Entscheidungsdatum: 25.01.2010
1. Sinn und Zweck des Zahlungsverbots des § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. ist, die verteilungsfähige Vermögensmasse der insolvenzreifen Gesellschaft im Interesse der Gesamtheit ihrer Gläubiger zu erhalten und eine zu ihrem Nachteil gehende, bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern (vgl. BGH, 29. November 1999, II ZR 273/98, BGHZ 143, 184, 186; BGH, 8. Januar 2001, II ZR 88/99, BGHZ 146, 264, 275) .
2. Zahlungen von einem debitorischen Konto an einzelne Gesellschaftsgläubiger berühren, wenn die Bank über keine diese deckenden Gesellschaftsicherheiten verfügt, weder die verteilungsfähige Vermögensmasse, noch gehen sie zum Nachteil der Gläubigergesamtheit. Es handelt sich danach vielmehr um eine Zahlung mit Kreditmitteln, welche einen bloßen, masseneutralen Gläubigertausch zur Folge hat (vgl. BGH, 29. November 1999, II ZR 273/98, BGHZ 143, 184, 187 f.; BGH, 26. März 2007, II ZR 310/05, ZIP 2007, 1006 Tz. 8) .
Auf die Rechtsmittel des Beklagten zu 2 werden das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 15. Oktober 2008 und das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 12. Juni 2008 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zu seinem Nachteil erkannt worden ist.
Die Klage gegen den Beklagten zu 2 wird abgewiesen.
Die Kosten erster und zweiter Instanz werden wie folgt verteilt: Von den Gerichtskosten sowie von den außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt der Kläger 5/8 selbst, der Beklagte zu 1 3/8; von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1 tragen der Kläger 1/4 und der Beklagte zu 1 3/4 die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2 trägt der Kläger allein.
Die Kosten des Revisionsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Von Rechts wegen
Der Beklagte zu 2 war u.a. im Jahr 1999 gemeinsam mit dem nicht am Revisionsverfahren beteiligten Beklagten zu 1 Geschäftsführer der WI. Projektgesellschaft … mbH (im Folgenden: Schuldnerin). Die Schuldnerin war im Jahre 1992 von der Gemeinde W. mit einem Anteil von 51 % und der WI. Immobilienkontor GmbH mit einem Anteil von 49 % gegründet worden. Unternehmensgegenstand war die Entwicklung, Planung, Erschließung und Vermarktung eines in W. geplanten Techno- und Gewerbeparks. Auf Antrag der Schuldnerin vom 22. Januar 2002 wurde am 1. März 2002 das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Kläger hat im Insolvenzverfahren bisher lediglich Forderungen der Sparkasse M. in Höhe von insgesamt 677.742,90 € für den Ausfall festgestellt. Weitere berechtigte Insolvenzforderungen gibt es nicht.
Mit der Behauptung, die Schuldnerin sei seit Ende 1996 im insolvenzrechtlichen Sinn überschuldet gewesen, hat der Kläger die Beklagten mit am 28. Februar 2007 eingereichter Klage gesamtschuldnerisch auf Ersatz von Zahlungen in Anspruch genommen, die diese im Zeitraum vom 30. Juni bis 22. Dezember 1999 vom Geschäftskonto der Schuldnerin bei der Sparkasse M. in Höhe von 60.138,95 € an Gläubiger der Schuldnerin geleistet haben. Ein von ihm am 23. Juni 2004 eingeleitetes Prozesskostenhilfeverfahren war am 29. August 2006 mangels Bedürftigkeit abschlägig beschieden worden.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und der Klage unter Abweisung im Übrigen nur in Höhe von 45.327,24 € stattgegeben. Hiergegen richtet sich die von dem erkennenden Senat zugelassene Revision des Beklagten zu 2 (im Folgenden: Beklagter).
Die Revision des Beklagten hat Erfolg und führt unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Urteils und der landgerichtlichen Entscheidung zur vollständigen Abweisung der gegen ihn gerichteten Klage (§ 563 Abs. 3 ZPO).
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Schuldnerin sei im Jahre 1999 bei negativer Fortführungsprognose erheblich überschuldet und daher insolvenzreif gewesen. Gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. hafte der Beklagte für die danach verbotenen Zahlungen von dem Geschäftskonto der Schuldnerin bei der Sparkasse M. Dem stehe die Tatsache, dass die Sparkasse die einzige Insolvenzgläubigerin sei und zudem in Kenntnis der Krise der Schuldnerin durch Gewährung eines Kontokorrentkredits die Mittel zur Befriedigung der anderen Gläubiger zur Verfügung gestellt habe, nur insoweit entgegen, als Zahlungen von dem Konto ihr selbst zugute gekommen seien. Zusammen mit einer weiteren Zahlung, hinsichtlich derer der endgültige Abfluss aus der Masse nicht dargelegt sei, sei die Klage daher nur in Höhe von 45.327,24 € begründet. Die Forderung sei auch nicht verjährt, da der Prozesskostenhilfeantrag nicht missbräuchlich gewesen sei und daher die Verjährung gehemmt habe, so dass die Klage in unverjährter Zeit erhoben worden sei.
II. Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
1. Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist allerdings entgegen der Ansicht der Revision die tatrichterliche Feststellung, die Schuldnerin sei im hier maßgeblichen Zeitraum der von dem Beklagten veranlassten Zahlungen insolvenzreif gewesen. Das Berufungsgericht ist unter zutreffender Anwendung der ständigen Rechtsprechung des Senats zur Aussagekraft der Handelsbilanz und zur Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des Vorliegens der Insolvenzreife wegen Überschuldung gemäß § 19 Abs. 2 InsO - in der damaligen Fassung - unter vollständiger Würdigung des Vortrags der Parteien zu der tatrichterlichen Überzeugung von der Insolvenzreife der Schuldnerin im Jahre 1999 gelangt (siehe hierzu zuletzt Sen.Urt. v. 27. April 2009 - II ZR 253/07, ZIP 2009, 1220 Tz. 9 f.; v. 16. März 2009 - II ZR 280/07, ZIP 2009, 860 Tz. 10 jew. m.w.Nachw.). Es hat weder, wie die Revision meint, Vortrag des Beklagten zur Werthaltigkeit der Grundstücke übergangen noch Vortrag zum Vorhandensein einer positiven Fortführungsprognose fehlerhaft gewürdigt.
Die weiteren im Zusammenhang mit der Feststellung der Insolvenzreife seitens der Revision erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet (§ 564 ZPO).
2. Auf Rechtsirrtum beruht indessen die Ansicht des Berufungsgerichts, der Beklagte habe mit den Zahlungen von dem Geschäftskonto der Schuldnerin bei der Sparkasse M. verbotene Zahlungen im Sinne des § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. (§ 64 S.1 GmbHG n.F.) geleistet. Das Berufungsgericht hat insoweit den Kern des Vortrags des Beklagten nicht erfasst und infolgedessen in Verkennung der rechtlichen Tragweite des § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. eine Haftung des Beklagten angenommen.
a) Sinn und Zweck des Zahlungsverbots des § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. ist, die verteilungsfähige Vermögensmasse der insolvenzreifen Gesellschaft im Interesse der Gesamtheit ihrer Gläubiger zu erhalten und eine zu ihrem Nachteil gehende, bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern (BGHZ 143, 184, 186; 146, 264, 275). Zahlungen von einem debitorischen Konto an einzelne Gesellschaftsgläubiger berühren aber, wenn die Bank über keine diese deckenden Gesellschaftsicherheiten verfügt, weder die verteilungsfähige Vermögensmasse, noch gehen sie zum Nachteil der Gläubigergesamtheit. Es handelt sich danach vielmehr um eine Zahlung mit Kreditmitteln, welche einen bloßen Gläubigertausch zur Folge hat (vgl. BGHZ 143, 184, 187 f.): An die Stelle der mit Kreditmitteln erfüllten Forderungen der Gesellschaftsgläubiger tritt eine entsprechend höhere Gesellschaftsverbindlichkeit gegenüber der Bank. Soweit durch die Erhöhung des Debet eine entsprechend höhere Zinsschuld der Gesellschaft gegenüber der Bank entsteht, stellt dies keine "Zahlung" im Sinne des § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. dar (BGHZ 143 aaO). Ansonsten werden durch die Zahlung mit Kreditmitteln weder die Masse vermindert noch die Gesellschaftsverbindlichkeiten erhöht, so dass dadurch auch keine Quotenverringerung der Gläubiger eintritt (vgl. Sen.Urt. v. 26. März 2007 - II ZR 310/05, ZIP 2007, 1006 Tz. 8).
b) So liegt der Fall hier: Der Beklagte hat stets vorgetragen, ohne dass der Kläger dem substantiiert entgegengetreten wäre, dass die Sparkasse M. in Kenntnis der "schwierigen" finanziellen Situation und dadurch bedingten mangelnden Liquidität der Schuldnerin dieser in Absprache - jedenfalls - mit der Mehrheitsgesellschafterin der Schuldnerin, der Gemeinde W., und der Kommunalaufsicht auf dem bei ihr, der Sparkasse, geführten Geschäftskonto bewusst einen, dann im Jahr 2000 noch prolongierten, Kontokorrentkredit zur Verfügung gestellt hat, um ihr, der Schuldnerin, die Fortführung der Geschäfte zu ermöglichen, ohne dabei "andere" Gläubiger zu schädigen. Insoweit sei die Sparkasse nicht nur - wie vom Kläger selbst vorgetragen - bei Insolvenzeröffnung, sondern auch im Zeitpunkt der streitigen Zahlungen wirtschaftlich betrachtet "die einzige Gläubigerin" bzw. "Hauptgläubigerin" der Schuldnerin gewesen. Dieser Vortrag steht in Übereinstimmung mit den vom Kläger vorgelegten Kontoauszügen und den Angaben in den Bilanzen der Schuldnerin, wonach diese seit 1999 nur über Bankguthaben in Höhe von 200,00 DM verfügt hat.
Danach liegt - was das Berufungsgericht verkannt hat - ein die Haftung des Beklagten aus § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. ausschließender, masseunschädlicher Gläubigerwechsel vor. Es ging nach dieser, vom Berufungsgericht seiner Entscheidung mit Recht zugrunde gelegten Darstellung des Beklagten weder, wie das Berufungsgericht irrtümlich gemeint hat, um eine Verringerung der "Aktivmasse" mit Zustimmung der einzigen Insolvenzgläubigerin, noch um eine im Einvernehmen mit der einzigen Insolvenzgläubigerin erfolgte Masseverkürzung, noch um einen "Verzicht" der Sparkasse auf die Insolvenzquote.
III. Da keine weiteren Feststellungen erforderlich sind, kann der Senat in der Sache selbst abschließend entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO) und die Klage gegen den Beklagten zu 2 unter teilweiser Aufhebung der instanzgerichtlichen Entscheidungen - im Kostenpunkt auch zugunsten des Beklagten zu 1 (BGH, Urt. v. 14. Juli 1981 - VI ZR 35/79, VersR 1981, 1035, juris Tz. 16 ff.; s. auch Zöller/Herget, ZPO 28. Aufl. § 100 Rdn. 8) - in vollem Umfang abweisen.
Goette Strohn Caliebe
Reichart Löffler