Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 08.10.2013


BGH 08.10.2013 - II ZR 367/12

Kommanditgesellschaft: Inanspruchnahme eines Mitgesellschafters für Verbindlichkeiten der Gesellschaft aus Drittgeschäften


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
08.10.2013
Aktenzeichen:
II ZR 367/12
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend OLG München, 14. November 2012, Az: 27 U 1376/12vorgehend LG Augsburg, 13. März 2012, Az: 31 O 2264/11
Zitierte Gesetze

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 27. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 14. November 2012 aufgehoben.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Augsburg vom 13. März 2012 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens trägt der Beklagte.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin war Initiatorin und Gründungsgesellschafterin sowie Darlehensgeberin der im Jahr 1992 gegründeten "E.  KG  (GmbH & Co.)" (im Folgenden: KG), einer Publikumsgesellschaft, deren Zweck die Vermietung einer von ihr erworbenen Immobilie ist. Der Beklagte ist an der KG seit 1993 als Kommanditist beteiligt. Nach Gründung des Fonds erhielten die Kommanditisten zunächst Verlustzuweisungen und in den Jahren 1995 bis 2000 gewinnunabhängige Ausschüttungen. Die Klägerin nimmt in einer Vielzahl von Verfahren Kommanditisten in Höhe der jeweils erhaltenen Ausschüttungen wegen Darlehenszinsverbindlichkeiten der KG in Anspruch.

2

Der Gesellschaftsvertrag (im Folgenden: GV) enthält in § 3 Nr. 7 folgende Regelung:

"Die Kommanditisten übernehmen weder gegenüber Gesellschaftern noch gegenüber Dritten irgendwelche Zahlungsverpflichtungen, Haftungen oder irgendwelche Nachschussverpflichtungen, die über die Verpflichtung zur Leistung der in der Beitrittserklärung gezeichneten Kommanditbeteiligung zuzüglich Agio hinausgehen. Dies gilt auch für den Fall der Liquidation. Der vertragliche Ausschluss einer Nachschusspflicht lässt die gesetzliche Regelung über die Haftung der Kommanditisten gegenüber Gesellschaftsgläubigern gemäß §§ 171 ff. HGB unberührt."

3

Auf Seite 24 des Emissionsprospekts finden sich unter der Rubrik "Rechtsform und Haftung" folgende Hinweise:

4

"…Soweit die Haftung beschränkt ist, besteht keine Nachschusspflicht, was insbesondere für die Fremdfinanzierung gilt.

5

Die geplanten Auszahlungen übersteigen die im selben Zeitraum erwirtschafteten Gewinne und führen gemäß § 172 Abs. 4 HGB zu einem Wiederaufleben der beschränkten Kommanditistenhaftung in Höhe der vorgenommenen Auszahlungen."

6

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin gewährte der KG ursprünglich für den Erwerb der Gewerbeimmobilie ein Darlehen in Höhe von 200 Mio. DM. Da die Immobilie sich ab September 2003 nicht mehr in der gewünschten Weise vermieten ließ, geriet die KG in wirtschaftliche Schwierigkeiten und konnte das Darlehen nicht länger bedienen. Die Klägerin gewährte der KG zur Vermeidung der Insolvenz mit Vertrag vom 22. März/15. Juni 2004 ein Folgedarlehen in Höhe von 35 Mio. €, mit dem die noch offene Teilforderung aus dem ersten Darlehen abgelöst wurde. Die fälligen Tilgungs- und Zinsraten stundete die Klägerin immer wieder zu großen Teilen. Parallel dazu forderte die KG ihre Kommanditisten auf, die erhaltenen Ausschüttungen zurückzuzahlen, um die wirtschaftliche Situation zu verbessern. Die Klägerin erstattete ihre als Kommanditistin erhaltenen Auszahlungen. Der Beklagte kam der Aufforderung nicht nach.

7

Nach der Behauptung der Klägerin besteht eine Verbindlichkeit der KG in Höhe von 500.000 €. Hierbei handele es sich um von den Stundungsvereinbarungen ausgenommene Darlehenszinsen. Zwischenzeitlich seien Zahlungen anderer Kommanditisten in Höhe von 318.149,76 € eingegangen. Gegenüber dem Beklagten werde ein letztstelliger Teilbetrag der im August 2011 aufgelaufenen Zinsen verlangt.

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Die auf Zahlung von 8.883,70 € von der KG geschuldeter Darlehenszinsen gerichtete Klage war in erster Instanz erfolgreich. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht das Urteil des Landgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Klägerin hat Erfolg.

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I. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

11

Einem Anspruch der Klägerin gegenüber dem Beklagten stehe die Regelung in § 3 Nr. 7 des Gesellschaftsvertrags entgegen. Die Klausel enthalte einen umfassenden Haftungsausschluss, der auch Ansprüche von Gesellschaftern, die aus einem Drittgeschäft Forderungen gegen die Gesellschaft hätten, gegen ihre Mitgesellschafter aus § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB umfasse. Der potentielle Anleger habe durch ein überschaubares Haftungsrisiko zum Beitritt zur KG bewegt werden sollen.

12

II. Das Urteil des Berufungsgerichts hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

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1. Der Anspruch der Klägerin aus § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB ist nicht durch die Regelung in § 3 Nr. 7 Satz 1 GV ausgeschlossen.

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a) Diese Feststellung kann der Senat selbst treffen, weil Gesellschaftsverträge von Publikumsgesellschaften objektiv auszulegen sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 19. März 2007  II ZR 73/06, ZIP 2007, 812 Rn. 18; Urteil vom 1. März 2011  II ZR 16/10, ZIP 2011, 957 Rn. 8; Urteil vom 19. Juli 2011  II ZR 153/09, ZIP 2011, 1906 Rn. 11; Urteil vom 12. März 2013  II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222 Rn. 13 mwN). Dabei unterliegen die Regelungen in Gesellschaftsverträgen von Publikumsgesellschaften unabhängig davon, ob die Bereichsausnahme des § 310 Abs. 4 BGB eingreift, einer ähnlichen Auslegung und Inhaltskontrolle wie Allgemeine Geschäftsbedingungen (BGH, Urteil vom 27. November 2000  II ZR 218/00, ZIP 2001, 243, 244; Urteil vom 12. März 2013  II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222 Rn. 14 mwN). Hieraus folgt in Anlehnung an § 305c Abs. 2 BGB, dass Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders gehen (BGH, Urteil vom 13. September 2004  II ZR 276/02, ZIP 2004, 2095, 2097 f.; Urteil vom 12. März 2013  II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222 Rn. 14).

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b) Danach ist § 3 Nr. 7 Satz 1 GV (nur) im Sinne einer Klarstellung auszulegen, dass die Kommanditisten lediglich in Höhe ihrer Einlagen haften und keine von § 161 Abs. 2, § 105 Abs. 3 HGB, § 707 BGB abweichende Vereinbarung einer Nachschusspflicht getroffen wurde. Ansprüche eines Gesellschafter-Gläubigers gegen seine Mitgesellschafter aus § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 HGB sind durch die Regelung dagegen nicht ausgeschlossen, ohne dass insoweit Zweifel im Sinne des § 305c Abs. 2 BGB bestehen würden.

16

Die Worte "irgendwelche Zahlungsverpflichtungen" und "Haftungen" sprechen nicht dafür, dass die Haftung der Kommanditisten soweit wie möglich eingeschränkt werden sollte und damit jegliche Ansprüche der Gesellschafter untereinander ausgeschlossen sein sollten, auch wenn es sich um die Haftung für eine Verbindlichkeit der Gesellschaft gegenüber einem Gesellschafter handelt, die von der Gesellschafterstellung des Gläubigers an sich unabhängig ist und ebenso gegenüber einem Dritten hätte bestehen können.

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Ein solcher möglichst weitreichender Haftungsausschluss der Kommanditisten lässt sich schon deshalb der Klausel nicht entnehmen, weil § 3 Nr. 7 Satz 1 GV Zahlungsverpflichtungen und Haftungen nur insoweit ausschließt, als sie "über die Verpflichtung zur Leistung der in der Beitrittserklärung gezeichneten Kommanditbeteiligung zuzüglich Agio hinausgehen". Die Bestimmung könnte deshalb selbst bei dem vom Berufungsgericht vertretenen Verständnis nur dann zu dem gewünschten Erfolg führen, wenn man zugleich annimmt, dass die anfängliche Leistung der Einlage zum Ausschluss sämtlicher Ansprüche ausreiche und eine spätere Rückgewähr der Einlage oder Ausschüttungen, die nicht durch Gewinne gedeckt sind, unschädlich seien. Anderenfalls würde die Privilegierung erheblich relativiert und könnte den Anlegern des fraglichen Immobilienfonds gerade nicht nützen, da es von vornherein geplant war, dass sie Verlustzuweisungen und gewinnunabhängige Ausschüttungen erhalten. Eine solche Auslegung würde aber der gesetzlichen Systematik in § 172 Abs. 4 HGB widersprechen, welche die anfängliche Nichtleistung und die nachträgliche Rückzahlung gleichstellt. Es spricht deshalb einiges dafür, dass auch in der gesellschaftsvertraglichen Bestimmung mit "Verpflichtung zur Leistung der … Kommanditbeteiligung" die dauerhafte Leistung der Einlage gemeint ist.

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Außerdem wäre es wenig zweckmäßig im Interesse einer möglichst umfassenden Privilegierung der Kommanditisten, die Haftung gegenüber jeglichen Dritten im Gesellschaftsvertrag zu verneinen, da ein solcher Ausschluss ohne Billigung des Dritten im Außenverhältnis unwirksam ist. Der Ausschluss hätte daher alleinige Bedeutung gegenüber einem Gesellschafter-Gläubiger und hätte dann sogleich auf diesen, namentlich die Rechtsvorgängerin der Klägerin als von Anfang an bekannte Hauptgläubigerin, zugeschnitten formuliert werden können.

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Zudem enthält die Bestimmung in Satz 1 den Begriff "Ausschluss" nicht. Vielmehr heißt es, dass Kommanditisten keine Verpflichtungen "übernehmen". Dies spricht schon vom Wortlaut her dafür, dass es nicht darum geht, Ansprüche auszuschließen, die ohne eine entsprechende Vereinbarung kraft Gesetzes bestehen, sondern lediglich klarzustellen, dass über die gesetzlichen Verpflichtungen hinaus keine zusätzlichen Ansprüche begründet werden. Dies passt wiederum dazu, dass die Nachschusspflicht gegenüber der Gesellschaft namentlich genannt wird, die nur gilt, wenn sie in Abweichung zu § 161 Abs. 2, § 105 Abs. 3 HGB, § 707 BGB vereinbart wird.

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Der Hinweis auf die weiterhin geltende gesetzliche Haftung nach §§ 171 ff. HGB gegenüber Gesellschaftsgläubigern in Satz 3 würde bei der vom Berufungsgericht vertretenen Auslegung nur für dritte Gläubiger Bedeutung haben, nicht aber für Gesellschafter-Gläubiger. Dem Wortlaut lässt sich das jedoch nicht entnehmen. Eine Unterscheidung der beiden Gruppen von Gläubigern wäre naheliegend gewesen, zumal in Satz 1 Gesellschafter und Dritte gesondert genannt werden.

21

Nimmt man bei der Auslegung des Gesellschaftsvertrags ergänzend die Ausführungen im Emissionsprospekt in den Blick, wird deutlich, dass mit Satz 1 der Bestimmung lediglich bestätigt wird, dass die Kommanditisten nur in Höhe ihrer Einlagen haften und keine von § 161 Abs. 2, § 105 Abs. 3 HGB, § 707 BGB abweichende Nachschusspflicht vereinbart wurde. Wäre stattdessen eine so weitgehende Privilegierung der Kommanditisten beabsichtigt gewesen, wie sie das Berufungsgericht annimmt, wäre es naheliegend gewesen, dies im Prospekt zu erwähnen. Das Berufungsgericht sieht den Grund für die behauptete Privilegierung darin, Anleger für den Fonds zu interessieren. Diese sollten durch möglichst günstige Bedingungen für eine Beteiligung gewonnen werden. Dann aber wären diese Vorzüge im Prospekt hervorgehoben worden. Der Prospekt weist dagegen auf Seite 24 lediglich darauf hin, dass keine Nachschusspflicht besteht, soweit die Haftung beschränkt ist. Dies soll insbesondere auch für die Fremdfinanzierung gelten. Die Ausführungen stehen im Zusammenhang mit vorherigen Hinweisen zur unbeschränkten Haftung vor Eintragung im Handelsregister. Im nächsten Absatz wird darauf hingewiesen, dass die Auszahlungen die Gewinne übersteigen werden und die beschränkte Kommanditistenhaftung deshalb gemäß § 172 Abs. 4 HGB wieder auflebt. Dass dies gerade im Verhältnis zur Rechtsvorgängerin der Klägerin als größter Gläubigerin der KG, die auch von Anfang an feststand, nicht gelten und die Haftung hier nicht wieder aufleben sollte, wird im Prospekt an keiner Stelle erwähnt, obwohl dies für die Anleger eine erhebliche Verbesserung ihrer Stellung bedeutet hätte.

22

2. Die Entscheidung erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Der Senat verweist insoweit auf seine Ausführungen in dem in einem Parallelverfahren am heutigen Tag ergangenen Urteil (II ZR 310/12, juris).

23

III. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Zahlungsanspruch in Höhe der ihm gewährten Ausschüttungen von 8.883,70 € gemäß § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB zu, weil seine Einlage teilweise zurückbezahlt worden ist, so dass seine persönliche Haftung gegenüber Gläubigern der KG in diesem Umfang wiederaufgelebt ist.

24

Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der Klägerin ein fälliger Zinsanspruch gegen die KG zusteht, der den vom Beklagten geforderten Betrag übersteigt. In Bezug auf diese Feststellung hat der Beklagte keine durchgreifenden Verfahrensrügen erhoben. Dasselbe gilt für die Feststellung, dass der Anspruch noch nicht durch Zahlungen anderer in Anspruch genommener Kommanditisten getilgt wurde und der Beklagte Ausschüttungen in Höhe der Klagesumme erhalten hat, durch die ihm die Einlage zurückbezahlt wurde.

Strohn                              Reichart                       Drescher

                       Born                            Sunder