Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 13.03.2012


BGH 13.03.2012 - II ZR 50/09

Beweisaufnahme: Ablehnung eines Beweisantrags zu erheblichem Vorbringen bei Widersprüchlichkeit des Parteivortrags


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
13.03.2012
Aktenzeichen:
II ZR 50/09
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend OLG Köln, 22. Januar 2009, Az: 18 U 142/07vorgehend LG Köln, 6. Juli 2007, Az: 87 O 181/04
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Ein Gericht darf die Beweisaufnahme zu einem bestrittenen erheblichen Vorbringen einer Partei nicht deshalb ablehnen, weil es zu ihrem früheren Vortrag in Widerspruch stehe. Eine etwaige Widersprüchlichkeit des Parteivortrags ist vielmehr im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 22. Januar 2009 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten entschieden worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin ist eine im Stahlhandel und in der Stahlverarbeitung tätige GmbH & Co. KG, der Beklagte war bis Anfang Januar 2004 zusammen mit B.   W.     gesamtvertretungsberechtigter Geschäftsführer ihrer Komplementär-GmbH. Die Klägerin verlangt vom Beklagten Schadensersatz wegen ihrer Inanspruchnahme aus einer Garantievereinbarung in Höhe von 3.575.924,77 €.

2

Die Klägerin bezog Stahl von der Streithelferin, der S.                  GmbH. In die Vertragsbeziehung war die E.                Ltd. (im Folgenden: E.  ) mit Sitz in Hongkong, China zwischengeschaltet. Zwischen der Streithelferin und der E.  einerseits sowie der E.  und der Klägerin andererseits bestanden im Wesentlichen gleichlautende Lieferverträge: Die E.  kaufte Stahl von der Streithelferin und verkaufte ihn an die Klägerin. Die Lieferungen selbst erfolgten von der Streithelferin unmittelbar an die Klägerin.

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Mit schriftlicher Erklärung vom 29. März 2001 übernahm die Klägerin gegenüber der Streithelferin eine Garantie für die Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen der E.  gegenüber der Streithelferin aus den in den Jahren 2001 und 2002 geschlossenen Verträgen. Am 9. Juli 2002 gaben der Beklagte und sein Mitgeschäftsführer für die Klägerin eine weitere Garantieerklärung gegenüber der Streithelferin ab, mit der sich die Klägerin unwiderruflich verpflichtete, an die Streithelferin Zahlung zu leisten, sofern die E.  ihren Verpflichtungen aus den mit der Streithelferin in den Jahren 2002 und 2003 geschlossenen Verträgen nicht fristgerecht nachkäme (im Folgenden: Garantie 2002). Am 17. Dezember 2003 unterzeichneten der Beklagte und auf seine Veranlassung auch sein Mitgeschäftsführer W.   eine entsprechende Garantieerklärung gegenüber der Streithelferin, in der sich die Klägerin verpflichtete, für die Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen der E.  gegenüber der Streithelferin aus den in den Jahren 2003 und 2004 geschlossenen Verträgen einzustehen (im Folgenden: Garantie 2003). In der Garantieerklärung heißt es, dass Ansprüche aus der Garantie vom Begünstigten schriftlich unter Darlegung des Nichterfüllungsfalles gegenüber dem Garanten geltend gemacht werden müssen. Die nach den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags der Klägerin, ihrer Geschäftsordnung für die Geschäftsführung und des Anstellungsvertrags des Beklagten für die Übernahme einer solchen Garantie erforderliche Zustimmung des Beirats der Klägerin lag bei Abgabe der Garantieerklärung im Dezember 2003 nicht vor.

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Die Gesellschafterversammlung der Klägerin erteilte beiden Geschäftsführern für die Jahre 2001 und 2002 Entlastung. Für das Jahr 2003 entlastete sie den Geschäftsführer W.    , während sie dem Beklagten die Entlastung verweigerte.

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Im Februar 2004 beendete die Streithelferin die Zusammenarbeit mit der E.   Mit Schreiben vom 22. April 2004 forderte sie, gestützt auf die Garantie 2003, von der Klägerin Zahlung von 3.575.924,77 € einschließlich Zinsen, weil die E.  ihren Zahlungsverpflichtungen aus dem Vertrag vom 7. März 2003 für die von ihr bestellten Stahllieferungen nicht nachgekommen sei. Am 6. Mai 2004 schloss die Klägerin mit der Streithelferin eine sogenannte Erfüllungsvereinbarung, in der sie sich zur Zahlung des geforderten Betrages verpflichtete, den sie vereinbarungsgemäß an die Streithelferin zahlte. Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte schulde ihr Ersatz des dadurch entstandenen Schadens, weil er die Zustimmung des Beirats zur Abgabe der Garantieerklärung 2003 nicht eingeholt habe.

6

Das Landgericht hat ihre auf Erstattung der Garantiezahlung an die Streithelferin gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht unter Klageabweisung im Übrigen der Klage in Höhe von 3.256.275,15 € stattgegeben. Hiergegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision des Beklagten, mit der er seinen Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter verfolgt.

Entscheidungsgründe

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Die Revision des Beklagten hat Erfolg und führt, soweit zum Nachteil des Beklagten entschieden worden ist, zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.

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I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

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Die Klägerin könne vom Beklagten Schadensersatz in Höhe von 3.256.275,15 € nach § 43 Abs. 2 GmbHG wegen ihrer Inanspruchnahme aus der Garantie 2003 verlangen. Die Übernahme dieser Garantie sei pflichtwidrig gewesen, weil die Zustimmung des Beirats nicht eingeholt worden sei. Es bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beirat seine Zustimmung erteilt hätte. Hierzu sei er auch nicht verpflichtet gewesen. Der Beklagte habe auch deshalb pflichtwidrig gehandelt, weil er im Zusammenhang mit der Übernahme der Garantie flankierende Maßnahmen versäumt habe, durch die eine doppelte Inanspruchnahme der Klägerin durch die E.  und die Streithelferin verhindert worden wäre. Seiner Haftung stehe nicht entgegen, dass die Gesellschafterversammlung ihn für das Jahr 2002 und seinen Mitgeschäftsführer auch für das Jahr 2003 entlastet habe, da seine Entlastung für 2003 ausdrücklich verweigert worden sei. Der Klägerin sei durch die Pflichtverletzung des Beklagten ein Schaden in Höhe des eingeklagten Betrages entstanden, weil sie die zugrunde liegenden Lieferungen bereits an die E.  bezahlt habe. Die Erfüllungsvereinbarung schließe die Haftung des Beklagten nicht aus, da sie ohne die vom Beklagten zu Lasten der Klägerin übernommene Garantie 2003 nicht geschlossen worden wäre und ausdrücklich auf diese Garantie Bezug nehme.

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Die Garantie 2003 sei wirksam vereinbart worden. Die von den Geschäftsführern der Klägerin unterzeichnete Garantieerklärung 2003 sei der Streithelferin zeitnah per Fax zugegangen und von deren Geschäftsführern H.     und Dr. He.      unterschrieben worden. Auf den Zeitpunkt der Unterzeichnung komme es nicht an, da sie das Angebot der Klägerin jedenfalls konkludent angenommen hätten. Der Abschluss eines Garantievertrags sei formfrei möglich. Eine qualifizierte Schriftformvereinbarung des Inhalts, dass die Garantie zu ihrer Wirksamkeit im Original von den vier Geschäftsführern der Klägerin und der Streithelferin unterzeichnet werden müsse, hätten die Vertragsparteien nicht getroffen. Da der Beklagte in der Berufungsverhandlung vom 16. Oktober 2008 eine solche Vereinbarung auf Nachfrage des Gerichts ausdrücklich verneint habe, sei sein gegenteiliger Vortrag in dem folgenden Schriftsatz, es sei eine entsprechende mündliche Absprache getroffen worden, prozessual unbeachtlich. Zudem habe der Beklagte keinen konkreten Lebenssachverhalt vorgetragen, sondern nur pauschal eine mündliche Absprache behauptet. Dass die Annahmeerklärung der Klägerin möglicherweise nicht zugegangen sei, sei wegen § 151 BGB unschädlich.

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Die Kausalität entfalle auch nicht deshalb, weil die Klägerin die gleiche Zahlung schon aus der Garantie 2002 hätte leisten müssen. Abgesehen davon, dass die Streithelferin die Klägerin ausdrücklich aus der späteren Garantie in Anspruch genommen habe, sei die Garantie 2003 nach den hier anwendbaren Grundsätzen der Doppelkausalität auch dann für den eingetretenen Schaden ursächlich, wenn man diesen bereits in der Haftung für die Verbindlichkeiten der E.  gegenüber der Streithelferin sehe. In den Fällen der Doppelkausalität bei mehreren Schädigern sei davon auszugehen, dass beide Ursachen im haftungsrechtlichen Sinne ursächlich seien, da andernfalls jeder Schädiger sich auf den Ursachenbeitrag des anderen stützen könnte. Diese Grundsätze würden auch in der vorliegenden Fallkonstellation greifen, in der zwar beide Ursachen vom selben Verursacher gesetzt worden seien, dieser aber - aufgrund der ihm für das Geschäftsjahr 2002 erteilten Entlastung - wegen der früheren Garantie nicht mehr in Anspruch genommen werden könne.

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Lediglich in Höhe von 319.649,62 € sei ein Anspruch der Klägerin gemäß § 254 BGB ausgeschlossen, weil sie diesen Betrag noch nach ihrer Inanspruchnahme aus der Garantie und nach Abschluss der Erfüllungsvereinbarung an die E.  gezahlt habe.

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II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung in entscheidenden Punkten nicht stand.

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1. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Garantievertrag 2003, in dessen Abschluss es eine Pflichtverletzung des Beklagten als Geschäftsführer der Klägerin gesehen hat, wirksam zustande gekommen ist, und es hat infolgedessen auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen einen haftungsrechtlichen Zusammenhang zwischen der Unterzeichnung der Garantieerklärung 2003 durch die Geschäftsführer der Klägerin und den von der Klägerin aufgrund der Erfüllungsvereinbarung geleisteten Zahlungen zu Unrecht bejaht.

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a) Das Berufungsgericht ist verfahrensfehlerhaft zu der Auffassung gelangt, die Streithelferin habe das schriftliche Angebot der Klägerin auf Abschluss einer Garantievereinbarung formlos angenommen. Der Beklagte hat vorgetragen, die Klägerin und die Streithelferin, vertreten durch ihre damaligen Geschäftsführer, hätten für den Abschluss des Garantievertrags ausdrücklich mündlich konstitutive Schriftform vereinbart, und hat für diesen Vortrag Beweis durch Vernehmung der damaligen Geschäftsführer der Streithelferin Dr. He.       und H.     angeboten. Das Berufungsgericht hat den Beklagten zu Recht für diesen Vortrag als beweisbelastet angesehen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 1997 - II ZR 213/95, NJW-RR 1997, 669, 670; Erman/A. Arnold, BGB, 13. Aufl., § 127 Rn. 11; Laumen in Baumgärtel/Laumen/Prütting, Handbuch der Beweislast, BGB AT, 3. Aufl., § 125 Rn. 11 f.). Es durfte deshalb nicht zu dem Ergebnis kommen, die Streithelferin habe das Vertragsangebot der Klägerin wirksam konkludent angenommen, ohne die vom Beklagten angebotenen Zeugen zu vernehmen.

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aa) Wie die Revision mit Recht rügt, war das Berufungsgericht von der Beweisaufnahme nicht deshalb entbunden, weil der Prozessbevollmächtigte des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 16. Oktober 2008 eine ausdrückliche Schriftformabrede auf Nachfrage des Berufungsgerichts verneint hat. Diesen Vortrag hat der Beklagte im nachgelassenen Schriftsatz vom 19. November 2008 dahingehend klargestellt, dass sich die Aussage seines Prozessbevollmächtigten nur darauf bezogen habe, dass eine ausdrückliche, schriftlich festgehaltene Schriftformabrede nicht bestanden habe, wohl aber - wie mehrfach vorgetragen - eine ausdrückliche mündliche Schriftformvereinbarung. Er hat dabei auf sein Vorbringen in den Schriftsätzen vom 10. Januar 2007 und vom 12. Dezember 2005 verwiesen. Der Umstand, dass der Vortrag des Prozessbevollmächtigten des Beklagten in der mündlichen Verhandlung zu dem Vortrag in den genannten Schriftsätzen in Widerspruch stehen mag, rechtfertigt es nicht, von der Erhebung der angebotenen Beweise abzusehen. Darin liegt eine vorweggenommene Beweiswürdigung, die im Prozessrecht keine Stütze findet. Eine etwaige Widersprüchlichkeit des Parteivortrags kann nur im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt werden (BGH, Beschluss vom 21. Juli 2011 - IV ZR 216/09, VersR 2011, 1384 Rn. 6; Urteil vom 1. Juli 1999 - VII ZR 202/98, NJW-RR 2000, 208; Urteil vom 5. Juli 1995 - KZR 15/94, NJW-RR 1995, 1340, 1341 - Sesamstraße-Aufnäher).

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bb) Ebenso wenig durfte das Berufungsgericht von einer Beweisaufnahme absehen, weil der Beklagte die mündliche Absprache über die Formbedürftigkeit der Garantievereinbarung behauptete, ohne nähere Einzelheiten darzulegen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt eine Partei ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht zu begründen; unerheblich ist, ob die Darstellung der Partei wahrscheinlich ist (vgl. nur BGH, Beschluss vom 21. Juli 2011 - IV ZR 216/09, VersR 2011, 1384 Rn. 6; Urteil vom 2. April 2007 - II ZR 325/05, ZIP 2007, 1056 Rn. 23; Urteil vom 25. Juli 2005 - II ZR 199/03, WM 2005, 1847, 1848; Beschluss vom 1. Juni 2005 - XII ZR 275/02, NJW 2005, 2710, 2711). Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen, kann der Vortrag weiterer Einzelheiten nicht gefordert werden. Vielmehr muss der Tatrichter in die Beweisaufnahme eintreten; dabei muss er gegebenenfalls durch entsprechende Nachfrage nähere Einzelheiten klären, soweit er ihnen für die Wahrscheinlichkeit der Behauptung Bedeutung zumisst.

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Diesen Maßstab hat das Berufungsgericht unter Verstoß gegen §§ 284, 286 ZPO verkannt. Der Vortrag des Beklagten, die Parteien des Garantievertrags hätten konstitutive Schriftform vereinbart, erfüllt die Anforderungen an einen schlüssigen Tatsachenvortrag, so dass das Berufungsgericht die von ihm angebotenen Zeugen hätte vernehmen müssen.

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b) Das Urteil beruht auf diesen Verfahrensfehlern. War eine konstitutive Schriftform des Garantievertrags vereinbart, konnte die Streithelferin das Angebot der Klägerin zum Abschluss des Garantievertrags vom 17. Dezember 2003 nur schriftlich innerhalb der Annahmefrist des § 147 Abs. 2 BGB annehmen. Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, die Geschäftsführer der Streithelferin hätten das Fax noch im Dezember 2003 unterzeichnet. Der Beklagte hat diesen Vortrag bestritten. Das Berufungsgericht hat hierzu keine Feststellungen getroffen. Revisionsrechtlich ist deshalb entsprechend dem Beklagtenvortrag davon auszugehen, dass der von der Klägerin im Dezember 2003 angebotene Garantievertrag nicht zustande gekommen ist, weil er von den vertretungsberechtigten Organen der Streithelferin nicht innerhalb der Frist des § 147 Abs. 2 BGB unterzeichnet wurde.

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War aber die Klägerin aufgrund der von ihren Geschäftsführern im Dezember 2003 unterzeichneten Garantieerklärung nicht zu Garantiezahlungen verpflichtet, steht der haftungsrechtliche Zusammenhang zwischen der vom Berufungsgericht angenommenen Pflichtverletzung des Beklagten und den durch die Erfüllungsvereinbarung begründeten Zahlungsverbindlichkeiten nicht mehr fest. Denn dem Schädiger ist es nicht als adäquate Folge seines Tuns zuzurechnen, wenn der Geschädigte in ungewöhnlicher und unsachgemäßer Weise in den Geschehensablauf eingreift und eine weitere Ursache setzt, die den Schaden erst endgültig herbeiführt. Der Kausalzusammenhang wird nur dann nicht unterbrochen, wenn für die Zweithandlung ein rechtfertigender Anlass bestand oder diese durch das haftungsbegründende Ereignis herausgefordert wurde und eine nicht ungewöhnliche oder gänzlich unangemessene Reaktion auf dieses darstellt (BGH, Urteil vom 10. Mai 1990 - IX ZR 113/89, NJW 1990, 2882, 2883; Urteil vom 3. Dezember 1992 - IX ZR 61/92, NJW 1993, 1139, 1141; Urteil vom 7. Januar 1993 - IX ZR 199/91, NJW 1993, 1587, 1589; Urteil vom 4. Juli 1994 - II ZR 126/93, NJW 1995, 126, 127).

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Diese Voraussetzungen sind nach den bisher vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht erfüllt. War der Geschäftsführer W.     - wie vom Beklagten behauptet und unter Beweis gestellt - an der konstitutiven Schriftformabrede beteiligt, muss sich die Klägerin dessen Kenntnis zurechnen lassen. Schloss sie in Kenntnis der Tatsache, dass das für den Garantievertrag vereinbarte Schriftformerfordernis nicht erfüllt war, mit der Streithelferin die als Vergleich zu beurteilende Erfüllungsvereinbarung, liegt eine ungewöhnliche und gänzlich unangemessene Reaktion auf die Unterzeichnung der Garantievereinbarung durch den Beklagten und den Geschäftsführer W.     nahe. Ob der Abschluss der Erfüllungsvereinbarung in dieser Weise zu beurteilen ist, hängt von den vom Berufungsgericht in dem wiedereröffneten Berufungsverfahren gegebenenfalls zu klärenden Umständen des Falles ab. Dabei können die Erfolgsaussichten der Klägerin im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit der Streithelferin und ihr Interesse an einer raschen Streitbeilegung zu berücksichtigen sein (vgl. BGH, Urteil vom 7. Januar 1993 - IX ZR 199/91, NJW 1993, 1587, 1589).

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2. Ebenso ist die Auffassung des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft, die - angenommene - Pflichtverletzung des Beklagten sei für einen Schaden der Klägerin ursächlich geworden.

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a) Das Berufungsgericht sieht eine Pflichtverletzung des Beklagten darin, dass er die Garantieerklärung im Dezember 2003 ohne die Zustimmung des Beirats unterzeichnet und nicht zugleich durch entsprechende Maßnahmen sichergestellt habe, dass die Klägerin für dieselben Lieferungen nicht sowohl von der E.  als Vertragspartnerin als auch von der Streithelferin als Garantin auf Zahlung in Anspruch genommen werden konnte. Diese Pflichtverletzung ist für die Verpflichtung der Klägerin, für die Verbindlichkeiten der E.  gegenüber der Streithelferin aus 2003 geschlossenen Verträgen aufkommen zu müssen, auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen auch dann nicht kausal geworden, wenn die Streithelferin, wovon das Berufungsgericht ausgegangen ist, das Angebot der Klägerin auf Abschluss eines Garantievertrags vom 17. Dezember 2003 wirksam angenommen hat. Die Garantie 2003 hat die Vermögenslage der Klägerin nicht verschlechtert, soweit sie die Einstandspflicht der Klägerin für die hier maßgeblichen Zahlungsverpflichtungen der E.  aus den im Jahr 2003 geschlossenen Verträgen betrifft. Denn die Klägerin wurde nicht erst durch die Unterzeichnung der Garantievereinbarung im Dezember 2003 mit der Verbindlichkeit belastet, die Forderungen der Streithelferin gegen die E.   aus den im Jahr 2003 geschlossenen Verträgen zu erfüllen, sofern diese ihren Zahlungspflichten nicht rechtzeitig nachkam. Vielmehr war sie hierzu, wie auch das Berufungsgericht angenommen hat, schon durch den im Juli 2002 mit der Streithelferin geschlossenen, insoweit gleichlautenden Garantievertrag verpflichtet, unabhängig davon, ob der Beklagte für solche Forderungen der Streithelferin eine weitere Garantieverpflichtung zu Lasten der Klägerin begründete.

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b) Anders verhielte es sich nur, wenn durch den späteren Garantievertrag die Garantieverpflichtung für die gesicherten Forderungen aus den 2003 geschlossenen Verträgen erweitert worden wäre oder der Klägerin gegen ihre Inanspruchnahme aus der Garantie 2002 durchgreifende Einwendungen zugestanden hätten. Hierfür bestehen nach den bisher getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts keine Anhaltspunkte. Revisionsrechtlich ist deshalb davon auszugehen, dass die vom Berufungsgericht angenommene Pflichtverletzung des Beklagten im Zusammenhang mit der Garantie 2003 nicht für die Verpflichtung der Klägerin kausal war, gegenüber der Streithelferin für die Verbindlichkeiten der E.  aus Verträgen, die diese im Jahr 2003 mit der Streithelferin geschlossen hat, einstehen zu müssen.

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c) Der fehlende Ursachenzusammenhang lässt sich nicht durch die vom Berufungsgericht herangezogenen Grundsätze der Doppelkausalität überwinden. Sogenannte Doppelkausalität liegt vor, wenn ein bestimmter Schaden durch verschiedene gleichzeitig oder nebeneinander wirkende Umstände verursacht worden ist, aber jede dieser Ursachen allein ausgereicht hätte, um den ganzen Schaden herbeizuführen. In einem solchen Fall sind sämtliche Umstände als rechtlich ursächlich für den Schadenseintritt zu behandeln, obwohl keiner der Umstände als „conditio sine qua non“ für den Schadenseintritt beurteilt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 1988 - IX ZR 43/87, WM 1988, 905, 908; Urteil vom 7. Mai 2004 - V ZR 77/03, WM 2005, 189, 191). Eine vergleichbare Fallgestaltung liegt hier aber nicht vor. Die Garantievereinbarungen wurden zeitlich nacheinander geschlossen. Der in der Begründung der maßgeblichen Garantieverbindlichkeit zu Lasten der Klägerin liegende Schaden war bereits vor Unterzeichnung des Garantievertrags im Dezember 2003 durch Abschluss der Garantievereinbarung im Juli 2002 eingetreten.

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d) Der Umstand, dass die Streithelferin ihren Zahlungsanspruch nur auf die spätere Garantie gestützt hat, ändert nichts daran, dass sich die Vermögenslage der Klägerin durch das nach Ansicht des Berufungsgerichts pflichtwidrige Handeln des Beklagten im Zusammenhang mit der Unterzeichnung des Garantievertrags im Dezember 2003 nicht verschlechtert hat. Ebenso wenig ist für die Beurteilung der Kausalität der Pflichtverletzung des Beklagten von Belang, ob der Beklagte bereits mit dem Abschluss des Garantievertrags im Juli 2002 eine Pflichtverletzung begangen hat und ob er von der Klägerin - in Anbetracht seiner Entlastung für das Jahr 2002 - aus diesem Grund auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden kann. Denn diese Umstände haben keinen Einfluss darauf, ob die Pflichtverletzung des Beklagten im Zusammenhang mit der Garantieerklärung 2003 zu einem Schaden der Klägerin im Sinne einer Verschlechterung ihrer Vermögenslage geführt hat.

27

e) Hat das vom Berufungsgericht angenommene pflichtwidrige Handeln des Beklagten im Zusammenhang mit der von ihm im Dezember 2003 abgegebenen Garantieerklärung die Vermögenslage der Klägerin nicht verschlechtert, schuldet ihr der Beklagte keinen Schadensersatz nach § 43 Abs. 2 GmbHG. Dies gilt auch für den ihm angelasteten Kompetenzverstoß. Denn diese Vorschrift sanktioniert nicht den Kompetenzverstoß des Geschäftsführers an sich, sondern setzt einen dadurch verursachten Schaden voraus (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2006 - II ZR 166/05, ZIP 2007, 268 Rn. 10 und 12; Urteil vom 21. Juli 2008 - II ZR 39/07, ZIP 2008, 1818 Rn. 19).

28

III. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, soweit der Klage stattgegeben worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit das Berufungsgericht - gegebenenfalls nach ergänzendem Parteivortrag - die erforderlichen Feststellungen treffen kann (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Klägerin gegen ihre Inanspruchnahme aus dem im Juli 2002 geschlossenen Garantievertrag gegenüber der Streithelferin durchgreifende Einwendungen hätte erheben können. In diesem Fall wäre durch den Abschluss des weiteren Garantievertrags im Dezember 2003 die Vermögenslage der Klägerin verschlechtert worden.

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Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

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1. Das Berufungsgericht wird sich gegebenenfalls erneut damit zu befassen haben, ob das Handeln des Beklagten deshalb pflichtwidrig war, weil er im Zusammenhang mit der Unterzeichnung der Garantieerklärung 2003 flankierende Maßnahmen zur Vermeidung einer Doppelzahlung unterlassen hat.

31

2. Sollte sich ergeben, dass die Klägerin schon aus dem im Juli 2002 abgeschlossenen Garantievertrag für die Forderungen der Klägerin gegen die E.   aus den im Jahr 2003 geschlossenen Verträgen einstehen musste und sollten Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten wegen Abschlusses dieses Garantievertrags in Betracht kommen, scheiden solche Ansprüche entgegen der Meinung des Berufungsgerichts nicht schon von vornherein aus, weil der Beklagte für das Jahr 2002 von der Gesellschafterversammlung entlastet wurde. Die Gesellschaft ist durch eine Entlastung des Geschäftsführers nur mit solchen Ersatzansprüchen ausgeschlossen, die der Gesellschafterversammlung bei sorgfältiger Prüfung aller Vorlagen und Berichte erkennbar waren oder von denen alle Gesellschafter privat Kenntnis hatten (BGH, Urteil vom 20. Mai 1985 - II ZR 165/84, BGHZ 94, 324, 326; Urteil vom 21. April 1986 - II ZR 165/85, BGHZ 97, 382, 384).

32

Das Berufungsgericht wird hierzu die nach ergänzendem Parteivortrag gegebenenfalls erforderlichen Feststellungen zu treffen haben.

Bergmann                                                Strohn                                                  Caliebe

                              Reichart                                                  Born