Entscheidungsdatum: 11.07.2017
Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 22. April 2016 durch Beschluss gemäß § 552a ZPO auf Kosten der Klägerin zurückzuweisen.
Streitwert: 10.908,40 €
Zulassungsgründe liegen nicht vor, die Revision der Klägerin hat auch keine Aussicht auf Erfolg.
1. Zulassungsgründe liegen nicht vor. Weder hat der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats.
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann, wenn sie zweifelhaft ist, also über Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift Unklarheiten bestehen. Derartige Unklarheiten bestehen unter anderem dann, wenn die Rechtsfrage vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden ist und von einigen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird, oder wenn in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden (BGH, Beschluss vom 22. September 2015 - II ZR 310/14, ZIP 2016, 266 Rn. 3 mwN). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Klärungsbedürftige Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Rückforderung gewinnunabhängiger Auszahlungen an Kommanditisten hat der erkennende Senat mit seinem Urteil vom 12. März 2013 (II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222) geklärt. Weitere klärungsbedürftige Rechtsfragen stellen sich im vorliegenden Fall nicht. Der Umstand, dass eine einheitliche Entscheidung des Revisionsgerichts in mehreren denselben Sachverhalt betreffenden Parallelverfahren angestrebt wird, gibt der Sache keine allgemeine, mithin grundsätzliche Bedeutung (BGH, Beschluss vom 22. September 2015 - II ZR 310/14, ZIP 2016, 266 Rn. 5). Dies gilt auch dann, wenn es sich zwar um eine große Anzahl denselben Fonds betreffende Einzelverfahren handelt, es aber wie hier nicht ersichtlich ist, dass deren tatsächliches oder wirtschaftliches Gewicht Allgemeininteressen in besonderem Maße berührt (BGH, Beschluss vom 3. Februar 2015 - II ZR 52/14, juris Rn. 9 mwN).
Der vorliegende Fall gibt auch keine Veranlassung, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen. Hierzu besteht nur dann Anlass, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungsweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juli 2002 - V ZB 16/02, BGHZ 151, 221, 225). Die Voraussetzungen, unter denen gewinnunabhängige Auszahlungen an Kommanditisten von der Gesellschaft zurückgefordert werden können, hat der erkennende Senat mit seinem Urteil vom 12. März 2013 (II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222) umschrieben. Vorliegend geht es nur noch um die Anwendung dieser Grundsätze auf den konkreten Einzelfall. Dass im vorliegenden Fall eine Zulassung zur Fortbildung des Rechts geboten sein könnte, ist ebenfalls nicht zu erkennen.
2. Die Revision hat keine Aussicht auf Erfolg. Zu Recht hat das Berufungsgericht einen Anspruch der KG MS "S. G. " O. Reederei GmbH & Co. (im Folgenden: Fondsgesellschaft) auf Rückzahlung von an die Kommanditisten geleisteten Auszahlungen verneint. Die Auslegung des Berufungsgerichts, durch die gewinnunabhängigen Ausschüttungen aus der Liquidität an die Gesellschafter würden keine Darlehensverbindlichkeiten der Gesellschafter begründet, ist aus revisionsrechtlicher Sicht für den vorliegend zu beurteilenden Gesellschaftsvertrag nicht zu beanstanden.
a) Diese Feststellung kann der Senat selbst treffen, weil Gesellschaftsverträge von Publikumsgesellschaften nach ihrem objektiven Erklärungsbefund nur anhand des schriftlichen Vertrags auszulegen sind. Die Vorstellungen und der Wille der Gründungsgesellschafter, die in dem Gesellschaftsvertrag keinen Niederschlag gefunden haben, sind nicht zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 16. Februar 2016 - II ZR 348/14, ZIP 2016, 518 Rn. 13; Urteil vom 12. März 2013 - II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222 Rn. 13).
Nach der Rechtsprechung des Senats unterliegen die Regelungen in Gesellschaftsverträgen von Publikumsgesellschaften unabhängig davon, ob die Bereichsausnahme des § 310 Abs. 4 BGB eingreift, einer ähnlichen Auslegung und Inhaltskontrolle wie Allgemeine Geschäftsbedingungen. Hieraus folgt in Anlehnung an § 305c Abs. 2 BGB, dass Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders gehen (BGH, Urteil vom 16. Februar 2016 - II ZR 348/14, ZIP 2016, 518 Rn. 14; Urteil vom 12. März 2013 - II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222 Rn. 14).
Für den einer Publikumspersonengesellschaft beitretenden Gesellschafter müssen sich die mit dem Beitritt verbundenen, nicht unmittelbar aus dem Gesetz folgenden Rechte und Pflichten aus dem Gesellschaftsvertrag klar ergeben. Denn die erst nach Abschluss des Gesellschaftsvertrags beitretenden Kommanditisten müssen sich darauf verlassen können, nur solche Leistungen erbringen zu müssen, die dem Vertragstext unmissverständlich zu entnehmen sind (BGH, Urteil vom 16. Februar 2016 - II ZR 348/14, ZIP 2016, 518 Rn. 14; Urteil vom 12. März 2013 - II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222 Rn. 14).
b) Der Gesellschaftsvertrag der Fondsgesellschaft (im Weiteren: GV) enthält unter anderem folgende Regelungen:
"§ 12 - Gewinn- und Verlustverteilung, Ausschüttungen
(...)
4. Liquiditätsausschüttungen an die Gesellschafter - auch im Wege einer Darlehensgewährung - dürfen nur dann vorgenommen werden, wenn keine Kapitaldienstleistungsrückstände hinsichtlich der langfristigen Investitionsfinanzierung bestehen und der Ausgleich der laufenden Betriebskosten sowie der Kapitaldienstraten auf die Schiffshypothekendarlehen für das laufende Geschäftsjahr gesichert sind und bankseitig diesen Zahlungen zugestimmt worden ist.
Über die Verwendung von Liquiditätsüberschüssen entscheidet auf Vorschlag der persönlich haftenden Gesellschafterin der Beirat, sofern nicht die Gesellschafterversammlung entsprechende Beschlüsse faßt. Liquiditätsausschüttungen erfolgen im Verhältnis der Festeinlagen der Gesellschafter untereinander. Solange Verlustsonderkonten bestehen, stellen Liquiditätsausschüttungen Darlehen an die Gesellschafter dar.
(...)
§ 15 - Jahresabschluß, Konten der Gesellschaft
(...)
2. Für jeden Gesellschafter werden neben einem festen Kapitalkonto (I) ein weiteres Kapitalkonto (II) sowie ein Ergebnissonderkonto geführt.
a) Auf dem Kapitalkonto (I) werden die Kommanditeinlagen gebucht.
b) Auf dem Kapitalkonto (II) wird das Agio gebucht.
c) Auf dem Ergebnissonderkonto werden die Verluste gebucht, auch soweit diese das feste Kapitalkonto (I) übersteigen. Gewinne werden ebenfalls auf dem Ergebnissonderkonto gutgebracht. Ein Saldo auf dem Ergebnissonderkonto begründet keine Nachschußverpflichtung der Kommanditisten.
Liquiditätsausschüttungen sind auf gesonderten unverzinslichen Darlehenskonten der Gesellschafter zu erfassen."
c) Dem Gesellschaftsvertrag der Fondsgesellschaft lässt sich bei der gebotenen objektiven Auslegung nach Wortlaut, Zusammenhang und Zweck aus der Sicht eines verständigen Publikumspersonengesellschafters nicht klar und unmissverständlich entnehmen, dass die an die Kommanditisten bewirkten gewinnunabhängigen Ausschüttungen aus der Liquidität den Kommanditisten als Darlehen der Fondsgesellschaft zur Verfügung gestellt worden sind. Ein Darlehensrückzahlungsanspruch besteht daher nicht.
aa) Die Gesamtregelung ist unklar, weil nach § 12 Abs. 4 Satz 1 GV nicht jede Liquiditätsausschüttung ein Darlehen sein sollte, sondern nur bzw. auch ein Darlehen sein konnte. Als einzige im Gesellschaftsvertrag geregelte Voraussetzung, wann Liquiditätsausschüttung Darlehen an die Gesellschafter darstellen sollten, wird in § 12 Nr. 4 Abs. 2 Satz 3 GV bestimmt: "solange Verlustsonderkonten bestehen". Das im Gesellschaftsvertrag dargestellte Kontensystem der Klägerin sieht jedoch keine mit Verlustsonderkonten bezeichneten Gesellschafterkonten vor.
Der Umstand, dass nach § 15 Abs. 2 aE GV Liquiditätsausschüttungen auf gesonderten unverzinslichen Darlehenskonten der Gesellschafter zu erfassen sind, spricht angesichts der Ambivalenz von Buchungen auf Darlehenskonten der Gesellschafter - selbst isoliert betrachtet - nicht eindeutig für ein Darlehen der Gesellschaft an ihre Gesellschafter (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 2013 - II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222 Rn. 17 ff.).
Letztlich hat das Berufungsgericht zu Recht berücksichtigt, dass es nach der Senatsrechtsprechung naheliegend gewesen wäre, im Gesellschaftsvertrag die Voraussetzungen zu regeln, unter denen der Gesellschafter zur Rückzahlung der Ausschüttungen an die Gesellschaft verpflichtet sein sollte, wenn die Auszahlungen unter dem Vorbehalt einer Rückforderung hätten stehen sollen (BGH, Urteil vom 12. März 2013 - II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222 Rn. 23).
bb) Der Hinweis der Revision darauf, die Rückzahlungsansprüche gegen die Kommanditisten seien in den Jahresabschlüssen der Klägerin auf der Aktivseite ausgewiesen, vermag an diesem Auslegungsergebnis nichts zu ändern. Für den einer Publikumspersonengesellschaft beitretenden Gesellschafter müssen sich die mit dem Beitritt verbundenen, nicht unmittelbar aus dem Gesetz folgenden Rechte und Pflichten aus dem Gesellschaftsvertrag klar ergeben (BGH, Urteil vom 12. März 2013 - II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222 Rn. 14). Denn die erst nach Abschluss des Gesellschaftsvertrags beitretenden Kommanditisten müssen sich darauf verlassen können, nur solche Leistungen erbringen zu müssen, die dem Vertragstext unmissverständlich zu entnehmen sind (BGH, Urteil vom 16. Februar 2016 - II ZR 348/14, ZIP 2016, 518 Rn. 15). Ist das hinsichtlich der hier eingeforderten Rückzahlung von Ausschüttungen nicht der Fall, kann dieses zutreffende Auslegungsergebnis nicht nachträglich durch eine vom Gesellschaftsvertrag abweichende Handhabung seitens der Gesellschaft verändert werden.
d) Entgegen der Auffassung der Revision hat der Beklagte den gegen ihn geltend gemachten vermeintlichen Darlehensanspruch nicht anerkannt, so dass er nicht mit Einwendungen ausgeschlossen ist.
Allerdings kann der Feststellung einer Bilanz, die diese jedenfalls im Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter für verbindlich erklärt, für darin ausgewiesene Forderungen gegen den Gesellschafter die Wirkung eines zivilrechtlich verbindlichen Schuldanerkenntnisses zukommen (BGH, Urteil vom 15. März 2011 - II ZR 301/09, ZIP 2011, 858 Rn. 7; Urteil vom 2. März 2009 - II ZR 264/07, ZIP 2009, 1111 Rn. 15; Urteil vom 9. Februar 2009 - II ZR 292/07, BGHZ 179, 344 Rn. 50 - Sanitary). Ob es sich um ein konstitutives oder um ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis handelt, beurteilt sich nach den Umständen im Einzelfall (BGH, Urteil vom 15. März 2011 - II ZR 301/09, ZIP 2011, 858 Rn. 7; Urteil vom 2. März 2009 - II ZR 264/07, ZIP 2009, 1111 Rn. 15). Dies gilt auch bei Personengesellschaften (BGH, Urteil vom 2. März 2009 - II ZR 264/07, ZIP 2009, 1111 Rn. 15).
Es ist zweifelhaft, ob dieser Rechtsgedanke auf eine Publikumsgesellschaft übertragbar ist. Die Frage muss hier nicht entschieden werden. Ein Anerkenntnis des Beklagten kann jedenfalls bereits deshalb nicht angenommen werden, weil für ihn nicht erkennbar war, dass und in welcher Höhe die Bilanz der Fondsgesellschaft eine gegen ihn gerichtete Darlehensforderung ausweist. Im exemplarisch vorgelegten Jahresabschluss 2006 wird unter B. II. 3. lediglich ohne nähere Differenzierung aufgeführt: "Forderungen gegen Gesellschafter 6.052.539,78 EUR". In der beispielhaft vorgelegten Aufgliederung zur Bilanz 2012 finden sich zwar nähere Ausführungen zu Darlehenskonten der Kommanditisten. Der Beklagte wird dort jedoch weder namentlich genannt noch wird eine gegen ihn gerichtete Darlehensverbindlichkeit einzeln ausgewiesen. Unabhängig davon fehlt es an Vortrag zur Beteiligung des Beklagten bei der Beschlussfassung über die Feststellung der Jahresabschlüsse.
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