Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 20.03.2018


BGH 20.03.2018 - II ZR 359/16

Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft: Prozessführungsbefugnis gegenüber einem vom Aufsichtsrat beauftragten Sachverständigen


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
20.03.2018
Aktenzeichen:
II ZR 359/16
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2018:200318UIIZR359.16.0
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend OLG Oldenburg (Oldenburg), 19. Februar 2016, Az: 11 U 9/15, Urteilvorgehend LG Oldenburg (Oldenburg), 12. Februar 2015, Az: 4 O 2039/14
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Hat der Aufsichtsrat in Ausübung seiner Einsichts- und Prüfungsrechte gemäß § 111 Abs. 2 Satz 2 AktG einen besonderen Sachverständigen im Namen der Gesellschaft beauftragt, hat er auch die Befugnis zur gerichtlichen Vertretung der Gesellschaft gegenüber dem Sachverständigen in einem Erkenntnisverfahren, das im Hinblick auf eine Streitigkeit aus dem Auftragsverhältnis geführt wird.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 19. Februar 2016 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Revisions- und des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft, begehrt die Zahlung von Honorar aus einem vom Aufsichtsrat der beklagten Aktiengesellschaft erteilten Sonderprüfungsauftrag.

2

Die Klägerin berechnete der Beklagten 91.224,21 €, worauf diese 10.000 € zahlte. In der Folge leitete die Klägerin ein Mahnverfahren gegen die Beklagte, vertreten durch deren Aufsichtsrat, ein. Dagegen legte die Beklagte, vertreten durch ihren Vorstand, Widerspruch ein. Das Mahngericht lehnte den Antrag der Klägerin auf Erlass eines Vollstreckungsbescheids ab; die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Klägerin hatte keinen Erfolg.

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Nach Abgabe der Sache in das streitige Verfahren vor dem Prozessgericht beantragte die Klägerin in der Hauptsache, gegen die Beklagte, vertreten durch ihren Aufsichtsrat, einen Vollstreckungsbescheid über 81.224,21 € zu erlassen, und hilfsweise, die Beklagte zur Zahlung zu verurteilen. Das Landgericht wies den Hauptantrag ab und verurteilte auf den Hilfsantrag. Gegen das Urteil legten beide Parteien Berufung ein.

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Im Berufungsverfahren weigerte sich der Vorstand der Beklagten, die Prozessführung durch den Aufsichtsrat und dessen Prozessbevollmächtigten zu genehmigen oder in den Prozess einzutreten. Die Berufungen beider Parteien hatten keinen Erfolg. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht auf die Zulässigkeit der Klage aus dem Hilfsantrag beschränkt zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Die daneben von der Beklagten erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hat der Senat mit Beschluss vom 23. Januar 2018 zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Revision hat keinen Erfolg.

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I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, wie folgt begründet:

7

Der Zulässigkeit des Hilfsantrags stehe die Vertretung der Beklagten durch ihren Aufsichtsrat im Prozess nicht entgegen. Zwar werde die Aktiengesellschaft gemäß § 78 Abs. 1 AktG grundsätzlich vom Vorstand vertreten. Vorliegend ergebe sich die Vertretungsmacht des Aufsichtsrats aber aus der dem Aufsichtsrat gemäß § 111 Abs. 1 Satz 2 AktG eingeräumten Kompetenz, die sich auch auf die gerichtliche Vertretung erstrecke. Dem stehe nicht entgegen, dass § 112 AktG eine explizite Regelung der gerichtlichen Vertretungsmacht des Aufsichtsrats enthalte, da diese nicht abschließend, sondern in beschränktem Umfang analogiefähig sei. Im Bereich der dem Aufsichtsrat zugewiesenen Kontroll- und Mitwirkungsfunktionen stünde diesem, soweit Geschäftsführungsbefugnisse des Vorstands nicht tangiert seien, das Recht zur gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung der Gesellschaft auch für solche Hilfsgeschäfte zu, die er im Zuge seiner eigenen Aufgabenerfüllung durchführe. Dazu gehörten die Prüfungsaufgaben aus § 111 Abs. 2 Satz 2 AktG. Diese Vertretungsregelung sei auch sachgerecht, weil anderenfalls die Gefahr bestünde, dass der Vorstand Einwendungen gegenüber der Vergütungsforderung des Sachverständigen erhebe, die sich auf die inhaltliche Arbeit des Sachverständigen beziehen und durch Interessengegensätze zum Aufsichtsrat geprägt sein könnten. Außerdem seien für das dem Vergütungsanspruch zu Grunde liegende Vertragsverhältnis die Umstände der Beauftragung bedeutsam, in die gerade nur der Aufsichtsrat eingebunden sei.

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II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.

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1. Die Revision ist zulässig. Im Revisionsverfahren ist im Hinblick auf die Beschränkung der Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht nur über die Zulässigkeit der Klage zu entscheiden.

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2. Die Revision ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat die Klage frei von Rechtsfehlern als zulässig angesehen. Der Aufsichtsrat der Beklagten ist im vorliegenden Rechtsstreit zu deren Vertretung berufen. Die Vertretung der Aktiengesellschaft richtet sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts, § 51 Abs. 1 ZPO.

11

a) Die Aktiengesellschaft wird allerdings in einem Passivprozess entsprechend der Regel des § 78 Abs. 1 Satz 1 AktG grundsätzlich durch ihren Vorstand als dem zu ihrer Außenvertretung berufenen Organ vertreten (BGH, Urteil vom 17. Mai 1993 - II ZR 89/92, BGHZ 122, 342, 345). Dies gilt jedoch nicht, wenn und soweit das Aktiengesetz die Vertretung der Gesellschaft einem anderen Organ zuweist (BGH, Urteil vom 22. April 1991 - II ZR 151/90, ZIP 1991, 796). Dies ist in Bezug auf die mit der Beauftragung eines Sachverständigen nach § 111 Abs. 2 Satz 2 AktG verbundenen Hilfsgeschäfte der Fall.

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aa) Der Wortlaut des § 111 Abs. 2 Satz 2 AktG grenzt den Umfang der dem Aufsichtsrat zugewiesenen Kompetenz nicht eindeutig ab. Er schließt weder ausdrücklich eine Befugnis des Aufsichtsrats zur Vertretung der Gesellschaft aus noch legt er eine solche nahe. Der Normtext beschreibt nur die Möglichkeit, für die Wahrnehmung bestimmter Aufgaben einen Sachverständigen zu beauftragen und konkretisiert nicht, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen der Aufsichtsrat ergreifen kann. Der Wortlaut ist jedenfalls weiter gefasst als derjenige von § 111 Abs. 2 Satz 3 AktG, der im Hinblick auf die Abgrenzung zur Bestellungskompetenz der Hauptversammlung in § 119 Abs. 1 Nr. 4 AktG ausdrücklich von der Erteilung des Prüfauftrags spricht.

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bb) Ausgehend von dem auslegungsbedürftigen Wortlaut ist im Hinblick auf die Stellung der Vorschrift im Gefüge der aktienrechtlichen Organkompetenzen davon auszugehen, dass sich die Aufsichtsratszuständigkeit auch auf die Vertretung der Gesellschaft bei den mit der Beauftragung des Sachverständigen in Zusammenhang stehenden Hilfsgeschäften erstreckt. Dem widerspricht weder die allgemein dem Vorstand durch § 78 Abs. 1 Satz 1 AktG zugewiesene Vertretungsbefugnis noch die Regelung des § 112 Satz 1 AktG über die Vertretung der Gesellschaft durch den Aufsichtsrat gegenüber Vorstandsmitgliedern.

14

Die Zuweisung der Vertretungsmacht an den Vorstand gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 AktG besagt zwar, dass der Aufsichtsrat die Aktiengesellschaft nur vertreten kann, wenn ihm abweichend von dieser Grundregel ihre gesetzliche Vertretung übertragen wurde (BGH, Urteil vom 8. Februar 1988 - II ZR 159/87, BGHZ 103, 213, 214). Bei der Abgrenzung der Kompetenzen ist aber zu berücksichtigen, dass die Bestimmungen des Aktiengesetzes über die Aufgaben des Aufsichtsrats nur teilweise die damit verbundenen Vertretungskompetenzen regeln (Fleischer/Wedemann, GmbHR 2010, 449, 451;von Falkenhausen, ZIP 2015, 956 f.; Cahn, FS Hoffmann-Becking, 2013, 247, 248). So sind weder die Einzelheiten des Rechts zur Hinzuziehung von Sachverständigen und Auskunftspersonen zu Sitzungen des Aufsichtsrats gemäß § 109 Abs. 1 Satz 2 AktG noch die mit dem hier in Rede stehenden Recht gemäß § 111 Abs. 2 Satz 2 AktG verbundenen Kompetenzen ausdrücklich benannt. Entsprechendes gilt für die Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit die Vertretungskompetenz des Aufsichtsrats im Einzelfall neben diejenige des Vorstands tritt (vgl. Hoffmann/Becking, ZGR 2011, 136, 141; Werner, ZGR 1989, 369, 383; Mertens/Cahn in KK-AktG, 3. Aufl., § 112 Rn. 24) oder diese - zumindest teilweise - verdrängt (vgl. Fleischer/Wedemann, GmbHR 2010, 449, 456; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 112 Rn. 60). Umgekehrt ist in § 112 Satz 1 AktG nach dem Wortlaut dieser Vorschrift nur das Recht zur Vertretung der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern benannt, ohne dass - jenseits ausdrücklicher Bestimmungen wie §§ 84, 87, 89 Abs. 1 AktG - ersichtlich wäre, inwieweit der Aufsichtsrat Geschäftsführungsbefugnisse hat und er über den Inhalt der abzugebenden Erklärung zu entscheiden hat (Cahn, FS Hoffmann-Becking, 2013, 247, 249).

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Soweit § 112 Satz 1 AktG eine explizite außergerichtliche und gerichtliche Vertretungsermächtigung für den Aufsichtsrat gegenüber Vorstandmitgliedern vorsieht, lässt sich dem nicht entnehmen, dass es sich um eine abschließende Regelung zur Vertretung der Gesellschaft durch den Aufsichtsrat handelt (Israel in Bürgers/Körber, AktG, 4. Aufl., § 112 Rn. 1; Mertens/Cahn in KK-AktG, 3. Aufl., § 112 Rn. 12; MünchKommAktG/Habersack, 4. Aufl., § 112 Rn. 4;Hüffer/Koch, AktG, 12. Aufl., § 112 Rn. 1; Grigoleit/Tomasic in Grigoleit, AktG, § 112 Rn. 2; Henssler in Henssler/Strohn, GesR, 3. Aufl., § 112 Rn. 2; Hambloch-Gesinn/Gesinn in Hölters, AktG, 3. Aufl., § 112 Rn. 3; Spindler in Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl., § 112 Rn. 3). Vielmehr ist dem Aufsichtsrat das Recht zur Vertretung der Gesellschaft auch für solche Hilfsgeschäfte zuzugestehen, die zur Wahrnehmung der Aufgaben des Aufsichtsrats abgeschlossen werden (OLG Frankfurt a.M., NZG 2014, 1232; von Falkenhausen, ZIP 2015, 956, 957; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 6. Aufl., Rn. 508, 656; MünchKommAktG/Habersack, 4. Aufl., § 112 Rn. 4; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 112 Rn. 60; Hüffer/Koch, AktG, 12. Aufl., § 112 Rn. 1; Mertens/Cahn in KK-AktG, 3. Aufl., § 112 Rn. 12; Spindler in Spindler/ Stilz, AktG, 3. Aufl., § 112 Rn. 3). Soweit demgegenüber vertreten wird, dass der Aufsichtsrat sich bei dem Abschluss von Verträgen im Zusammenhang mit der Wahrnehmung seiner Aufgaben selbst verpflichtet (Godin/Wilhelmi, AktG, 4. Aufl., § 109 Anm. 5), gilt dies jedenfalls nicht für solche Fälle, in denen - wie hier - der Aufsichtsrat bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben als Organ der Gesellschaft tätig geworden ist (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 1982 - II ZR 27/82, BGHZ 85, 292, 295). Gegen die Möglichkeit einer Selbstverpflichtung spricht zudem, dass eine Organrechtsfähigkeit außerhalb vom Gesetzgeber ausdrücklich zugelassener Ausnahmen grundsätzlich nicht anzuerkennen ist (BGH, Urteil vom 17. Mai 1993 - II ZR 89/92, BGHZ 122, 342, 345; vgl. ferner Mertens/Cahn in KK-AktG, 3. Aufl., § 112 Rn. 25; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 112 Rn. 61).

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Daran anknüpfend begründet § 111 Abs. 2 Satz 2 AktG nicht nur die Geschäftsführungsbefugnis im Hinblick auf die Beauftragung eines Sachverständigen, sondern auch gesetzliche Vertretungsmacht zur Erteilung von Prüfaufträgen an Sachverständige im Namen der Aktiengesellschaft (Israel in Bürgers/ Körber, AktG, 4. Aufl., § 111 Rn. 14; Grigoleit/Tomasic in Grigoleit, AktG, § 111 Rn. 26; Hüffer/Koch, AktG, 12. Aufl., § 111 Rn. 24; Hambloch-Gesinn/Gesinn in Hölters, AktG, 3. Aufl., § 111 Rn. 57; MünchKommAktG/Habersack, 4. Aufl., § 111 Rn. 74; Mertens/Cahn in KK-AktG, 3. Aufl., § 111 Rn. 68; Schütz in Semler/v. Schenck, Der Aufsichtsrat, § 111 AktG Rn. 418; Spindler in Spindler/ Stilz, AktG, 3. Aufl., § 111 Rn. 46). Diese Vertretungsbefugnis umfasst jedenfalls die Befugnis zur außergerichtlichen Vertretung der Aktiengesellschaft beim Vertragsschluss mit dem Sachverständigen. Dessen Vergütungsanspruch richtet sich gegen die Aktiengesellschaft, die vom Aufsichtsrat vertreten wird (Spindler in Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl., § 111 Rn. 46; Hüffer/Koch, AktG, 12. Aufl., § 111 Rn. 24; MünchKommAktG/Habersack, 4. Aufl., § 111 Rn. 74; Israel in Bürgers/Körber, AktG, 4. Aufl., § 111 Rn. 14; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, § 111 Rn. 428).

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Die Anerkennung der Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrats für Hilfsgeschäfte steht im Einklang mit dem organisatorischen Gesamtgefüge der Aktiengesellschaft. Die umfassende Vertretung der Aktiengesellschaft durch den Vorstand nach § 78 AktG folgt dem Ziel, einen Gleichlauf zwischen Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis herzustellen. Entsprechend korrespondiert der nach § 76 Abs. 1 AktG dem Vorstand zugewiesenen, umfassenden Leitungskompetenz die Kompetenz zur gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung nach § 78 Abs. 1 Satz 1 AktG. Demgegenüber hat der Aufsichtsrat nach § 111 Abs. 1 AktG in erster Linie die Geschäftsführung zu überwachen. Diese Kontrolle bezieht sich nicht nur auf abgeschlossene Sachverhalte, sondern erstreckt sich auch auf grundsätzliche Fragen der künftigen Geschäftspolitik; sie ist nicht auf eine Rechtmäßigkeitsprüfung beschränkt, sondern muss die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung im Rahmen einer in die Zukunft gerichteten Betrachtung einbeziehen (BGH, Urteil vom 25. März 1991 - II ZR 188/89, BGHZ 114, 127, 129 f.). Soweit dem Aufsichtsrat ein eigener Aufgabenbereich zugewiesen ist, wie bei der Ausübung seiner Kontroll- und Mitwirkungsbefugnisse aus § 111 Abs. 2 AktG, wird die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands nicht tangiert. Dies rechtfertigt es, dem Aufsichtsrat insoweit auch die Vertretung der Gesellschaft zuzugestehen (Mertens/Cahn inKK-AktG, 3. Aufl., § 112 Rn. 12).

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b) Hat der Aufsichtsrat in Ausübung seiner Einsichts- und Prüfungsrechte gemäß § 111 Abs. 2 Satz 2 AktG einen besonderen Sachverständigen im Namen der Gesellschaft beauftragt, hat er auch die Befugnis zur gerichtlichen Vertretung der Gesellschaft gegenüber dem Sachverständigen in einem Erkenntnisverfahren, das im Hinblick auf eine Streitigkeit aus dem Auftragsverhältnis geführt wird.

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aa) Der Umfang der Vertretungszuständigkeit des Aufsichtsrats für die im Zusammenhang mit der Aufgabenwahrnehmung anfallenden Hilfsgeschäfte bestimmt sich aus dem Inhalt der jeweiligen Aufgabenzuweisung. Entscheidend ist dabei, dass die Anerkennung der Kompetenz für Hilfsgeschäfte nicht zu einer Erweiterung des sachlichen Aufgabenbereichs führt, sondern sich innerhalb einer zugewiesenen Aufgabe auf die Stadien der Vorbereitung und Durchführung der Aufgabenwahrnehmung bezieht (Fleischer/Wedemann, GmbHR 2010, 449, 455). Diese Anbindung an den sachlichen Aufgabenbereich setzt der Kompetenzzuweisung für Hilfsgeschäfte einen engen Rahmen (Hopt/Roth in Großkomm. AktG, § 112 Rn. 62; Mertens/Cahn in KK-AktG, 3. Aufl., § 112 Rn. 12; von Falkenhausen, ZIP 2015, 956, 961).

20

bb) Hiervon ausgehend gehört die gerichtliche Vertretung der Gesellschaft in einem Erkenntnisverfahren betreffend einen vom Aufsichtsrat erteilten Sachverständigenauftrag zum Kreis der in die Aufsichtsratszuständigkeit fallenden Hilfsgeschäfte (MünchHdBGesR VII/Gehle, 5. Aufl., § 9 Rn. 99).

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(1) Der Zweck des § 111 Abs. 2 Satz 1 und 2 AktG besteht darin, dem Aufsichtsrat zur Wahrnehmung seiner Überwachungspflicht nach § 111 Abs. 1 AktG neben den Auskünften des Vorstands (bspw. über Berichte nach § 90 AktG) diejenigen Mittel an die Hand zu geben, mit denen er eigenverantwortlich die Aufklärung von Sachverhalten betreiben kann (Schütz in Semler/v. Schenck, Der Aufsichtsrat, § 111 AktG Rn. 381). Die Notwendigkeit einer vorstandsunabhängigen Information des Aufsichtsrats folgt unmittelbar aus seiner Aufgabe, den Vorstand eigenverantwortlich zu überwachen, da ansonsten der zu kontrollierende Vorstand über die Auswahl der mitgeteilten Informationen seine Überwachung faktisch ausschalten könnte (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 1997 - II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 252). Um eine effektive Kontrolle sicherzustellen, gibt das Gesetz dem Aufsichtsrat die Befugnis, Sachverständige zur Beratung über einzelne Gegenstände hinzuzuziehen (§ 109 Abs. 1 Satz 2 AktG) oder sie für bestimmte Prüfungsaufgaben zu beauftragen (§ 111 Abs. 2 Satz 2 AktG).

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(2) Der der Aufgabenzuweisung zu Grunde liegenden Zweck würde nicht erfüllt, wenn die Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrats auf die Erteilung des Prüfungsauftrags beschränkt wäre. Der Aufsichtsrat kann mit der Erteilung des Prüfungsauftrags zwar dessen Gegenstand bestimmen. Zu einer sachgerechten Aufgabenwahrnehmung gehört es aber auch, dass der Aufsichtsrat den Sachverständigen bei seiner Tätigkeit anleitet und überwacht sowie nach der Ausführung des Auftrags darüber befindet, ob der Auftrag sachgerecht erfüllt wurde (Hopt/Roth in Großkomm. AktG, § 111 Rn. 431; Mertens/Cahn inKK-AktG, 3. Aufl., § 111 Rn. 67; Schütz in Semler/v. Schenck, Der Aufsichtsrat, § 111 AktG Rn. 422).

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(3) Von dem Gesetzeszweck ebenfalls gedeckt ist hieran anknüpfend die Prozessvertretung der Aktiengesellschaft in einem Erkenntnisverfahren gegen den Sachverständigen.

24

Die Wahrnehmung der gerichtlichen Vertretung im Erkenntnisverfahren entspricht zunächst einer sachnahen Aufgabenzuweisung, wenn es um eine Streitigkeit über einen vom Aufsichtsrat selbst erteilten Auftrag geht. Der Aufsichtsrat verfügt in diesem Fall typischerweise über die für die gerichtliche Auseinandersetzung erforderlichen Informationen. Er sollte auf der Grundlage dieser Informationen und seinem Aufklärungsinteresse auch darüber entscheiden, ob und ggf. mit welchen Angriffs- und Verteidigungsmitteln ein Rechtsstreit gegen den Sachverständigen geführt wird. Die von der Revision aufgeworfene Frage, ob etwas anderes gilt, wenn der Vorstand auf Bitten des Aufsichtsrats den Auftrag erteilt hat, muss im vorliegenden Fall nicht beantwortet werden.

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Über das Kriterium der Sachnähe hinaus berührt die Zuständigkeit für die gerichtliche Vertretung der Aktiengesellschaft in einem Rechtsstreit mit dem Sachverständigen typischerweise auch den der Aufgabenzuweisung innewohnenden Zweck der Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit des Aufsichtsrats. Wie bei § 112 AktG kommt es auch hier nicht darauf an, ob die Gefahr einer Beeinträchtigung tatsächlich vorhanden ist. Ausreichend ist vielmehr, dass nur die abstrakte Gefahr einer unzulässigen Einflussnahme besteht, was im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit aufgrund typisierender Betrachtung festzustellen ist (BGH, Urteil vom 22. April 1991 - II ZR 151/90, ZIP 1991, 796).

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Eine Gefährdung der Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit des Aufsichtsrats kann schon darin bestehen, dass der Aufsichtsrat verpflichtet wäre, dem Vorstand die für die Führung des Rechtsstreits erforderlichen Informationen zu geben und er dabei Sachverhalte offenbaren müsste, hinsichtlich derer er ein Geheimhaltungsinteresse hat. Eine Gefährdung der Prüfungsinteressen liegt auch auf der Hand, wenn der Aufsichtsrat den Sachverständigen außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens nicht zur ordnungsgemäßen Aufgabenerledigung oder zur Herausgabe von Unterlagen bewegen kann, die der Sachverständige zur Erfüllung des Auftrags erhalten hat. Entsprechendes gilt bei einer Streitigkeit über die Verwendungsmöglichkeiten der Arbeitsergebnisse des Sachverständigen. In allen diesen Fällen könnte, wäre der Vorstand zur gerichtlichen Vertretung der Gesellschaft berufen, die Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenerfüllung unterlaufen werden. Dem kann nicht mit dem Argument begegnet werden, dass der Vorstand bei der Wahrnehmung der Prozessvertretung der Legalitätspflicht unterliege und deswegen gehalten ist, etwaige der Gesellschaft zustehende Ansprüche zu verfolgen bzw. unberechtigte Ansprüche abzuwehren. Die Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit des Aufsichtsrats ist schon dadurch tangiert, dass ihm das Recht genommen wäre, selbst hierüber zu entscheiden.

27

Das Interesse an einer klaren und rechtssicheren Bestimmung der Aufsichtsratszuständigkeit verbietet es, diese vom Gegenstand des Rechtsstreits abhängig zu machen. Ungeachtet dessen ist auch bei einem Streit über die Höhe der Vergütung des Sachverständigen eine Gefährdung von Aufsichtsratsinteressen möglich, denn der Sachverständige könnte schon durch die antizipierte Möglichkeit einer Vorteilsgewährung oder Disziplinierung durch den Vorstand im Rahmen eines Vergütungsprozesses beeinflusst und damit die Kontrollmöglichkeiten des Aufsichtsrats beschnitten werden. So besteht u.a. die abstrakte Gefahr, dass der Vorstand zu einem für den Sachverständigen vorteilhaften Vergleich im Vergütungsrechtsstreit bereit ist und sich dies mittelbar auf das Ergebnis der sachverständigen Prüfung der Vorstandstätigkeit niederschlagen könnte.

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(4) Negative Auswirkungen auf den Schutz des Rechtsverkehrs sind, anders als es die Revision meint, nicht zu erwarten. Im Gegenteil stellt die Befugnis des Aufsichtsrates, die Gesellschaft in Verfahren über Streitigkeiten zu vertreten, die in der Beauftragung des Sachverständigen wurzeln, die Rechtsklarheit und Kontinuität in Bezug auf die Aufgabenwahrnehmung und die Vertretung der Gesellschaft her. Für den Sachverständigen ist es ohne weiteres einsichtig, wenn die Gesellschaft im Prozess vom selben Organ vertreten wird wie bei seiner Beauftragung.

Drescher     

        

Wöstmann     

        

Born   

        

Bernau      

        

V. Sander