Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 03.02.2015


BGH 03.02.2015 - II ZR 242/13

Zulässigkeit eines rückwirkenden Beitritts zu einem Verein


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
03.02.2015
Aktenzeichen:
II ZR 242/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend KG Berlin, 30. Mai 2013, Az: 20 U 123/12vorgehend LG Berlin, 13. März 2012, Az: 16 O 63/11nachgehend BGH, 28. April 2015, Az: II ZR 242/13, Revision zurückgewiesen
Zitierte Gesetze
§§ 21ff BGB

Tenor

1. Die Klägerinnen werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Revisionen gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des Kammergerichts vom 30. Mai 2013 auf ihre Kosten durch Beschluss gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen.

2. Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 25.975,03 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Revisionen der Klägerinnen sind zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen für eine Zulassung nicht vorliegen und sie auch keine Aussicht auf Erfolg haben (§ 552a ZPO).

2

I. Die Parteien sind Mitglieder des Kommunalen Arbeitgeberverbandes B.   (im Folgenden: Arbeitgeberverband), eines eingetragenen Vereins, dessen Zweck gemäß § 2 seiner Satzung unter anderem die Vertretung seiner Mitglieder auf tarifrechtlichem Gebiet durch Abschluss von Tarifverträgen und die Beratung, Unterstützung und ggf. gerichtliche Vertretung in damit zusammenhängenden Fragen ist. Nachdem die Beklagte seit dem Jahre 1958 Vollmitglied des Arbeitgeberverbands im Sinne von § 4 der Satzung gewesen war, wechselte sie im Jahr 2003 zur Gastmitgliedschaft gemäß § 5 der Satzung, da sie als Gastmitglied nicht an die von dem Arbeitgeberverband oder seinen Spitzenorganisationen geschlossenen Flächentarifverträge gebunden war. Die Klägerinnen dagegen waren durchgängig Vollmitglieder des Arbeitgeberverbands.

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Außerdem sind die Parteien Beteiligte der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (im Folgenden: VBL), mit deren Unterstützung sie ihren Arbeitnehmern eine Zusatz- bzw. eine betriebliche Altersversorgung gewähren. Aufgrund einer Umstellung des Versorgungssystems erhob die VBL gemäß ihrer Satzung ein sogenanntes Sanierungsgeld, wobei für die Festlegung des Sanierungsgeldbetrags die Zugehörigkeit zu einer von vier in der Satzung der VBL festgelegten Gruppen maßgeblich war. Ausgehend von den Feststellungen des Berufungsgerichts, das insoweit auf das Urteil des Landgerichts Bezug nimmt, und in Übereinstimmung mit der Auffassung der Parteien sowie der VBL unterfiel die Beklagte als Gastmitglied des Arbeitgeberverbands einer anderen Gruppe als die Klägerinnen.

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Infolge von Satzungsänderungen der VBL hätte diese Eingruppierung der Beklagten zu einer sehr hohen Sanierungsgeldbelastung geführt. Die Beklagte beantragte daher die (erneute) Aufnahme als Vollmitglied rückwirkend auf den 1. Januar 2006. Mit Beschluss vom 12. Dezember 2006 entsprach der Vorstand des Arbeitgeberverbands diesem Antrag. Aufgrund der Verteilung der Sanierungsgelder über einen bestimmten Schlüssel ergab sich hieraus spiegelbildlich eine erheblich höhere Sanierungsgeldbelastung der Klägerinnen. Die Klägerinnen haben die Beklagte unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung ihrer den Klägerinnen gegenüber bestehenden vereinsrechtlichen Treuepflicht auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Ihre auf Zahlung in Höhe von zunächst jeweils 1/500 der in den Jahren 2006 und 2007 angefallenen Mehrbelastung gerichtete Klage ist in erster und zweiter Instanz erfolglos geblieben. Mit ihren vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen verfolgen die Klägerinnen ihr Klagebegehren weiter.

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II. Es besteht kein Grund für eine Zulassung der Revisionen. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Sie wirft keine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage auf, die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Annahme des Berufungsgerichts, andere Gastmitglieder kommunaler Arbeitgeberverbände könnten dem Beispiel der Beklagten folgen, begründet allein noch keine Grundsatzbedeutung, und zwar selbst dann nicht, wenn - wozu nichts festgestellt oder vorgetragen ist - schon vergleichbare Streitigkeiten anhängig wären (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 1970 - II ZR 118/69, NJW 1970, 1549, 1550). Die in der Literatur nicht einheitlich beantwortete Rechtsfrage, ob zwischen Vereinsmitgliedern Treuepflichten bestehen (vgl. MünchKommBGB/Reuter, 6. Aufl., § 38 Rn. 46; Schöpflin in MünchHdbGesR, Bd. V, 3. Aufl., § 35 Rn. 25 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 19 III 1a und § 20 IV 2d unter Verweis auf Wiedemann, Festschrift Barz, 1974, S. 561, 569; Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, 12. Aufl., Rn. 990; Stöber/Otto, Handbuch zum Vereinsrecht, 10. Aufl., Rn. 346; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 127 ff.), ist vorliegend jedenfalls nicht entscheidungserheblich; ob sie angesichts des Urteils des Senats vom 12. März 1990 (II ZR 179/89, BGHZ 110, 323, 334) überhaupt noch klärungsbedürftig ist, kann dahinstehen. Denn jedenfalls fehlt es, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, an der Verletzung einer Treuepflicht durch die Beklagte.

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III. Schon aus diesem Grund hat die Revision auch keine Aussicht auf Erfolg und erweist sich das Berufungsurteil im Ergebnis als richtig.

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1. Entgegen der Auffassung der Revision ist die Statusänderung zu dem Zweck, die eigenen Sanierungsbeiträge zu verringern, weder vereinszweckwidrig noch im Verhältnis zu anderen Vereinsmitgliedern treuwidrig. Die Motive für den Beitritt zum Arbeitgeberverband bzw. für eine Änderung des Mitgliedsstatus spielen insoweit keine Rolle. Die Frage, in welcher Höhe die Mitglieder des Arbeitgeberverbands an dem Sanierungsgeld der VBL zu beteiligen sind, folgt allein aus einer Drittbeziehung (hier: zur VBL). Unmittelbare mitgliedschaftliche (Vermögens)Interessen der Klägerinnen sind hiervon nicht berührt. Es ist nichts dafür ersichtlich, weshalb die Klägerinnen unter Umständen dauerhaft vor der Aufnahme von Vollmitgliedern geschützt sein sollten, nur weil ein dritter Verband aufgrund seiner Satzung hieran bestimmte Folgen knüpft.

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Ein vereinszweckwidriges Verhalten (durch die Statusänderung) ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte unstreitig die Möglichkeit des Abschlusses von Einzeltarifverträgen durch den Arbeitgeberverband weiterhin nutzt. § 8 Abs. 1 Buchst. a der Satzung des Arbeitgeberverbands, wonach sich dessen Mitglieder an die von diesem ausgehandelten Tarifverträge halten müssen, besagt nach zutreffender Auffassung des Berufungsgerichts nicht, dass der Arbeitgeberverband nur einen (Flächen)Tarifvertrag für alle seine Mitglieder aushandeln dürfte. Die Mitglieder des Arbeitgeberverbands dürfen nur nicht selbständig Tarifverträge abschließen (so ausdrücklich § 8 Abs. 1 Buchst. b der Satzung).

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2. Darüber hinaus bestehen keine generellen Bedenken gegen die hier in Bezug auf das Jahr 2006 zwischen Vorstand und Beklagter vereinbarte Rückwirkung der Mitgliedschaft auf den Jahresbeginn. Insbesondere steht dem entgegen der Auffassung der Revision die Satzung des Arbeitgeberverbands, die abgesehen von dem Erfordernis eines schriftlichen Aufnahmeantrags gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 keinerlei Regelungen in Bezug auf Formalitäten des Vereinsbeitritts enthält, nicht entgegen. Es ist deshalb Sache des nach § 4 Abs. 2 Satz 2 der Satzung zuständigen Vorstands, über den Zeitpunkt des Beginns der Mitgliedschaft zu entscheiden.

10

Soweit im Schrifttum gegen einen rückwirkenden Vereinsbeitritt vereinzelt Bedenken geäußert werden (vgl. Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, 12. Aufl., Rn. 1014 unter Verweis auf BAG, NZA 2001, 980, 982), greifen diese ebenfalls nicht durch. Zwar ist es richtig, dass der Erwerb der Vereinsmitgliedschaft - hier: gemäß § 4 Abs. 2 der Satzung des Arbeitgeberverbands - einen Aufnahmevertrag zwischen Bewerber und Verein erfordert (BGH, Urteil vom 29. Juni 1987 - II ZR 295/86, BGHZ 101, 193, 196) und dass für einen Statuswechsel - hier: gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 und 3 der Satzung - vorbehaltlich anderer Satzungsregelungen dasselbe gilt (vgl. auch BAGE 127, 27 Rn. 52). Es spricht aber jedenfalls grundsätzlich nichts dagegen, dass die Beteiligten, wie bei anderen Verträgen auch, eine rückwirkende Geltung vereinbaren. Das Bundesarbeitsgericht geht in seiner Entscheidung vom 22. November 2000 - 4 AZR 688/99 (NZA 2001, 980, 981) gleichfalls davon aus, dass ein rückwirkender Beginn der Mitgliedschaft vereinbart werden kann, wenn die Satzung dies nicht ausdrücklich ausschließt: Eine im Innenverhältnis wirksame Rückwirkung des Beginns der Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft ist lediglich für den Beginn der Tarifgebundenheit gemäß § 3 TVG rechtlich ohne Bedeutung, weil es insoweit auf den „tatsächlichen" Beitritt ankommt (BAG, NZA 2001, 980, 981 f.). Entgegen der Revision zieht ein rückwirkender Beitritt auch nicht zwingend eine Rechtsunsicherheit hinsichtlich bereits gefasster Beschlüsse nach sich.

11

Schließlich können die Klägerinnen auch aus der zunächst niedrigeren Festsetzung der Sanierungsgelder durch die VBL kein schützenswertes Vertrauen gegenüber der Beklagten für sich beanspruchen. Dies gilt schon deshalb, weil es auch insoweit wiederum (nur) um das Verhältnis der Klägerinnen zu einem Dritten geht. Zudem hatte nach dem von der Revision in Bezug genommenen eigenen Vorbringen der Klägerinnen die VBL die Sanierungsgelder bis zu dem Zeitpunkt, in dem der Vorstand des Arbeitgeberverbands dem Antrag der Beklagten auf rückwirkende Statusänderung entsprach, zunächst ohnehin nur vorläufig festgesetzt.

Bergmann                        Strohn                           Caliebe

                      Born                         Sunder

Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Zurückweisungsbeschluss vom 28. April 2015 erledigt worden.