Bundesfinanzhof

Entscheidungsdatum: 12.04.2016


BFH 12.04.2016 - III B 114/15

Keine Hinweispflicht der Finanzbehörde bezüglich der verfahrensrechtlichen Folgen der Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung - Grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache


Gericht:
Bundesfinanzhof
Spruchkörper:
3. Senat
Entscheidungsdatum:
12.04.2016
Aktenzeichen:
III B 114/15
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend FG München, 25. September 2015, Az: 9 K 404/15, Urteil
Zitierte Gesetze

Leitsätze

1. NV: Ein Finanzamt ist nicht verpflichtet, bei der Aufhebung eines Nachprüfungsvorbehaltes (§ 164 Abs. 3 Satz 1 AO) zusätzlich auf deren Folgen hinzuweisen oder die Einlegung eines Einspruchs zu empfehlen, weil eine Änderung nach § 164 Abs. 2 AO danach nicht mehr in Betracht kommt .

2. NV: Eine Frage, die von der Würdigung der tatsächlichen Besonderheiten des Streitfalles abhängt, ist nicht grundsätzlich bedeutsam i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO .

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 25. September 2015  9 K 404/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), ein Rechtsanwalt, hatte keine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2007) abgegeben und wurde daher am 19. Juni 2009 aufgrund geschätzter Besteuerungsgrundlagen zur Einkommensteuer veranlagt. Dieser --unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende-- Bescheid wurde am 1. September 2009 wegen einer geänderten Mitteilung über die Feststellung von Einkünften einer Grundstücksgemeinschaft geändert; der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) hob zugleich den Nachprüfungsvorbehalt auf.

2

Die Einkommensteuererklärung des Klägers ging am 9. Dezember 2009 beim FA ein. Das FA lehnte die Änderung des Einkommensteuerbescheides am 10. Dezember 2009 ab, weil die Veranlagung bereits bestandskräftig sei. Den gegen den Bescheid vom 1. September 2009 am 21. Dezember 2009 eingelegten Einspruch verwarf das FA durch Einspruchsentscheidung vom 21. Januar 2015 als unzulässig; den mit einem am 14. August 2009 erlittenen Unfall der Lebensgefährtin begründeten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lehnte es ab. Mit einer weiteren Einspruchsentscheidung vom 21. Januar 2015 wies das FA den Einspruch gegen die Ablehnung des Antrags auf Änderung des Einkommensteuerbescheides vom 10. Dezember 2009 als unbegründet zurück, weil die Nichtabgabe der Steuererklärung trotz Erinnerung als grobes Verschulden i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) zu werten sei.

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Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, das FA habe den Einspruch gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid vom 1. September 2009 zu Recht wegen Versäumung der Einspruchsfrist verworfen. Der Bescheid sei nicht nichtig und die Wiedereinsetzung nach § 110 AO zu Recht versagt worden. Das FA habe auch die Änderung des Bescheides entsprechend der Einkommensteuererklärung des Klägers zu Recht abgelehnt. In Betracht komme nur eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO, die jedoch wegen groben Verschuldens des Klägers ausgeschlossen sei.

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Zur Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde trägt der Kläger vor, die Revision sei wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Beschwerde ist unbegründet, soweit sie überhaupt den Darlegungserfordernissen nach § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genügt, und wird durch Beschluss zurückgewiesen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO).

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1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

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a) Der Kläger trägt vor, der Frage, ob einem steuerlichen Laien grobes Verschulden vorzuwerfen sei, wenn er auf die Aussage des FA vertraue, dass der auf einer Schätzung beruhende Einkommensteuerbescheid noch offen und ein Einspruch nicht nötig sei, die Erklärung könne Anfang September abgegeben werden, komme grundsätzliche Bedeutung zu.

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Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung setzt u.a. voraus, dass eine klärungsbedürftige Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren auch geklärt werden kann; sie muss daher für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich sein (Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 115 Rz 30, m.w.N.). Die vorstehende Frage könnte in einem Revisionsverfahren jedoch nicht geklärt werden, denn das FG hat schon nicht festgestellt, dass (und wann) das FA dem Kläger die Auskunft erteilt hat, der Schätzungsbescheid sei noch offen.

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Die behauptete Mitteilung des FA stünde im Übrigen auch nicht im Einklang mit dem im FG-Urteil wiedergegebenen Klägervortrag, dass er --der Kläger-- durch den Bescheid vom 1. September 2009 über dessen Inhalt und Konsequenzen getäuscht worden sei und das FA ihm für die Abgabe der Erklärung für das Folgejahr eine Frist bis zum 20. Oktober 2009 eingeräumt habe. Das FG hat das vom Kläger behauptete Telefonat --für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO)-- dahin gewürdigt, dass dadurch allenfalls die Abgabefrist für die Einkommensteuererklärung 2008 verlängert worden sei.

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Der Kläger hat seine Erklärung für das Streitjahr zudem nicht Anfang September 2009 abgegeben, was vom FA mutmaßlich als rechtzeitiger Änderungsantrag gewertet worden wäre (vgl. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO), sondern erst im Dezember 2009, d.h. nach Ablauf der Einspruchsfrist.

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b) Der Kläger hält auch die Frage für grundsätzlich bedeutsam, ob "jedenfalls bei Rechtswidrigkeit des Schätzungsbescheides wegen pflichtwidriger Verletzung verfahrensrechtlicher Vorgaben mit der Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung ein etwaiges Verschulden des Steuerpflichtigen aus dem Vorjahr vorrangig sein" könne.

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Insoweit genügt die Beschwerdebegründung mangels Erläuterung der vermeintlich bedeutsamen Rechtsfrage schon nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. März 2009 XI B 94/08, BFH/NV 2009, 1134, zu einem entgegen einer innerdienstlichen Weisung vom FA nicht unter Nachprüfungsvorbehalt gestellten Schätzungsbescheid).

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c) Die Frage, ob "die Rechtsbehelfsbelehrung mit der Standard-Rechtsbehelfsbelehrung vollständig und richtig erteilt werden kann, wenn in einem Schätzungsbescheid, der lediglich eine einen geänderten Feststellungsbescheid nachvollziehende Änderung einer Einkunftsart enthält und gleichzeitig den Vorbehalt der Nachprüfung aufhebt, keinerlei Erläuterung der Wirkung dieser Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung enthalten ist, obwohl das Finanzamt telefonisch beim ersten Bescheid erläutert hat, dass dieser noch offen sei und der Erlass des zweiten Schätzungsbescheides vor Ablauf der mit dem Finanzamt vereinbarten Frist erfolgt", ist nicht klärungsbedürftig.

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Denn sie ist offensichtlich so zu beantworten, wie es das FG getan hat. Ein Nachprüfungsvorbehalt kann nach § 164 Abs. 3 Satz 1 AO jederzeit aufgehoben werden. Auch der Inhalt von Rechtsbehelfsbelehrungen ist durch § 356 Abs. 1 AO vorgegeben: Zu belehren ist über den Einspruch und die Finanzbehörde, bei der er einzulegen ist, deren Sitz und die Einspruchsfrist, außerdem über die nach § 357 Abs. 1 Satz 1 AO erforderliche Form (z.B. BFH-Urteile vom 20. August 2014 I R 60/13, BFH/NV 2015, 148; vom 18. März 2014 VIII R 33/12, BFHE 246, 1, BStBl II 2014, 922). Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist dagegen i.S. des § 356 Abs. 2 AO unrichtig, wenn sie in einer der gemäß § 356 Abs. 1 Satz 1 AO wesentlichen Aussagen unzutreffend, unvollständig oder missverständlich gefasst ist und dadurch --bei objektiver Betrachtung-- die Möglichkeit zur Fristwahrung gefährdet erscheint (z.B. BFH-Beschluss vom 28. April 2015 VI R 65/13, BFH/NV 2015, 1074, m.w.N.).

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Ein FA ist daher nicht verpflichtet, bei einer Aufhebung des Nachprüfungsvorbehaltes zusätzlich auf deren Folgen hinzuweisen oder die Einlegung eines Einspruchs zu empfehlen, weil eine Änderung nach § 164 Abs. 2 AO danach nicht mehr in Betracht kommt.

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d) Ebenfalls nicht klärungsbedürftig ist die Frage, "inwieweit bei einem unverschuldeten Irrtum über die Konsequenzen der Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung in einem Schätzungsbescheid Wiedereinsetzung zu gewähren ist, wenn der Steuerpflichtige aufgrund eines Telefonats mit dem Finanzamt davon ausgeht, der vorher ergangene Schätzungsbescheid sei noch offen und in dem zweiten Schätzungsbescheid werde lediglich wie erwartet ein zwischenzeitlich ergangener Änderungsfeststellungsbescheid nachvollzogen".

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Abgesehen davon, dass die vom Kläger formulierte Frage --ebenso wie die zuvor erörterten Fragen-- von der Würdigung der tatsächlichen Besonderheiten des Streitfalles abhängt und schon deshalb nicht grundsätzlich bedeutsam ist (vgl. Gräber/ Ratschow, a.a.O., § 115 Rz 23), gibt ihre Beantwortung keinen Anlass zu Zweifeln. Zur Begründung verweist der Senat auf die Ausführungen unter c.

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2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.

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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 1 i.V.m. § 135 Abs. 2 FGO.