Entscheidungsdatum: 17.11.2015
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten zu 1 wird der Beschluss des 4. Zivilsenats des Kammergerichts vom 17. Juli 2014 insoweit aufgehoben, als dort die übrigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin und die Gerichtsgebühren dem Beklagten zu 1 zu 49 % und dem Beklagten zu 8 zu 51 % auferlegt worden sind. In diesem Umfang wird der Antrag des Beklagten zu 8 vom 7. Mai 2014 auf Berichtigung der Kostengrundentscheidung im Urteil des 4. Zivilsenats des Kammergerichts vom 3. April 2014 zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens werden dem Beklagten zu 8 auferlegt.
Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens: 3.766,54 €
I. Der Beklagte zu 1 und Rechtsbeschwerdeführer und der Beklagte zu 8 sind neben weiteren Personen Gesellschafter eines geschlossenen Immobilienfonds und als solche neben diesen weiteren Gesellschaftern von der Klägerin wegen Forderungen aus drei Darlehensverträgen, die der Fonds mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin abgeschlossen hatte, quotal in Anspruch genommen worden. Das Landgericht hat alle beklagten Gesellschafter antragsgemäß verurteilt, den Beklagten zu 1 zur Zahlung von 207.722,90 €, den Beklagten zu 8 zu 434.516,99 €.
Gegen das landgerichtliche Urteil haben nur der Beklagte zu 1 und der Beklagte zu 8 Berufung eingelegt, der Beklagte zu 8 jedoch nur insoweit, als er zu einer Zahlung von mehr als 217.258,49 € verurteilt worden war. Der Beklagte zu 8 hat seine Berufung nach Begründung des Rechtsmittels, aber vor dem ersten Termin zur mündlichen Verhandlung zurückgenommen.
Die Berufung des Beklagten zu 1 ist durch Urteil vom 3. April 2014 als unzulässig verworfen worden, da der für den Beklagten zu 1 auftretende Rechtsanwalt H. seine Bevollmächtigung nicht nachweisen konnte. Der Tenor lautet im Übrigen:
"Rechtsanwalt H. hat die Kosten zu tragen, die der Klägerin infolge seiner einstweiligen Zulassung erwachsen sind.
Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu 1 die Terminsgebühr des Prozessbevollmächtigten der Klägerin nebst anteiliger Umsatzsteuer zu tragen. Die übrigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin und die Gerichtsgebühren haben der Beklagte zu 1 zu 1/3 und der Beklagte zu 8 zu 2/3 zu tragen. Ihre eigenen außergerichtlichen Kosten tragen die Beklagten zu 1 und 8 selbst."
Mit Beschluss vom selben Tag hat das Berufungsgericht den Streitwert für die Terminsgebühr der Prozessbevollmächtigten auf 207.722,90 € (= erstinstanzlicher Verurteilungsbetrag des Beklagten zu 1) festgesetzt, während es den Streitwert für das Berufungsverfahren insgesamt auf 642.239,89 € festgesetzt hat, wobei es zu dem erstinstanzlichen Verurteilungsbetrag des Beklagten zu 1 den des Beklagten zu 8 in Höhe von 434.516,99 € in voller Höhe addiert hat.
Der Beklagte zu 1 hat gegen das ihm persönlich am 3. Mai 2014 zugestellte Urteil am 5. Juni 2014 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, die er mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2014 zurückgenommen hat.
Der Beklagte zu 8, dem das Urteil am 2. Mai 2014 zugestellt worden ist, hat mit Schriftsatz vom 7. Mai 2014 Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung eingelegt und die Berichtigung der Kostenentscheidung nach § 319 ZPO begehrt, da die Kostenentscheidung - ausgehend von der von ihm erstrebten Streitwertfestsetzung - unzutreffend sei.
Mit Beschluss vom 15. Juli 2014 hat das Berufungsgericht den Streitwert in Abänderung des Beschlusses vom 3. April 2014 dahin festgesetzt, dass der Streitwert für das Berufungsverfahren 424.981,40 € beträgt, wobei 207.722,90 € auf die Berufung des Beklagten zu 1 und 217.258,50 € auf die Berufung des Beklagten zu 8 entfallen. Es hat sodann mit dem angefochtenen Beschluss vom 17. Juli 2014 in entsprechender Anwendung des § 319 ZPO die Kostenentscheidung des am 3. April 2014 verkündeten Urteils unter Berücksichtigung des geänderten Streitwerts wie folgt berichtigt:
"Rechtsanwalt H. hat die Kosten zu tragen, die der Klägerin infolge seiner einstweiligen Zulassung erwachsen sind.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu 1 die Terminsgebühr des Prozessbevollmächtigten der Klägerin nebst anteiliger Umsatzsteuer zu tragen. Die übrigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin und die Gerichtsgebühren haben der Beklagte zu 1 zu 49/100 und der Beklagte zu 8 zu 51/100 zu tragen."
Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Beklagten zu 1.
II. Die statthafte (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässige (§ 575 ZPO) Rechtsbeschwerde des Beklagten zu 1 hat in der Sache Erfolg.
1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Eine Berichtigung der Kostenentscheidung sei in analoger Anwendung von § 319 Abs. 1 ZPO zulässig, da zum einen das Verfahren im Gegensatz zu dem Sachverhalt, der dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 30. Juli 2008 (II ZB 40/07, AnwBl. 2008, 794 ff.) zugrunde gelegen habe, nicht rechtskräftig abgeschlossen sei, weil der Beklagte zu 1 gegen das Urteil vom 3. April 2014 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt habe. Für den Fall des nicht rechtskräftigen Abschlusses des Verfahrens habe der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung (BGH, Beschluss vom 30. Juli 2008 - II ZB 40/07, AnwBl. 2008, 794 Rn. 21) durch Verweis auf eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH, Beschluss vom 13. Dezember 2000 - IV B 33/00, juris) darauf hingewiesen, dass dieser Fall anders zu beurteilen sei als der von ihm entschiedene. Der Bundesfinanzhof habe sich in der Lage gesehen, im Fall der noch nicht rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens die durch Änderung des Streitwerts entstehende Unrichtigkeit der Kostenentscheidung zu berichtigen.
Darüber hinaus sei im vorliegenden Fall zu beachten, dass der Beklagte zu 8 im weiteren Verfahren nach der Rücknahme seines Rechtsmittels keine Möglichkeit gehabt habe, eine Festsetzung des Streitwerts, die zu seinen Lasten unzutreffend war, zu beeinflussen oder zu verhindern. Die Ablehnung einer analogen Anwendung des § 319 Abs. 1 ZPO nehme dem Beklagten zu 8 jede Möglichkeit, eine Korrektur der Kostengrundentscheidung zu erreichen.
2. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Eine infolge Streitwertänderung (rechnerisch) unrichtig (gewordene) Kostengrundentscheidung kann auch in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem der Rechtsstreit zwar noch nicht rechtskräftig entschieden, die Sache aber nicht mehr beim Berufungsgericht anhängig ist, vom Berufungsgericht nicht in entsprechender Anwendung von § 319 Abs. 1 ZPO geändert werden.
a) Das Berufungsgericht hat zutreffend gesehen, dass der Senat bereits mit Beschluss vom 30. Juli 2008 (II ZB 40/07, AnwBl. 2008, 794 Rn. 15 ff.) entschieden hat, dass eine analoge Anwendung des § 319 Abs. 1 ZPO in Fällen wie dem vorliegenden, in denen es an einer offenbaren Unrichtigkeit im Sinne einer versehentlichen Abweichung des vom Gericht Erklärten von dem von ihm Gewollten fehlt, nicht in Betracht kommt. Die Kostenentscheidung sollte auf der Grundlage des zum Zeitpunkt der Entscheidung festgesetzten Streitwerts nach dem Willen des Berufungsgerichts gerade so, wie sie ergangen ist, ergehen. Sie wird erst "unrichtig", wenn der Streitwert nachträglich geändert wird.
Eine analoge Anwendung des § 319 Abs. 1 ZPO kommt nicht in Betracht, weil deren Voraussetzungen nicht vorliegen. Eine planwidrige Regelungslücke, die eine analoge Anwendung von § 319 Abs. 1 ZPO bei der vorliegenden Fallgestaltung rechtfertigen würde, liegt nicht vor. Eine analoge Anwendung des § 319 Abs. 1 ZPO würde vielmehr zu einer im Gesetz ausdrücklich nicht vorgesehenen isolierten "Anfechtbarkeit" der Kostengrundentscheidung führen, wie der Senat in der Entscheidung vom 30. Juli 2008 (II ZB 40/07, AnwBl. 2008, 794 Rn. 15 ff.) im Einzelnen ausgeführt hat.
b) Auch die vorliegende Fallkonstellation gibt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keine Veranlassung zu einer anderen Beurteilung. Das Berufungsgericht war nicht deshalb zur Abänderung der Kostengrundentscheidung befugt, weil der Rechtsstreit im Hinblick auf die von dem Beklagten zu 1 eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde im Zeitpunkt der Beschlussfassung noch nicht rechtskräftig entschieden war.
aa) Die Rechtsprechung, die eine Abänderung der Kostenentscheidung durch das Rechtsmittelgericht bejaht (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 26. Januar 2012 - IX ZB 111/10, ZIP 2012, 437 Rn. 10 mwN), steht der Ablehnung der analogen Anwendung des § 319 Abs. 1 ZPO im vorliegenden Fall nicht entgegen. Damit nimmt das Rechtsmittelgericht lediglich eine Entscheidungskompetenz für sich in Anspruch, die ihm vor rechtskräftigem Abschluss des Rechtsstreits zukommt. Ob diese Entscheidungskompetenz auch dann besteht, wenn das Rechtsmittelgericht die Nichtzulassungsbeschwerde zurückweist (s. dazu BFH, Beschluss vom 13. Dezember 2000 - IV B 33/00, juris; BFH, Beschluss vom 2. Oktober 2014 - VI B 52/14, juris Rn. 1, 7, 11 einerseits; BGH, Beschluss vom 28. März 2006 - XI ZR 388/04, NJWRR 2006, 1508 andererseits), braucht der Senat im Streitfall nicht zu entscheiden. Denn der Beklagte zu 8 hat keine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und der Beklagte zu 1 hat sie zurückgenommen.
bb) Soweit das Berufungsgericht meint, von dem in § 318 ZPO niedergelegten Grundsatz der innerprozessualen Bindung deshalb abweichen zu können, weil es anderenfalls für eine Partei ohne Rechtsmittel keine Korrekturmöglichkeit gebe, rechtfertigt dies eine Abänderung der Kostenentscheidung in analoger Anwendung von § 319 Abs. 1 ZPO ebenfalls nicht. Der mit dem Ergebnis auch des vorliegenden Falls verbundene Wertungswiderspruch zwischen der Abänderbarkeit des Streitwerts und der mangelnden Möglichkeit, die Kostengrundentscheidung dem geänderten Streitwert anzupassen, kann, worauf der Senat bereits im Beschluss vom 30. Juli 2008 (II ZB 40/07, AnwBl. 2008, 794 Rn. 20) hingewiesen hat, rechtlich nur durch ein Eingreifen des Gesetzgebers, dem die Problematik seit Langem bekannt ist, beseitigt werden.
Bergmann Strohn Caliebe
Reichart Sunder