

Im Streitfall ist nicht ersichtlich, dass der Kläger seine Unterhaltspflicht verletzt hat oder lediglich geringeren Unterhalt als das Kindergeld schuldete. Eine Aufklärungs- oder Hinweispflicht der Familienkasse bestand schon daher nicht.