Bundesfinanzhof

Entscheidungsdatum: 23.03.2012


BFH 23.03.2012 - III B 126/11

Kein Abzug von in bar geleisteten Kinderbetreuungskosten - Kein Vorabentscheidungsersuchen im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren


Gericht:
Bundesfinanzhof
Spruchkörper:
3. Senat
Entscheidungsdatum:
23.03.2012
Aktenzeichen:
III B 126/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 24. Mai 2011, Az: 15 K 336/09, Urteil
Zitierte Gesetze
Art 45 Abs 2 AEUV
Art 267 AEUV

Leitsätze

NV: Es widerspricht weder Unionsrecht noch völkerrechtlichem Gewohnheitsrecht, dass Kinderbetreuungskosten nach § 4f Satz 5 EStG 2007 nicht abziehbar sind, wenn die Betreuungsaufwendungen in bar geleistet worden sind.

Tatbestand

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I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Eheleute. Sie sind beide nichtselbständig berufstätig. Zur Betreuung ihrer beiden Kinder, die im Jahr 2007 (Streitjahr) noch nicht 14 Jahre alt waren, engagierten sie für die Monate Januar bis Juni 2007 sowie Oktober bis Dezember 2007 jeweils ein aus Italien stammendes Au-Pair-Mädchen. Die hierfür entstandenen Aufwendungen machten sie als Betreuungskosten nach § 4f i.V.m. § 9 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes in der für das Jahr 2007 geltenden Fassung (EStG) geltend. Darin waren Taschengeldzahlungen von monatlich 260 € enthalten. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte die Kinderbetreuungskosten insoweit nicht, weil die Beträge entgegen § 4f Satz 5 EStG in bar geleistet worden seien. Das FA erließ einen entsprechenden Einkommensteuerbescheid für 2007. Der hiergegen gerichtete Einspruch hatte nur zum Teil Erfolg. Im anschließenden Klageverfahren begehrten die Kläger, 80 % der Taschengeldzahlungen nach § 4f i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG als Kinderbetreuungskosten zu berücksichtigen, weil die Au-Pair-Mädchen zu diesem Anteil mit der Kinderbetreuung beschäftigt gewesen seien. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.

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Mit der Nichtzulassungsbeschwerde machen die Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie die Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geltend (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

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Zur Begründung tragen die Kläger im Wesentlichen vor, das FG habe sich über die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) über den Vorrang des Unionsrechts vor dem nationalen Recht hinweggesetzt. Es habe es abgelehnt, die Unvereinbarkeit des § 4f Satz 5 EStG mit Art. 39 Abs. 2 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (nunmehr Art. 45 Abs. 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union --AEUV--) zu prüfen, da die EU auf dem Gebiet der direkten Besteuerung keine Kompetenz zur Rechtsangleichung besitze. Dies verstoße gegen ständige EuGH-Rechtsprechung. Auch im Bereich der direkten Steuern müssten die Unionsmitglieder ihre Zuständigkeit unter Wahrung des Unionsrechts ausüben und hätten deshalb jede offensichtliche oder versteckte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit zu unterlassen. Die Überweisungspflicht nach § 4f Satz 5 EStG sei als versteckte Diskriminierung anzusehen. Die Vorschrift könne wesentlich leichter von einer deutschen Kinderbetreuerin erfüllt werden, die ein deutsches Konto habe und üblicherweise nicht bei der Familie wohne. Für die Eröffnung eines Kontos bei einer deutschen Bank fielen Bankgebühren an. Die Überweisung auf ein ausländisches Konto und Abhebungen in Deutschland von diesem Konto wären noch nachteiliger. Darüber hinaus habe eine Au-Pair-Hilfe einen dringenderen Bedarf an Barmitteln zur Deckung des täglichen Lebensbedarfs als ein inländisches Kindermädchen, da sie nicht die Möglichkeit habe, anders an benötigte Barmittel zu kommen. Eine Au-Pair-Hilfe habe nicht selten einen unvorhergesehenen und sofortigen finanziellen Bedarf an Bargeld, der durch eine Überweisung nicht befriedigt werden könne. Einmal sei ein plötzlicher Geldbedarf für eine "Pille danach" entstanden. Auch sei es nicht immer zumutbar, eine Au-Pair-Hilfe auf den Gang zum Geldautomaten zu verweisen.

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Die Entscheidung des FG widerspreche auch dem Völkerrecht. In Deutschland und in Europa werde das Europäische Übereinkommen über die Au-Pair-Beschäftigung des Europarats vom 24. November 1969 (Au-Pair-Abkommen) gewohnheitsrechtlich angewandt. Dieses Abkommen schreibe die Gewährung von zurzeit 260 € Taschengeld vor. Der Begriff des Taschengeldes bedeute die Barauszahlung kleinerer Geldbeträge, die man üblicherweise in der Tasche führe. Die Auffassung, Taschengeld könne auch überwiesen werden, könne daher nicht greifen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Beschwerde ist unbegründet und wird durch Beschluss zurückgewiesen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO).

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1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

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a) Die von den Klägern problematisierte Frage, ob das Erfordernis einer Banküberweisung nach § 4f Satz 5 EStG gegen Unionsrecht verstoße, weil es zu einer versteckten Diskriminierung ausländischer Au-Pair-Mädchen führe, ist nicht klärungsbedürftig und hat deshalb keine grundsätzliche Bedeutung.

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aa) Sie ist zu verneinen, da der Ausschluss von Barzahlungen offensichtlich keine dem Unionsrecht widersprechende versteckte Diskriminierung bewirkt, die auch im Bereich der nicht harmonisierten direkten Steuern von Bedeutung sein könnte. Um den Voraussetzungen des § 4f Satz 5 EStG zu genügen, hätten die Kläger die in Geld zu zahlende Entlohnung für die Au-Pair-Tätigkeit an ein von der Au-Pair-Hilfe neu eröffnetes Konto im Inland leisten können. Die damit verbundenen Aufwendungen hätten nicht zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung (Diskriminierung) geführt. Eine aus dem EU-Ausland stammende Au-Pair-Hilfe befindet sich in der gleichen Situation wie eine zugezogene ausländische Betreuungsperson, die von dem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch macht, zum Zweck der Arbeitsaufnahme dauerhaft einwandert und in Deutschland ein Bankkonto eröffnet. Die dabei anfallenden Kosten sind üblicherweise mit einem Wohnortwechsel verbunden und sind deshalb nicht Folge einer Diskriminierung. Auch für eine Betreuungsperson, die bereits zuvor in Deutschland gelebt hatte und den Wohnort wechselt, um eine Tätigkeit i.S. von § 4f EStG aufzunehmen, kann sich die Notwendigkeit ergeben, am neuen Wohnort ein Bankkonto zu eröffnen. Eine Tendenz zur Benachteiligung ausländischer Au-Pair-Kräfte ist der genannten Vorschrift nicht zu entnehmen.

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bb) Entgegen der Rechtsansicht der Kläger liegt eine Diskriminierung auch nicht etwa deshalb vor, weil aus dem Ausland stammende Au-Pair-Hilfen ihren Bedarf an Barmitteln nicht in gleicher Weise abdecken könnten wie inländische Betreuungspersonen. Angesichts der Verbreitung von Geldautomaten in Deutschland sind praktische Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Bargeld nicht vorstellbar, auch nicht in dem von den Klägern erwähnten Fall, in dem der Kauf einer "Pille danach" notwendig wurde.

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cc) Ein Vorabentscheidungsersuchen gemäß Art. 267 AEUV an den EuGH, wie es von den Klägern angeregt wird, kommt in einem Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde nicht in Betracht (vgl. Senatsbeschluss vom 6. Juni 2003 III B 98/02, BFH/NV 2003, 1214).

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b) Ebenso wenig von grundsätzlicher Bedeutung ist die Frage, ob das Erfordernis einer Banküberweisung nach § 4f Satz 5 EStG völkerrechtlichem Gewohnheitsrecht widerspricht, das durch das Au-Pair-Abkommen geschaffen worden sei und in dessen Art. 8 Nr. 4 geregelt sei, dass an Au-Pair-Beschäftigte ein Taschengeld zu zahlen sei. Für die Behauptung, das --von Deutschland nicht ratifizierte-- Au-Pair-Abkommen habe zu Völkergewohnheitsrecht des Inhalts geführt, dass das an Au-Pair-Kräfte zu zahlende Taschengeld nur in bar geleistet werden könne, findet sich kein Beleg. Auch ist nicht naheliegend, aus dem Begriff "Taschengeld" zu folgern, dass dieses nur in bar und nicht etwa auch durch eine Banküberweisung geleistet werden könne.

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2. Soweit die Kläger die Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geltend machen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO), entspricht die Beschwerde nicht den Darlegungsanforderungen nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist geboten, wenn das angefochtene Urteil des FG in seinen tragenden Gründen von einer Entscheidung des BFH oder eines anderen Gerichts abweicht. Zur schlüssigen Darlegung einer solchen Abweichungsrüge muss der Beschwerdeführer u.a. tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen FG-Urteil einerseits und aus den behaupteten, mit Datum sowie Aktenzeichen und/oder Fundstelle bezeichneten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so die behauptete Abweichung zu verdeutlichen (z.B. Senatsbeschluss vom 11. März 2011 III B 76/10, BFH/NV 2011, 981). Der Vortrag, das FG habe sich über die ständige Rechtsprechung des EuGH zum Vorrang des Unionsrechts hinweggesetzt, genügt diesen Anforderungen nicht.

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3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.