Entscheidungsdatum: 19.07.2011
Die Modalitäten der Bevollmächtigung eines Stimmrechtsvertreters und damit die Pflicht zur Anmeldung eines Bevollmächtigten fielen nicht unter die in der Einberufung anzugebenden Bedingungen der Teilnahme an der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft oder der Ausübung des Stimmrechts .
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 15. Juni 2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Die Kläger waren Aktionäre der beklagten Aktiengesellschaft. Sie nahmen an der Hauptversammlung im Jahr 2008 teil und erklärten gegen die gefassten Beschlüsse Widerspruch zur Niederschrift.
In der Einberufung zur Hauptversammlung heißt es unter „Teilnahme an der Hauptversammlung“:
Zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Ausübung des Stimmrechts sind gemäß § 17 der Satzung diejenigen Aktionäre berechtigt, die im Aktienregister eingetragen sind und sich spätestens am 26. Mai 2008 auf elektronischem Wege über die im Anschreiben an die eingetragenen Aktionäre genannte Internetseite beziehungsweise schriftlich bei folgender Adresse oder einer anderen von der Deutschen Bank AG im Zusammenhang mit der Unterrichtung über die Hauptversammlung genannten Adresse angemeldet haben:
Deutsche Bank AG
Aktionärsservice
Postfach 940003
69940 Mannheim
Aktionäre, die im Aktienregister eingetragen sind, können ihr Stimmrecht auch durch einen Bevollmächtigten, zum Beispiel ein Kreditinstitut oder eine Aktionärsvereinigung, ausüben lassen. In diesem Fall sind die Bevollmächtigten rechtzeitig anzumelden. Die schriftliche Vollmachterteilung kann auch per Telefax nachgewiesen werden. Die Deutsche Bank AG behält sich vor, im Einzelfall die Vorlage der Originalvollmacht zu verlangen.
Die Satzung der Beklagten bestimmt unter anderem:
§ 17 Abs. 1: Zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Ausübung des Stimmrechts sind diejenigen Aktionäre berechtigt, die im Aktienregister eingetragen sind und rechtzeitig angemeldet sind.
§ 18 Abs. 3: Das Stimmrecht kann durch Bevollmächtigte ausgeübt werden. Vollmachten, die nicht an ein anderes Kreditinstitut oder eine Aktionärsvereinigung erteilt werden, sind schriftlich oder auf einem von der Gesellschaft näher zu bestimmenden elektronischen Wege zu erteilen. Die Einzelheiten für die elektronische Vollmachtserteilung werden zusammen mit der Einberufung der Hauptversammlung in den Gesellschaftsblättern bekannt gemacht.
Die Kläger haben gegen die Beschlüsse der Hauptversammlung in unterschiedlichem Umfang Klage erhoben. Das Landgericht hat die Nichtigkeit der Beschlüsse über die Verwendung des Bilanzgewinns (Tagesordnungspunkt 2), über die Entlastung des Vorstands (Tagesordnungspunkt 3) und des Aufsichtsrats (Tagesordnungspunkt 4), jeweils für das Geschäftsjahr 2007, über die Wahl des Abschlussprüfers für das Geschäftsjahr 2008 (Tagesordnungspunkt 5), über die Wahl des Aufsichtsrats (Tagesordnungspunkt 9), über die Schaffung neuen genehmigten Kapitals (Tagesordnungspunkt 10) und über die Ermächtigung zur Ausgabe von Options- bzw. Wandelgenussscheinen sowie die Schaffung bedingten Kapitals (Tagesordnungspunkt 11) festgestellt. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten.
Über die Revision der Beklagten ist, soweit sie sich gegen die Entscheidung über den zu Tagesordnungspunkt 10 gefassten Beschluss richtet, gegen den sich nur der Kläger zu 4 und der ihm als Streithelfer beigetretene Kläger zu 1 gewandt haben, durch Versäumnisurteil zu entscheiden, das aber inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern einer sachlichen Prüfung des Antrags beruht (BGH, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81 f.). Die Kläger zu 1 und 4 waren trotz ordnungsgemäßer Ladung im Termin nicht vertreten. Hinsichtlich der weiteren angefochtenen Beschlüsse wurden die im Termin nicht vertretenen Kläger zu 1, 4 und 5 von den Klägern zu 2 und 3 vertreten (§ 62 Abs. 1 ZPO). Mehrere Kläger, die gegen denselben Beschluss Anfechtungsklage erhoben haben, sind prozessrechtlich notwendige Streitgenossen (BGH, Urteil vom 8. Februar 2011 - II ZR 206/08, ZIP 2011, 637 Rn. 15; Urteil vom 16. Februar 2009 - II ZR 185/07, BGHZ 180, 9 Rn. 55 - Kirch/Deutsche Bank; Urteil vom 5. April 1993 - II ZR 238/91, BGHZ 122, 211, 240).
Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht (OLG Frankfurt, ZIP 2010, 1390) hat ausgeführt, die Einladung zur Hauptversammlung habe die Teilnahmebedingungen fehlerhaft angegeben. Die Einladung verlange eine rechtzeitige Anmeldung der Bevollmächtigten. Das könne von einem durchschnittlichen Aktionär so verstanden werden, dass eine Bevollmächtigung nicht noch auf der Hauptversammlung bis zum Zeitpunkt der Abstimmung erteilt werden könne, sondern bis zum 26. Mai 2008 geschehen müsse. Die Formulierung in der Einladung sei daher geeignet gewesen, teilnahmewillige Aktionäre von der Hauptversammlung fernzuhalten. Nach § 241 Nr. 1 AktG (in der damals geltenden Fassung des Gesetzes vom 2. August 1994 [BGBl. I S. 1961]) in Verbindung mit § 121 Abs. 3 Satz 2 AktG (in der damals geltenden Fassung des Gesetzes vom 6. September 1965 [BGBl. I S. 1089]) führe das zur Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse. § 121 Abs. 3 Satz 2 AktG a.F. habe alle Modalitäten erfasst, die die Art und Weise oder die Form der Stimmrechtsausübung beträfen.
II. Das Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten sind nicht gemäß § 241 Nr. 1 AktG a.F. nichtig. Nach dieser Vorschrift war ein Beschluss nichtig, der in einer Hauptversammlung gefasst worden war, die unter Verstoß gegen § 121 Abs. 2 und 3 oder 4 AktG a.F. einberufen war. Die Einberufung der Hauptversammlung der Beklagten vom 29. Mai 2008 verstieß nicht gegen § 121 Abs. 3 AktG a.F., nach dessen Satz 2 die Einberufung unter anderem die Bedingungen angeben musste, von denen die Teilnahme an der Hauptversammlung und die Ausübung des Stimmrechts abhingen.
a) Die Einberufung zur Hauptversammlung 2008 der Beklagten verstieß allerdings hinsichtlich der Anforderungen an eine Bevollmächtigung gegen das Gesetz. Eine Anmeldepflicht für Bevollmächtigte sahen weder die Satzung der Beklagten noch das Gesetz vor. Die Anmeldung des Aktionärs genügte. Die Anmeldung des Aktionärs wirkt für den Vertreter wie umgekehrt die Anmeldung des Vertreters für den Aktionär (vgl. Rieckers in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 123 Rn. 10; Werner in Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 123 Rn. 59 und 60). Auch der Aktionär, der nur sich selbst angemeldet hat, kann sich in der Hauptversammlung durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen.
Nach dem Inhalt der Einberufung waren Bevollmächtigte rechtzeitig vor der Hauptversammlung anzumelden. Das Erfordernis einer rechtzeitigen Anmeldung bezog sich entgegen der Revision nicht nur auf eine Anmeldung des Bevollmächtigten „rechtzeitig“ bis zur Stimmabgabe. Ein solches Verständnis entkleidet nicht nur das Erfordernis der Rechtzeitigkeit jeglichen Sinns, sondern ihm steht auch der Textzusammenhang entgegen. Im vorangehenden Abschnitt der Einberufung war näher dargelegt, dass, auf welche Weise und bis zu welchem Zeitpunkt die Aktionäre sich anzumelden hatten. Der Leser musste das Erfordernis der Anmeldung eines Bevollmächtigten wie auch ihres Zeitpunkts auf diese Hinweise beziehen.
Dagegen ist der Formulierung, dass „die“ schriftliche Vollmachtserteilung auch per Telefaxschreiben nachgewiesen werden kann, nicht zu entnehmen, dass entgegen dem Gesetz in allen Fällen, auch für Kreditinstitute und Aktionärsvereinigungen (§ 135 Abs. 2 Satz 4 und Abs. 9 Satz 1 AktG in der damals geltenden Fassung des Gesetzes vom 18. Januar 2001 [BGBl. I S. 123]), eine schriftliche Vollmacht verlangt wurde. Damit wurde keine bestimmte Form der Vollmacht gefordert, sondern die Art und Weise ihres Nachweises bestimmt. Dem Wortlaut nach wird nur geregelt, dass die schriftlich erteilte Vollmacht auch per Telefaxschreiben und nicht nur durch Vorlage der Originalurkunde nachgewiesen werden konnte. Eine Aussage, dass jede Vollmacht schriftlich erteilt werden müsse, enthielt die Einberufung auch mit der Verwendung des bestimmten Artikels nicht. Auch mit der Verwendung des bestimmten Artikels wird nur jede schriftlich erteilte Vollmacht, nicht aber jede Vollmacht in Bezug genommen. Dass die Formulierung im räumlichen Zusammenhang mit den Vollmachten für Kreditinstitute und Aktionärsvereinigungen steht, verändert den Aussagegehalt nicht.
b) Die Modalitäten der Bevollmächtigung eines Stimmrechtsvertreters und damit die Pflicht zur Anmeldung eines Bevollmächtigten fallen aber nicht unter die nach § 121 Abs. 3 Satz 2 AktG a.F. anzugebenden Bedingungen der Teilnahme an der Hauptversammlung oder der Ausübung des Stimmrechts (KG, NZG 2009, 1389, 1390; OLG München, ZIP 2008, 2117, 2120).
Dem Wortlaut nach sind die Bedingungen, von denen die Teilnahme an der Hauptversammlung und die Ausübung des Stimmrechts abhängen, die Voraussetzungen der Teilnahme und der Ausübung des Stimmrechts durch den Aktionär selbst und nicht die Voraussetzungen der Bevollmächtigung und der Ausübung des Stimmrechts durch einen Bevollmächtigten. Nach dem Wortlaut von § 121 Abs. 3 AktG a.F. wurde nur die Angabe der Voraussetzungen verlangt, nicht aber auch der Art und Weise der Teilnahme und der Stimmrechtsausübung, zu der die Teilnahme und Stimmrechtsausübung durch einen Vertreter gehört. Der Zusammenhang der Vorschriften zur Einberufung stützt dieses Ergebnis. Die Regelung in § 121 Abs. 3 AktG a.F. zielte auf die Unterrichtung über etwaige Satzungsbestimmungen zur Anmeldung und der Legitimation des Aktionärs in der Versammlung nach § 123 Abs. 2 und 3 AktG (BGH, Urteil vom 25. September 1989 - II ZR 53/89, ZIP 1989, 1546, 1547; KG, NZG 2009, 1389, 1390; OLG München, ZIP 2008, 2117, 2120; Werner in Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 121 Rn. 57; Reger in Bürgers/Körber, AktG, § 121 Rn. 12; Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 121 Rn. 10). Teilweise wurden allerdings auch Satzungsbestimmungen zur Bevollmächtigung zu den Bedingungen der Stimmrechtsausübung gezählt (MünchKommAktG/Kubis, 2. Aufl., § 121 Rn. 40; Ziemons in K. Schmidt/Lutter, AktG, 1. Aufl., § 121 Rn. 37). Neben dem Wortlaut und dem Normzusammenhang spricht gegen ein solches Verständnis, dass die Pflicht zur Mitteilung der Möglichkeit einer Bevollmächtigung in § 125 Abs. 1 Satz 2, § 128 Abs. 1 AktG in der damals geltenden Fassung des Gesetzes vom 22. September 2005 (BGBl. I S. 2802) nicht eigens hätte geregelt werden müssen, wenn schon die Einberufung selbst diese Mitteilung hätte enthalten müssen. Nach § 125 Abs. 1 Satz 2 AktG a.F. hatte die Gesellschaft den Kreditinstituten und Aktionärsvereinigungen, die an der letzten Hauptversammlung als Bevollmächtigte teilgenommen hatten, die Einberufung der Hauptversammlung mitzuteilen und auf die Möglichkeiten der Ausübung des Stimmrechts durch einen Bevollmächtigten hinzuweisen. Diese Mitteilung hatte das Kreditinstitut oder die Aktionärsvereinigung wiederum nach § 128 Abs. 1 AktG a.F. an die Aktionäre, deren Aktien sie verwahrte oder für deren Namensaktien sie im Aktienregister eingetragen war, weiterzugeben. Wenn Informationen zur Stimmrechtsvollmacht schon in der Einberufung hätten enthalten sein müssen, wäre jedenfalls die Verpflichtung zur Weitergabe der Information über die Möglichkeiten zur Ausübung des Stimmrechts durch Bevollmächtigte an die Aktionäre überflüssig gewesen.
2. Die angefochtenen Beschlüsse sind wegen des Einladungsmangels nicht für nichtig zu erklären (§ 243 Abs. 1, § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG).
a) Verstößt die Einberufung gegen Gesetz oder Satzung, ohne dass ein Nichtigkeitsgrund nach § 241 Nr. 1 AktG vorliegt, sind die auf der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse für nichtig zu erklären, wenn der Mangel für die Entscheidung eines objektiv urteilenden Aktionärs relevant ist (§ 243 Abs. 1 AktG).
b) Der Einberufungsmangel ist aber nicht innerhalb der einmonatigen Anfechtungsfrist (§ 246 Abs. 1 AktG) geltend gemacht worden. Anfechtungsgründe sind nur zu berücksichtigen, wenn sie mit der Klage innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung geltend gemacht werden (BGH, Urteil vom 8. Februar 2011 - II ZR 206/08, ZIP 2011, 637 Rn. 12; Urteil vom 26. September 1994 - II ZR 236/93, ZIP 1994, 1857, 1858; Urteil vom 5. April 1993 - II ZR 238/91, BGHZ 122, 211, 240; Urteil vom 23. Mai 1960 - II ZR 89/58, BGHZ 32, 318, 321). Die Hauptversammlung der Beklagten war am 29. Mai 2008, so dass die einmonatige Anfechtungsfrist am Montag, 30. Juni 2008, ablief. Die Klage der früheren Klägerin zu 6, die als erste einen Einladungsmangel geltend gemacht hat, ist als Nichtigkeitsklage am 2. Juli 2008 nach Ablauf der Klagefrist eingegangen. Die übrigen Kläger haben sich erst im weiteren Verlauf des Verfahrens auf einen Einberufungsmangel berufen.
III. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 und 3 ZPO). Die von den Klägern innerhalb der Anfechtungsfrist vorgetragenen sonstigen Anfechtungsgründe entziehen sich einer revisionsrechtlichen Beurteilung, weil das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - dazu keine Feststellungen getroffen hat.
Bergmann Strohn Reichart
Drescher Born