Entscheidungsdatum: 15.04.2014
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 16. Januar 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 247.228,30 € festgesetzt.
I. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer GmbH. Er nimmt die Beklagten als deren Gesellschafterinnen auf Zahlung von Stammeinlagen in Höhe von insgesamt 247.228,30 € in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme abgewiesen; das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Die Beklagten begehren mit der Beschwerde die Zulassung der Revision mit dem Ziel der Aufhebung des Berufungsurteils und der Abweisung der Klage.
II. Die Beschwerde ist begründet. Das Berufungsgericht hat in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt (§ 544 Abs. 7 ZPO).
1. Im Ausgangspunkt zu Recht hält das Berufungsgericht die Beklagten für darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass die Einlagen vollständig erbracht wurden. Das gilt im Grundsatz auch bei einem längeren Zeitabstand seit der behaupteten Zahlung und einem späteren Erwerb der Geschäftsanteile durch die nunmehrigen Gesellschafter (BGH, Beschluss vom 9. Juli 2007 - II ZR 222/06, ZIP 2007, 1755 Rn. 2; Beschluss vom 17. September 2013 - II ZR 142/12, ZIP 2014, 261 Rn. 3). Entgegen der Auffassung der Beschwerde hat das Berufungsgericht auch berücksichtigt, dass es dem Tatrichter nicht verwehrt ist, den dem Inferenten obliegenden Nachweis der Einlagenzahlung aufgrund einer Gesamtbeurteilung unstreitiger oder erwiesener Indiztatsachen als geführt anzusehen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 2007 - II ZR 222/06, ZIP 2007, 1755 Rn. 2).
Das Berufungsgericht durfte jedoch nicht ohne eine Wiederholung der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme abweichend von der Entscheidung des Landgerichts diesen Beweis als nicht geführt ansehen. Das Berufungsgericht hat die festgestellten Indizien nicht als ausreichend erachtet und weiter ausgeführt, der Nachweis über die Aufbringung der Stammeinlagen sei auch nicht durch die Aussagen der Zeugen W. G. und W. S. geführt worden. Hinsichtlich der Glaubwürdigkeit beider Zeugen habe das Landgericht wegen eines gewissen Eigeninteresses am Ausgang des Rechtsstreits aus nachvollziehbaren Gründen deutliche Zweifel geäußert. Die Nichtzulassungsbeschwerde sieht darin zu Recht eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Sinne des Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2009 - VIII ZR 3/09, NJW-RR 2009, 1291 Rn. 4; Beschluss vom 19. Februar 2013 - II ZR 119/11, juris Rn. 5; Beschluss vom 23. Juli 2013 - II ZR 28/12, juris Rn. 3).
Grundsätzlich steht es allerdings im Ermessen des Berufungsgerichts, ob es Zeugen, die in der Vorinstanz bereits vernommen worden sind, nach § 398 Abs. 1 ZPO erneut vernimmt. Das Berufungsgericht ist jedoch zur nochmaligen Vernehmung der Zeugen verpflichtet, wenn es die protokollierten Zeugenaussagen anders verstehen oder würdigen will als die Vorinstanz. Eine erneute Vernehmung kann in diesem Fall allenfalls dann unterbleiben, wenn sich das Berufungsgericht auf solche Umstände stützt, die weder die Urteilsfähigkeit noch das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitsliebe des Zeugen noch die Vollständigkeit oder Widerspruchsfreiheit seiner Aussage betreffen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juni 2011 - II ZR 103/10, WM 2011, 1533 Rn. 7; Beschluss vom 19. Februar 2013 - II ZR 119/11, juris Rn. 6; Beschluss vom 23. Juli 2013 - II ZR 28/12, juris Rn. 4).
Das Landgericht hat nach Vernehmung der Zeugen G. und S. sowie des Steuerberaters K. ausgeführt, diese drei Zeugenaussagen hätten bei der Kammer noch nicht den nötigen Grad der Gewissheit herbeiführen können, dass die Stammeinlagen gezahlt worden seien, da bei den Zeugen G. und S. ein gewisses eigenes Interesse hinsichtlich dieser Tatsachen nicht zu verkennen sei und der Zeuge K. insbesondere nicht habe bekunden können, dass er Einzahlungsbelege für die Konten der Schuldnerin bezüglich der Stammkapitalzahlungen gesehen habe. Letztlich seien die bei der Kammer verbliebenen Zweifel bezüglich der Einzahlung des Stammkapitals durch das Vorliegen weiterer - im landgerichtlichen Urteil näher bezeichneter - Indizien beseitigt worden. Anders als das Berufungsgericht hat das Landgericht danach den Aussagen der Zeugen trotz der geäußerten Bedenken einen gewissen Beweiswert beigemessen, der zusammen mit den weiter gewürdigten Umständen zur Überzeugungsbildung geführt hat. Das Berufungsgericht durfte deshalb im Rahmen der auch von ihm durchgeführten Gesamtwürdigung aller Umstände den Aussagen der Zeugen keinen geringeren Beweiswert beimessen, ohne die Zeugen selbst gehört zu haben.
2. Der Verfahrensfehler ist entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht zu einer anderen Beurteilung gelangt wäre, wenn es die Zeugen erneut vernommen und sich einen eigenen Eindruck verschafft hätte. Es kann gleichfalls nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht im Rahmen der erforderlichen Gesamtbeurteilung den vorhandenen Indizien für eine Einzahlung ein anderes Gewicht beigemessen hätte, wenn es die Zeugen persönlich vernommen hätte.
III. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin: Soweit das Berufungsgericht den zeitlichen Zusammenhang der Kapitalerhöhung um 110.000 DM mit der Rückzahlung eines Darlehens der damaligen Alleingesellschafterin der Schuldnerin in Höhe von 109.923,48 € berücksichtigt und Vermutungen hinsichtlich einer verdeckten Sacheinlage anstellt, wird es das Vorbringen der Parteien darauf untersuchen müssen, ob nicht gerade deshalb davon ausgegangen werden muss, dass die Bareinlage - zunächst - geleistet worden ist. Steht aber die Einzahlung fest, dann hat der Insolvenzverwalter nach der Rechtsprechung des Senats für einen ausnahmsweise nicht zur Tilgung der Einlageschuld führenden Umstand Vortrag zu halten. Insbesondere nach einem langen Zeitraum wäre es einem Gesellschafter schwerlich möglich, alle denkbaren, der Erfüllungswirkung entgegenstehenden Umstände als nicht vorhanden darzulegen. Mit dem Beweis ist der Insolvenzverwalter auch in diesen Fällen jedoch nicht belastet, wenn er seiner gesteigerten Vortragslast nachgekommen ist (BGH, Beschluss vom 17. September 2013 - II ZR 142/12, ZIP 2014, 261 Rn. 3 f.).
Strohn Caliebe Drescher
Born Sunder