Entscheidungsdatum: 28.04.2015
NV: Die Rechtsbehelfsbelehrung ist hinsichtlich der Formerfordernisse für die Einlegung eines Einspruchs im Sinne des § 356 Abs. 2 AO weder unterblieben noch unrichtig erteilt, wenn sie den Wortlaut des § 357 Abs. 1 S. 1 AO wiedergibt.
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 16. April 2013 8 K 2388/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
I. Streitig ist, ob der Einspruch gegen einen Einkommensteuerbescheid fristgerecht eingelegt wurde.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war im Streitjahr (2010) selbständig tätig. Mit ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte sie Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen in Höhe von insgesamt … € (Vergleich: … €, Gerichtskosten: 328 €, Darlehenszinsen … €) geltend.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte die Einkommensteuer für 2010 mit Einkommensteuerbescheid vom 6. März 2012 fest und wies in den Erläuterungen des Bescheids darauf hin, dass als außergewöhnliche Belastungen lediglich die Kosten des Zivilprozesses in Höhe von 328 € zu berücksichtigen seien.
Gegen diesen Bescheid erhob die Prozessbevollmächtigte per Telefax vom 30. März 2012 Einspruch. Ausweislich der auf dem Telefax abgedruckten Sendezeile ist das Telefax am 17. April 2012 um 07:11 Uhr an die Telefax-Nummer des FA gesendet worden. Der Eingangsstempel des FA weist ebenfalls den 17. April 2012 als Eingangsdatum aus.
Nachdem eine Mitarbeiterin der Prozessbevollmächtigten telefonisch von der Bearbeiterin des Rechtsbehelfs am 10. Oktober 2012 darauf hingewiesen worden war, dass im Rahmen der abschließenden Bearbeitung die Verspätung des Einspruchs festgestellt worden sei, verwarf das FA den Einspruch als unzulässig.
Mit der dagegen erhobenen Klage machte die Klägerin weiterhin die Berücksichtigung ihrer Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen geltend.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen, weil die Einspruchsfrist versäumt worden sei.
Mit der Revision macht die Klägerin weiterhin geltend, die Einspruchsfrist sei nicht abgelaufen, denn diese betrage wegen unvollständiger und damit unrichtiger Rechtsbehelfsbelehrung ein Jahr. Die Rechtsbehelfsbelehrung sei unvollständig, weil sie nicht darauf hingewiesen habe, dass der Einspruch auch per E-Mail eingelegt werden könnte.
Sie beantragt,
den Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 6. März 2012 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 10./11. Oktober 2012 dahingehend abzuändern, dass weitere … € als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd berücksichtigt werden und die Einkommensteuer auf 0 € herabgesetzt wird.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Der Senat entscheidet gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluss. Er hält die Revision einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind vorher darüber unterrichtet worden; sie hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Der streitige Einkommensteuerbescheid ist wegen Versäumung der Einspruchsfrist bestandskräftig geworden.
1. Die Einspruchsfrist beträgt nach § 355 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) in der im Streitfall anwendbaren Fassung (AO vor der Änderung durch das Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25. Juli 2013, BGBl I 2013, 2749) einen Monat. Im Streitfall verlängert sich die Einspruchsfrist nicht nach § 356 Abs. 2 Satz 1 AO auf ein Jahr seit Bekanntgabe des Einkommensteuerbescheids vom 6. März 2012. Denn die Belehrung über den Einspruch und die Finanzbehörde, bei der er einzulegen ist, war i.S. des § 356 Abs. 2 Satz 1 AO weder unterblieben noch unrichtig erteilt.
a) Die Frist für die Einlegung des Einspruchs beginnt nach § 356 Abs. 1 AO nur, wenn der Beteiligte über den Einspruch und die Finanzbehörde, bei der er einzulegen ist, deren Sitz und die einzuhaltende Frist in der für den Verwaltungsakt verwendeten Form belehrt worden ist. Nach § 356 Abs. 2 Satz 1 AO ist die Einlegung des Einspruchs binnen eines Jahres seit Bekanntgabe des Verwaltungsakts zulässig, wenn die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt worden ist. Die Rechtsbehelfsbelehrung ist in diesem Sinne allerdings dann nicht unrichtig erteilt, wenn sie in Bezug auf das Formerfordernis für die Einlegung des Einspruchs den Wortlaut des Gesetzes wiedergibt.
b) Nachdem der X. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) schon früher entschieden hatte, dass eine Rechtsmittelbelehrung so einfach und klar wie möglich gehalten werden solle, um im Interesse rechtsunkundiger Beteiligter eine inhaltliche Überfrachtung zu vermeiden, und es deshalb ausreiche, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung den Gesetzeswortlaut der einschlägigen Bestimmung wiedergebe und verständlich über die allgemeinen Merkmale des Fristbeginns unterrichte (BFH-Urteil vom 7. März 2006 X R 18/05, BFHE 212, 407, BStBl II 2006, 455), haben sich dieser Rechtsprechung verschiedene Senate des BFH angeschlossen. Danach ist eine Rechtsbehelfsbelehrung erst dann unrichtig, wenn sie in wesentlichen Aussagen unzutreffend oder derart unvollständig oder missverständlich abgefasst ist, dass durch sie die Möglichkeit zur Fristwahrung gefährdet erscheint (BFH-Beschlüsse vom 9. November 2009 IV B 54/09, BFH/NV 2010, 448; vom 2. Februar 2010 III B 20/09, BFH/NV 2010, 830; vom 12. Oktober 2012 III B 66/12, BFH/NV 2013, 177; vom 12. Dezember 2012 I B 127/12, BFHE 239, 25, BStBl II 2013, 272). Auf dieser Grundlage hat der X. Senat des BFH seine Rechtsprechung sodann dahingehend fortgeführt, dass es ausreiche, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung hinsichtlich des Formerfordernisses für die Einlegung eines Einspruchs den Wortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO wiedergebe (BFH-Urteil vom 20. November 2013 X R 2/12, BFHE 243, 158, BStBl II 2014, 236). Denn an die Angaben in der Rechtsbehelfsbelehrung, die nicht Pflichtangaben nach § 356 Abs. 1 AO seien, seien keine höheren Anforderungen an die Detailliertheit der Rechtsbehelfsbelehrung zu stellen als bei solchen Angaben, die notwendiges Element der Rechtsbehelfsbelehrung seien. Wenn es schon bei der im Einzelfall mitunter sehr komplizierten Berechnung der Frist ausreiche, den Wortlaut der einschlägigen Bestimmung wiederzugeben, müsse dies erst recht gelten, wenn Angaben zur Form gemacht werden, die schon dem Grunde nach nicht zwingender Bestandteil der Rechtsbehelfsbelehrung seien.
2. Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an. Im Streitfall gibt die Rechtsbehelfsbelehrung den Gesetzeswortlaut wieder und unterrichtet auch im Übrigen verständlich über den Fristbeginn.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.