Entscheidungsdatum: 15.11.2016
1. Der Beschluss der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft, einem Vorstandsmitglied das Vertrauen zu entziehen, ist nicht schon dann offenbar unsachlich oder willkürlich, wenn sich die Gründe für den Vertrauensentzug als nicht zutreffend erweisen.
2. Der Hauptversammlungsbeschluss, mit dem einem Vorstandsmitglied das Vertrauen entzogen wird, muss nicht begründet werden.
3. Die Anhörung des Vorstandsmitglieds ist grundsätzlich keine Wirksamkeitsvoraussetzung für den Widerruf der Bestellung.
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 24. Juni 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Der Kläger war eines von zwei Vorstandsmitgliedern der beklagten Aktiengesellschaft, die eine einzige Aktionärin hat. Zwischen den Parteien bestand ein Vorstandsdienstvertrag, der bis 31. Januar 2016 befristet und an die wirksame Organstellung des Klägers gekoppelt war.
Am 14. Januar 2013 fand zu einer Bewerbung der Beklagten auf eine Ausschreibung um ein Mandat im Zusammenhang mit dem Bau des Großflughafens B. eine Vorstandssitzung statt, deren Ergebnis zwischen den Parteien streitig ist. Am 16. Januar 2013 wurde ein Bewerbungsschreiben der Beklagten um das Mandat nach B. übermittelt, das die eingescannten Unterschriften des Klägers und des Geschäftsführers einer Tochtergesellschaft der Beklagten trug. In dem Bewerbungsschreiben ist nicht erwähnt, dass die Beklagte das Projekt nur mit Unterstützung einer weiteren Kanzlei durchführen wollte, insbesondere ist eine solche Kanzlei nicht namentlich genannt, und trägt die Bewerbung keine Unterschrift von Vertretern einer solchen Kanzlei.
Die außerordentliche Hauptversammlung der Beklagten beschloss am 29. Januar 2013, dem Kläger das Vertrauen zu entziehen. In einer fernmündlichen Sitzung am selben Tag fasste der Aufsichtsrat der Beklagten den Beschluss, die Bestellung des Klägers zum Vorstand der Beklagten zu widerrufen und seinen Dienstvertrag vorsorglich mit Wirkung zum 28. Februar 2013 zu kündigen. Dies wurde dem Kläger mit Schreiben des Aufsichtsratsvorsitzenden vom 30. Januar 2013 mitgeteilt und die Kündigung ausgesprochen.
Mit der Klage hat der Kläger beantragt festzustellen, dass das Anstellungsverhältnis zwischen den Parteien weder durch den am 29. Januar 2013 beschlossenen Widerruf der Bestellung des Klägers zum Vorstand der Beklagten noch durch die außerordentliche Kündigung vom 29. Januar 2013, dem Kläger zugegangen am 30. Januar 2013, aufgelöst worden sei, sowie festzustellen, dass der am 29. Januar 2013 beschlossene Widerruf der Bestellung des Klägers als Vorstand der Beklagten unwirksam sei. Hilfsweise hat er beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.194.480 € zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1. März 2013 zu bezahlen.
Die Klage hatte vor dem Landgericht mit den Hauptanträgen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision der Beklagten.
Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, mit dem Landgericht sei davon auszugehen, dass nicht festzustellen sei, dass der Kläger durch Versand der Angebotsunterlagen ohne Nennung einer weiteren, externen Kanzlei und der Einholung von deren Unterschrift gegen den Grundsatz einer vertrauensvollen Zusammenarbeit im Vorstand oder gegen den Inhalt eines Vorstandsbeschlusses verstoßen habe. Ebenso wenig sei festzustellen, dass der Kläger eine Weisung zum unbefugten Gebrauch der Unterschrift des Geschäftsführers der Tochtergesellschaft gegeben habe. Auf der Basis dieses Sachverhalts erweise sich der Widerruf der Bestellung des Klägers zum Vorstand der Beklagten als unwirksam. Der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft könne die Bestellung eines Vorstandsmitglieds widerrufen, wenn ein wichtiger Grund vorliege, wobei als wichtige Gründe insbesondere grobe Pflichtverletzungen des Vorstands oder Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung in Betracht kämen. Grobe Pflichtverletzungen des Klägers lägen auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht vor.
Auch der mit Beschluss der Hauptversammlung vom 29. Januar 2013 ausgesprochene Entzug des Vertrauens in den Kläger vermöge unter den Umständen des Falles den Widerruf seiner Organstellung nicht zu tragen. Der Aufsichtsrat könne die Bestellung zum Vorstand wegen Vertrauensentzug nicht widerrufen, wenn das Vertrauen aus offenbar unsachlichen Gründen entzogen worden sei. Offenbar unsachliche Gründe seien gegeben, wenn der Vertrauensentzug willkürlich, haltlos oder sonstwie missbräuchlich erfolge, wenn es sich bei dem Vertrauensentzug um einen Vorwand handele oder dieser wegen der damit verfolgten Zwecke als rechtswidrig anzusehen sei. Diese Ausnahme, also das Vorliegen offenbar unsachlicher Gründe für den Vertrauensentzug, stehe dabei zur vollen Darlegungs- und Beweislast des abberufenen Vorstandsmitglieds. Daraus folge, dass der Entzug des Vertrauens einer irgendwie gearteten Begründung bedürfe, um dem Vorstand überhaupt die Möglichkeit zu geben, seiner Darlegungslast nachzukommen. Diese Gründe müssten existieren und offengelegt werden, um dem abberufenen Vorstand nicht jede Möglichkeit der Rechtsverfolgung abzuschneiden. Zwar könne kein Gericht der Hauptversammlung vorschreiben, ob und aus welchen Gründen sie Vertrauen oder kein Vertrauen zum Vorstand habe. Erfolge der Vertrauensentzug jedoch begründungslos, liege die Annahme unsachlicher Gründe im Sinne von Willkür nahe. Dann obliege es im Rechtsstreit der beklagten Aktiengesellschaft, den Vertrauensentzug zu plausibilisieren. Erfolge dies nicht, würden also keinerlei Gründe für den Vertrauensentzug dargetan, sei das Vorliegen offenbar unsachlicher Gründe zu vermuten. Nichts anderes könne gelten, wenn die dargelegten oder offensichtlichen Gründe für den Vertrauensentzug nicht vorlägen bzw. sich als nicht zutreffend erwiesen. Vorliegend sei der Vertrauensentzug offensichtlich im Zusammenhang mit den gegen den Kläger erhobenen Vorwürfen erfolgt. Diese Vorwürfe habe die Beweisaufnahme nicht bestätigt, so dass der ausgesprochene Vertrauensentzug letztlich in der Luft hinge und sich damit als unsachlich und willkürlich darstelle.
Hinzu komme, dass im Falle des Vertrauensentzugs durch die Hauptversammlung der Aufsichtsrat nicht verpflichtet sei, die Bestellung des Vorstands zu widerrufen, sondern in eigener Zuständigkeit zu prüfen habe, ob der Vertrauensentzug aus offenbar unsachlichen Gründen erfolgt sei. Daraus sei mit dem Landgericht zu folgern, dass der Aufsichtsrat gehalten sei, dem Vorstand rechtliches Gehör zu gewähren bzw. ihn anzuhören, wenn der Vertrauensentzug wie vorliegend letztlich in einem möglicherweise zu beanstandenden Verhalten des Vorstands wurzele. Dies gelte jedenfalls dann, wenn, wie hier, der Vorstand keine Möglichkeit gehabt habe, sich gegenüber der Hauptversammlung zu rechtfertigen. Daher scheitere die Abberufung des Klägers auch an seiner fehlenden Anhörung.
II. Das Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts ist ein Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung nicht schon dann offenbar unsachlich oder willkürlich, wenn sich die Gründe für den Vertrauensentzug als nicht zutreffend erweisen. Der Aufsichtsrat kann die Bestellung zum Vorstandsmitglied widerrufen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein solcher Grund ist namentlich der Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung, es sei denn, dass das Vertrauen aus offenbar unsachlichen Gründen entzogen worden ist (§ 84 Abs. 3 Satz 2 AktG).
a) Die Tatsache, dass das Berufungsgericht einen sachlichen Grund für den Entzug des Vertrauens nicht festzustellen vermochte, ersetzt nicht die notwendige konkrete Feststellung eines offenbar unsachlichen Grundes. Nach § 84 Abs. 3 Satz 2 3. Alternative AktG reicht der Vertrauensentzug nur dann nicht für den Widerruf aus, wenn er aus offenbar unsachlichen Gründen erfolgt ist, wofür das abberufene Vorstandsmitglied die Beweislast trägt (BGH, Urteil vom 3. Juli 1975 - II ZR 35/73, WM 1975, 787, 789). Der wichtige Grund für den Widerruf der Bestellung liegt allein im Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung, der weder eine Pflichtwidrigkeit oder ein Verschulden noch seinerseits einen wichtigen Grund voraussetzt. Der Umstand, dass kein sachlicher Grund für den Vertrauensentzug festgestellt werden kann, reicht gerade nicht aus, um den Ausnahmetatbestand von § 84 Abs. 3 Satz 2 3. Alternative AktG zu verwirklichen. Da es nicht genügt, dass das Gericht keinen sachlichen Grund feststellen kann, genügt es auch nicht, wenn ein Grund zwar benannt ist, dieser sich aber nicht als zutreffend erweist. Das Berufungsgericht hat demgegenüber rechtsfehlerhaft angenommen, dass vom Vorliegen offenbar unsachlicher Gründe bereits dann auszugehen sei, wenn die dargelegten Gründe für einen Vertrauensentzug sich als nicht zutreffend erwiesen.
Dass der von der Hauptversammlung bei dem Vertrauensentzug angenommene Grund nicht beweisbar ist, besagt außerdem noch nicht, dass er nicht vorliegt. Weder das Berufungsgericht noch das Landgericht haben festgestellt, dass die dem Kläger gemachten Vorwürfe - das Handeln gegen einen Vorstandsbeschluss zur Nennung der weiteren Kanzlei als Partner für die Rechtsberatung sowie die Veranlassung des Einscannens der Unterschrift des Geschäftsführers der Tochtergesellschaft ohne dessen Zustimmung - nicht zutreffen.
b) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht auch einen Bezug zwischen der Nichterweislichkeit eines Vorwurfs, der dem Kläger gemacht wurde, und dem Vorliegen eines offenbar unsachlichen Grundes hergestellt. Wenn die Hauptversammlung der Auffassung ist, ein Vorstandsmitglied sei wegen bestimmter Vorgänge nicht mehr tragbar, lässt sich dem darauf beruhenden Vertrauensentzug auch dann nicht die Bedeutung eines wichtigen Grundes gemäß § 84 Abs. 3 Satz 2 3. Alternative AktG absprechen, wenn dem Vorstandsmitglied subjektiv kein Vorwurf zu machen war oder es sogar objektiv im Recht gewesen sein sollte. Denn ebenso wie dem Vorstandsmitglied die sachliche Vertretbarkeit seines Verhaltens zugutegehalten werden kann, kann es andererseits nicht als offenbar unsachlich zu werten sein, wenn die Vertreter der Alleinaktionärin zu einem gegenteiligen Urteil gelangt waren und deshalb dem Vorstandsmitglied kein Vertrauen mehr entgegenbrachten (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 1975 - II ZR 35/73, WM 1975, 787, 789). Mit der Gesetzesformulierung, dass der Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung nicht offenbar unsachlich sein darf, stellt das Gesetz klar, dass nicht der nur möglicherweise oder erst nach längerer Prüfung als unsachlich erscheinende Vertrauensentzug, sondern nur der Vertrauensentzug, dessen Unsachlichkeit auf der Hand liegt, als wichtiger Grund für den Widerruf der Bestellung ausscheidet (Kort in Großkomm.z.AktG, 5. Aufl., § 84 Rn. 166).
Offenbar unsachlich ist ein willkürlicher, haltloser oder wegen des damit verfolgten Zwecks sittenwidriger, treuwidriger oder sonstwie rechtswidriger Entzug des Vertrauens (BGH, Urteil vom 3. Juli 1975 - II ZR 35/73, WM 1975, 787, 789; Urteil vom 7. Juni 1956 - II ZR 221/55, WM 1956, 1182 unter IV; Urteil vom 28. April 1954 - II ZR 211/53, BGHZ 13, 188, 193; vgl. auch ÖOGH, AG 1999, 140, 141). Selbst wenn die konkret behaupteten "Verfehlungen" - keine Nennung der anderen Kanzlei in der Bewerbung als Partner für die Rechtsberatung entgegen einem Vorstandsbeschluss, Veranlassen des Einscannens der Unterschrift des Geschäftsführers der Tochtergesellschaft ohne dessen Zustimmung - widerlegt wären, wäre der Vertrauensentzug schon dann nicht willkürlich, wenn die Hauptversammlung ohne Willkür davon ausgehen durfte, dass sie zutreffen. Darüber hinaus kann auch allein das vom Kläger selbst geschilderte Verhalten einen sachlichen Grund für den Beschluss über den Vertrauensentzug abgeben, etwa weil daraus Bedenken gegen die künftige vertrauensvolle und kollegiale Zusammenarbeit des Klägers mit den übrigen Vorstandsmitgliedern, leitenden Mitarbeitern oder dem Aufsichtsrat entstehen. Dass der Anlass für den Vertrauensentzug eine Pflichtwidrigkeit ist, die nicht beweisbar ist, macht ihn nicht rechtsmissbräuchlich und offenbar unsachlich (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 1975 - II ZR 35/73, WM 1975, 787, 789).
2. Zu Unrecht sieht das Berufungsgericht auch in der fehlenden Begründung des Hauptversammlungsbeschlusses einen Anhaltspunkt für Willkür. Der Hauptversammlungsbeschluss, mit dem einem Vorstandsmitglied das Vertrauen entzogen wird, muss nicht konkret begründet werden (Hüffer/Koch, AktG, 12. Aufl., § 84 Rn. 37; MünchKommAktG/Spindler, 4. Aufl., § 84 Rn. 137; Hölters/Weber, AktG, 2. Aufl., § 84 Rn. 76; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl., § 84 Rn. 127; Fleischer in Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl., § 84 Rn. 109; Seibt in K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl., § 84 Rn. 50; Tschöpe/Wortmann, NZG 2009, 161, 166; ÖOGH, AG 1999, 140, 141; einschränkend - Begründung "angebracht" - Kort in Großkomm.z.AktG, 5. Aufl., § 84 Rn. 166; aA - bei Beschlussvorschlag der Verwaltung - Mielke, BB 2014, 1035, 1037). Ein Hauptversammlungsbeschluss bedarf grundsätzlich keiner Begründung. Bei einem Mehrheitsbeschluss, bei dem die Gründe vielfältig sein können, ist sie auch gar nicht immer möglich. Für den Beschluss, mit dem einem Vorstandsmitglied das Vertrauen entzogen wird, gelten insoweit keine Besonderheiten. Dass die Hauptversammlung das Vertrauen in das Vorstandsmitglied verloren hat, ist mit der Protokollierung des Hauptversammlungsbeschlusses dokumentiert.
Eine Begründung des Hauptversammlungsbeschlusses ist auch nicht zum Schutz des Vorstandsmitglieds erforderlich, weil es sonst möglicherweise die Gründe nicht überprüfen und sich nicht gegen die Abberufung wehren könnte. Dass eine Überprüfung anhand einer Begründung möglich ist, wird im Gesetz gerade nicht vorausgesetzt. § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG verlangt "offenbar" unsachliche Gründe, also dass die Unsachlichkeit auf der Hand liegt und sich nicht erst bei der Überprüfung einer - möglicherweise auch nur vorgeschobenen (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 1954 - II ZR 211/53, BGHZ 13, 188, 196) - Begründung ergibt. Hinzu kommt, dass der Aufsichtsrat in eigener Verantwortung beschließt, ob er nach einem Vertrauensentzug in der Hauptversammlung die Bestellung widerruft (BGH, Urteil vom 28. April 1954 - II ZR 211/53, BGHZ 13, 188, 193). Dazu muss er auch überprüfen, ob offenbar unsachliche Gründe vorliegen. Ob die Aktiengesellschaft, insbesondere eine Einpersonen-Aktiengesellschaft, im Rahmen der sekundären Darlegungslast verpflichtet ist, etwa vorhandene Gründe für den Vertrauensentzug zu offenbaren und eine Begründung nachträglich abzugeben, kann hier dahinstehen, weil die Beklagte im Prozess Gründe benannt hat.
3. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht die Wirksamkeit des Widerrufs der Bestellung auch an der fehlenden Anhörung des Klägers durch den Aufsichtsrat scheitern lassen. Die Anhörung des Vorstandsmitglieds ist grundsätzlich keine Wirksamkeitsvoraussetzung des Widerrufs (Fleischer in Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl., § 84 Rn. 126; MünchKommAktG/Spindler, 4. Aufl., § 84 Rn. 122; Kort in Großkomm.z.AktG, 5. Aufl., § 84 Rn. 131; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl., § 84 Rn. 112; Hölters/Weber, AktG, 2. Aufl., § 84 Rn. 78; Tschöpe/Wortmann, NZG 2009, 161, 163; Schmolke, AG 2014, 377, 386). Eine Anhörung wird in der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung bei einer sogenannten Verdachtskündigung als prozedurale Wirksamkeitsvoraussetzung verlangt (BAG, NJW 2008, 1097; NZA 2013, 371). Auch der Senat hat im Zusammenhang mit der Unverzüglichkeit von Kündigungen bei Verdachtskündigungen einen Aufschub wegen der dann notwendigen Anhörung des Betroffenen für notwendig erachtet (BGH, Urteil vom 9. April 2013 - II ZR 273/11, ZIP 2013, 971 Rn. 15; Urteil vom 2. Juli 1984 - II ZR 16/84, ZIP 1984, 1113, 1114; Urteil vom 24. November 1975 - II ZR 104/73, WM 1976, 77, 78). Ob die für die GmbH und die Kündigung des Dienstvertrags entwickelte Rechtsprechung auch hinsichtlich einer Anhörung des betroffenen Vorstandsmitglieds entsprechend auf die sogenannte Verdachtsabberufung anzuwenden ist (so Fleischer in Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl., § 84 Rn. 112a; Hölters/Weber, AktG, 2. Aufl., § 84 Rn. 78; Grigoleit/Vedder, AktG, § 84 Rn. 36; Fleischer, AG 2006, 429, 439; Tschöpe/Wortmann, NZG 2009, 161, 163; Schmolke, AG 2014, 377, 386), kann offen bleiben. Eine Verdachtsabberufung liegt nicht vor. Abberufungsgrund ist - neben einem nach Auffassung der Vorinstanzen nicht erwiesenen pflichtwidrigen Verhalten des Klägers - der Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung, nicht der Verdacht einer Straftat oder einer Pflichtwidrigkeit.
III. Das Urteil erweist sich entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Der Kläger hat im Revisionsverfahren vorgebracht, der Widerruf der Bestellung sei wegen eines Fehlverhaltens des Aufsichtsrats bei der Vorbereitung und Fassung des Beschlusses über seine Abberufung unwirksam, weil der Aufsichtsrat nicht geprüft habe, ob der Entzug des Vertrauens durch die Hauptversammlung der Beklagten aus offenbar unsachlichen Gründen erfolgt sei. Er sei über die dem Vertrauensentzug zu Grunde liegenden Vorgänge nicht unterrichtet worden und habe von dem ihm eingeräumten Ermessen keinen Gebrauch gemacht, so dass der Beschluss über den Widerruf der Bestellung an einem zur Nichtigkeit führenden Mangel leide.
Im Revisionsverfahren ist neues Parteivorbringen grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (§ 559 Abs. 1 ZPO). Der Vortrag ist neu. Er ist entgegen der Revisionserwiderung nicht bereits dadurch in erster Instanz gehalten worden, dass der Kläger dort die vom Aufsichtsratsvorsitzenden unterzeichnete Niederschrift über die Aufsichtsratssitzung zum Widerruf seiner Bestellung als Anlage zur Klage vorgelegt hat. Die Vorlage einer Anlage ersetzt regelmäßig keinen ausdrücklichen Vortrag, zumal wenn darauf noch nicht einmal in einem Schriftsatz Bezug genommen wird. Schon allein deshalb bedarf es keiner Entscheidung dazu, ob aus dem behaupteten Vorgehen des Aufsichtsrats die Nichtigkeit des Abberufungsbeschlusses folgen oder der Beklagte sich darauf berufen kann.
IV. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung willkürlich war, weil der Hauptversammlungsbeschluss, wie der Kläger vorgetragen hat und was er beweisen müsste, nur dazu gedient hat, sich aufgrund der Koppelungsklausel "zum Nulltarif" von den Verpflichtungen ihm gegenüber befreien zu können, und ein sachlicher Grund dadurch vorgespiegelt wurde, dass die Vorwürfe wahrheitswidrig konstruiert wurden. Dem Kläger ist Gelegenheit zu weiterem Vortrag und zum Beweisantritt zu geben, weil das Berufungsgericht ebenso wie schon das Landgericht von seinem Rechtsstandpunkt aus genügen ließ, dass die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe nicht bewiesen werden konnten. Aus diesem Grund kann der Senat nicht von vorneherein ausschließen, dass noch weitere Feststellungen getroffen werden können.
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